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Achtzehntes Kapitel.

Wohlhäbig und breit steht das Haus Ivos da, einsam inmitten wohlgebauter Felder, zwei mächtige Scheunen und ein großer Schafstall zeigen, daß hier größere Wirtschaft betrieben wird.

Vor Jahrzehnten schon hat Ivo die Sägmühle verlassen und unter Beihilfe des getreuen Nazi das große Anwesen von einem Auswanderer gekauft; er hat mit unermüdlichem Fleiß und großer Umsicht den Ertrag des Gutes erhöht, einen Wald in Feld und ein weites Stück Sumpfland in die beste Wiese verwandelt; es ist ihm gelungen, das Gut schuldenfrei zu machen, und mit Behagen schaut sich's aus dem Hause über den Titisee nach dem Feldberg.

Bei aller Feldarbeit, wobei er selber tapfer mit Hand anlegte, ist Ivo doch seinen Studien nicht untreu geworden, die er allerdings vom Himmel auf die Erde verpflanzt hat, denn in der Bücherei des Zimmers im obern Stock – das die Buchstube genannt wird – sind landwirtschaftliche Werke vorherrschend, aber auch ein Klavier ist da zu sehen, über welchem ein Waldhorn hängt. und auf dem runden Tisch in der Mitte des Zimmers liegen Zeitungen.

An diesem Morgen war die Thüre nach dem Söller offen, und an dem Klavier saß ein Mädchen mit großen, wunderbar hellen, blauen Augen und las in einem Briefe; sie hatte den Brief offenbar schon mehrmals gelesen, denn sie ging über viele Zeilen weg und las besonders:

»Ja, liebe Ignazia, ich schreibe dir, weil ich's versprochen habe, denn dir zu raten wage ich nicht. Es ist wahr, es ist Stolz dabei, aber auch Offenherzigkeit, daß er will, du sollest gleich wissen, er kommt als Freier um dich. Er ist ein gar ordentlicher Mensch und hat nichts von der amerikanischen Großprahlerei. Manchmal ist er ungeschickt und stockig und dann wieder flink und aufgeweckt. Er hat hier geholfen, ein Haus zimmern und aufrichten und wie ich ihm sage: das wird meinen Vater freuen, wenn er's hört – da ist er ganz schön geworden, wirklich schön; er sieht sonst nicht zum Verlieben aus, ist aber gut gewachsen und wie ich dir sage, sein ganzes Gesicht hat geglänzt und er sagt: Vom Ivo gelobt werden, das wär' mir das Liebste in ganz Europa. Also, liebe Schwester. Ich kann dir nur sagen, wenn er in meinen ledigen Tagen gekommen wär' und eh ich meinen Mann gekannt, ich hätte ihn genommen. Aber freilich du, du bist anders. Der Doktor ist dir zu jung, der Bezirksförster zu gesetzt und der Papierstofffabrikant zu bigott. Ich glaub', der Aloys hat keinen von diesen drei Hauptfehlern.« Die Leserin überschlug mehreres, dann las sie wieder: »es ist mir so, wie wenn er die weite Reise gemacht hätte, um zu unserm Vater zu wallfahrten; er verehrt ihn wie einen Heiligen, und es thut gar viel zu einer guten Ehe, wenn der Mann den Vater der Frau so hochhält. Liebe Schwester. Du bist soviel gescheiter als ich, aber –«

Das Mädchen steckte schnell den Brief ein und fast laut sagte sie vor sich hin: »Es ist doch eigentlich eine empörende Keckheit, da kommt ein Mann aus der weiten Welt, von dem man nichts gewußt hat, und sagt: ich will dich heiraten.«

Nicht von Bangen und Zagen, sondern von Empörung pochte ihr Herz und sie nahm sich nur vor, diese Empörung zu bemeistern und den Fremden mit kalter Höflichkeit abzulehnen.

Sie versuchte, Klavier zu spielen, stand aber bald auf und ging, die Arme über die Brust gekreuzt haltend, mit raschen Schritten durch das Zimmer. Sie war eine große und volle Gestalt, nicht just modisch, aber auch nicht in Bauerntracht gekleidet. Bei einer Wendung blieb sie vor dem Spiegel und das Gefallen, das jedermann an ihr haben mußte, schien auch ihr nicht fremd. Sie lächelte dem vollen Spiegelbilde zu und schob eine Ringellocke zurück, die sich über die hochgewölbte Stirne gelegt hatte.

»So? also du denkst doch: wie sehe ich aus und wie wird er mich ansehen?« sagte sie wie im Zorne zu sich und die feingeschnittenen Lippen verzogen sich ärgerlich.

Sie trat auf den Söller, gab einem Knechte die Anweisung, jetzt mit dem Fuhrwerk dem Vater entgegen zu fahren, dann setzte sie sich wieder an das Klavier, aber plötzlich brach sie ab, sie hörte eine fremde Stimme, die mit dem Knechte sprach.

Das ist er, sagte das Mädchen, ihr Busen wallte hoch, sie hielt eine Weile still, dann ging sie hinab.

»Ich heiße Aloys Schorer. Sie sind Fräulein Ignazia?« sagte der Fremde.

Sie verneigte sich, öffnete die Stube im Erdgeschoß und sagte: »Treten Sie ein.«


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