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Vom Hohenneuffen.

I.

Die zerklüfteten Felsen des Hohenneuffen, auf denen jetzt die großartigsten Ruinen der schwäbischen Alb stehen und die in grauer Vorzeit eine mächtige Volksburg trugen, dienten einst den Erdwichtelein als Wohnung. Das waren ganz kleine Leute, nur etwa eine halbe Elle lang: die Männlein hatten gelbe Hosen und rote Strümpfe an und einen langen Bart. Der Sage nach sollen sie einstens über die Menschen geherrscht haben und von ihnen abgöttisch verehrt worden sein: denn sie kannten die Kräfte der Wurzeln und Kräuter genau und taten den Menschen viel Gutes. Während des Sommers bis zum Spätherbst kamen sie aus ihren Klüften hervor zu den Leuten im Felde und halfen bei der Arbeit. Am liebsten aber arbeiteten sie für die Menschen bei Nacht, wenn es niemand sah. Es durfte zur Erntezeit nur jemand anfangen, abends ein Kornfeld zu schneiden und die Sichel liegen lassen, so war es am andern Morgen gewiß ganz abgeschnitten. Ein Bauer, der einmal spät auf die Wiese zum Heumähen ging, sah, wie drei Männlein die Sensen genommen hatten und wetterlich darauf losmähten. Als sie ihn aber erblickten, liefen sie davon. Nachts kamen sie oder auch ihre Weiblein in die letzten Häuser, die vor der Stadt Neuffen liegen, und taten alle Arbeit für die Menschen. Man durfte ihnen aber nichts dafür geben; auch sah man sie sehr selten. Alte Leute haben erzählt, daß sie aus dem Morgenlande zu uns gekommen seien und daß sie sich später wieder hätten dahin zurückziehen müssen. Warum? Das weiß man nicht; aber wahr muß es sein, denn gesehen hat man sie schon seit vielen Jahren nicht mehr.

(Nach Meier von N.)

II.

Als Burg und Festung auf dem Hohenneuffen noch bestand, fand man bei der zweiten Wache einen Eselsfuß als Wahr- und Denkzeichen aufgehängt. Die Veranlassung dazu soll folgende Begebenheit gewesen sein. Vor Zeiten wurde ein Esel zum Wassertragen gehalten, weil frisches Wasser auf der Festung fehlte. Einst aber wurde sie vom Feinde belagert und sieben Jahre lang so eng eingesperrt, daß die Belagerten in die bitterste Not kamen. Da fütterte man den Esel mit dem letzten Rest Dinkel so reichlich, daß er starb. Darauf wurde er sogleich geschlachtet und der wohlgefüllte Wanst über die Mauer hinabgeworfen. Als die Feinde, welche schon auf die Übergabe der Festung gehofft hatten, den vollgepfropften Eselsmagen sahen, schlossen sie daraus, daß die Besatzung noch vollauf zu leben habe, und zogen ab. Dem Esel zum wohlverdienten Andenken wurde einer seiner Füße in der Burg aufgehängt; die bösen Nachbarn aber nannten von da an die Neuffener die »Eselsfresser« oder auch kurz »Esel«.

Einst hatte ein gutes Weiblein von Linsenhofen mit einem dieser Wasserträger Mitleiden und sprach: Du armer Esel, hast du auch zu fressen? Und als sie krank wurde, vermachte sie dem Esel im Testament eine Wiese. Auch nachmals, als kein Esel mehr auf Neuffen gehalten wurde, ließ der Kommandant der Festung die Wiese jährlich mähen, und Pferde und Kühe genossen das Erbe des Grautiers. Dies geschah bis ins Jahr 1802, da die Festung geschleift wurde. Die Wiese führte den Namen »Eselswiese«.

(G. Schwab.)

III.

Im Jahr 1519 wurde Herzog Ulrich durch den schwäbischen Bund aus seinem Lande vertrieben. Unter den festen Plätzen, die damals schmählicherweise an die Feinde Ulrichs ausgeliefert wurden, war auch die unbezwingliche Burg Hohen-Neuffen. Ihr Kommandant, Berthold von Schilling, übergab die Feste dem Österreicher Ferdinand. Als es nun 15 Jahre später dem vertriebenen Herzog mit Hilfe des Landgrafen Philipp von Hessen gelungen war, den Österreichern bei Lauffen am Neckar eine siegreiche Schlacht zu schlagen, zog er mit seinem Heere durch das Land, um die Städte und Burgen Württembergs möglichst rasch wieder in seine Hände zu bekommen. So kam er auch vor Hohen- Neuffen. Wie Berthold sein früher begangenes Unrecht wieder gut zu machen sich bestrebte, das schildert uns in anschaulicher Weise G. Schwab in seinem Gedichte

Herzog Ulrich vor Neuffen.

Müd vom Schlagen und vom Siegen
Zieht der Herzog durch sein Land,
Droben sieht er Neuffen liegen
Auf der dräunden Felsenwand,
Heißer Strahl der Frühlingssonnen
Brennt auf Reiter und auf Roß –
Wäre doch das Nest gewonnen!
Ruft der Landgraf, sein Genoß.

Und so reiten sie die Stege
Durch den kühlen Wald hinauf;
Lauscht kein Hinterhalt im Wege?
Regnen keine Kugeln drauf?
Nein, es ist kein Feind zu spüren,
Alle Zinnen stehen leer.
Auf bequemen Brücken führen
Durch den Burgwall sie das Heer.

Aus dem Schlosse tönt entgegen
Ihnen nicht Geschützes Knall,
Sondern Priesters Wort und Segen
Und ein heller Orgelschall.
Und von mehr als Einer Schüssel
Süßer Dampf herüberweht,
Und der Burgvogt mit dem Schlüssel
Vor dem offnen Tore steht.

»Ritter Berthold, du Verwegner,
Sprich, was macht denn dich so zahm?
Du mein Feind und ew'ger Gegner,
Bist du worden blind und lahm?
Aber deine Blicke glänzen.
Wie kein blindes Auge glüht!
Und dein Haus schickt sich zu Tänzen,
Wie kein Lahmer drum sich müht!«

»Herr!« erwidert' ihm der Ritter,
Warf sich vor des Herzogs Fuß:
»Seid nicht eurem Knechte bitter,
Nennt auch feig nicht seinen Gruß.
Mir ist heut ein Sohn geboren.
Meines Hauses erster Stern:
Wird mir der – hab' ich geschworen,
Will ich huld'gen meinem Herrn.«

»In der Kirche den zu taufen
Stehet mir der Burgpfaff schon;
Seid ihr nicht zu müd vom Raufen,
Werdet Paten meinem Sohn!
Nicht vergessen solche Gnade
Wird der Vater und das Kind,
Nie zu Neuffens steilem Pfade
Hundert Jahr lang Wächter sind!«

Ei gelegen kommt den Fürsten
Solche Ladung nach dem Kampf,
Die nach kühlem Weine dürsten,
Schielen auf der Schüsseln Dampf.
Und der Herzog reicht dem Degen
Freundlich die Versöhnungshand,
Schenkt dem Knaben seinen Segen
Und ein schön Stück Ackerland.


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