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Die Sage von den Welfen.

Eines der ältesten und berühmtesten Geschlechter Schwabens sind die Welfen. Mit den karolingischen Kaisern eng verschwägert, treten sie schon ums Jahr 800 als machtvolles Geschlecht in die Geschichte ein, und durch all die Jahrhunderte hindurch haben sie sich, bald als Freunde, bald als Feinde ihres Kaisers, in der ersten Reihe der deutschen Fürsten gehalten. Wer kennt ihn nicht, den unseligen Schlachtruf: »Hie Welf, hie Waiblingen (Staufen)!« der vor Weinsberg im Jahr 1140 zum erstenmal ertönte und als der gräßlichste Mißton durch die Regierungszeit der Staufenkaiser hindurchklingt? Vor dem mächtigsten seiner Vasallen, Heinrich dem Löwen, lag der große Kaiser Barbarossa flehend auf den Knien. Heinrich, damals Herr von Bayern, Sachsen, Lüneburg, Braunschweig, war ein Welfe. Und heute noch lebt das Geschlecht der Welfen fort in den regierenden Häusern von England und Braunschweig und in der entthronten Familie des einstigen Königs von Hannover.

Ihren Sitz hatten die Welfen ursprünglich auf der Burg Altdorf im Schussentale, aber schon im Jahr 1053 verlegte Welf II seinen Sitz auf den Veitsberg. Die Ravensburg (so hieß die Burg von da an) war eine der stärksten Burgen, die je ein württembergischer Gipfel getragen. Durch die boshafte Hand eines Barbiergehilfen wurde sie 1647 in Asche gelegt. Wie der Name der Welfen entstanden, darüber erzählt die Sage folgende Geschichte:

Zu den Zeiten Karls des Großen lebte auf der Burg von Altdorf Graf Isenbard. Er war einer der tapfersten und mächtigsten Herren des Reiches, deshalb gab ihm der Kaiser Irmentrud, die Schwester seiner Gemahlin, zur Frau. Als Irmentrud einmal von der Burg ins Tal herabstieg, da begegnete ihr eine arme Frau, die der Himmel mit einem Häuflein Kinder beschenkt hatte. Die flehte die Gräfin inständig um ein Almosen an für sich und ihre hungernden Würmer. Irmentrud aber wies die Frau mit harten Worten ab und sprach: »Was tust du auch mit so viel Kindern? Wenn du keine ernähren kannst, so solltest du eben auch keine haben und hättest gar nicht heiraten sollen«. Das tat der Armen weh, und in ihrer Verbitterung rief sie aus: »So wünsche ich, daß Ihr 12 Kinder auf einmal gebären müßt, damit Ihr wisset, was Kindersegen heißt«. Und der Himmel, der nicht duldet, daß einem schwachen Armen Leid zugefügt wird, erhörte die Bitte des Weibes. Nicht lange darnach kam die Gräfin mit 12 Knaben nieder. Darob entsetzte sie sich gar sehr, und sie meinte nicht anders, denn daß der Graf, ihr Gemahl, sie verstoßen werde. Isenbard aber war gerade auf die Jagd geritten. Um nun ihre Schande zu verbergen, gab die Gräfin ihrer vertrauten Magd den Befehl, elf der Kindlein in einen Korb zu packen und in der Scherzach zu ertränken.

Die Magd lief, so schnell sie die Füße tragen konnte und war mit ihrer Last schon bis in die Nähe des Mühlbachs gekommen. Da wollte es Gottes Vorsehung, daß der Graf des Wegs geritten kam. Die Magd versuchte, rasch im Gebüsch zu verschwinden; aber Isenbard hielt sie an und fragte: »Wohin willst du so eilig? Was hast du in deinem Korb?« Schreckensbleich stotterte die Magd: »Ich trage elf junge Welfe (Hunde), die will ich in der Scherzach ersäufen.« »Laßt mich die Welfe sehen!« befahl der Graf, und als die Magd zögerte, da hob er selbst die Decke. Da sah er denn zu seinem Staunen elf kleine herzige Kindlein eng gedrängt nebeneinander im Korb sitzen. Voll Wut und Entsetzen über das unmenschliche Weib, griff der Graf nach seinem Schwert, da fiel die Magd vor ihm auf die Knie und erzählte die ganze Geschichte. Darauf ließ Isenbard ihr den Korb abnehmen, befahl ihr und seinem Gefolge tiefes Schweigen und hieß die Magd auf die Burg zurückkehren. Dort solle sie sich stellen, als ob sie den Auftrag der Gräfin ausgeführt hätte. Die elf Knäblein aber ließ Isenbard zu einem vertrauten Müller tragen, der in der Nähe an der Scherzach wohnte, empfahl namentlich der Müllerin die Kleinen zu sorgfältiger Pflege und verpflichtete sie zum Stillschweigen. Dann ritt er auf die Burg und stellte sich hocherfreut, als ihm die Gräfin mitteilen ließ, daß sie einem Sohne das Leben gegeben habe.

Die elf Kinder in der Mühle gediehen indessen alle vortrefflich. Als sie nun das 7. Jahr erreicht hatten, feierte Isenbard seinen Geburtstag im Beisein vieler angesehenen Gäste mit großer Pracht. Während des Mahles brachte der Graf wie zufällig das Gespräch auf verschiedene Verbrechen und fragte die Gäste der Reihe nach, welche Strafe sie jedesmal als Sühne ansetzen würden, worauf dann jeder freimütig seine Meinung äußerte. So kam auch die Reihe an Irmentrud, Scharf blickte sie der Graf an und fragte: »Welche Strafe verdient wohl eine Mutter, die elf Kinder wie Welfe hat ersäufen lassen wollen.« Mit diesen Worten öffnete er eine Nebentüre und herein traten die elf Knaben, gesund und kräftig und festlich gekleidet. Die Gräfin aber, die wohl ahnte, was vorging, wurde schreckensbleich, warf sich dem Grafen zu Füßen und bat um Gnade. Die zwölf Söhne vereinigten ihre Bitten mit derjenigen der Mutter, und der milde Graf verzieh der reuigen Gattin ihre Schuld. Zum bleibenden Andenken aber nannte er den Sohn, den Irmentrud zurückbehalten, Welf.

Nach Buzelin und Meier.


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