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Krimhilde von Waldeck.

Auf der Burg Waldeck im Nagoldtal, eine Stunde oberhalb Calw, herrschte im Herbst des Jahres 1284 keine frohe Stimmung. Der Besitzer, der sonst fast jeden Tag wohl bewaffnet auf seinem mutigen Rosse in das Nagoldtal hinabgesprengt war, ließ sich den ganzen Oktober hindurch nicht blicken. Auch von seiner Tochter, der lieblichen Krimhilde, war trotz des schönsten Herbstwetters weder in den prächtigen Waldungen noch in dem nahen Dorf Altbulach, wo sie jedes Kind kannte, etwas zu sehen. Die Zugbrücke blieb sorgfältig aufgezogen und das starke Tor geschlossen. Der Wächter aber befand sich Tag und Nacht auf seinem Posten, der Plattform des festen Turms, und ließ seine Blicke vor allem nach Osten schweifen. Es war nichts Gutes, das er seinem Herrn zu melden hatte. Die nächtliche Röte am Himmel zeigte an, daß der Kaiser Rudolf von Habsburg nicht mehr fern und ein strenger Richter sei. Rudolf billigte keineswegs den Grundsatz: »Rauben und Stehlen ist keine Schand, es tun's die Edelsten im Land,« sondern er sagte: »Bleibe im Lande und nähre dich redlich.«

Wie sich der Herr von Waldeck zu diesem Gebot stellte, wußte man in Calw und anderen Städten ganz genau. Schon oft waren Kaufleute oder Wanderer, die friedlich die Straße dahinzogen, welche vom oberen Neckar her durchs Nagoldtal führte, überfallen und ihrer Waren beraubt, wohl gar auch in die feste Burg Waldeck geschleppt worden, wo sie so lange festgehalten wurden, bis ihre Angehörigen ein namhaftes Lösegeld entrichteten. Auf diese Weise war der Waldecker zu einem unermeßlichen Reichtum gekommen. Seine Schätze verbarg er in einem Turm, der so tief im Boden steckte, als er darüber hinausragte.

Dieses Raubunwesen trieb der Herr von Waldeck und mit ihm noch mancher andere Ritter des Nagoldtales lange Jahre ungestraft. Denn es war kein Kaiser und Herrscher im deutschen Lande, der mit starker Hand diesen Stegreifrittern das Handwerk gelegt hätte. Als aber Rudolf von Habsburg von den Kurfürsten auf den deutschen Thron erhoben worden war, da zog er mit Heeresmacht durch die deutschen Lande und brach die Burgen der Raubritter, und mancher hochadelige Räuber starb am nächsten besten Baum einen unrühmlichen Tod durch den Strick. Dem Waldecker ging es nicht besser als seinen Genossen. Seine Feste wurde in Asche gelegt. Die Sage berichtet, daß des Ritters Tochter dabei den Tod in den Flammen gefunden habe, und als die Zerstörer der Burg im Abziehen noch einmal zurückgeschaut, um sich am Anblick der fallenden Türme zu weiden, da sei aus den lodernden Flammen eine silberne Schlange mit güldener Krone aufgestiegen.

Seither hütet Krimhilde in der Gestalt einer Schlange oder einer Jungfrau mit goldenen Haaren den unermeßlichen Schatz des Schlosses. Wer in der Christnacht es wagt, Krimhilden zu erlösen, bekommt zum Lohne die verborgenen Reichtümer.

Des Talmüllers dreijähriges Töchterlein kam einmal in die Nähe der alten Burg. Es setzte sich mitten auf den Fußweg zur Schlange und streichelte sie. Das Tier tat dem Kind nichts zuleide und huschte bald hernach ins Gebüsch. Etliche glänzende Schuppen waren der Schlange ausgefallen. Das Mägdlein hob sie auf und trug sie frohgemut nach Hause. Als das Kind zu Bette ging, legte die Talmüllerin die Schuppen in ein Schächtelein, damit das Kind des andern Tages wieder damit spielen könnte. Über Nacht wurden die Schuppen in lauter schwere Dublonen (Goldstücke) verwandelt.

Am heiligen Abend kehrte ein armer Schuhmachergeselle von Kuppingen zurück, um Weihnachten in seinem Heimatort Sommenhardt zuzubringen. Er verirrte, rutschte bei dem Glatteis über eine Felswand hinab und verlor sein Felleisen. Wie er wieder auf den rechten Weg kam, lief ihm die weiße Gräfin entgegen. Als er ihr treuherzig sein Leid klagte, führte ihn die Jungfrau zur zerfallenen Burg, gab ihm zwei von ihren Goldhaaren und bestellte ihn auf den andern Tag in das Gemäuer. Da schlug die Kirchenuhr von Altbulach ein Uhr und die Gräfin verwandelte sich plötzlich in eine Schlange. Der Geselle lief vor Angst davon und kam in die Talmühle, wo er freundlich aufgenommen wurde. Die zwei Haare der weißen Jungfrau hatten sich in des Schuhmachers Brieftasche in zwei goldene Borten verwandelt, jede 20 Ellen lang. Die Talmüllerin merkte gleich, wo der Has im Busch lag, und klärte den Gesellen über seinen Reichtum auf. Sie gab ihm für eine der Borten 6 Dublonen. Der Schuhmacher kam glücklich bei den Seinigen an, hat aber die weiße Gräfin seitdem nie wieder gesehen.

(Aus verschiedenen Quellen.)


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