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Sage vom Hutzenbacher See.

Etwa dreiviertel Stunden oberhalb Schönmünzach liegt das Schwarzwalddorf Hutzenbach. Häuser und Höfe liegen weit zerstreut im Tal und an den Berghängen der Murg, wie die Tiere einer werdenden Almenherde.

In einem der bescheidensten Häuschen wohnte vor Jahren der »Friedersbauer« mit seinem Weibe. Die hieß »Käther« und war von den Leuten, die gerne ein Kind gehabt hätten, viel begehrt. Waren fleißige Leute der Frieder und seine Käther. Im Sommer gab's viel zu schaffen im Wald, auf der Wiese oder dem mageren Äckerlein. Im Winter saß der Frieder hinter dem Webstuhl, die Käther am Spinnrocken, und der klappernde Webstuhl, das schnurrende Rädchen und das knisternde Holzfeuer gaben alsdann eine herrliche Musik zusammen. Kein Wunder, daß der Frieder rasch vorwärts kam. Aber wer weiß, ob's so schnell gegangen wäre, wenn der Frieder nicht einen gar fleißigen Knecht gehabt hätte, einen Knecht, der dazu weder Lohn noch Essen und Trinken beanspruchte. Wenn nämlich des Nachts alles im Schlafe lag, dann kam ein kleines Männlein ins Haus, ging in den Stall und fütterte das Vieh, schnitt in der Scheuer Futter für die Kuh und die zwei Geißen, setzte sich des Winters wohl auch an den Webstuhl, und wenn der Frieder des Morgens erwachte, fand er ein gut Stück der Arbeit schon getan und ebensogut und wohl noch besser getan, als wenn er's selber geschafft hätte. Der Frieder und sein Weib hatten wohl je und je das Männlein durch das Schlüsselloch der Kammer beobachtet, wie es so emsig das Schifflein des Webstuhls herüber und hinüber warf und hatten sich über das schlechte und zerrissene »Häs« (Kleidung) des alten Männleins baß verwundert, wagten aber nicht, es auch nur durch ein leises Wörtlein in seinem Geschäft zu stören. Als aber nun Weihnachten herankam, da sagte der Frieder zu seinem Weib: »Käther, ich mein, wir sollten dem alten Mannlein doch auch eine Freude machen, weil's uns immer gar so fleißig helfen tut. Was meinst du, wenn wir ihm vom Schneider Jakob ein neues »Häsle« machen ließen? S' ist bald eine Schand, wie zerlumpt und zottelig es daherkommt.«

Das Weib war ganz mit einverstanden und der Schneider machte für das kleine Männle einen Kittel, eine Weste und eine Hose, alles nach dem neuesten Schnitt, und der Friedersbauer legte des Abends den ganzen Anzug auf die Treppe hin und dachte: »Wird sich das Männle freuen!« und konnte es kaum erwarten, bis es vollends Nacht wurde. Aber als nun endlich das graue Männle kam und den Anzug da liegen sah, da weinte es und sagte leis: »Jetzt bin ich ausgezahlt und kann nimmer kommen!« nahm das Häs, ging traurig weg, und von da an hat der Frieder sein Sach allein schaffen müssen.

Nun mochte so ein und ein viertel Jahr vergangen sein, da saß des Frieders Weib allein am Spinnrad, dachte an dies und das und auch an das graue Männlein, das ehedem in ihrem Hause so fleißig hantiert hatte. Klopft es auf einmal an die Tür und herein tritt das Männlein und bittet gar inständig, die Käther möcht mit ihm gehen zu seinem Weible und ihm in seinen Nöten beistehen. Nie Käther war nicht wenig erschrocken, dieweil aber das Männlein gar so herzlich bittet und ihnen jahrelang so viel Guts getan, steht sie auf, wirft ein Tuch um, nimmt eine Laterne und geht mit. Da führt sie das Männlein eiligst den Weg am Hutzenbach hinauf bis zum See. Ruhig glänzt der Spiegel zwischen den hohen Bergwänden im hellen Mondlicht. Das Männle nimmt eine Birkenrute und schlägt ins Wasser. Da teilt sich das Wasser und es wird eine steinerne Treppe sichtbar. Sie steigen ganz trocken hinab, das Männlein eilig voran, die Frau mit einigem Bangen hintendrein. Ein Schlag mit der Rute öffnet eine Türe. Sie treten ein und das Männlein führt nun die Frau an das Bett des Seeweibleins. Ganz erschrocken über die Pracht des Zimmers und über das zarte und kleine Seeweiblein steht Käther still. Aber bittend und errötend winkt das Seeweiblein. Das gibt der Frau Ruhe und Mut, und als sie endlich gar dem Seemännlein ein herzig liebes Mädchen in den Arm legen konnte, da kannte das Glück der Eltern keine Grenzen mehr. Mit Dankestränen in den Augen fragte das Seemännle, was es schuldig sei. Aber im Andenken an seine früheren Dienste weigerte sich Käther etwas zu nehmen. Da zog das Männlein wie vor Glück ganz in Gedanken versunken, Stroh aus seinem Bett und flocht einen Halm um den andern der erstaunten Käther um den Leib und die Arme. Das ließ diese ruhig geschehen, denn sie wollte das Männle nicht beleidigen. Dann führte das Seemännle die Käther wieder die Treppe hinauf und begleitete sie noch ein gut Stück Wegs gen Hutzenbach zu. Als aber die Frau wieder allein war, da machte sie einen Strohhalm um den andern los und warf ihn weg. Nur ein einziger Halm blieb an ihrem wollenen Tuch hängen. Als sie nun zu Hause ankam, da sah sie zu ihrem Erstaunen, daß ein glänzendes Stänglein in ihrem Tuch haftete. Der Strohhalm hatte sich in eitel Gold verwandelt. Eilends lief sie nun zurück, um die weggeworfenen Halme zu suchen: aber sie hat keinen mehr gefunden und das Männlein ist auch nicht mehr zu ihr gekommen.

(Nach Meier.)


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