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Der letzte Dynaste von Hirschhorn.

Als man im Jahre 1733 die Gruft unter dem Chore der St. Kilianskirche in Heilbronn öffnete, fand man zwei zinnerne Särge. Auf dem kleineren stand in lateinischer Sprache die Inschrift:

Der tiefbetrübten Ehegatten, des Friedrich von Hirschhorn, Herrn zu Hirschhorn und Zwingenberg und der Agnes Margarete von Helmstadt, einziger teuerster Sohn Joh. Kasimir, geboren am 2. September 1631 und gestorben im folgenden Jahre 1632, am 3. August zu Heilbronn, wird von dieser Urne bedeckt: seine Seele aber genießt in Gottes Hand das ewige Leben.

Und auf dem größeren Sarg stand, ebenfalls in lateinischer Sprache, geschrieben:

Die sterbliche Hülle des Hochedlen und wahrhaft deutsch gesinnten Friedrich von Hirschhorn, des Herrn von Hirschhorn und Zwingenberg, des Erbtruchsessen des Kurfürsten von der Pfalz, des letzten seiner Familie und seines Geschlechts, geboren am 25. Mai 1580, gestorben am 22. September 1632, umschließt dieser Sarg, seine selige Seele genießt das ewige Leben.

An diese beiden Särge, die neuerdings bei der Einrichtung einer Heizungsanlage in der Kilianskirche abermals aufgefunden und wieder versenkt wurden, knüpft sich eine Geschichte, die ein Zeitgenosse des begrabenen Friedrich von Hirschhorn uns urkundlich hinterlassen hat.

Friedrich von Hirschhorn, der »Letzte seines Geschlechts«, war in seiner Jugend ein heißblütiger, ehrgeiziger Kavalier gewesen. Am Hofe des Pfälzer Kurfürsten, wo er das Amt und die Würde eines Erbtruchseß innehatte, im schönen Heidelberger Schlosse, geriet der zwanzigjährige Junker in Zwistigkeiten mit einem andern Edelmann des Hofes, dem Herrn Johann von Handschuchsheim, der wie er der einzige und letzte Sproß seines Hauses war.

Diesen hatte der Kurfürst wehrhaft gemacht und ihm dabei Degen und Wehrgehenk verehrt.

»Diesen Degen hat der von Hirschhorn kurtzumb sogleich haben wollen, weil ihm diese Ehre als Erbtruchseß gebühre, welches der andere billig abgeschlagen und zwar mit gebührender Remonstration, welche aber nicht verfangen wollen.«

Die beiden Junker gerieten scharf aneinander; es kam zum Duell, in welchem der von Hirschhorn den Handschuchsheimer tödlich traf.

Sie trugen ihn über den Neckar zur Burg Handschuchsheim, stumm in schweigender Nacht, einen Toten. Sie pochen an das Tor des Schlosses. Die Mutter des Getöteten, eine einsame Witfrau, tritt mit der Lampe heraus. Bleich und blutig liegt ihr Sohn, ihr einziger Trost, die letzte Hoffnung ihres Alters, vor ihren entsetzten Blicken. In wahnsinnigem Schmerz stürzt sie auf die teure Leiche nieder. Lange liegt sie in Ohnmacht gefangen. Als sie sich aufrafft, ruft sie finster drohend:

»Wer hat es getan? –«

»Friedrich von Hirschhorn!« tönt es dumpf aus der Schar der Diener.

»So möge Gottes Fluch ihn treffen!« rief die unglückliche Mutter in wildem Hasse, »daß er als der Letzte seines Stammes ohne Erben und Kinder sterbe, wie mein Sohn hier!«

Die Mutter hat's gerufen, der Himmel hat's gehört.

Jahre vergingen. Friedrich von Hirschhorn vermählte sich. Er hatte mehrere Kinder von seiner ersten Gemahlin, Ursula von Sternenfels, aber alle starben frühzeitig und den Kindern folgte bald die Mutter selbst in die Gruft.

Er vermählte sich zum zweitenmal mit Agnes von Heimstatt.

Die Kriegsläuften jener Zeit hetzten den Mann von Ort zu Ort. Er sah seine Stammburg einen Raub der Flammen werden. Da suchte er hinter den festen Mauern der nahen Reichsstadt Heilbronn eine Zuflucht für sich und seine Gemahlin und das teure Söhnlein, das sie ihm – o Glück – noch geboren hatte. Aber der Fluch der Mutter des ermordeten Handschuchsheimers ruhte nicht: auch Kasimir, sein hoffnungsvoller, lieber einziger Sohn und Erbe, starb im zartesten Kindesalter am 3. August 1632; und schon am 22. September desselben Jahres folgte ihm der trostlose Vater gebrochenen Herzens nach:

»Der Letzte seines Geschlechts.«

Und der Chronist sagt dazu:

» Notate Posteri! (Merk' es, o Nachwelt!) Gott der Allmächtige läßt nicht mit sich scherzen .....

Ein Exempel, daran man sich zu spiegeln, und darff man offt nicht fragen, warumb die Geschlechter ausgehen.«

(J. H.)


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