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Kaiser Konrad II. und das Müllerskind.

Im Jahre 1024 wurde Konrad, Herzog von Franken, zum deutschen Kaiser gewählt. Der gebot, wer den Frieden im Reich bräche, dem solle man sein Haupt abschlagen. Das Gebot übertrat ein schwäbischer Graf, Luipold von Calw. Da nun Kaiser Konrad ins Land kam, fürchtete sich Luipold vor seinem Zorn, entwich mitsamt seiner Gemahlin in den Schwarzwald und verbarg sich in einer öden Mühle, nicht weit von dem Kloster Hirsau. Hier wollte er bleiben, bis seine Freunde des strengen Kaisers Gnade für ihn erwirkt hätten. Kaiser Konrad aber hielt sich längere Zeit im Lande auf, und da geschah es einstmals, daß er von ungefähr in der Nähe der Mühle jagte, in der sich der Graf mit seinem Weibe versteckt hielt. Dieser hatte aber kaum vernommen, wer in seinen Wäldern sich aufhalte, da meinte er nicht anders, denn der Kaiser suche ihn, und floh in großer Angst eilig aus der Mühle in den tiefen Wald hinein und ließ seine Frau allein zurück. Während nun der Kaiser sich der Mühle näherte, bekam die Gräfin ein Kind, und der Kaiser hörte eine wundersame Stimme, die sprach: »Auf diese Stund ist hier ein Kind geboren, das wird einst deiner Tochter Mann werden.« Darüber erschrak der Kaiser sehr; denn er wähnte nicht anders, denn daß die Frau in der Mühle eine Bäuerin wäre. Und er gedachte, wie er dem zuvorkommen möchte, daß seine Tochter mit einem Bauern verbunden würde. Darum schickte er zwei seiner Diener in die Mühle, daß sie das Kind der Frau wegnehmen und im Dunkel des Waldes töten sollten. Und um desselben Todes desto gewisser versichert zu sein, befahl er, daß man ihm des Kindes Herz bringe. Die Diener mußten dem Kaiser gehorchen, entrissen der jammernden Mutter das Knäblein und trugen es in den Wald. Sie waren aber gottesfürchtig und wollten das Kind nicht töten, zumal es ein gar hübsch Knäblein war, und legten es in die Gabel zweier mit den Stämmen zusammengewachsener Bäume, damit es vor den wilden Tieren sicher wäre und von Vorübergehenden desto besser gesehen werden möchte. Dann fingen sie einen Hasen, schnitten ihm das Herz aus dem Leibe und brachten dies dem Kaiser. Der warf es den Hunden hin und meinte, er wäre nun der Stimme der Weissagung zuvorgekommen.

Um diese Zeit jagte der Herzog Heinrich von Schwaben auch in diesen Wäldern und fand das ausgesetzte Knäblein. Und da er sah, daß es ein neugeborenes Kind war, da brachte er es heimlich heim zu seiner Gemahlin. Die war kinderlos und ließ sich von ihrem Gemahl gerne bereden, das Knäblein als ihr eigen natürlich Kind anzunehmen, »Es ist ja ganz offenbar,« sprach der Herzog, »daß es mir vom lieben Gott geschickt worden ist,« Sie sagten also niemand etwas davon, wie sie zu dem Kind gekommen waren, ließen aber ausbreiten, daß die Herzogin einen Sohn geboren habe. Das Kind wurde getauft und Heinrich geheißen und ward allenthalben für einen jungen Herzog von Schwaben gehalten.

Und das Kind wuchs, und da es groß war, wurde es gesandt an den Hof des Kaisers Konrad, der sich damals in Schwaben und Bayern aufhielt, Gericht zu halten. Und der Kaiser gewann den jungen Herrn seiner Weisheit und Höflichkeit wegen lieb und ließ sich häufiger von ihm bedienen als von den andern Junkern. Darob wurde er viel beneidet.

Und es geschah, daß man das Gerücht vor den Kaiser brachte, daß der Junker Heinrich nicht ein rechter Herzog von Schwaben wäre, sondern ein geraubt Kind. Da das der Kaiser vernahm, da gedachte er daran, daß die Herzogin von Schwaben zuvor stets kinderlos gewesen, und er rechnete dem Alter des Junkers nach und kam in eine große Furcht, daß er am Ende der wäre, von dem die Stimme bei der Waldmühle geredet und den er zu töten befohlen hatte. Und er wollte dem abermals zuvorkommen, daß dieser seiner Tochter Mann würde, und schrieb einen Brief nach Aachen an seine Gemahlin, die Kaiserin, darin stand: »So wahr Dir Leib und Leben lieb ist, gib dem, der diesen Brief Dir überbringt, unverzüglich den Tod.« Darauf verschloß er den Brief und übergab ihn dem jungen Heinrich, daß er ihn der Kaiserin überantworte und niemand anders. Der machte sich gutes Muts auf den Weg gen Aachen. Unterwegs aber blieb er in Speier zur Herberge bei einem gelehrten Priester, der des Herzogs von Schwaben Haus eng befreundet war. Und da sich Heinrich zur Ruhe begab, so vertraute er seinem Hauswirt der Sicherheit wegen die Tasche, darin der Brief und andere Dinge lagen. Neugierig gemacht durch das, was der junge Heinrich in seiner Offenheit gesprochen, trieb es den Priester zu erfahren, was wohl die dringende Botschaft an die Kaiserin sein möchte. Und er öffnete den Brief fürsichtiglich, und da er nun im Schreiben erkannte, daß die Kaiserin den Jüngling sollte töten lassen, so änderte er des Kaisers Schreiben gar sein und säuberlich, daß es also lautete: »So wahr Dir Leib und Leben lieb ist, gib dem, der diesen Brief Dir überbringt, unverzüglich Deine Tochter zur Frau.« Alsdann schloß er den Brief wieder zu mit dem Siegel, so daß alles war wie zuvor. Am andern Morgen zog Heinrich weiter. Als er nun gen Aachen gekommen war und der Kaiserin den Brief übergeben hatte, da tat diese sogleich wie ihr befohlen und gab dem jungen Herzog ihre Tochter zur Frau.

Bald kam die Märe davon vor dem Kaiser. Der wurde zuerst sehr zornig. Als er aber durch den Herzog von Schwaben und durch die Knechte, die ihn ehedem begleitet hatten, erfuhr, daß der junge Herr, von dem ihm die Stimme geweissagt hatte, von Graf Luipolds Weib in der Mühle geboren worden war, da rief er aus: »Nun merk ich wohl, daß Gottes Ordnung niemand widerstehen mag!« Und er machte seinen Tochtermann zum Herzog von Alemannien. Als nun Kaiser Konrad gestorben war, da wurde Heinrich sein Nachfolger. Er war einer der mächtigsten und kräftigsten Herrscher, die je einen Thron geziert haben.

(Nach einer Sage des Chronisten G. v. Viterbo.)


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