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Zur Zeit, als noch des Südlands Pracht
Stand in der Langobarden Macht
Und reich an Ehren, fest und klug,
Liutprand die Eisenkrone trug,
War einem Helden kühn und stark
Zur Hut vertraut die Oestermark;
Es schuf des Herzogs mächtiger Arm
Den wendischen Nachbarn bittern Harm:
So viel der wilden Schwärme kamen,
Sie lernten Scheu vor
Bernhart's Namen.
Ihm schenkte nicht Geburt sein Amt:
Er war aus niederm Haus entstammt,
Doch schwertgewohnt von Jugend an
Zerbrach er bald der Herkunft Bann
Und holt' im Kriege Gold und Ruhm
Und Adelschaft und Herzogthum.
Nur Eines hatt' er nicht erstritten:
Er dankt' es demuthvollen Bitten
Und heißen Schwüren, süßem Wort,
Das war sein Weib, sein höchster Hort.
Als Jüngling, da er noch gering
Im Haufen mit den Andern ging,
Traf er auf herbstlichem Jägerpfad
Ein Fischerkind am Meergestad;
Sie spannte vor dem niedern Haus
Des Vaters Netz zum Trocknen aus
Und nahm in stiller Emsigkeit
Sich kaum zum Gegengruße Zeit.
Doch seit er ihre Huld erblickt,
Von unsichtbarem Netz umstrickt
Trug er ihr Bild im regen Sinn;
Es zog ihn immer wieder hin,
Und bald, nach rascher Heldenart,
Hatt' er sein Herz ihr offenbart.
Da ward sie bleich, da ward sie roth
Und sprach: Es ist ein alt Gebot,
Es soll sich fügen Gleich zu Gleich.
So arm er war, ihr deucht' er reich
Und schien ihr bessern Bundes werth,
Als den sie heimlich selbst begehrt.
Jedoch nach kurzen Stunden
Gab sie sich überwunden
Und folgt' ihm, ein beglücktes Weib.
Von hohem Wuchse war ihr Leib,
Die Haare flossen voll und schlicht
Wie Goldglanz um ihr still Gesicht,
Und ernsthaft blickte, mild und klar
Das kluge, blaue Augenpaar.
Sie barg, als würd' es sonst entweiht
Und weckte finstrer Mächte Neid,
Ihr Glück im tiefsten Herzensschrein;
Doch mächtig brach hervor der Schein,
Wenn sie dem Theuren traulich nah
Beseligt in die Augen sah.
Wenn aber der geliebte Held
Dem Heerbann folgend lag zu Feld,
Trug vor der Welt die junge Frau
Ein sorglos Angesicht zur Schau,
Und nur die stille Kammer
Sah ihres Herzens Jammer.
Der Sehnsucht herb verhaltne Glut
Durchdrang ihr ganzes Lebensblut;
Man sah's an ihrer Knaben
Gesicht und Wuchs und Gaben:
So feurig, lenksam, mild und wild,
Des Vaters leibhaft Ebenbild.
Der aber so ihr Abgott war,
Der rückt' ihr ferner Jahr um Jahr;
Nicht daß ihm über Ruhm und Ehre
Die schöne Glut erkaltet wäre –
Er liebte sie so warm als eh –:
Ihr eigen Herz schuf sich das Weh.
Je lautres Lob der theure Mann,
Je mehr er Gut und Gunst gewann,
Je höher er mit jedem Sieg
An Gnade bei Volk und Fürsten stieg,
Je tiefer grub geheimer Schmerz
Sich in ihr demuthvolles Herz.
Weh mir, sprach sie, mein lichtes Glück
Es wankt und fällt und bricht zustück!
Nur Gleich und Gleich ist wohl gesellt –
Wie grausam Recht dies Wort behält!
O wär' ich damals fest geblieben!
Noch glaubt er mich wie einst zu lieben,
Noch macht ihn die Gewohnheit blind:
Wenn ihm aber der Wahn zerrinnt,
Wenn er das mißgefügte Paar
Erkennt, die Krähe bei dem Aar –
Dann werd' ich ihm zur leiden Last,
Unwerth, verschmäht, verwünscht, verhaßt.
Und weiß ich denn, ob nicht schon lang
Sein edler Muth in stolzem Zwang
Die Treue, einst mir frei geweiht,
Als Recht mir, widerwillig, leiht?
Mit stummer Reu', aus kalter Pflicht
Geduldet sein, ich trüg' es nicht!
So härmt' sie sich im Stillen
Um eines Wahnes willen.
Denn ihm blieb seiner Jugend Wahl
All seines Glückes hellster Strahl;
Ihn freute, daß sein kühner Flug
Auch sie zur lichten Höhe trug.
Wie mocht' er ahnen, was sie litt?
Sie ging durchs Haus mit stillem Tritt,
Er fühlt' Ratberga's Schalten
Wohlthätig sich umwalten;
Berathen und geborgen
Von ihren treuen Sorgen,
Lebt' er in ihres Wesens Bann
Ein voll und hochbeglückter Mann:
Nicht anders als der eigne Leib
War ihm ein Teil des Selbst sein Weib.
So vergingen dem jungen Paar
Allgemach an die zehen Jahr,
Und jedes half die Ehren
Des werthen Helden mehren;
Da kam er einstmals voller Glück
Vom fernen Königshof zurück
Und trat vor seine Liebste hin:
Sei mir gegrüßt, Frau Herzogin! –
Als sie den neuen Gruß vernahm,
Brach hervor der geheime Gram:
Weh mir, rief sie erschrocken
Und fühlt' ihr Herzblut stocken.
Bestürzt von den erblichnen Wangen,
Eilt er sie stützend zu umfangen.
Rata, sprach er, trautes Herz,
Was ficht dich an, was schafft dir Schmerz? –
Sie zwang ihr Leid und faßte sich:
Das hohe Glück betäubte mich;
Nun weiß ich, auch die Freude mag
Uns treffen wie ein Donnerschlag.
Bernhart blickte sie forschend an
Und setzte sich und schwieg und sann
Und zog sie liebreich auf den Schooß:
Ei sieh, dies Glück ist dir zu groß!
Dir bangt um seine Dauer;
Nicht Freude, sondern Trauer
Schafft dir dies glanzerfüllte Haus.
Du ahnst den nahen Fall voraus
Und sähst mich lieber im alten Stand,
Unbeneidet und unbekannt.
Sie aber sagte: Wahrlich nein,
Dich wünscht' ich nimmer arm und klein,
Noch ist mir bang um deinen Fall.
Dein Glück steht nicht auf rollendem Ball,
Es ruht auf deinem Muth und Werth.
Von andrer Sorge bin ich beschwert:
Du brauchtest nun, im Fürstenhut,
Ein reich Gemahl aus Fürstenblut,
An Leib und Seele auserwählt –
Und bist mir armen Magd vermählt.
Da lachte frohgemuth der Held:
Hilf Himmel, ist es so bestellt?
Ich wähnt' an Geist und Gaben
Das reichste Weib zu haben
Und muß erfahren zu dieser Frist,
Daß dies Haupt voll Thorheit ist.
Sie schilt mich einen Thoren,
Daß ich mir sie erkoren;
Ich soll um neue Pflichten
Auf altes Glück verzichten.
Sind unsre Knaben, stark und klug,
Dir auch nicht herzoglich genug,
Weil die Mutter, die sie gebar,
Dem Vater gleich an Blute war?
Bin ich der Würde nicht zu schlecht,
Bist, denk' ich, du ihr auch gerecht.
Es sei denn, dich gereute,
Daß du mein Weib bis heute
Gewesen, dieses Hauses Hort,
Mein Heil und Stern, so bleib's hinfort.
Für deine stolze Herzogin
Gebricht es mir an Herz und Sinn;
Drum laß, geliebte Thörin mein,
Mich fürder deinen Thoren sein.
Der holden Rede milder Thau
Erquickte die bedrängte Frau;
Sie barg in Scham und stolzer Lust
Das Haupt an seiner treuen Brust.
Doch ihres Herzens Dank und Schwur
Vernahm die eigne Seele nur.
Es lebt' ein Bischof in der Stadt,
Weltmüde, doch nicht ehrensatt;
Zu dem begab sich bald darnach
Frau Rata insgeheim und sprach:
Mir ist der Römerzunge Laut
Von Jugend an gar wohl vertraut;
Der Kunst des Lesens blieb ich fern,
Und doch, mein Vater, möcht' ich gern
Mich so wie eure welschen Frauen
An frommer Väter Wort erbauen.
So rath mir einen klugen Mann,
Der mir die Zeichen weisen kann.
Der Bischof drauf: Des Lesens Kunst
Gefährdet leicht des Glaubens Brunst.
Nicht Jeder, der ein Buch geschrieben,
War von dem Geist des Herrn getrieben,
Und leider allzu Viele wollen
Nicht lesen, was sie lesen sollen,
Und saugen aus verbotner Schrift
Der alten Schlange schmeichelnd Gift.
Doch wenn zu häuslichem Gebet
Im Ernst der fromme Sinn dir steht,
So laß, dem Herrn zu Ehren,
Mich selbst dich lesen lehren.
Also geschah's. Ratberga pflag
Der Schülerpflichten Tag um Tag.
Die Leute raunten: Sieh, wie schlau!
Der Bischof macht sich an die Frau,
Durch sie den wilden Bären
Bernhart zu bekehren.
Sie aber saß im Kämmerlein,
Bald mit dem Bischof, bald allein,
Sie las Apostel und Propheten,
Sie las Rhetoren und Poeten: –
Man sollte nicht an ihr vermissen
Der welschen Frauen prunkvoll Wissen.
So trieb sie nun geraume Zeit
Ihr Werk in großer Heimlichkeit,
Bemüht, sich einzulesen
In all dies fremde Wesen;
Ihr eignes aber, still und schlicht,
Hinwegzulesen glückt' ihr nicht.
Das haben ihrer Viel' erfahren,
Die krank und arm und elend waren:
Man pries der Herrin milde Hand
Und hold Gemüth im ganzen Land;
Sie selbst erfuhr's zu bittrem Gram.
Denn als einmal der König kam,
Ward sie von Scheu und Bangen
Vor seinem Glanz befangen,
Daß sie des Redens schier vergaß
Und schüchtern wie ein Mägdlein saß.
Ein böser Geist lag ihr im Ohr
Und raunt' und raunte: Sieh dich vor
Und tritt mit freiem Anstand hin,
Er merkt ja sonst die Fischerin.
Auch rede klug und wohlgesetzt:
Was du gelernt hast, zeig es jetzt.
Je mehr sie aber ängstlich sann,
Je schwerer lag auf ihr der Bann;
Und als es über Tisch geschah,
Daß sie auf ihren Gatten sah,
Deß Aug ihr streng zu winken schien,
War vollends alle Fassung hin:
Mit glühender Wange bot sie stumm
Das Auerhorn im Kreis herum.
Doch thaten ihre Gäste
Auch unbegrüßt das Beste,
Und laut, schier bis zum Morgenstrahl,
Erscholl der Becherklang im Saal.
Sie aber saß im Schlafgemach
Die lange Nacht in Leide wach,
Bis endlich doch der Schlummer
Ihr lös'te Scham und Kummer.
Da trat, noch warm von Scherz und Wein
Der Herzog in die Kammer ein
Und fand mit hingesunknem Leib
Gleich einer Büßerin sein Weib
Vor einem Kreuzesgotte knie'n.
In tiefster Seele jammert' ihn
Dies leidgebeugte Schmerzensbild.
Sie schläft, mein Käuzchen, sprach er mild. –
Als vorhin Liutprand beim Gelag
Freundlich mit ihm der Rede pflag
Und scherzend sprach: Du kühner Held
Hast dir ein trefflich Weib gesellt,
Doch neben deiner Falkenart
Erscheint das Vöglein scheu und zart;
Da – war's ein Spielmann, war's ein Gast? –
Hatt' ein Schalk dies Wort erfaßt,
Und durch den Rausch des Festes klang
Der Ruf des Käuzchens schrill und bang.
Der König rasch den Becher hob
Und rief: Der Wirthin Dank und Lob!
Stoßt an, ihr edlen Gäste:
Die Taub' im Falkenneste!
Dem Herzog aber klang die Schmach
Des Spottrufs in der Seele nach,
Und ohne daß er's wußt' und wollte,
Sprach er den Namen, dem er grollte.
Da hob die Frau ihr trauernd Haupt:
Nun glaubst du's, was ich längst geglaubt!
Ein Käuzchen bin ich, deß man lacht
Und das auch dich zum Spotte macht!
Ich hab's in diesen Stunden
So heiß wie nie empfunden.
Du kennst es ja, das alte Lied
Vom Käuzchen, das alleine zieht,
Drum laß mich, laß mich balde:
Ich sehne mich zum Walde,
Nach grauen Mauern, still und tief –
Bernhart, gieb nur den Scheidebrief!
Er sprach ihr freundlich tröstend zu:
Liebe Seele, was träumest du?
Wie sollten je wir Beiden
Von einander scheiden!
Mit alten Liedern kommst du mir?
Mit altem Spruch entgegn' ich dir.
Du weißt doch, wie's vom Käuzchen heißt,
Daß jeder Vogler das seine preis't.
Mir aber soll das meine
Nimmer ziehn alleine!
Laß du in grauen Mauern
Die Ungeliebten trauern –
Bei deinem Manne, goldner Schatz,
Bei deinen Kindern ist dein Platz.
Sie hört' ihn still und sprach nicht Nein
Und seufzte nur und gab sich drein.
Jedoch von Stund an war es schier,
Als lieg' ein finstrer Alb auf ihr;
Sie mühte sich vor ihrem Gatten,
Fortzuscheuchen die trüben Schatten,
Doch ob sie sich zu lächeln zwang,
Ihr Herz blieb schwer und zukunftbang:
Einst kommt er doch, der schwarze Tag,
Den seine Huld nicht sehen mag,
Daß ihm zum Unheil noch gedeiht
Die Unzier, die er sich gefreit.
Will Er sich's nimmer eingestehn,
Er hätte mich besser nie gesehn,
So liegt's in
meinen Händen,
Den Schaden abzuwenden. –
O hehre Pflicht, o harter Schluß,
Daß ich mich selbst verstoßen muß!
So fand ihr Herz gar hohen Rath,
Doch nicht den Muth zur hohen That.
Denn Liebe, die von hinnen trieb,
Die hieß auch bleiben, – und sie blieb.
Unlang nach jenem Tage
Erscholl im Volk die Klage
Um Liutprand, der in Siechthum fiel:
Er schien an seiner Tage Ziel;
Da ward, als wär' er schon verloren,
Ein neuer König rasch gekoren,
Wie es die Noth der Zeit gebot.
Jedoch der Held entging dem Tod
Und ließ den einstigen Vasallen
Als Nebenkönig sich gefallen.
Rata vernahm die Kunde
Mit schmerzlich stillem Munde
Und sprach bei sich: Ich wußt' es ja,
Was kommen mußte; nun ist es da.
Die Krone säß' auf seinem Haupt,
Hätt' es das Käuzchen nur erlaubt.
Daß sie den Andern vorgezogen,
Die Großen haben's wohl erwogen:
Dem Erbe der hohen Theudelind
Steht nimmer an ein Fischerkind.
Getrost, ihr Fürsten; das nächste Mal
Trefft eine bessre Königswahl!
Ihr sollt nicht Fehl noch Flecken
An Bernhart mehr entdecken.
*
Es stand ein Felsenschloß am Meer,
Dem Seeraub eine starke Wehr.
Im Winter braus'ten die Alpenstürme
Machtlos um die hohen Thürme;
Und, sengte Sommerglut das Land,
Hier kühlt' ein Lüftchen stets den Brand.
Es sprangen in dem festen Haus
Des Herzogs Knaben ein und aus
Und übten ihren Jugendmuth
In freier Lust, in treuer Hut.
Dort an dem Golfe weit und blau
Lebt' in Stille die edle Frau,
Als jene Kunde zu ihr drang.
Den Herzog hielt des Amtes Zwang
Im Osten auf der Slavenwacht.
Doch eben nun in heißer Schlacht
War's ihm geglückt, die Wenden
Blutrünstig heimzusenden;
Er sagte seine Rückkunft an.
Rata sprach: Nun sei's gethan! –
Sie nützte die kurze Wartefrist
Und rüstete mit frommer List
Das Haus zu freudigem Empfang –
Sich selbst zu einem schweren Gang.
Erst schrieb sie noch den Abschiedsbrief,
Darauf ihr manche Thräne lief:
Er werde sie nicht wiedersehn,
Noch jemals ihr Versteck erspähn,
Und ob er's fände – für und für
Blieb' ihm verschlossen doch die Thür. –
Darauf mit Fassung und Bedacht
Ward auch das Letzte noch vollbracht.
Sie gieng, gehüllt in dichten Flor,
Wie zu lustwandeln aus dem Thor.
Die Knaben spielten auf der Au:
Voll Jammer zog die hehre Frau
Sie an die Brust und küßte sie –
Ihr stockt der Odem, ihr wankt das Knie,
Sie dämmt, die Hand am Herzen,
Klaglos die blutigen Schmerzen.
So schritt sie ohne Aufenthalt
Nach einem Kloster tief im Wald
Und trat verhüllt zur Oberin:
Behalt mich, Mutter, wie ich bin!
Nach eurem Frieden steht mein Muth,
Und sieh, da bring' ich reiches Gut –
Kleide zur Schwester mich heut noch ein,
Und all der Glast soll euer sein.
Doch Jene sprach: Vertrau mir erst,
Weßhalb du von der Welt dich kehrst.
Gar Manche, die dem Mann entlaufen,
Will sich in unsern Frieden kaufen;
Beweis drum, daß dein Wille frei,
Durch keine Pflicht gebunden sei.
Der Herzog, der im Land gebeut,
Hat die Gesetze streng erneut:
Es muß zumal bei Gatten
Ein Theil es erst verstatten,
Eh der andre von ihm darf.
Bescheid und Stimme klangen scharf.
Ratberga hielt den Schleier dicht
Um ihr erglühend Angesicht
Und neigte sich und ging hinaus,
Lief ohne Ziel – nur weit von Haus! –
Rathlos und in dumpfem Weh
Und hielt zuletzt am Strand der See,
Matt und müde. Da schwamm ein Boot;
Das Segel loht' im Abendroth
Still wie ein gastlich Feuer,
Ein Fischer stand am Steuer,
Ein alter Mann, der lenkt' in Ruh'
Sein Schiff der nahen Hütte zu.
Sie rief ihn an; er kannte sie
Und drehte bei und bog das Knie
Zu seiner Herrin Dienst bereit.
Sie band mit einem theuren Eid
Die Treu' des grauen Fergen
Und hieß ihn sie verbergen.
Er that's und fragte nicht warum;
Einsames Alter macht' ihn stumm.
In ihres Blickes reiner Huld
Las er Betrübniß, keine Schuld.
Das rauchgeschwärzte Häuschen stand
Auf einer Klippe fern dem Strand,
Daran in weitem Bogen
Vorbei die Schiffe zogen;
Denn untief war das Wasser dort:
Kaum daß sein eigner flacher Bord
In dem schlammgenährten Ried
Auf schmaler Furt die Sandbank mied.
Er räumt' ihr unter niederm Dach
Ein eng Gelaß zum Schlafgemach
Und häuft' ein Lager drinnen
Aus Schilf und rauhem Linnen,
Hob aus dem Garne Fisch und Aal
Und war ihr Koch und Schenk zumal:
Den Tischtrunk schöpft' er kühl und hell
Am Felsen aus dem Sickerquell.
Als Seneschall trug er den Span
Der Herrin ins Gemach voran;
Er selbst behalf am Herde
Sich auf der nackten Erde.
Am andern Morgen, als der Tag
Goldflüssig auf dem Wasser lag,
Stand hoch am Ufersaum die Frau,
Kühlt' ihr Auge mit Morgenthau
Und ließ in blauende Weiten
Meerüber die Blicke gleiten.
Ein wohlbekannter Mauerkranz
Erblinkte fern im Sonnenglanz:
Als grüßend Banner flog der Rauch
Am Giebeldach im Morgenhauch.
Da schwoll ihr Herz von Sehnen;
Sie lächelt' unter Thränen:
Mich dünkt, hier endet meine Flucht –
Nicht Bergesschlucht noch Waldesbucht
Beut mir so sichern Frieden,
Als still und abgeschieden
Das Eiland hier in öder Flut.
Hier engt mich keines Klosters Hut,
Hier gönnt ein tröstliches Geschick
Der Sehnsucht einen Labeblick.
Mein Glück hub an im Fischerhaus –
Im Fischerhause kling' es aus.
So blieb, anstatt zu kurzer Rast,
Zu stetem Aufenthalt der Gast.
Als wäre sie gelandet,
Wo rings vom Meer umbrandet,
Bewacht von schweigsam grauem Wirth
Das bleiche Volk der Schatten schwirrt,
So lebte sie der Welt entrückt:
Nur von Erinnrung überbrückt
Lag breite Flut ergossen:
Weißbrüstige Möven schossen
In scheuem Flug, mit heiserm Schrei
Wehklagend ihrem Haupt vorbei.
Doch sie von Tag zu Tage
Entwöhnte sich der Klage
Und sah nach ihrem Erdenglück
Mit immer hellerm Aug zurück;
Ihr schwand in stolzer Freudigkeit
Hinweg der Trennung brennend Leid:
Aus treu vollbrachtem Werke
Wuchs ihr des Duldens Stärke.
Eines freilich fiel ihr schwer:
Sie saß nicht gern die Hände leer,
Und wenn sie Netze strickte
Oder das Haus beschickte,
Indeß der Alte nach Fischen fuhr,
Dann riefs in ihr: Was treibst du nur?
Statt drüben, wo dir Mann und Kind,
All deine Wünsch' und Sorgen sind,
Wo man dich liebt und dich entbehrt,
Schaltest du an fremdem Herd! –
So mußte täglich das edle Herz
Zweifel zwingen und Sehnsuchtschmerz
Und konnte von seinen Wunden
Niemals ganz gesunden.
Der Alte dient' in frommer Scheu
Der Frau, mit blind ergebner Treu,
Still in Werken, an Worten karg,
Ohne Falsch und sonder Arg.
Selten sah er Leute:
Er brachte seine Beute
An sichre Kunden, sprach nicht viel
Und wandte heimwärts flugs den Kiel;
Nie wußt' er zu berichten
Von Stadt- und Landgeschichten.
Doch einsmals kam er ganz verstört:
Herrin, vernimm, was ich gehört!
Dein Herr, um dich in Sorg' und Noth,
Hat den Bischof hart bedroht,
Er sollte stracks bekennen
Und dein Versteck ihm nennen –
Zum Fenster hat er den armen Alten
Im Schloß dort drüben hinausgehalten –;
Der schrie mit heil'gen Eiden,
Er könn' ihn nicht bescheiden.
Da hob er ihn herein; jedoch
Verhoffend, er gestehe noch,
Gab er den Gottesmann nicht frei.
Darob erhub sich groß Geschrei,
Das bis zum König drang, – und jetzt
Ist dein Herr des Amts entsetzt.
Wohl ließ er da den Bischof los,
Doch war nun er der Rache bloß …
Rata verhüllt' ihr bleich Gesicht
Mit den Händen; sie weinte nicht;
Durch alt' und neue Schmerzen
Klang ihr im stockenden Herzen
Ein höhnisch Lachen: In deinem Wahn,
Merkst du nun, was du gethan? –
Sie fuhr empor: Es kann nicht sein …
Er verlassen, Er allein!
Und keine Stimme, keine Hand
Hob sich für ihn im ganzen Land?
Ist alle Treue denn verschwunden?
Ach, nur zu viel hat er gefunden,
Und sich mit schwererm Schaden
Und schlimmrer Schuld beladen.
Verwünschte Treue! Herrgotts Blut –
Undank und Untreu' thät' ihm gut:
Müßt' er allein, verlassen fliehn,
Wie anders stünd' es dann um ihn,
Wie würde jedes Herz im Land
Dem Schlimmbelohnten zugewandt,
Und bald zu alten Ehren
Sollt' er uns wiederkehren!
Doch nun, weil etlich Knaben
Ihm zugeschworen haben –
Als hab' ihn deine Flucht verwais't
An klugem Rath, an gutem Geist,
Stellt er in blinder Hitze
Alles auf Schwertes Spitze.
Ja ja, es sei dir unverhehlt:
Du, o Herrin, hast ihm gefehlt!
Du, die stets zum Guten
Lenkte den Raschgemuthen,
Das weiß im Lande jedes Kind.
Und was er Unheil jetzt beginnt,
Geschieht um dich nur, die er glaubt
Weiß Gott von wem berückt, geraubt!
Du, seines Lebens Licht und Trost …
Du wirst ja wissen, warum du flohst,
Doch wiss' auch dies: indessen
Du hehlings hier gesessen,
Hat er sich schwer vergangen,
Hat er den König gefangen,
In keckem Ueberfall, bei Nacht,
Und nach der Burg dort ihn gebracht.
Ja wohl, erschrick nur. Solch ein Krieg
Ist schlimm, doch schlimmer solch ein Sieg:
Die Herren wie die Leute,
Die hold ihm waren – heute
Sind alle wider ihn von Groll,
Von Mitleid für den König voll;
Und die zu deinem Herren stehn,
's ist eine Handvoll … wie wird's ergehn?
Rata winkte: Laß mich allein!
Ihr Antlitz war wie Marmelstein,
Ein schmerzlich rathlos Lächeln stund
Erstarrt um den erblichnen Mund.
Nun lös't es sich. Es glänzt zumal
Aus ihrem Aug' ein kühner Strahl;
Mit streng geschlossner Lippe
Lehnt sie an der Klippe
Und blickt in ruhigem Sinnen
Hinüber nach den Zinnen:
Nein, nein, und dennoch war's kein Trug!
Nur, was ich that, ist nicht genug:
Das Erste war Verzichten;
Nun gilt es Wirrsal schlichten …
Er wird mich hassen, wenn er hört,
Wer ihm sein kühnes Thun gestört.
Sei's drum, halt' er's für arge List,
Wenn er nur mich darob vergißt!
O wilder, lieber, trotziger Mann,
Du machst mir schwer, was ich begann.
*
Die See lag schwül und spiegelglatt,
Kein Lüftchen spielt' in Halm und Blatt;
Die Sonne schlich gewitterbang
Mit müdem Schritt zum Niedergang.
Durch fahlen Dunst im Osten
Begann es trüb zu glosten:
Ein blutig Haupt aus bleichem Flor
Tauchte der rothe Mond hervor
Und schwamm empor in düstrer Pracht,
Hoch und höher. Um Mitternacht
Hob sich sacht ein leiser Tritt,
Der huschend aus der Hütte glitt.
Der Wimpel nickt verschlafen
Vom Boot im schmalen Hafen;
Daneben lag ein Ruderkahn,
Den lös'te sie. Die Flimmerbahn
Furcht' er lautlos und flog dahin,
Wo dämmernd herüber der Steinbau schien.
Noch hing der Mondschild silberblank,
Doch dräut' im West eine Wolkenbank,
Schwarz starrendes Gemäuer,
Schaurig und ungeheuer.
Die Fergin hielt mit sichrer Hand
Aufs Ziel ihr Fahrzeug unverwandt:
Es schwand der Raum, die Wolke schwoll,
Der Mond erlosch, doch ruhevoll
Mit gleichbemessnen Schlägen
Trieb sie der Burg entgegen.
Und nah und näher fliegt das Schiff,
Vorbei dem wohlbekannten Riff –
Sie sieht es kaum: im Süden nur
Blinzt eine schmale Himmelsspur,
So hat die dräuende Wolkenwand
Rings die Wölbung überspannt.
Unheimliches Geflüster
Raunt plötzlich durch das Düster
Vom Buschwerk drüben am Felsensteig:
Der Nachtwind schüttelt das Gezweig.
In kurzen Stößen, schwül und lau
Umspielt er schon die Stirn der Frau;
Schwere Tropfen klatschen,
Und vorn am Bug ein Patschen
Von Gurgelwellchen. Sie späht erschreckt
Zum Lande, das sich dunkel streckt;
Ihr Auge sucht den sichern Raum,
Wo zu sandigem Ufersaum
Die Klippenküste sich verflacht.
Da flammt ein Blitz, der Donner kracht:
Wachgeschreckt von dem jähen Streich,
Dem pfeilgetroffnen Panther gleich,
Heult winselnd auf die Wetterbö.
Es kocht die Flut und springt zur Höh';
Wasserriesen mit Schaum im Haar
Recken sich auf, eine tosende Schaar,
Und schließen sich schnaubend zum kreisenden Kranz
Und wiegen und stampfen den Reigentanz
Und schleudern mit dröhnendem Lachen
Von Hand zu Hand den Nachen.
Da taucht die Frau die Ruder tief,
Und ihre bange Seele rief:
Heut nicht! Zu jeder andern Zeit
Fändst du mich, kühler Tod, bereit:
Ach wohl, es wäre für ihn und mich
Die beste Schickung sicherlich,
Wüßt' er, daß in der Tiefe
Ich wohlgebettet schliefe.
Doch heut nicht! Jetzt nicht! Frisch, mein Kiel!
Sein Heil – hörst du? – steht auf dem Spiel.
Und Blitz auf Blitz, und Schlag auf Schlag.
Nun schwarze Nacht, nun greller Tag.
Der Abgrund brüllt, die Windsbraut gellt;
Nun zu den Lüften hinangeschnellt
Und nun im Schuß zu Thale
Wirbelt und wankt die Schale.
Und schauerlich grollt's in der Wolke Schooß:
Verlorne Müh', der Tod dein Loos!
Doch kraftvoll theilt ihr Arm den Schwall.
Wohl ächzen, gebogen vom rollenden Prall,
Und greifen hastig ins Leere
Die Ruder der ringenden Fähre:
Sie aber, die muthige Schifferin,
Mit starker Hand und festem Sinn,
Zwingt das Meer und zwingt den Sturm
Und hält mit Macht seitab vom Thurm
Und drängt die stöhnenden Rippen
Des Boots vorbei den Klippen,
Bis wo, ans Blachfeld sanft gelehnt,
Sich dünenhaft das Ufer dehnt.
Wohlauf zum guten Ende!
Rief sie und sprang behende
Rückwärts, daß der Bug sich hob.
Den breiten Rücken wölbend schnob
Heran ein Wogenungethüm
Und warf den Kiel mit Ungestüm
Zur schreckensvollen Landung
Mitten in die Brandung.
Und hoch im Sprunge spannte sie
Die Arme aus und brach ins Knie
Und fasste taumelnd in den Sand
Und raffte sich empor und stand
Aufathmend und war gerettet.
Den Kahn, in Sand gebettet,
Zog sie mit Händen weiß und weich
Sorglich aus der Flut Bereich.
Alsdann durch Sturm und Regen
Schritt sie der Burg entgegen.
Blitze hellten den gähen Pfad,
Den sie mit sichrem Fuße trat:
Ein Pförtlein weiß sie wohlversteckt,
Vor Spähern durch Gebüsch gedeckt,
Am steilsten Rand, wo jede Nacht
Nach altem Brauch der Schließer wacht.
Sie klimmt unangerufen
Empor die Felsenstufen;
Doch da sie kommt zum Orte,
Hält sie vor der Pforte
Zaudernd wie ein Dieb und lauscht
Dem Blut, das ihr im Ohre rauscht,
Dem Sturm, der um die Mauern stöhnt,
Dem Meer, das an die Felswand dröhnt.
Leis rief sie dann den Wächter an;
Aus enger Scharte späht der Mann
Bei schwelenden Kienspans trübem Strahl. –
Ich bin's, des Herzogs Ehgemahl;
Tummle dich; was säumest du?
Die Nacht ist schlimm! – Aufschloß im Nu
Der staunende Geselle.
Kaum war sie über die Schwelle:
Zu höherm Dienst bist du ersehn,
Begann sie, als hier Wache stehn.
Nach Gebühr sind längst erkannt
Dein Geschick und dein Verstand
Bei dem Herren droben:
Heut magst du sie erproben.
Dein Sinn, weiß ich, ist so gereift,
Daß er Verschwiegenes begreift.
Zum Beispiel: ein witzeloser Wicht
Meint wohl, der Herzog wisse nicht,
Daß ich, die erst – zum Schein – entflohn,
Nun hier bin … du verstehst mich schon.
Daß einer weiß und doch nicht weiß;
Sein ungesprochenes Geheiß
Gehorsam findet; daß sich still
Vollzieht was man nicht wollen will –
Es ist nicht jedem Fürstenleben
So klugen Dienstes Glück gegeben.
Und nun, weil dir ein Wink genügt,
Zu ahnen, ob die Wahrheit lügt –
Merk auf, sei zu verstehn beflissen:
Dein Herr weiß nicht und darf nicht wissen,
Was zwei treue Seelen
Statt seiner sich befehlen.
Wohlan, wo ist dein Schlüsselbund?
Der Andre stand mit offnem Mund;
Doch sie fuhr fort: O feine List!
Nun merk' ich erst, wie klug du bist:
Du stellst dich an, als hörest du
Verwundert meinen Reden zu.
Muß ich's noch sagen? Deinen Hals
Wagt dein Gehorsam keinesfalls:
Hast du den König erst befreit –
Bei ihm bist du in Sicherheit.
Du wirst dich doch nicht gar besinnen,
Ob Dank und Lohn sei zu gewinnen?
Er stand betäubt; ihm schwirrt und flirrt
Sein langsam Hirn, verstrickt, verwirrt
In ihrer dunkeln Reden
Dreist geschürzten Fäden.
Doch sie sieht ängstlich, indeß sie spricht,
Wechseln auf seinem Angesicht
Erstauntes Stirnerunzeln
Mit lobeskirrem Schmunzeln,
Bis ihm zur Reife der Entscheid,
Sinnvoller als er ahnt, gedeiht:
Ei, brummt er, was Frau Rata sagt,
War recht von jeher – sei's gewagt! –
Er facht den Span und geht voraus,
Die Schritte verschlingt des Sturms Gebraus;
Der Schlüssel kreischt, den schrillen Schall
Ueberdröhnt der Donnerhall.
Rata raunte: Weg den Span!
Laß uns dem Herrn im Dunkel nahn:
Kann er uns nicht gewahren,
Wird er die Reden sparen;
Mit leisem Winke, kurzem Wort
Bringen wir halb im Schlaf ihn fort. –
Doch unverhoffter Lichtschein floß
Herfür, da sich die Thür erschloß.
Der König ruht' im Zimmer
Bei bleichem Kerzenschimmer:
Das breite Bett stand ungenützt;
Die Stirn in seine Hand gestützt,
Das stolze Haupt von Scham und Groll
Und wühlenden Gedanken voll
Saß er und starrte trüb vor sich,
Bis ihn ein leiser Traum beschlich.
Nun schrickt er auf: Ratberga stund
Vor ihm, den Finger auf dem Mund;
Die Schläfen und die Wangen
Von schattendem Tuch umfangen,
Deutet sie mit hast'gem Wink:
Frag nicht lang und folge flink! –
Forschend maß sein Aug' das Paar,
Dann trat er auf Ratbergen dar:
Wer bist du? flüstert' er; und sie
Umfaßte flehend seine Knie:
Ein Fischerweib! Erbarme
Dich mein in tiefem Harme …
Mein Mann, aus Trutz und Unbedacht,
Ist verfallen der Königsacht
Sammt den Gesellen! – Liudeprand
Hob die Gebeugte mit milder Hand;
Ihm dämmert ein Erinnrungsstrahl:
Die siehst du nicht zum ersten Mal!
Der Stimme nun gedämpften Ton,
Klangvoll und tief, vernahmst du schon;
Wie fürstlich aus den Schultern steigt
Das Haupt, in Schüchternheit geneigt …
So trägt es traun nur Eine!
Wär's möglich, was ich meine?
Was treibt sie her? was ist geschehn?
Wer heißt sie mich um Gnade flehn? –
Er sprach: Du schleichst dich ein bei Nacht
In dies Gefängniß rings bewacht,
Du willst, daß ich die Fehme
Von den Deinen nehme …
Und bangst doch, daß mein Königswort
Dringe durch die Thüre dort! –
Da faltet sie die Hände
Demüthig: Herr, o sende
Mich so nicht weg, des Trostes bar!
Bist du gefangen, ich fürwahr
Weiß doch, daß auch zu dieser Frist
Nur du der Herr und König bist!
Drum kam ich her, drum drang ich ein …
Das Wie laß mein Geheimniß sein. –
Ei sieh, sprach er, bin ich so werth?
Wer hat dich dieses Wort gelehrt?
Daß ich der Herr und König bin,
Ist das auch deines Mannes Sinn?
Wer ist der Mann, und welch Vergehn
Soll ich verzeihen unbesehn?
Da seufzte sie: Es drängt die Zeit!
Der Morgen, Herr, ist nicht mehr weit …
Was soll in dieser Stunde
Dir eines Namens Kunde,
Den Er dir bald am Sühnetag
In Reue selber nennen mag,
Wenn ihm dein Königsrecht, die Gnade,
Zu deinen Füßen bahnt die Pfade? –
Der König aber wiegt das Haupt:
Daß er an meine Rechte glaubt,
Dafür begehr' ich bessres Pfand,
Als dies, daß er sein Weib gesandt. –
Doch Rata fiel erröthend ein:
Mich schickte Niemand, leider nein!
Du läßt vom Schein dich trügen.
O Herr, ich kann nicht lügen:
Er weiß nicht um den schweren Gang,
Den ich gewagt aus eignem Drang …
Doch Gnade, die dich immer ehrt,
Ehrt sie dich minder, blind gewährt? –
Da lacht' er listig: Mit gutem Fug
Argwöhn' ich dennoch frommen Trug.
Wie, wenn dein Drängen mir verrieth,
Daß hilfreich her mein Heerbann zieht
Und daß du weißt, in kurzen Wochen
Sei diese Kerkerwand gebrochen?
Wie, wenn der schmeichelnde Besuch
Erkannt ward trotz dem Schattentuch?
Da lös't die Frau mit leiser Hand
Den Knoten, der das Tüchlein band,
Und wandt' ihm unverlegen
Ihr Angesicht entgegen,
Schaut' ihn aus ernsten Augen an,
Wog still ihr Wort erst und begann:
Noch hab' ich nichts davon gesehn;
Doch wie du sagtest, wird's geschehn:
Nicht lange mag es dauern,
Berennt man diese Mauern,
Bis Leichen über Leichen
Heran zur Zinne reichen …
Dein Leben aber bleibt als Pfand
Wehrlos in der Verzweiflung Hand!
Ich rede nur nach Frauenweise:
Für unsres Denkens enge Gleise
Stellt wohl ein Schatten von Gefahr
Sich als gewaltig Schreckniß dar:
So war ich wohl zu rasch verzagt …
Vergieb! Doch sieh, von Angst gejagt,
Im Wahn, das grimme Wüthen
Des Krieges zu verhüten
Und dich zu retten, kam ich her.
O glaub mir, es ist bitter schwer,
Des eignen Gatten Händen
Das Siegespfand entwenden:
Wohl Jammers ist sich diese Brust,
Doch keines Trugs, o Herr, bewußt.
Als ich die Lichter brennen sah,
Kaum weiß ich selbst, warum's geschah –
In Unbedacht, doch sonder Arg,
Daß ich mein Angesicht verbarg,
Als möcht' es so gelingen,
Dich rasch hinwegzubringen.
Gewiß, es war ein Ungeschick …
Und wenn verwirrt vom Augenblick
Ich dich für Ihn um Gnade bat,
Es war nicht löblich, daß ich's that:
Ich weiß, daß du zu
jeder Frist
Der hochgesinnte König bist,
Der, ohne Bitte, klug und gut
Aus freier Huld das Rechte thut.
In stiller Größe stand sie da;
Aus thränenlosem Auge sah
In hoffnungsbangem Herzeleid
Stumm flehende Beredsamkeit.
Ihm dringt der edlen Frauen
Rührendes Vertrauen
Tief zum Herzen, das, bewegt
Von ihrer Hoheit, höher schlägt:
In diese Hand legst du sein Loos!
O Weib, dein Glaubensmuth ist groß;
Beschämend unsre Leidenschaft
Schwebt er empor in heil'ger Kraft
Und bannt mit frommem Friedensruf
Den Zorn, der all dies Unheil schuf:
Dein weiblich rein Gemüthe,
Voll Weisheit und voll Güte,
Fand wider unsrer Blindheit Saat
Mit Kindesblick den rechten Rath.
Aus allem Lob klang ihrem Ohr
Beglückend nur sein Ja hervor.
Versteh' ich recht? ich darf und soll
Dich führen! ruft sie freudenvoll;
Komm, komm, eh uns der Tag verräth:
Schon hat der Hahn ihn angekräht! –
Sie faßt des Königs Rechte;
So folgen sie dem Knechte,
Der schlurfend durch die Gänge schreitet,
Ihr lauschend Ohr im Dunkel leitet
Und aus dem schlummerstillen Haus
Vorantritt auf den Fels hinaus.
Dumpf wob die Nacht, das Wetter schwieg;
Den Felsen, tastend, nieder stieg
Der stumme Zug im Dämmerschein.
Frau Rata lenkt, von Stein zu Stein,
Und stützt des Greisen Glieder
Und bringt ihn heil hernieder
Und führt ihn nun in raschem Gang
Dem Boote zu den Strand entlang.
Da rauscht der Busch, da halten
Leibhafte Nachtgestalten
Die Flücht'gen an, es schwirrt Gesumm
Gedämpfter Stimmen um und um.
In jähem Schrecken steh'n die Drei.
Nun tönt ein heller Freudenschrei:
Heil, Liutprand, unserm Herrn! – Es war
Von treuen Männern eine Schaar,
Die, als der Sturm verflogen,
Auf nächtliche Kundschaft zogen,
Indeß bei ihren Nachen
Am Ufer die Fergen wachen.
Ratberga aber späht erschreckt
Durchs Zwielicht: ist mein Kahn entdeckt? –
Und wie von weitem auf dem Sand
Ihr scharfes Aug' ihn froh erkannt,
Tritt sie zum König rasch und spricht:
Den Schließer, Herr, vergiß mir nicht!
Doch mir, da nun mein Werk vollbracht,
Gieb Urlaub. Sieh, schon bleicht die Nacht:
Auch du darfst nicht mehr säumen,
Vor Tag den Ort zu räumen;
Leb wohl! – Und so mit kurzem Wort,
Zum Gruß sich neigend, eilt sie fort.
Umsonst ruft ihr der König zu;
Sie macht ihr Schifflein flügg' im Nu
Und strebt auf leisem Kiele
Hinweg zum fernen Ziele.
Er lauscht ihr nach: So groß und klein,
So weis' und thöricht kannst du sein!
Zu Aller Unheil erst entfliehn,
Dann heilen, was unheilbar schien …
Und nun, in blöder Scheue,
Entziehst du dich aufs Neue.
O Wunder, nimmer auszukünden,
Wer mag dich, Frauenherz, ergründen?
Merk auf, du Ferge, sprach er laut:
Ein wichtig Werk sei dir vertraut.
Erkunde sicher mir und bald
Der edlen Frauen Aufenthalt:
Es ist dir nicht zum Schaden,
Ich will dich reich begnaden.
*
Nun wieder öde liegt der Strand.
Von Osten lugt der Tag ins Land;
Bleiche Nebel schleichen
Verdrießlich hin und weichen –
Da sieh, o Wunder: wie sich's hellt,
Gleißt in Waffenglanz das Feld,
Es wimmelt rings von Streitern,
Von Fußvolk und von Reitern,
Seewärts aber halten Wacht
Ruderboot und Segeljacht,
Als ob ein Zauber hätte
Bei Nacht gefügt die Kette.
Von seiner Burg Herr Bernhart nahm
Die Wandlung wahr mit Grimm und Gram.
Ein bleicher Mund bracht' ihm die Mähr:
Man fand des Königs Zelle leer,
Der Schließer selber half ihm fort! –
Der stolze Herzog sprach kein Wort;
In Trotz und trüber Trauer
Trat er auf die Mauer.
Da sieht er jeden Steig verstellt:
Schon wächs't ein Lager, Zelt an Zelt;
So weit das Auge reichen kann,
Von Ost und Westen rückt's heran,
Und drüben, wo dem Strande nah
Ein Fronhof aus dem Oelwald sah,
Weht hoch das Königsbanner.
Mit düstrer Stirne sann er
Dem Anblick nach: Du wackre Schaar,
So hoffnungsvoll, so hoffnungsbar,
Es ist umsonst! Zu Land und Meer
In voller Wehr ein wimmelnd Heer,
Um euer junges Leben
Das Todesnetz zu weben!
Wohlan, so sei's beschlossen. –
Er sprach zu den Genossen:
Auf eure Treu' wohl ist Verlaß,
Jedoch das Glück ward mir gehaß:
Zerronnen wie gewonnen
Ist, was wir kühn begonnen.
Mein Unstern droht auch eurem Haupt.
Wer an des Königs Gnade glaubt,
Mag sie versuchen ohne Scheu …
Ich entbind' ihn seiner Treu'. –
Da braus'te Heilruf um ihn auf,
Die Helden schwuren all zuhauf,
Sie wollten zu dem Herren stehn
Und siegen oder untergehn.
Des Herzogs Blicke ruhten heiß,
Voll Mitleid, auf dem blühnden Kreis;
Er lächelt trüb und blickt hinaus.
Da sieh, dort von des Königs Haus
Eilt ein einzler Reiter her,
Gestreckten Laufs, und hoch am Speer
Als Friedenszeichen weißen Flor,
Sprengt er herauf und hält am Thor:
Vom König Gruß und Gnade!
Ich, sein Herold, lade
Bernhart, den Helden. Frei Geleit
Ist ihm gewährt bei Königseid! –
Da rief ein Jungherr munter
Vom Mauerkranz hinunter:
Zuvörderst merke, loses Maul,
Der Held heißt Herzog von Friaul!
Zum andern aber künd' ich dir:
Der Herzog Bernhart ist nicht hier,
Er sammelt seine Schaaren.
Will sich der König wahren,
Lass' er sich selbst bei Zeiten
Zu sichrer Statt geleiten.
Doch ernsthaft trat der Held herfür:
Laß ruhn, mein Sohn, die Ungebühr.
Dem König biet' ich Gegengruß,
Bekümmert, daß ich danken muß
Für sein Geleit: ich trag' es nicht,
Zu treten vor sein Angesicht;
Ich will mit diesen Händen
Mein leidig Werk vollenden.
Wenn mir dein Herr, der hohe Greis,
Noch Dank für alte Dienste weiß,
Wird er mir nicht versagen,
Im Zweikampf auszutragen
Den Streit, der sich um mich entspann.
So send' er einen freien Mann,
Der Männerwaffen mächtig,
Der Ehren unverdächtig:
Dem will ich mich als Kämpfer stellen.
Gelingt es
mir, den Feind zu fällen,
Dann sei im Helm, mit Schild und Schwert
Freier Abzug uns gewährt.
Fall' ich, sei ohne Waffenzier
Zu fliehn erlaubt den Meinen hier …
Und er mag meiner armen
Söhnlein sich erbarmen.
Der Herold schied. Der Burghof hallt
Von lautem Wettstreit alsobald,
Und Jeder will sein Leben
Für das des Herzogs geben.
Er aber wehrt dem edlen Drang:
Das Recht vollende seinen Gang –
Wenn uns beschirmt des Himmels Huld,
Büß' ich noch schwer genug die Schuld;
Wird uns ein Todesloos gekoren,
So treff' es mich, der es beschworen!
*
Frau Rata hat indessen
Den Weg zurückgemessen.
Auf ihrer lichten Stirne ruht
Ein Nachglanz heil'ger Opferglut;
Kein Schlaf ist zu gewinnen
Den überwachten Sinnen,
Doch winkt ihr wie aus goldnem Traum
Die Burg am blauen Klippensaum,
Wo stolz, einst von ihr selbst genäht,
Die herzogliche Fahne weht.
Geduld, noch eine kurze Frist,
Bis man das Königsbanner hisst,
Ein holdes stummes Zeichen,
Daß sie die Hand sich reichen! –
Noch immer nicht! Wie schleicht die Zeit!
Von Ungeduld und Müdigkeit
Wühlt's ihr wie Fieber im Geblüt,
Verschattet sich ihr hell Gemüth.
Da regt sich leise nagend,
Erst fragend, dann verklagend,
Des Zweifels Natter in der Brust:
Ei, bist du dir so recht bewußt,
Was du gethan? Auf Edelsinn
Vertrauend gabst du Alles hin!
Brach nie ein Fürst beschwornes Wort …
Und ist die Schwurhand je verdorrt?
Du aber,
ohne Wort und Schwur –
Sag an, auf was vertraust du nur?
Auf Königsgroßmuth, Dankbarkeit!
Doch wie, wenn er ihm auch verzeiht,
Kann er ihn bei den alten
Ehren denn erhalten?
Fürwahr, das hast du klug entwirrt:
Daß Bernhart nun ins Elend irrt! –
Da ward ihr Glaube schwach und klein:
Nun däucht ihr trüber Irrlichtschein,
Was erst ihr durch der Sorge Nacht
Als lichter Leitstern zugelacht.
Was ihre Herzensweisheit fand,
Zerblies der hämische Verstand:
Ihr warm Gefühl des Rechten
Mit Gründen zu verfechten,
Gelingt ihr nicht. Und wie ein Kind
An fremder Meinung Halt gewinnt,
Bedenkt sie, was der König sprach,
Und spricht sogar dem Schließer nach:
Das Rechte trifft, was Rata sagt, –
Und blieb dabei doch tief verzagt.
So müht und quält sich zweifelbang
Das arme Herz den Tag entlang,
Und ungewechselt wallten
Im Wind der Fahne Falten,
Bis die Nacht herniedersank.
Von Harren müd, von Harme krank,
Doch schlafgemieden lag die Frau.
Kaum dämmert des Tages erstes Grau,
Erhebt sie sich und weckt den Greis:
Fahr aus auf Kundschaft, brauche Fleiß;
Und wie's auch immer werde –
Sag mir's ohne Fährde! –
So fern ihr Auge folgen mag,
Blickt sie ihm nach. Es steigt der Tag;
Ihr ist, schon seien Stunden,
Endlose, hingeschwunden,
Da tritt hervor der Sonnenball.
Horch, klang das nicht wie Ruderschall
Zur Seite dort? Ein fremder Kahn …
Gerad aufs Eiland seine Bahn …
Ein Fährmann auf der Ruderbank,
Dabei ein Krieger, waffenblank! –
Sie flieht, bestürzt von Schrecken,
Ins Haus, sich zu verstecken,
Und späht durch eines Ladens Spalt:
Nun naht das Schiff, nun macht es Halt.
Und der da rüstig springt ans Land,
Der Held ist ihr gar wohlbekannt:
Der König selber, ganz allein,
Hierher … was mag geschehen sein?
Seine Blicke gleiten
Rasch nach allen Seiten;
Vom Hüttchen, drauf sie lang geruht,
Kehrt er sie hin zur blauen Flut,
Wo, das Segel straff gebauscht,
Ein schlanker Kiel herüberrauscht.
Und nun, gedeckt vom Klippenhang,
Daraus das dünne Brünnlein sprang,
Sitzt er im Schatten nieder
Und blickt zum Hause wieder.
Das Segel wächs't …, nun dreht es bei …,
Behend ans Ufer springen Drei,
Und waffenklirrend tritt voran –
Schier schreit sie auf – ein theurer Mann.
Die Stirn, dem heitern Tage gleich
Voreinst, wie ward sie sorgenbleich,
Wie ist den frischen Wangen
Die Farbe gar vergangen!
Der König, der, das Haupt geneigt
Wie träumend, ihm den Rücken zeigt,
Hebt ernst und langsam, da sein Ohr
Den Schritt vernahm, den Blick empor:
Dies ist die Stätte, Stund' und Tag …
So werde denn, was muß und mag! –
Bernhart blickt erschrocken
Auf die grauen Locken
Und in der Züge stummen Gram;
Er bebt zurück in Schreck und Scham,
Rafft sich in Trotz empor und spricht:
Herr, diesen Schlag verhofft' ich nicht!
Mein Arm wird übel taugen
Zum Kampf vor deinen Augen,
Gelähmt von deiner Nähe Bann …
Jedoch es sei! Wo ist dein Mann? –
Gestemmt auf seines Schwertes Knauf
Richtet sich der König auf:
Erwarte keinen Andern hier –
Der freie Mann, er steht vor dir,
Der Männerwaffen mächtig,
Der Ehren unverdächtig.
Ich bin dir doch wohl Manns genug?
Der Arm, der mir die Wenden schlug,
Bei Gott, der wäre schlecht geehrt,
Hielt' ich ihn mindern Gegners werth!
Da warf mit Gramgeberde
Bernhart den Schild zur Erde:
O Herr, du spielst ein grausam Spiel …
So führ es rasch zum letzten Ziel.
Soll ich zu deinen Füßen,
Ein Bettler, wimmernd büßen?
Hier meine Hände! Fessle sie:
Nach deinem Haupte ziel' ich nie!
Drauf lächelt leise Liudeprand:
Ich gab ja mich in deine Hand!
Leicht mögen dort die Deinen
Bewältigen mich Einen.
Jedoch dein Wille soll ergehn:
Willst du den Kampf mit mir verschmähn,
Wie möcht' es
mir gebühren,
Gefangen dich zu führen,
Den nicht mein Schwert im Waffengang,
Den eigne Reue mir bezwang?
Doch lebt mir eine Muhme,
Aller Frauen Blume,
Ihr ist kein Weib im ganzen Reich
An Weisheit und an Adel gleich:
Der sei es aufgetragen,
In Bande dich zu schlagen!
Da stammelt Bernhart: Herr, ach nein!
Ein Weib, du weißt es, ist schon mein. –
Ei, lacht der König, ist's nur dies?
Du meinst das Weib, das dich verließ:
Wie magst du Die noch lieben?
Hast du sie nicht vertrieben,
Vergiß die Falsche, sei nicht schwach!
Sie schuf uns doch nur Ungemach.
Jedoch, die ich dir meine,
Die Gute, Kluge, Reine
Verlockt dir keiner Laune Wahn:
Die ist dir herzlich zugethan.
Längst liebt sie dich im Stillen;
Sie hat um deinetwillen
Sieghaft den schwersten Kampf gekämpft,
Des Rechtes Rachezorn gedämpft,
Mich dir versöhnt! Und das allein
Soll deine Buß' und Strafe sein,
Dies Kleinod mir zu danken!
Des Herzogs Blicke sanken
Verwirrt zu Boden: Herr, vergieb!
Mein armes Weib – ich hab' sie lieb;
Und daß sie mich verlassen,
Ich kann's verstehn und fassen.
O Herr, ich wußt' es selber nicht –
Doch sie war meines Lebens Licht,
Nun ward ich's inne … zu bittrer Noth:
Wie Licht und Luft und täglich Brod,
Gesunden Leib und Arm und Fuß
Nur schätzt, wer ihrer darben muß.
Sie hat wohl viel gelitten
Von meinen rauhen Sitten:
Sie war so gar besondrer Art,
Ein still Gemüthe, hold und zart,
So recht wie lieber Sonnenschein.
Dann ging sie mir, ließ mich allein –
Und nun, wie öde steht mein Haus!
O lieber Herr, lach' mich nicht aus …
Der edle Held, so stark und kühn,
Er kehrt, in trutzigem Bemühn,
Die starren Augensterne
Wortlos hinaus zur Ferne,
Weit offen; seine Lippe bebt
Von Leid, das innen grimmt und gräbt.
Er zwingt den Jammer nieder
Mannhaft und faßt sich wieder …
Der König blieb so seltsam stumm.
Er kehrt sich müde lächelnd um,
Zu neuer Rede die Lippen offen – –
Und wankt zurück wie blitzgetroffen,
Als säh' er gar den bleichen Tod,
Da doch, wie eine Rose roth
Vor Scham und freudenhelle,
Sein Weib stand auf der Schwelle.
Sie lächelt zaghaft her, sie tritt
Hervor mit zaudernd leisem Schritt
Und bleibt beklommen vor ihm stehn,
Kaum wagt sie es, in stummem Flehn
Den feuchten Blick zu heben:
Kannst du mir vergeben? –
Von seinem Munde bricht ein Schrei.
Wie zweifelnd, ob es Wahrheit sei,
Faßt er zitternd ihre Hand,
Schaut ihr ins Antlitz unverwandt,
Mit Blicken wonnetrunken
In ihren Blick versunken,
Von Glückes Ueberschwang verzückt.
So stehn die Beiden weltentrückt,
Verschämt wie junge Thoren,
Im Goldglanz stumm verloren,
Den holder Zauber um sie spann,
Das hehre Weib, der hehre Mann.
Da plötzlich überkam es ihn,
Als fühl' er einen Traum entfliehn;
Er sammelt die Gedanken,
Seine Schritte wanken,
Er sinkt zerknirscht in Reu' und Leid,
Von Dank berauscht und Seligkeit
Vor Liutprand in die Knie und rief
Aufweinend: Herr, du beugst mich tief …
Der König aber unterbrach
Sein stammelnd Wort, kaum daß er sprach,
Und hob ihn gütig auf: Nicht mir
Gebührt dein Dank. Nur Dieser hier,
Die all das Unheil klug geschlichtet,
Bist du und bin ich selbst verpflichtet:
Der herzoglichsten Herzogin. –
Er sah nach der Erglühten hin:
So nimm ihn denn, behüt ihn gut
Und zähme seinen wilden Muth …
Wiewohl es freilich eine Last
Dir sein wird. Doch du selber hast
Ihn so gewöhnt: was bleibt zu thun?
Es wär' umsonst – du siehst es nun
Den Thoren zu bekehren:
Er
kann dich nicht entbehren!