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Trag muntren Herzens deine Last
Und übe fleißig dich im Lachen.
Wenn du an dir nicht Freude hast,
Die Welt wird dir nicht Freude machen.
Mußt stets an deiner Mutter Art,
Du Kind der Erde, dich erinnern:
Wie sehr die Schale dir erstarrt,
Wahr' dir den flüssigen Kern im Innern.
*
Wohl: Ruhm und Ehre, Gold und Macht
Sind Sterne dieser Erdennacht.
Des Lebens Taggestirne sind
Arbeit und Weib und Kind.
*
Kein Glück ist auf dem Erdenrund
Heilkräft'ger, süßer, reiner,
Als Kindermund an deinem Mund
Und Kinderhand in deiner.
*
Wir dürfen unsern gnädigen
Schutzgeistern danken auf Erden,
Wenn wir den Steinen predigen
Und nicht gesteinigt werden.
*
Ich schätze den Codex der Moral
Als eine Grammatik zum Schulgebrauch.
Wer schreibt und lebt mit schöpferischem Hauch,
Heißt incorrect erst allemal
Und zwingt den
usus endlich auch.
*
Wie soll man in der Welt sich regen?
Wer Unrecht hat, der büßt's mit Schlägen,
Wer Recht behält, den liebt man nicht,
Und wer neutral bleibt, heißt ein Wicht!
*
Das neue Haus ist fest gefügt; inmitten
Der Stürme steht es hoch und hehr;
Nur die Akustik hat gelitten:
Der Muse Ruf vernimmt man drin nicht mehr.
*
Vor ew'gem Reorganisiren
Mag uns der Himmel bewahren.
Die Straße, drin die Pflastrer stets hantieren,
Ist übel zu befahren.
*
Geselligkeit will uns nicht glücken,
Uns fehlen dazu der Anmuth Gaben.
Nie harmlos sich in Andre schicken,
Das heißt in Deutschland: Charakter haben.
*
Hüte dich, wahllos einzustimmen,
Wenn Lästerzungen die Frauen kränken.
Man kann nicht schlimm genug von den schlimmen,
Nicht gut genug von den guten denken.
*
Kommt in ein Frauenherz ein Bruch,
So fühlt es sich getrieben
Und schüttet in ein kleines Buch
Sein Leiden und sein Lieben.
Doch was zuerst ein Herzenstrieb,
Wird bald bequeme Sitte,
Und bloß, weil man das erste schrieb,
Schreibt man das zweit' und dritte.
*
Ich hab' erst spät mich emancipirt
Und von mir selbst Besitz genommen.
Nur wer die Pietät verliert,
Kann zu sich selber kommen.
*
Sobald die Künste verblühn,
Kommt Wissenschaft in Gunst.
Sie lohnt auch Handwerksmühn,
Denn Wissen ist keine Kunst.
*
Es fiel ein Mann aus dem Mond herunter
Auf eine Wiese voll schöner bunter
Blumen und Kräutlein mannichfalt,
Daneben rauschte der grüne Wald,
Dahinter in ungemessnen Weiten
Sich Berg' und Stromgebiete breiten.
Der Fremdling blieb ein Weilchen stumm,
Sah sich mit blöden Augen um,
Begann dann eifrig sich zu bücken,
Einen schönen Blumenstrauß zu pflücken,
Beäugte sorgsam Kraut und Gras
Durch ein feines Vergrößrungsglas,
Auch war an Sandkörnlein und Moos
Und Würmlein sein Erstaunen groß.
Narr! rief ein Wandersmann ihm zu,
Hier an der Scholle klebest du?
Trägst du denn nirgend kein Verlangen,
In Wald und Hochland zu gelangen,
Auf breiten Flüssen hinzufahren,
Weltweite Wunder zu gewahren?
Der Mondmann lächelt überlegen:
Das thu du selber meinetwegen!
Ich muß mich ganz mit Schau'n und Denken
Auf diesen engen Raum beschränken,
Dies Fleckchen durch und durch begreifen,
Statt dilettantisch umzuschweifen.
Weltwunder? Apage, Satanas! –
Und stierte weiter durch sein Glas.
*
Dem Nachbarn in den Topf zu schauen,
Geziemt allein neugier'gen Frauen,
Doch ist's hochwichtig zu erfahren,
Was er gekocht vor hundert Jahren.
*
Viel Leinwand, Hausgespinnst und fremd,
Nur arg entstellt durch garst'ge Flecken,
Und reicht doch nicht zu einem Hemd,
Die Blößen unsrer Kunst zu decken.
*
Viel zu geschickt, zu flott, zu schnell!
Vor lauter Künsten geht die Kunst verloren.
Du wärst vielleicht ein Rafael,
Wärst du nur ohne Hände geboren.
*
Will diese Welt, du arme Poesie,
Nichts von dir wissen,
Wie kann dich's wundern? Du beleidigst sie.
Bist du denn nicht das Weltgewissen?
*
Naivetät als schönstes Siegel drückt
Natur auf einen Meisterbrief.
Doch wenn mit ihr ein leeres Blatt sich schmückt,
So find' ich das – naiv.
*
Was du mit hundert Schleiern gern umwändest,
Dem Blick der Muse hast du's bloßgestellt.
Was du dem liebsten Freunde nicht geständest,
In ihrer Sprache beichtest du's der Welt.
*
Wer handeln soll, erwäge klug,
Daß Dummheit, Bosheit, Lug und Trug
Ringsum in tausend Masken schleichen.
Doch wem Gesang den Busen schwellt,
Der denke sich die weite Welt
Bevölkert nur mit Seinesgleichen.
*
»Berath uns, was wir schreiben sollen,
Daß unsre Kunst nicht brodlos sei.« –
Kocht was die Leute essen wollen,
So werdet ihr Beide fett dabei!
*
Immer noch die Welt durchschreiten
Menschen, deren mannichfache
Groß' und kleine Menschlichkeiten
Sich erhöhn zur Menschheitssache.
*
Trocken findest du dieses Buch?
Es gleicht einem tiefen Bronnen;
Wär' nur dein Schöpfseil lang genug,
Hättst wohl einen Trunk gewonnen.
*
Was mußt du stets dem Ich dazwischenschieben
Und deines Helden Mentor sein?
Die Leserin will sich in ihn verlieben,
So laß sie doch mit ihm allein!
*
Im Leben pflegt es uns zu frommen,
Wenn wir in gute Gesellschaft kommen,
Und sollen uns in der Kunst bequemen,
Mit der Crapüle vorlieb zu nehmen?
*
Wollt ihr in Gold den Kiesel fassen,
Muß ich euch eure Freude lassen.
Ich armer idealistischer Thor
Ziehe die Edelgesteine vor.
*
Wollt mit der »wahren Kunst« ihr prahlen,
Und thut was die Maschine thut?
Sie kann gesundes Incarnat nicht malen,
Der Aussatz, der gelingt ihr gut.
*
»Du solltest was dagegen schreiben.« –
Nein, Freund, das lass' ich bleiben.
Die »Rose« mag man »besprechen«;
Austoben muß ein Zeitgebrechen.
*
Wenn aller Raketenspuk verweht,
Der hoch ergötzt die lieben Kleinen,
Dann werden in stiller Majestät
Die alten ewigen Sterne scheinen.
*
Wer nur durch Tugenden Gunst gewinnt,
Wird bald vergessen auf Erden.
Doch wessen Fehler liebenswürdig sind,
Der kann unsterblich werden.
*
Castrirt nur ängstlich Lieb' und Haß,
In usum der Unmünd'gen, Schwachen!
Ihr sollt uns doch nicht den Parnaß
Zur Kinderstube machen.
*
»Die Unschuld, noch vom Morgentraum umschwebt,
Wird durch dein kühnes Werk vernichtet.« –
Für Solche, die noch nichts erlebt,
Hab' ich auch nicht gedichtet.
*
Im Paradies gab Weib und Mann
Stoff zu idyllischem Gedichte.
Erst mit dem Sündenfall begann
Der Sensationsroman der Weltgeschichte.
*
Wer uns im heitren Bühnenspiel
Will unverwelklichen Kranz entlocken,
Halt' warm das Herz, die Stirne kühl
Und seinen Witz fein trocken.
*
Auf unsern Bühnen hat Ungeschmack
Die holde Muse vertrieben.
Sie spielen dir auf dem Dudelsack,
Was du für Flöte geschrieben.
*
Der echte Mime haßt, das merke,
Des echten Dichters Genius.
Er macht sich nichts aus einem Werke,
Aus dem nicht
er erst etwas machen muß.
*
Der Dichter soll, vom Gott besessen,
Ueber dem Werk sich selbst vergessen.
Dann wird es dargestellt von Leuten,
Die alle nur selbst was möchten bedeuten.
*
Kein ruhig Lämpchen ist der Witz,
Bei dem du magst gemächlich reisen;
Doch gnügt in dunkler Nacht ein Blitz,
Dir plötzlich Bahn und Ziel zu weisen.
*
Viel Geistesgegenwart beweist,
Wer immer schlag- und redefertig.
Doch Mancher perorirt so dreist,
Dem nur der Geist von Andern gegenwärtig.
*
Ein Gott, mit dem nicht ist zu spaßen,
Der Gnade nicht vor Recht zu üben pflegt?
Wie? einem Gott soll man es hingehn lassen,
Wenn er sich inhuman beträgt?
*
Ein Bilderbuch ist diese Welt,
Das Manchem herzlich wohlgefällt,
Der blätternd Bild um Bild genießt,
Vom Text nicht eine Zeile lies't.
*
Geheimniß bleibt dem tiefsten Geist,
Was
Dasein heißt.
Gott hat das Räthsel ausgesprochen,
Sich selbst darüber den Kopf zerbrochen,
Bis er in Scherben ist zerschellt;
Die nennt man nun die Welt.
*
Müßt ihr in Superlativen sprechen,
Das Weltgeheimniß zu ergründen,
Anstatt mit ihren Tugenden und Schwächen
Die Welt nur eben »schlecht und recht« zu finden?
*
Wohl, sein eigner Herr zu sein,
Ist des Menschen höchste Würde,
Doch die Furcht treibt insgemein
Heerdenmenschen in die Hürde.
Lieber laßt ihr feig und schwach
Euch ins Fell ein Zeichen brennen,
Dürft ihr nur dem Leitbock nach
Köpflings in den Abgrund rennen.
*
Vor deine Dialektik stellt
Sich wie im Stereoskop die Welt,
Zwiefach getheilten Scheines.
Doch hast du wahren Tiefsinns Kraft,
So schaue, was auseinanderklafft,
Lebendig wieder in Eines.
*
Wird den Winden auch zum Raube,
Was ein Staubessohn geschrieben,
Sei es gleich dem Blütenstaube,
Der befruchtet im Zerstieben.