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Thüringer Geschichtsbilder aus dem Festspiel
»die Linde am Ettersberg« 1878.
Da sah man lichter Thränen viel
Im Wartburgsaale weinen,
Als Landgraf Ludwig Heerfahrt that
Und schied von all den Seinen.
Ihr Eins das Andere umfing
Viel freundlich da mit Armen,
Groß Jammer durch ihr Herze ging,
Wen sollt' es nicht erbarmen?
Kaum faßt' er starken Gottesmuth,
Daß er sich losgerungen:
Die Mutter hielt den lieben Sohn,
Die Hausfrau den Mann umschlungen.
Die Eine zog hin, die Andere her,
Daß er noch fürder bleibe;
Sanct Elisabeth rief mit lauter Kehl':
»Weh mir viel armem Weibe!
»Nun leg' ich hin mein fürstlich Gewand
Und geh' im Wittwenkleide,
Fortan ist mir kein Heil bestimmt,
Mich lohnet Lieb mit Leide!«
Den Ring am Finger wies er ihr:
»Wer einst dir kommt als Bote,
Und bringt dir diesen edeln Saphir,
Der weiß von meinem Tode.«
An Schluchzen und Seufzen es nicht gebrach,
Sie mocht' sich nicht gescheiden,
Bis Rudolf der Schenk von Vargula sprach:
»Herr, es wird Zeit zu reiten!«
Im Wartburghof stand Schaar an Schaar
Der Pilgerfahrtkumpane,
Rittern und Knappen gezeichnet war
Mit Kreuzen Wappnung und Fahne.
Im Brachmond auf Sanct Johannis Tag
Erhüben sie sich mit Eile,
Besegneten ihr Thüringland,
Und fuhren hin mit Heile.
Wo so ein Mensch sich scheiden mag
Vom Liebsten auf Erden, da merke –
Ob da nicht Liebe zum Ewigen sei
Und göttlichen Glaubens Stärke?
Die schwere Schlacht bei Mühlberg war geschlagen
Und Johann Friedrichs Heer sieglos zersprengt,
Er selbst in Haft verstrickt und schwere Klagen,
Die Kur verwirkt, sein Land vom Feind bedrängt.
Hispanische Praktik lockte: »Laßt den Glauben,
Der Kur und Leben böslich Euch bedroht.«
Er sprach: »Dies Kleinod soll mir Niemand rauben,
Im Unglück standhaft trotz' ich jeder Noth.«
»Mein Evangelium will ich nimmer missen,
Wer mich besiegt hat, mag mein Richter sein,
Jedoch ein höherer ist mein Gewissen,
Und dessen Richter ist nur Gott allein.
Mögt Ihr zeitlebens mich in Haft verstricken,
Wahrheit macht frei, macht auch im Kerker frei
Und lehrt dem Tod ins Schädelantlitz blicken,
Im Unglück standhaft und gewissenstreu.«
Da öffnen sich des Haftgemaches Pforten,
Zwei Knaben schleppen eine Staffelei,
Sein neust' Gemälde trägt mit Trostesworten
Altmeister Lukas Kranach selbst herbei.
»Heil walte, Herr! in diesen harten Zeiten.
Wies Frau Fortuna Euch auch wenig Gunst,
So schaut mein Bild, des Heilands bittres Leiden;
Im Unglück standhaft stärk' Euch meine Kunst!«
»Das Volk bleibt fest, wir wirken in der Stille,
Gottlob, daß den Herrn Söhnen gut es geht;
Ich bring' auch Gruß von Kurfürstin Sibylle,
Sie harret aus in Thränen und Gebet.
Getrost, Ihr werdet nicht in Haft verenden,
Der Rautenkranz hat noch nicht ausgeblüht;
Für Euch will sie den letzten Schmuck verpfänden,
Im Unglück standhaft, herzhaft im Gemüth.
»Schon hallt's wie Orgelton und Glockenläuten,
Ich hör' im Geist der Heimkehr Willkommtag,
Seh' hoch zu Roß in Weimar Euch einreiten
Und spüre Eurer Treuen Herzensschlag.
Hoch dürft das Haupt vor allem Volk Ihr tragen
Und einziehn in der Heimath treuen Port,
Denn wer Euch schaut, der muß mit Ehrfurcht sagen:
›Im Unglück standhaft, fest im Gotteswort!‹
Weimar den 24. August 1617.
Wilhelmus Herzog in Sachsen sprach: »Was ist das für ein Wesen:
Vor Wortverderb und Sprachvermeng mag Niemand mehr genesen;
Staatsmänner schreiben spanisch jetzt, lateinisch unsre Richter,
Französisch zart die Liebenden, welsch die Sonettendichter.
Soll unsrer Muttersprache Fluß versumpfen und verstocken,
Weil ihm den eignen Lauf versperrt der Wust von fremden Brocken?
Weg mit dem Alamodeprunk, weg mit dem Maskenflitter!
Wir meinen's redlich, schlicht und recht als deutsche Herren und Ritter.
Wird neu die Sprache auferweckt, hält neu auch das Vertrauen,
Hält Sinn für Tugend, Sinn für Kunst Einzug in deutschen Gauen!«
Im Neubau seiner Wilhelmsburg, im kleinen Fürstensaale
Die Brüder, Gäste und Getreu'n versammelt er zum Mahle.
Ein edler Kokospalmenbaum stund als der Tafel Schmückung
Gemalt und trug im Band den Spruch: »Zu Nutzen und Beglückung!«
Pallas Athene stund dabei, als ob sie Früchte suche,
Mit Ritterhelm, Medusenschild und aufgeschlagnem Buche.
Und als das Mahl zur Hälfte war mit Festmusik und Scherzen,
Leutselig Herzog Wilhelm rief: »Willkommen mir von Herzen!
Wie dieses Palmbaums Hochgestalt des Menschen Aug' ergötzet
Und sie mit Früchten mannichfalt ernährt, erquickt und letzet,
So wollen wir zu Deutschlands Ehr' nach langer Sprach-Verwüstung
Fruchtbringende Gesellschaft sein in Kriegs- wie Friedensrüstung.
Zwiefach sei unser Ritterthum, mit Roß und Schwert sich üben,
Und unsrer Sprache Heiligthum und freie Künste lieben.
Jedweder nach Person und Art soll einen Namen führen
Und eine Pflanze als Symbol und einen Spruch sich küren.
Mein herzoglich Gebrüderpaar und ihr, Askanier Fürsten,
Lass't' »nährend«, »keimend«, »hoffend« uns nach solchen Früchten dürsten.
Teutleben, Kospoth, Krosigk auch und Dietrich du vom Werder
Führt »mehlreich«, »helfend«, »vielgekörnt« die Federn wie die Schwerter.
Schafft, daß in Lieb' des Vaterlands jed' wacker Herz entbrenne,
Und daß an ihrer Früchte Glanz man die Gesellschaft kenne!«
Mit großem Schalle fielen ein Heerpauker und Trommeter,
Auf der Genossenschaft Gedeihn leert seinen Becher Jeder.
Oelberger hieß der Festpokal, ihn bracht' ein Herr, ein Alter,
Der Ordenssecretarius, verdeutscht »der Erzschreinhalter«,
Und sprach: »Nach Pflicht geloben wir, nur deutsche Art zu preisen,
Wilhelmus, unser Ritter, sei der »Schmackhafte« geheißen.
Die Birne mit dem Wespenstich woll' als Symbol Er tragen,
Die schlechten Früchte sind es nicht, daran die Wespen nagen;
Und Ihm als Sinnspruch stellen wir das Wort: »erkannte Güte«,
Weil ohne diese nimmermehr sein Palmenorden blühte.«
So hub sich die Gesellschaft an, so ist sie groß gewachsen
Im Schirm und Oberregiment der Herzoge von Sachsen.
Gottlob, das ganze deutsche Volk ist heut ein Palmenorden
Und seines Werthes sich bewußt in Thaten und in Worten.
In Andacht, Minne, Frühlingslust erklingen deutsche Lieder,
In unentweihter Reinigkeit blüht unsre Sprache wieder.
Doch Jenen, die zu ihrer Zeit so schmackhaft Bahn gebrochen,
Sei in der Sprache feinstem Kleid ein Wort des Danks gesprochen!