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Frieda Port


Milde Sternenblicke, die mich trafen.

Milde Sternenblicke, die mich trafen,
Baten mich, jetzt noch nicht einzuschlafen,

Und des Mondes edler Silberschimmer
Machte doppelt traut mein stilles Zimmer.

Aus den Fenstern sah ich schmerzbeklommen,
Da ist Friede über mich gekommen.

Hohe Bäume warfen auf den glatten
Rasenteppich ihre Riesenschatten;

Doch der Himmel war so weit, so tröstlich,
Doch die Erde schien so rein, so köstlich.

Was sie sprachen, soll mein Herz bewahren:
»Unterliege nicht dem Wandelbaren!«

Ein alter Spiegel.

So oft umfingst du meiner Mutter Bild
Und hast von ihr
Nichts aufbewahrt was meine Sehnsucht stillt,
Ich aber träume doch mit dir.

Die Morgensonne hat ihr schönes Haar
Goldübermalt,
Und du hast ihr Gesicht, so lieb es war,
Und all ihr Glück zurückgestrahlt.

Ach, öfter sahst du Sorgen. Doch dein Glas,
Das stumm und todt,
Verschweigt mir, welch ein übervolles Maß
Des Lebens bittrer Schmerz ihr bot.

Ich stand dabei, und wenn sie mich liebkos't,
So ahnt' ich nicht,
Daß solch ein Kinderblick ein heller Trost,
Der manche Nacht durchbricht.

Wenn uns die Liebe Wunderkräfte giebt,
Warum erwacht
Ein Bild, das wir so grenzenlos geliebt
Nicht neu durch ihres Blickes Macht?

Glückselig wird mein Alter sein.

Glückselig wird mein Alter sein,
Denn was es andern Menschen raubte,
War niemals mein.

Der Jugend Frohsinn kenn' ich kaum,
Ja traurig grüßt mich aus der Ferne
Der Kindheit Traum.

Die Schönheit stieß von ihrem Thron
Mich weg, es spottet meiner Thränen
Ihr holder Sohn.

Glückselig wird mein Alter sein –
Und dennoch wünsch' ich oft, es bräche
Der Tod herein!

Du nennst mich »armes Kind«.

Du nennst mich »armes Kind«;
So Balsam wie dein Wort
Ist nicht der Thau, der lind
Die Blume rettet, die schon halb verdorrt.

Wie lohn' ich dir,
Daß du mich so geliebt?
Sag selber mir,
Was denn ein armes Kind dem Reichen giebt!

Du hast mich doch betrogen.

Du hast mich doch betrogen,
Wenn du es gleich nicht weißt:
In seinen Bann gezogen
Hat mich dein Geist.

Nun kann ich's nimmer lassen,
Auf dich allein zu sehn;
Mich kann ich nicht mehr fassen,
Nur dich verstehn.

Küsse mich nicht!

Küsse mich nicht! Denn ich habe
Neulich dem Blitze versprochen,
Mich zu bewachen,
Flehend: Tödte mich, Höchster,
Mit deinem Blitzstrahl,
Wenn ich zu schwach bin,
Durchs Leben rein
Meine Liebe zu tragen!
Er ließ mich leben –
Darum: küsse mich nicht!
Aber gehe nicht herzlos
Neben mir hin,
Sondern gönne zuweilen
Mir einen freundlichen Blick,
Sonst drängt mich's immer zu sagen:
Küsse mich! küsse mich!

Der geborene Sklave.

Was die Brust mir stürmisch erregt, ich darf's nicht
Sagen. Rings die Menge erträgt ihr Schicksal
Ohne Murren; soll ich das Unglück aus dem
Schlummer erwecken?

Wenn sie friedlich leben, die enge Kette
Nicht empfinden, oder als Gottesordnung
Sie verehren, – darf ich allein die Stimme
Klagend erheben?

Ich allein? Nur weil mir das Herz zersprengte
Diese Schmach und Qual, weil im muth'gen Kampfe
Mit dem Schicksal schon die Versöhnung läge,
Schon die Erlösung?

Wird vielleicht ein Freund an die Brust mir sinken,
Der wie ich gelitten? Wird unsre Stimme,
Unser herzzerreißendes Schluchzen alle
Hörer erwecken?

Daß sie Alle Schauder ergreift, daß Alle
Nach Befreiung ringen? – – Vergebne Hoffnung!
Schweige, bis du einen der Retter findest,
Tod oder Wahnsinn!

Weil wir jetzt Beide gleichen Kummer haben.

Weil wir jetzt Beide gleichen Kummer haben,
Laß uns die Strecke mit einander gehen,
Laß einen Schmerz sich an dem andern laben!

Die Gleiches leiden, können sich verstehen,
Und aus dem gramerfüllten Innern schallen
Die Trostesworte, die zu Herzen gehen,

Die unbewußten Worte. Lindernd fallen
Gesprochne Thränen und der Thau der Nächte
Den Sonnenbränden und den Wunden allen.

Wenn jetzt ein Glücklicher uns Worte brächte
Voll Lieb' und Mitleid, niemals doch bezwingen
Sie diese unbekannten, finstern Mächte;

Was aber Einer von uns Beiden singen
Und sagen mag vom Abend bis zum Abend,
Muß Ton um Ton ins Herz des Andern dringen,

Uns mit des Schmerzes vollem Einklang labend.

Auf der Wanderung.

Der Wind spricht mit den Zweigen,
Mit seinen Geschwistern,
Den lichtgrünen Blättern,
Die gleich wie er selbst
Den Frühling Vater nennen.
Ob sie seit Jahrhunderten
Immer das Gleiche
Einander sagen,
Wenn immer das Gleiche
Sich unter ihnen
Erschließt und vollendet?
Wie mancher Wandrer,
Der längst gestorben,
Vernahm, wo ich jetzt
Lausche, den Hauch des
Schaffenden Weltgeists,
Erfüllt, wie ich jetzt,
Von Wonn' und Liebe.
Es sagt schon die Inschrift
Im alten Steine,
Hier fehle nichts,
Was den Musen lieb ist,
Die Seele erquickt.
– Die alte Inschrift –
Weißt du, daß mir Mauern
Und Galerien
Aus seltsamen Zeiten,
Verklungenen Tagen
Vor Augen stehen?
Moos wächst an ihnen,
Ja, Blätter und Blumen
Entsprossen den Fugen,
Wie wohl ein schönes Gedicht
Aus alter Zeiten Trümmern
Noch heut emporwächs't.
Holde Vergänglichkeit!
Liebliche Kürze
Unserer Pilgerschaft!
Nicht für die herrlichste
Fülle des Glückes
Gäb' ich dich hin!
So wie der Himmel,
Der fühllos ewige,
Immer die alten
Gebrechen zu sehen,
Oder versteinert
Sie nicht herzhaft
Mehr zu bekämpfen –
Wer trüg' es?
Uns Glückliche aber empfängt
Nach dem letzten Kampfe
– Doch ein Kampf noch! –
Eins von den Beiden:
Vollkommenes Nichts,
Vollkommenes Leben,
Eins wie das Andere
Noch unfaßbar
Unserem Geist.

Götterlist.

Fest, eisern,
Der Gottheit trotzend,
Den Himmel höhnend
Und über allen
Wandel erhaben,
Hängt an dem Felsen
Prometheus.
Wer wagt es, zu rütteln
An solcher Kraft!

Die Okeaniden
Umschmeicheln ihn tröstend,
Zuerst wie Wellen
Den Fuß bespülend,
Ermuthigt dringen sie
Weiter und weiter,
Bestricken das Ohr ihm,
Bethören die Sinne,
Zerbröckeln das Unheil,
Zerstören die Kraft des
Duldenden Riesen.

O ihr gefährlichen,
Willenlosen,
Dennoch lebenden,
Liebebeseelten
Waffen Kronions!

Todtenglocke.

Sie haben unter Glockenton
Einen Greis in die Erde versenkt,
Dem waren die Jahre zu schnell entflohn,
So viele der Gott ihm geschenkt.

O läge doch ich in der Erde Schooß,
Geschmiegt in den letzten Pfühl,
Und in mir lebte noch grenzenlos
Der ewigen Ruhe Gefühl!

Lied der Unglücklichen.

Wir, die vom ewigen Born
Des echten Unglücks genossen,
Wir hassen der Glücklichen
Müßiges Klagen,
Ihr gefallsüchtiges
Weinen.
Wenn ihre Schwachheit
Bei jedem Hauch, der die Wange streift,
– Uns ein Zephyr –
Von Stürmen redet,
Entweihn sie unser Vermächtniß,
Das Wort des Schmerzes.

Wir aber, des Letzten
Beraubt, was noch Glück war,
– Um mit den Verhaßten
Nicht eins zu scheinen –
Müssen verstummen.

Bitte.

Muß ich immer, süße Musen,
Meine Seufzer, meinen Jubel
Nach den Silben langsam messen? Ach, erbarmt euch, holde Musen,
Gebt mir Freiheit, wenn ihr Macht habt!

Muß ich immer mich verbergen
Vor dem Dichter, den ich liebe,
Den auch ihr liebt, der mich tadelt, der mir zürnte, wenn ich mühlos,
Wie das Herz mich lehrt, gesungen,

Dann verwandelt mich, Geliebte,
Laßt zur Nachtigall mich werden,
Und ich will in seinem Garten, wenn die Sterne glänzen, süße,
Ungereimte Lieder singen!

Entschluß.

Sage, zürnen die Götter mir,
Oder zürnt mir mein Freund, that ich dem Freund ein Leid?
O dann zürnte nicht er allein,
O dann zürnte mit ihm Himmel und Erde mir!

Härter will ich nun werden, sprach
Ich und lachte des Grams, dem ich bisher gelebt,
Nicht so weibisch, so kindisch nicht
Bleiben, lächelnd bestehn Venus' und Amors Pfeil.

Fröhlich, wie sich's der Jugend ziemt,
Sieht mein Auge die Welt, alles Erhabene,
Strebt mein Geist nach des Guten Sieg. –
Wenn es still wird des Nachts, blutet das Herz in mir.


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