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Ludwig Laistner


Pastorelle.

Ich streift' einmal durchs Schwabenland,
Das wonnig sproßt' und blühte,
Und ließ den fröhlichen Unverstand
Und Jugendtand
Mitsprossen in meinem Gemüthe.

Fortuna, rief ich, in Strom und Teich
Ruhn Schätze für die Deinen:
Gehörst du nicht ins Fabelreich,
So laß mir gleich
Am Steg dort einen erscheinen.

Ei sieh, das bringst du rasch zuweg:
Der Schatz kommt gar gegangen
Und läuft mir schnurstracks ins Geheg:
Es hält der Steg
Den blühenden gefangen.

Ein Dinglein war's wie Milch und Blut,
Gar zaghaft schien die Dirne:
Ich lacht' ihr zu im Uebermuth,
Da stieg die Glut
Ihr heiß bis in die Stirne.

Doch kam sie fürbaß; ihr Mündlein schwoll,
Als rath' es Keinem, zu naschen,
Und ich stand hüben erwartungsvoll,
Den Brückenzoll
Von der rothen Lippe zu haschen.

Nun spitze dich, Mäulchen, nun ist es Zeit!
Ich rief's – da ward ich beklommen,
Weiß Gott, von welchem Widerstreit,
Und trat beiseit,
Und husch war sie entkommen.

Im Fliehen kehrt sie sich kichernd um
Und sagt dem blöden Tropfe
Mit einem Blick – der Mund blieb stumm –
Wie warst du dumm!
Das Glück nimmt man beim Schopfe! – –

Heut wär' ich klüger und faßt' es gern,
Doch nie mehr kam mir's entgegen:
Ich sucht' es nah, ich sucht' es fern –
Nicht Glück noch Stern
Fand ich, nicht Heil noch Segen.

Drum, weil mich Frau Fortuna haßt
So stät, so auserlesen –
Das Glück, das damals ich verpaßt,
Ich glaube fast,
Das ist sie selber gewesen.

Herzblut.

O mein Herzblut, ich hör' dich rauschen
Bald in Ungestüm, bald matt und klein.
Ach es ist kein vergnüglich Lauschen
Ohne Schlaf so in sich selbst hinein;
Denn bei deinem Rauschen, ach,
Bleiben die Gedanken wach.

Und so denk' ich an all das Hohe,
Dran ich dein das beste Theil gesetzt,
Und ich denk' auch an all das Rohe,
All das Widrige, das mich verletzt,
Vieles Leids, das dich bewegt,
Seltnen Glücks, das dich erregt.

Ach, der Glückstraum hat mich betrogen,
Und ich weiß, womit die Welt belohnt;
Nur das Herzleid ist nicht verflogen,
Hat sich wie ein Kobold eingewohnt:
Warum bist du auch so warm,
Wehrlos wider Trug und Harm?

So, mein Herzblut, bei deinem Rauschen
Werden Gramgedanken aufgewühlt;
Und doch möcht' ich mit Keinem tauschen,
Der in Dumpfheit nur sein Dasein fühlt:
Stolzer als in Glück und Lust
Werd' im Leid ich mein bewußt.

Nachtbesuch.

Welch holder Schrecken! Du kommst zu mir –
Und ich – o schmerzlich Wiedersehn –
Ich kann dir nicht entgegengehn,
So kraftverlassen lieg' ich hier.
Du hast ja wohl davon gehört,
Was mir indeß geschehn,
Mein Leben mir verstört.

Was bleibst du an der Schwelle dort?
Was sendest du den Blick so stumm
An diesen kahlen Wänden um?
Die Geige – sie hängt am alten Ort,
Nur sind die Saiten schlaffgeschraubt,
Der schlanke Bogen krumm,
Und Alles ist verstaubt.

Ach wohl, mein Himmel wölkte sich,
Den du mir einst so reich besternt!
Seit ich mich undankbar entfernt,
Kam Nacht und Winter über mich.
Dein Lächeln gab mir Lieder ein:
Die hab' ich all verlernt
Und auch das Fröhlichsein.

Du kehrst dich ab! O bleib, o halt! –
Wie finster nun! War das ein Traum?
Laut pocht mein Herz, ich athme kaum,
So traf mich ihres Augs Gewalt,
Und aus den Saiten schwebt ein Klang
Noch durch den dunkeln Raum
Wie klagender Gesang.

Wintersonne.

Aus dem Röhricht zu scheuem Husche
Spreitet ein Vogel sein grau Gefieder,
Niedrig streifend im nahen Busche
Schwindet er wieder.
Zu den Bergen nach kurzem Flug,
Der sie durch Winternebel trug,
Kehrt die Sonne sich nieder.

Einst – wie anders kamst du gezogen,
Strahlende Feindin der Nacht, mit Prangen!
Hochauf trug dich in stolzem Bogen
Siegesverlangen.
Rastend in kurzer Dämmerung,
Bist du vom leichten Schlafe jung
Morgens hervorgegangen.

Aber der Rüstigste muß ermüden,
Stets im Kampfe mit stickenden Schwaden;
Wohl ihm, der des Qualmes im Süden
Darf sich entladen.
Ach, im Süden ist dir vergönnt,
Wo die Flamme des Phönix brennt,
Jung dich wieder zu baden.

Streckverse.

Mein Lebtag hab' ich mich müssen strecken,
Doch niemals streckt' ich so recht mich aus,
Denn kümmerlich ruht sich's im fremden Haus,
Und allzeit fühlst du zu kurz die Decken;
Im Traum selbst quält dich ein Tantalusglück:
Die Goldfrucht winkt, doch willst du dich recken,
So weicht sie zurück.

Mein Lebtag hab' ich mich müssen strecken,
So wenig es mir ums Strecken war! –
Ich lieg' und liege; bald bleicht das Haar,
Den Tod schon seh' ich die Zähne blecken;
Und sinn' ich an Werken tiefschachtig und weit,
So kichert es höhnisch aus allen Ecken:
Ei, reicht dir die Zeit?

Mein Lebtag hab' ich mich müssen strecken
Und habe mich mählich daran gewöhnt;
Drum wenn mir einst die Glocke tönt,
Dann soll mir köstlich die Ruhe schmecken:
Das ist mein Recht aus all dem Zwang;
Und wenn Posaunen die Andern wecken –
Ich strecke mich lang.

Die Nachtigallen.

Du Schalksgezücht, ist das dein Ernst,
Dein Wissens- und Gehorsamsdrang?
Statt daß du Gottesweisheit lernst,
Leihst du dein Ohr dem Vogelsang. –
Hinweg, ihr Nachtigallen,
Fernab von diesen Hallen
Mit eurem Züh, Züküt! –

Der Heil'ge rief's mit frommem Groll,
Die Sänger weichen seinem Bann
Und flüchten hin, wo gnadenvoll
Ein Frauenmünster lag im Tann. –
Versucht sie nur zu stören!
Die Beterinnen hören
Nicht auf dies Züh, Züküt!

Horch, horch, welch wonnevoller Ton
Dringt aus der lauen Nacht herein!
Ach, dürfen uns hienieden schon
Entzücken Engelsmelodei'n?
Am Fenstergitter lehnen
Die Schwestern all mit Thränen
Und lispeln nach: Züküt!

So lauschen sie die halbe Nacht;
Der Rosenkranz entsank der Hand.
Am andern Abend aber sacht
Erklirrt die Pforte, knirscht der Sand:
Sie lassen ihre Klausen,
Denn übermächtig draußen
Lockt wonnevoll Züküt.

Doch zu demselben Tannenhag
War sehnsuchtbang der Brüder Schaar
Gefolgt dem Nachtigallenschlag;
Da wallt nun selig manches Paar.
Es fand die nächste Sonne
Nicht Mönch daheim noch Nonne –
Züküt, Züküt, Züküt!

Geisterpredigt.

Verdammt! Das scheint der Pfaffensee –
Da ist es nicht geheuer:
Bei Nacht irrt hier ein blutig Reh
Um nebelgrau Gemäuer;
Dann Orgelschall und Predigtwort –
Ei Weiberschnack! Du Pfaffe dort,
Zeigst du dich nicht am Tage?

Er streckt sich lachend auf den Rain,
Dran seine Schafe grasen:
Wie schmeichelnd warm der Sonnenschein,
Wie schwellend weich der Rasen!
Die Sonne rückt, er merkt es kaum;
Nun schrickt er auf – war das ein Traum?
Ein Wehruf in den Lüften.

Der Wind! – wie man erschrecken kann!
Ganz schien es ihre Stimme.
Beim Teufel, dort im See ein Mann,
Als ob er herwärts schwimme.
Nun reckt er sich, wächs't riesengroß –
Nein, Täuschung ist's, ein Nebel bloß …
Barmherz'ger Gott, der Pfaffe!

Am Ufer schon! – – Er sinkt ins Knie;
Vom Wald her hört er flüstern,
Dann dröhnt erhabne Melodie
Aus brausenden Registern.
Die Woge schäumt, der Chorrock wallt;
Die Sonn' erlischt, und grabeskalt
Fühlt er sich angeschauert.

Gespenster huschen um und um,
Als ob die Hölle klaffe,
Inmitten aber, eisig stumm,
Hohläugig hält der Pfaffe.
Ein Blitz, ein Schlag, ein Flackerstrahl –
Dann grollt die Lippe leichenfahl:
Du schaust, den du gerufen. –

Die guten Geister loben Gott!
Der Hirte ruft's mit Grausen.
Da lacht es auf in gellem Spott,
Daß ihm die Ohren brausen:
Zu schwach, zu schwach dein Geisterbann!
Wohl lebt ein Gott, der rächen kann:
Wir glauben's auch und zittern.

Hat dich der Brautgruß nicht gerührt,
Der aus dem Schlaf dich schreckte?
Die einst dein falscher Schwur verführt,
Sie war's, die dich erweckte!
Vom Mühlsteg fiel das arme Ding;
An ihrem Finger stak dein Ring,
Der Ring ward mitbegraben.

Und hörst du's in der Wolke Schooß,
Wie es die Riegel schüttelt,
Dem Nichts entrückt, doch heimathlos
An Lebenspforten rüttelt?
Du hast's erweckt in Frevelmuth –
Nun tos't's und lechzt nach Fleisch und Blut:
Hörst du das Ungeborne?

Der bleiche Hirte hört nicht mehr,
Er liegt am feuchten Steine.
Die Herde drängt sich um ihn her,
Erschreckt vom Wetterscheine.
Der Dunst zerreißt, die Sonne lacht –
Die Geisterpredigt ist vollbracht:
Der Hund heult bei der Leiche.


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