Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Des dritten Buches Schlußkapitel:
Die Unverbesserlichen.

Ja van desplumados«. Von Goya.)

Moral.

Aus dem gleichnamigen Roman Artur Landsbergers.

Egon Graf von Bredow, Oberleutnant im 1. Garde-Dragoner-Regiment Königin Viktoria von Großbritannien und Irland, lag mit offener Litewka und hohen Stiefeln, auf denen noch dick der Staub der letzten Felddienstübung lag, auf seiner Chaiselongue und schlief. Vor ihm auf einem weichen Kissen hockte Anny. Sie mühte sich mit zwei jungen Teckeln ab, die durchaus nicht Schön-machen wollten, sich immer wieder auf ihre Ruten setzten und zur Leite glitten.

Franz, der Bursche, erschien und brachte auf einem silbernen Tablett eine Karte.

»Tramps nicht so elefantenmäßig auf; du siehst doch, er schläft«, fuhr sie ihn an. »Wer ist da?«

Franz trat an sie heran, bückte sich und reichte ihr das Brett. Sie nahm die Karte und las: »Julius Friedheim, Kgl. Preuß. Kommerzienrat und Senator der Kaiser-Wilhelm-Stiftung. Ritter p. p.«

»Nanu, was will'n der?«

»Den Herrn Oberleutnant sprechen.«

»Rein mit ihm! Solang er schläft, werde ich mich mit dem Ritter p. p. unterhalten.«

»Zu Befehl, gnädiges Fräulein.«

Franz ging. Es klopfte. Anny rief halblaut: »Herein«, und in der Tür erschien im Gehrock, den Zylinder in der Hand, Julius, der Herr Senator. Die Teckel erhoben lautes Geheul und stürmten ihm entgegen; er wich vor Angst zurück, schob sich durch die Tür und verschwand wieder. Egon Graf von Bredow flüsterte im Halbschlaf: »Schmeißt doch die Tölen raus!«, dann schlief er fest wieder ein. Franz erschien abermals und bestellte, der Herr ließe bitten, man möchte die Hunde entfernen, er sei schreckhaft.

»Er hat Angst vor Hunden! Schon sehr unsympathisch! Bring' die Maulkörbe her! – Merci! – So, seht ihr, jetzt gefährdet ihr kein Menschenleben mehr. – Still gesessen! Schön gemacht! Herein mit dem Helden!«

Franz öffnete die Tür, und der Senator trat ein. Die Hunde rührten sich nicht, Anny wies mit der Hand auf die Chaiselongue: »Sprechen Sie leise – kommen Sie hierher –.« Sie nahm behutsam von der Chaiselongue noch ein Kissen, legte es neben sich auf die Erde, faßte den Senator bei der Hand und zog ihn zu sich hinunter: »So, hier setzen Sie sich, bis er aufwacht.« Sie ließ ihm keine Zeit zu widersprechen; es war nicht ganz einfach; er kam erst auf die Knie, sein Zylinder rollte auf den Boden. Mimi, der weibliche Teckel, kullerte mit ihm durch die Stube. Dann kam Julius endlich neben sie zu sitzen; sie ließ seine Hand los und beide sahen sich in die Augen.

Anny hielt noch immer seine Visitenkarte in der Hand; »Sie sind also Julius Friedheim, Kgl. Preuß. Geh. Kommerzienrat, Senator und Ritter p. p.; sozusagen also ein verflucht feines Aas!« Sie besah ihn genau. »Nicht mehr jung! Auch nicht gerade aufregend schön, aber ein sympathischer alter Herr.«

»Sehr schmeichelhaft«, erwiderte Julius, dem allmählich zum Bewußtsein kam, in welcher Situation er sich eigentlich befand. Er überlegte: wenn der Graf erwachte und ihn in dieser Stellung auf der Erde fand, neben seiner Geliebten, – das war unmöglich: seine Mission konnte dann nicht mehr ernst wirken. Also mußte er sich erheben; auf der Stelle! – Doch war das nicht unhöflich und zugleich beschwerlich? – Und dann: Anny war, davon überzeugte er sich jetzt gründlich: »jung, aufregend schön und ein sympathisches junges Mädchen«. Er war leichtsinnig genug und sprach das aus. Das bewirkte, daß Anny ihren Arm um seinen Hals legte und ihm einen herzhaften Kuß auf die Stirn gab.

»Also, Großpapa, legen Sie los! Was wollen Sie von meinem Egi?«

»Um Himmels willen, reden Sie leise! Wenn er jetzt aufwacht!« Und Julius faßte den festen Entschluß, sich zu erheben. Er sah ängstlich auf die Chaiselongue, auf der Graf Bredow regungslos lag und schnarchte.

»Seien Sie unbesorgt! Der wacht die nächsten zwei Stunden nicht auf. Wenn er eine Felddienstübung hinter sich hat, dann schläft er wie'n Affe; oft bis zum nächsten Morgen.«

»Ja, aber – ich kann doch unmöglich bis morgen früh hier – in dieser Stellung – sitzen bleiben – etwas anders hatte ich mir diesen Besuch ja gedacht –.« Er sah sie ratlos und verzweifelt – und doch so freundlich – an. Er wußte wirklich nicht recht, was er beginnen sollte. Diese Anny war ja in der Tat ein reizvolles Geschöpf! Für solche Dinge war ihm neben seinen Geschäften niemals Zeit geblieben. Ein dummer Kerl war er, der sich für andere quälte, nie an sich und sein Vergnügen dachte. Ganz schüchtern – denn er schämte sich noch vor sich selbst – faßte er hier den Entschluß, sich zu ändern und Abwechslung in sein Leben zu bringen. Bald, sehr bald; denn das war nötig, wollte er die wenigen Jahre nutzen, die ihm noch blieben.

»Wollen wir ihn nicht wecken?« fragte er sie. Und er spürte, daß dies sein letzter Versuch war, sich aus dieser Situation, die er, der ewig stumme Beobachter, »höchst reizvoll« fand, zu befreien.

»Aber nein! Ausgeschlossen! Vor sechs Uhr nicht!« erwiderte Anny. »Sonst ist er des Nachts wieder nicht zu gebrauchen und schläft mir um zwei Uhr vor allen Menschen in den Sälen ein.« Sie schob die Kissen ganz dicht an ihn heran. »Also, nu erzählen Sie endlich los, was wollen Sie eigentlich von ihm?«

Da er ihr das beim besten Willen nicht sagen konnte, mit seinen Gedanken auch schon ganz wo anders war, so gab er zur Antwort: »Erst muß ich wissen, wer Sie sind.«

»Sie scheinen nicht sehr begabt zu sein, Herr Senator; – ist das eigentlich ein Name oder ein Titel?« – Und ehe er noch antworten konnte, hatte sie schon wieder ihre Arme um seinen Hals geschlungen; diesmal gab sie ihm einen herzhaften Kuß auf den Mund, so daß er ganz verlegen wurde. »So – das bin ich für ihn – wissen Sie's nun?«

»Ich vermute!« – Ihm war warm geworden; Teufel ja; dieser Graf hatte es gut! Er nahm ihre weiße, gepflegte Hand und küßte sie; »nicht wahr, das?« fragte er sie.

»Aber nein!« gab sie zur Antwort, stürzte sich über ihn, drückte und küßte ihn. »Ich bin ja so jung und brauche Liebe, Liebe, Liebe! Viel mehr, als er mir geben kann. Denn er hat ja so viele. Ich aber sehne mich nach einem Mann, den ich für mich allein besitze, der niemand liebt außer mich. – Die Jungen sind Windhunde und taugen nichts! So einen wie dich suche ich längst.« – Wieder küßte sie ihn; und er merkte, daß er nicht schüchtern blieb, daß er ihre Zärtlichkeit erwiderte.

»Willst du?« fragte sie ihn, und er gab »Ja« zur Antwort. »Dann gebe ich alles andere auf; auch den Egi, obgleich ich ihn lieb hab', und lebe nur noch für mich und meine Gesundheit, – wie habe ich mich nach so etwas gesehnt; nach Ruhe, – komm'!«

Sie stand auf und zog ihn mit sich empor; das war nicht einfach, gelang aber. Sie drückte auf den Knopf; Franz kam.

»Meine Sachen bring' und die vom Herrn Senator – der Hut liegt da in der Ecke.« Sie zogen sich an. Egon schlief noch immer. »Und bestell ihm,« Franz half ihr in den schweren Zobel, »ich käme nicht wieder ... er soll's sich nich so zu Herzen nehmen ... vielleicht schreib' ich ihm noch ein paar Zeilen.«

Sie gingen. Franz blieb im Zimmer. Anny kam noch einmal zurück: »Daß du ihn nicht weckst vor sechs Uhr, verstanden?« – Dann ging sie an die Chaiselongue, gab ihm einen Kuß auf die Stirn und Mund und stürzte mit Tränen in den Augen hinaus. Draußen wartete der Senator.

»Sie haben geweint?« »Ich hatte ihn ja so lieb«, schluchzte sie. Dann schob er sie in sein Auto, und sie fuhren davon.

So entführte Julius dem Grafen, statt ihn als Schwiegersohn in sein Haus zu bringen, seine Geliebte.

Franz befreite die Teckel, die ängstlich in der äußersten Ecke des Zimmers hockten, von ihren Körben; sie berochen mit großem Interesse das Kissen, auf dem noch eben Julius, der Senator gesessen hatte; zerfetzten es dann, verstreuten die Federn über den Teppich und trugen stolz die Seidenreste im Zimmer umher. Dann rissen sie die Visitenkarte aus feinstem Elfenbeinpapier, die neben Annys Kissen lag, in tausend kleine Stücke und sprangen, nachdem sie so die letzten Spuren des Herrn Senators, in dem sie einen Feind ihres Herrn witterten, vernichtet hatten, auf die Chaiselongue, legten ihre klugen Köpfe auf Egons hohe und bestaubte Stiefel, deren Geruch sie entzückte, und schnarchten mit ihm um die Wette.

Artur Landsberger.

 

Die verwunschene Glocke.

In der fröhlichen Pfalz liegt ein tiefer See,
Und im Lee muß was Grausiges liegen.
In grüner Perücke kommt's manchmal zur Höh'
Wie ein Binsenteufel gestiegen.
Es hat kein Gesicht,
Obwohl es doch spricht,
Die Zunge sitzt unter dem Rocke,
Und stößt immer an
Wie bei stotterndem Mann –
Huhu, die verwunschene Glocke!

Einst hing sie im Kirchturm wie andre mehr,
Tief unter sich Land und Gewässer.
Doch taugte ihr Glöckner nicht hin und nicht her,
Und seine Frau war nicht besser.
Ob spät oder früh,
sie zankte und schrie,
Und er fuhr ihr gern in die Haare;
Und zog er den Strang,
Daß die Glocke sich schwang,
Dann suchte sie Trost beim Vikare!

Da dachte der Mann: solche Ehe strengt an!
Und fing, statt sein Herz zu erheben,
Beim Abendgeläut einst zu schwören an,
Er pfiff auf solch elendes Leben!
Potz Teufel und Tod,
Kaum läut' ich ums Brot,
Kräht ihr schon der Hahn auf der Schwelle!
Hol' Satanas sich
Meine Glocke und mich!
Ich fahr' mit Vergnügen zur Hölle! –

Und Holterdipolter und Schwefelgestank,
Kam Satan mit funkelnden Blicken
Und drehte ihm, daß ihm der Wirbel sprang,
Das fluchende Maul in den Rücken.
Wie der Schwanz bei der Maus
Hing die Zunge lang raus,
Dann nahm er ihn mit sich zur Hölle.
Und die Glocke, o weh!
Flog klatsch in den See,
Klitschklatsch! und versank auf der Stelle.

Nun schläft sie im Schlamm schon seit sechshundert Jahr
Und wartet auf ihre Befreiung,
Denn gibt's in der Welt mal ein glückliches Paar,
(So lautet die Prophezeiung),
Das ohne Gezänk
Drei Jahre nur lang
Sich immer in Freundschaft verstanden,
Dann wird sie befreit
Und schwingt wie vor Zeit
Sich läutend über den Landen!

Doch guckt nur! Was halten die Frösche am See
Sich plötzlich so lustig die Bäuche?
Da taucht ja die Alte mal wieder zur Höh,
Hurrjeh! mit verschnupftem Gekeuche!
Sie bimmelt: »Bimbam,
Kam noch keins zusamm'?« –
Da lachen die Frösche und Unken,
Und ein jung' junger Mann
Sieht sie wehmutsvoll an,
Und plumps! ist sie wieder versunken!

Georg Busse-Palma.

 

Der böse Junggesell.

Heut ist ein Ding geschehen,
Wie es schon oft geschah:
Ein Brautpaar und ein Esel,
Die sagten beide Ja!

Das Brautpaar sprachs treuinnig,
Der Esel sprach's mit Schall,
Das Brautpaar in der Kirche,
Der Esel in dem Stall.

Der dieses Lied gesungen,
Das ist ein Junggesell',
Der Teufel soll ihn holen
Und striegeln ihm das Fell!

Was ist ein Junggeselle?
Ein Narr, der hageldumm:
Statt einer führt ein Dutzend
Ihn bei der Nas' herum.

Victor Blüthgen.

 

Der Spiegel.

Christine schritt zum Grab des Gatten.
Ein Hügel, Breit' und Höhe gleich,
Lag es in einer Trauerweide Schatten,
Und wohlgepflegte, zierliche Rabatten
Umgaben es, an Duft und Blüten reich.
Schräg drüber stand ein Denkstein von Granit,
Mit frommem Spruch in goldnen Lettern,
Ein Stein von feierlichem Schnitt
Und glatt poliert; nie sah man einen glättern.
Ein Stein, daraus der Himmel widerlachte,
Der lieblich blau den Kirchhof überdachte.

Christinchen lieh vom Gärtner sich die Kanne
Und goß die Blumen. In das feuchte Naß
Auch flossen Tränen ohne Unterlaß,
Die weinte sie dem lieben toten Manne.
Der liebe Mann! Er hatte seine Fehler –
Wer hat die nicht? – jedoch sein Herz war gut,
Er hatte Temperament und Blut,
Und war er deshalb ein Krakehler,
So war auch seine Zärtlichkeit voll Glut.
Nun ja, er konnte mehr als heftig werden,
Dann schlug er mit den Fäusten auf den Tisch
Und äußerte fast jeden Tag Beschwerden,
Sie, die so sparsam, sei verschwenderisch.
Nur selten war zufrieden er bei Tisch
Und einmal ... doch Christine wurde rot.
Wie darf sie derlei hier am Grabe denken?
Es hat ja schließlich jede ihre Not,
Und wozu sich noch heute drüber kränken?
Er war gestorben und ist tot.

Wer weiß, ob Max ein besserer Gatte wäre?
Max, der sie geht um ihre Liebe an.
Ja, er ist hübsch. Er war beim Militäre,
Und seine Lage, die pekuniäre,
Entspricht durchaus dem, was sie fordern kann.
Zu einem Täßchen Tee will er heut' kommen,
Er lud sich selber dazu ein,
Und wird gewiß von Liebe ganz entglommen
Und wieder voll galanter Worte sein
Und wohl noch heute um sie frei'n.
Vielleicht auch harrt er an der Kirchhofspforte.
Man kennt ja die verliebte Sorte,
Und führt sie durch des Parkes Alleen
Und plaudert (ach, er plaudert wunderbar!)
Und alle Leute bleiben stehen:
»O seht mir doch, welch schmuckes Paar!«

Doch nein! Zum Schmucksein wird sie heut nicht taugen,
Sie hat geweint, es brennen ihre Augen,
Und das entstellt; sie weiß es ganz genau,
Denn sie ist eine kluge Frau.
Auch hat beim Bücken, bei dem Blumengießen
Die Seidenbluse sich gewiß verschoben, –
Sie aber ließ, das muß sie sehr verdrießen,
Den Taschenspiegel in der Wohnung oben.

Zu dumm! In diesem Zustand soll sie geh'n?
So soll sie Max, der anspruchsvolle, seh'n?
Da tritt sie vor den feinpolierten Stein,
Der glänzend blank wie nie ein zweiter war,
Und nimmt ihr Tuch und feuchtet's ein
Und reibt sich ihre braunen Äuglein klar
Und zupft am Kleide mit geschickten Händen,
Am Taillenschluß, am Hals, an allen Enden,
Und ihrem Bild, im Spiegel von Granit,
Der überschrägt des Gatten letzte Ruh',
Wirft sie zufriedene Blicke zu
Und zupft nochmal und geht mit leichtem Schritt
Und schnellem Atem zu der Pforte stracks,

Und dort steht Max.

Fritz Engel.

 

Soll man heiraten?

Jüngling in den reifern Jahren,
Überleg dir's hundertmal!
Willst du dir die Ruh' bewahren,
Triff mit Vorsicht deine Wahl!

Nimmst du eine allzu Schlanke,
Wünschst du später, sie wär rund,
Peinlich ist schon der Gedanke! ...
Kauf dir lieber einen Hund!

Mag der Einfall auch nicht neu sein,
Eins stimmt sicher und genau:
Dieser Hund, der wird dir treu sein –
Weißt du das bei deiner Frau?

Mag dir eine Reise passen,
Kannst daheim du den Wauwau
Beim Portier in Pflege lassen –
Kannst du das mit deiner Frau?

Eine Mitgift – das gesteh' ich –
Hat es nicht, solch Hundevieh.
Aber einen Vorteil seh' ich –
Du verspekulierst sie nie!

So ein Hund weint keine Träne,
Niemals braucht er Aspirin,
Hat des Abends nie Migräne
Und hat nie »nichts anzuziehn«.

Ihm genügt ein Schlackwurstscheibchen,
Nie bestellt er Kaviar,
Und er schenkt (falls er kein Weibchen)
Niemals dir ein Zwillingspaar.

So im Sommer wie im Winter
Ist der Hund stets stubenrein.
Nimm mal an, du hättest Kinder,
Würden die das immer sein?

Schulgeld brauchst du nicht zu zahlen,
– Diese Last fällt gleichfalls aus –
Und ein Hund bringt auch niemalen
Schlechte Zeugnisse nach Haus.

Drum – willst du zur Brautschau fahren –
Überleg dir's noch einmal!
Stets die Ruhe zu bewahren.
Bleibt das höchste Ideal.

Ist beim Walzer oder Ländler
Halb dir schon das Herz entflammt –
Eile, Freund zum Hundehändler,
Aber nicht zum Standesamt!

Magst du ihn mal nicht mehr leiden,
Dann verkaufst du den Wauwau,
Bloß verkaufen! Nicht erst »scheiden« –
Mach das mal mit deiner Frau!

Gustav Hochstetter.

 

Ein- und Zweizeiler.

Wenn Frauen durch die Finger sehen, so drücken sie ein Auge zu.

 

Flitterwochen haben manchmal nur zwei Tage.

 

Jedem das seine! sagt der Gemütsmensch, der ein böses Weib hat.

 

Es ist nicht schwer, ein Herz zu erobern, in welchem schon der Hunger ausgebrochen ist.

 

Der Verliebte gibt seiner Geliebten tausend Namen, nur nicht seinen eigenen.

 

Ich möchte um keinen Preis zum drittenmal heiraten, sagte eine Frau, als ihr erster Mann gestorben war.

 

Die armen Hausfreunde! Gewöhnlich setzen ihnen doch die Gatten Hörner auf.

 

Nur in Amerika gibt es Ehemänner, welche offen eingestehen, daß sie Mormonen sind.

 

Der Lebemann bekommt die Schöne, die er zum Souper führt, bald satt.

 

Wenn ein Mann kein schönes Mädchen zur Frau genommen hat, so soll auch die Frau kein schönes Mädchen nehmen.

 

Die Frauen sind doch die stärksten Geschöpfe. Atlas trug den Himmel, aber die Frauen tragen Atlas.

 

Es ist merkwürdig, daß die Geweihausstellung fast ausschließlich von Männern besucht wird.

 

Eine Kokette hat Dich entweder zum Liebsten oder zum Besten.

 

Wer sich an ein böses Weib gehängt hat, wird immer zu spät abgeschnitten.

 

Ein Mann, der jeder Schürze nachläuft, wird sich bald eines Rollstuhls bedienen müssen.

 

Will Dich eine Frau nicht zu ihren Füßen sehn, so sind diese vielleicht nicht klein genug.

 

Das Weib verläßt Vater und Mutter, um dem Manne nicht zu folgen.

 

Wenn eine Frau behauptet: »Mein Leben hängt an einem Faden!« nun, ich will den Faden nicht näher bezeichnen.

 

Wenn Lohengrin nicht eine Mythe wäre, so würde jede Stadt mehrere Halteplätze für Einschwäner haben.

 

Mancher Frau fehlt zu einem Busenfreund Beides.

 

Himmel werden in der Ehe geschlossen.

 

Man trifft Menschen, die man für verliebt hält, bis es sich herausstellt, daß sie nur einfach verrückt sind.

Julius Stettenheim.

 

Männertreu und Weiberkrieg.

( Veronica chamaedrys und Ononis spinosa.)

Die Frau.

Es ist ein Kräutlein, heißt Männertreu,
In jedem Frühling blüht es aufs neu.
Am Waldrand steht es und auf der Au,
Und Blumen hat es anmutig blau;
Doch brichst davon du dir einen Strauß,
Nicht eine Blume bringst du ins Haus.
Herunter fallen sie gar geschwind,
Schon unterwegs weht sie ab der Wind.
Des Krautes Name, er klingt nicht schlecht,
Und seinen Namen führt es mit Recht.
Den Männern sag' ich es ins Gesicht:
So sind sie alle – nur meiner nicht!

Der Mann.

Ein Kräutlein wird Weiberkrieg genannt,
Das wächst auf Anger und Heideland.
Da siehst du blühen es weit und breit
Schön weiß und rot um die Sommerszeit.
Doch will ich raten dir: laß es stehn!
Mit hundert Häkchen ist es versehn,
Verletzt die Hände dir, hemmt den Schritt,
Viel Arger hast du und Not damit.
Das ist so recht ja der Weiber Art,
Ob sie auch lieblich sonst sind und zart,
Sie sind ein Kräutlein, das kratzt und sticht.
So sind sie alle – nur meines nicht.

Johannes Trojan.

 

Zwischen den Jahreszeiten.

An Stamm und Wipfel rauscht der Wind vorbei,
Zerzaust des greisen Baumes Blattgefieder.
Die grüne Stachelkapsel springt entzwei,
Braunglänzende Kastanien rollen nieder.

Mit feinem Wolkenmantel spielt der Wind,
Ballt ihn zusammen, läßt ihn weithin wallen,
Wirft um die Sonne ihn und macht sie blind,
Zerreißt ihn plötzlich, daß die Fetzen fallen.

Dann in die Gassen fährt er niederwärts
Und neckt sich mit den lieblichsten Geschöpfen,
Zupft an den Röckchen mit frivolem Scherz
Und jagt die Hüte von den Männerköpfen.

Der Herbst kommt! schreit die Jugend mit Hallo,
Man sieht sie stürmend aus dem Schulhaus rasen,
Sie läßt sich von dem Winde lüftefroh
Ins heiße Kinderantlitz Kühlung blasen.

Und selbst bis in das stille Bürgerhaus
Dringt nun ein Stückchen Poesie der Straße, –
Die Alten steh'n am Fenster, schau'n hinaus
Und folgen dem bizarren Wetterspaße.

Sie sind im Schau'n nachdenklicher denn je!
Welch' eine Sehnsucht mag ihr Herz durchflammen?
Sie: »Ob zu Tietz ich oder Wertheim geh?«
Und er: »Wie schaff' die Miete ich zusammen!«

Sigmar Mehring.

 

Am Nordpol.

Ein Nordpolfahrer hatte gefreit
Eine allerliebste nordische Maid.

Und weil nach seiner Sehnsucht Land,
Nach Norden, stark sein Kompaß stand –

Hat er nach Grönland sich aufgemacht,
Um dort zu feiern die Hochzeitsnacht.

Doch hat der Ärmste bitter bereut
Solch nordische Flitterwochenzeit:

Denn eine Hochzeitsnacht – potz Daus,
Die sechs Monate dauert – hält keiner aus!

Richard Zoozmann.

 

Das gute Rezept.

Der Bauer Krischan kommt zur Stadt
Zum Doktor Winterstein;
Er wird des Nachts im Bett nicht warm,
Es friert ihm Fuß und Bein.

Der Doktor meint: »So geht mir's auch,
Doch weiß ich guten Rat;
Mach er es doch einmal wie ich –
Mein Mittel ist probat.

Eh' ich zu Bette nämlich geh',
Wärmt mir's mein Weib erst an,
Wir legen Bein auf Bein, recht dicht –
Und warm sind sie alsdann.

Wenn er dies auch probieren will,
Hilft's ihm gewiß im Nu!« –
Der Krischan spricht: Mir is dat recht;
Wann paßt's denn Ihrer Fru?«

Richard Zoozmann.

 

Spirituosen-Liebe.

Es war eine schöne Dame,
Genannt Jamaika Rum,
Die sah nach einem Freier
Sich viele Jahre um.

Da kam ein Herr von Adel
Zuletzt mit weißem Haar,
Ein alter Arak de Goa,
Und beide wurden ein Paar.

Und weil sonst keiner zugegen,
Der ihnen näher verwandt,
So legte auf beide segnend
Der alte Korn die Hand.

Johannes Trojan.

 

Der Geldpunkt.

Wenn sie es hat und Du es hast,
Seid ihr ein Paar, das trefflich paßt.
Wenn sie es hat und Dir gebricht's,
Dann gräm' Dich nicht, das schadet nichts.
Wenn ihr es fehlt und Du es hast,
Dann scheint mir das noch besser fast.
Doch habt ihr beide gar nichts nich,
Sohn! Sohn! wie wird das werden, sprich!

Johannes Trojan.

 

Trauung.

Ein weißer Spitzenschleier,
ein schwarzer Schwalbenfrack.
Fabrikbesitzer Meyer
und »Jungfrau« Siegellack.

Gesang und Orgeltöne,
goldprunkender Altar.
Mehr oder weniger schöne
Brautjungfern hinter'm Paar.

Der würdige Schwarzrock predigt,
er predigt lind und lau,
der Heilsakt wird erledigt,
Herr Meyer hat 'ne Frau.

Von Siegelläckchens Lippen
ätherisch zittert's: »Ja!«
Dann muß sie Medoc nippen,
sie ist der Ohnmacht nah'.

Sie stehen auf vom Kissen
und reichen sich den Arm,
Kirchtüren aufgerissen,
formiert der Hochzeitsschwarm.

Die nassen Taschentücher
sind wieder beigesteckt;
der Mann der Gottesbücher
spitzt sich den Mund auf Sekt.

Brautmarsch von Wagner. Paarig
hinaus und ins Coupé.
Ein Dichter lockenhaarig
schleicht seitwärts seelenweh.

Er hat »Sie« angedichtet,
er hat »Sie« angetönt,
sein Glauben ist vernichtet,
sein Ideal verhöhnt.

»Wir wollen Freunde bleiben« –
da stehts mit Veilchenduft –
»jedoch uns nicht mehr schreiben,
man lebt nicht von der Luft.«

O weißer Spitzenschleier!
O schwarzer Schwalbenfrack!
Frau Fabrikantin Meyer,
geborne Siegellack.

Karl Henckell.

 

Werbung.

Aus Hermann Sudermanns Erzählung »Jolanthes Hochzeit«. (Ein Ausschnitt aus dem III. Kapitel.)

Es war noch früher Nachmittag, – eine Pesthitze dabei – und ich vor Langeweile oder Ungeduld fahr' nach Krapowitz.

»Die alten Herrschaften schlafen noch«, sagte der Diener, »aber das gnädige Fräulein sei im Gartenzimmer.«

Mir ahnt allerhand, und ich krieg' Herzklopfen. Will zurück. – Aber wie ich sie im Mullkleide hoch und schneeweiß, wie aus Marmor gehauen, vor mir stehen seh', da packt mich mit neuer Wut meine alte Eselei.

»Das ist schön, daß Sie kommen, Baron,« sagte sie, »ich langweil' mich gerade diebisch ... wir wollen in den Garten gehn – – da gibt es eine kühle Laube – drin plaudern wir ganz ungestört.«

Wie sie ihren Arm in den meinen legt, krieg' ich das Zittern. Ich sag' Ihnen, vor Düppel ging's leichter in die Höh', als jetzt die Terrasse 'runter.

Sie schweigt ...ich auch ... auf diese Weise wird's immer schwüler. Der Kies kreischt – um das Spiräengebüsch sumsen die Hummeln ... sonst nichts zu hören weit und breit ... sie hat sich ganz vertraulich an mich gehängt und zwingt mich, ab und zu anzuhalten, wenn sie einen Grasbüschel ausreißt oder eine Resedastaude pflückt, mit der sie sich die Nase kitzelt, um sie sofort wieder wegzuwerfen.

»Ich wünschte, ich liebte die Blumen«, sagt sie. »Es gibt so viele, die sie lieben oder zu lieben behaupten ... in Liebessachen kommt man ja nie hinter die Wahrheit.«

»Warum nicht?« frag' ich. »Sollt' es denn nicht vorkommen, daß zwei Menschen sich gern haben und es sich sagen – ganz einfach – ohne Schikane und Hintergedanken.«

»Gern haben – gern haben,« spottet sie nach. »Sind Sie ein solcher Eiszapfen, daß Sie sich Liebe mit »Gernhaben« übersetzen müssen?«

»Ob ich ein Eiszapfen bin oder nicht, darauf kommt's leider nicht mehr an,« geb' ich zur Antwort.

»Ja, Sie sind eine goldene Seele,« sagt sie und sieht mich 'n bißchen kokett von der Seite an. »Alles, was Sie denken, kommt wie aus der Pistole geschossen ans Tageslicht.«

»Ich weiß aber auch zu schweigen,« sag' ich.

»Oh, das fühl' ich,« erwidert sie hastig, »Ihnen könnt' ich alles, alles anvertrauen.« – Und mir ist, als preßte sie leise meinen Arm.

»Was will sie nur von dir?« frag ich mich, und das Herz schlägt mir schon hoch oben in der Kehle. – – –

Nun standen wir vor der Laube – eine Aristolochialaube, wissen Sie, mit den breiten, herzrunden Blättern, die jeden Lichtstrahl abhalten. In so einer Laube ist es immer Nacht, wissen Sie. –

Also, nun läßt sie meinen Arm los, wirft sich auf die Erde und kriecht durch ein kleines Loch – denn alles übrige war verwachsen – in das Dickicht hinein.

Und ich – Freiherr von Hanckel auf Ilgenstein, ein Spiegel der Würde und Gesetztheit, krieche auf allen vieren hinterher durch die Öffnung, die nicht größer ist als eine Backofentür.

Ja, meine Herren, das machen die Weiber aus uns.

Drinnen in der schummrigen Kühle liegt sie halb ausgestreckt auf einer Lehnenbank und wischt sich mit ihrem Taschentuch um den Hals herum bis unter den schweißfeuchten Taillensaum. Und schön sieht sie aus. Schön sieht sie aus! ...

Und wie ich nun in meiner Atemlosigkeit schnaufend wie ein Bär vor ihr stehe, – denn mit siebenundvierzig Jahren fuhrwerkt man nicht mehr ungestraft auf allen vieren 'rum, meine Herren, – da bricht sie in ein Lachen aus, – kurz, hart, aufgeregt.

»Lachen Sie mich nur aus,« sag' ich.

»Wenn Sie wüßten, wie wenig mir nach Auslachen zumute ist«, sagte sie und verzieht schmerzlich den Mund.

Dann wird es still ... sie schaut mit gerunzelter Stirn vor sich nieder. – Ihr Busen geht auf und ab.

»Woran denken Sie?« frag' ich.

Sie zuckt die Achseln und sagt: »Denken – wozu denken?« sagt sie. »Ich bin müde, – will schlafen.«

»So schlafen Sie doch,« sag' ich.

»Aber Sie auch,« sagt sie.

»Gut, – ich auch,« sag' ich und setze mich halb ausgestreckt, wie sie, auf die gegenüberliegende Bank.

»Aber die Augen zumachen,« befiehlt sie weiter.

Und ich mache gehorsam die Augen zu.

Ich sehe Sonnen und hellgrüne Räder und Feuergarben immerzu – immerzu ... So was kommt von dem aufgeregten Blute, meine Herren ... und von Zeit zu Zeit fährt es mir durch den Kopf: –

»Hanckel, du machst dich lächerlich.«

So still ist es ringsum, daß ich die kleinen Käfer höre, die auf den Blättern herumlaufen.

Selbst ihr Atem hat aufgehört.

»Du mußt doch sehen, was sie treibt,« sag' ich mir mit dem stillen Wunsche, sie in ihrer schlafenden Herrlichkeit nach Herzenslust bewundern zu können.

Aber als ich verstohlen die Augenlider ein bischen, ein kleines bißchen in die Höhe hebe, da seh' ich – und, meine Herren, der Schreck fährt mir wie so ein kaltes Geriesel bis in die Zehenspitzen hinein, – sah' ich ihre Augen ganz starr und groß mit einer wilden, und – wenn ich so sagen darf – spähenden Glut aus mich gerichtet.

»Aber Jolanthe, liebes Kind,« sag' ich, »warum sehn Sie mich so an? Was hab' ich Ihnen denn getan?«

Sie fährt in die Höhe, wischt sich wie aus dem Traum über Stirn und Backen und versucht zu lachen. Zwei-, dreimal, kurz, stoßweis, wie vorhin, – und dann bricht sie in Tränen aus und weint und weint, als soll sie sich die Seele aus dem Leibe weinen.

Ich spring' auf und stell' mich vor sie hin ... Möcht' ihr auch die Hand aus den Scheitel legen, aber dazu reicht meine Courage nicht aus. Und ich frag' sie, ob sie was drückt, und ob sie es mir nicht anvertrauen möcht', und dergleichen.

»Ach, ich bin das elendeste, das gottverlassenste Geschöpf,« schluchzt sie.

»Aber warum denn?«

»Ich will etwas tun, – etwas Entsetzliches – und ich habe nicht den Mut dazu.«

»Na, was ist es denn?«

»Das kann ich nicht sagen! Das kann ich nicht sagen.«

Und dabei bleibt sie, so viel ich auch aus sie einrede. Aber allmählich verändert sich ihr Gesicht und wird immer starrer und finsterer.

Und schließlich sagt sie verbissen vor sich hin:

»Ich will fort ... weglaufen will ich.«

»Herr Gott, mit wem?« frag' ich ganz verblüfft. –

Sie zuckt die Achseln. – »Mit wem? Es ist ja keiner da, der zu einem hält ... Nicht einmal ein Hütejunge ... Aber weg muß ich ... Hier erstickt einem ja die Hoffnung in der Kehle. Hier geht man ja zu grunde ... Und weil keiner kommt, drum lauf' ich allein weg.«

»Aber, mein liebes, teures Fräulein,« sag' ich, »ich verstehe ja, daß Sie sich etwas langweilen auf Krakowitz ... Bißchen einsam ist es ja – und Ihr Vater krakeelt auch mit allen Menschen. Aber schließlich, wenn Sie heiraten möchten! – Eine, wie Sie, braucht doch bloß den kleinen Finger auszustrecken.«

»O, gehn Sie,« erwidert sie drauf, »das sind ja alles Phrasen. – Wer wird mich wollen? Wissen Sie einen, der mich will?«

Das Herz klopfte mir scheußlich. Ich will's nicht sagen – es ist ja Wahnsinn – aber da hab' ich's schon gesagt: Ich wünschte, ihr beweisen zu können, daß ich meinesteils keine Phrasen machte – oder so was der Art. –

Denn für eine gerade, ordentliche Werbung fand ich auch jetzt – weiß Gott! – nicht den Mut. Sie schließt die Augen und seufzt tief auf, dann faßt sie mich beim Arm und sagt:

»Ehe Sie fortfahren, Herr Baron, will ich Ihnen etwas gestehn, damit Sie nicht zu sehr betrogen werden. Meine Eltern schlafen nicht ... Meine Eltern haben sich, als sie Ihren Wagen hörten, eingeschlossen, d. h. Mama ließ sich von ihm zwingen ... das ganze Zusammensein hier im Garten ist abgekartet ... Ich soll Ihnen den Kopf verdrehn, damit Sie um mich werben kommen ... Seit Ihrem ersten Hiersein quälen mich beide, Papa und Mama, er mit Schelten, sie mit Bitten, ich soll die Chanse nicht vorbeigehn lassen, denn solch eine Partie würde sich mir nicht wieder bieten ... Herr Baron, vergeben Sie mir: ich wollte nicht! Und wenn ich Sie noch so sehr geliebt hätte, dadurch wären Sie mir verleidet worden ... aber jetzt, nachdem ich das vom Herzen 'runter habe, jetzt will ich! Wenn Sie mich mögen ... ich gehöre Ihnen.«

Hermann Sudermann.

 


 << zurück weiter >>