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Des zweiten Buches viertes Kapitel:
»Amor auf Reisen.«

An die Geliebte, Marie Neumann,

von Gottlieb Krause.

Wo um grüne Linde
Von der Düne Winde
Wehn, in Swinemünde
Hab' ich Dich gesehn.
Drauf nach Treuenbrietzen,
Nah dem freien Wrietzen
Aller treuen Mietzen
Treuste, mußt' ich gehn.

Heut in Wegeleben,
Sah ich rege schweben
Dich, als träge eben
Ich zur Schenke schlich.
Dich zu freien balde,
Wenn im Maien Halde
Grünt, nach Freienwalde
Hol' ich Liebste Dich.

Johannes Trojan.

 

Liebesreise.

Denkst du daran? Im Februar –
Ein Morgen war es maienklar,
Es flimmerte der Zuger See,
Wir sahen einzig im Kupee.

Was las ich dir, Geliebte, vor?
War's Mackags Weltverachtungschor?
Weltlust von Detlev Liliencron?
Prinz Carolaths Resignation?

Die Nußbonbönchen schmeckten fein,
(Ich schätze sündhaft Schleckerei'n);
Es ward so seltsam uns zu Mut,
Die gelben Rosen hauchten Glut.

Das war im Tunnel vor Luzern,
Da hatten wir uns doppelt gern,
Da hatten wir uns dreifach lieb
Und küßten Nimm! und kosten Gib!

Es war ein dunk'ler Augenblick,
Es war ein stummes Abschiedsglück,
Wir hielten innig uns umpreßt,
Es war ein selig Bundesfest.

Dann ward es wieder sonnenklar,
Du kämmtest dein verwirrtes Haar,
Luzern! – Der Zug lief langsam ein;
Ein letzter Blick. Ich war allein.

Karl Henckell.

 

Die Quellennymphe

Ich habe sie an der Quelle gesehn,
Sie hat gar tief in die Welle gesehn,
Sie schien mir ein Nymphlein, ein schlankes,
Ein blondes und rankes und blankes.

Ich dachte mir: Sei du nur eitel, Kind!
Beschau' dir nur deinen Scheitel, Kind,
Und lasse im Grunde, im feuchten,
Dein Auge noch einmal dir leuchten!

Beschaue dir nur dein Näschen fein,
Hier rahmen es Wasserbläschen ein,
Und such' deines Mundes Riegel
Noch einmal im kräuselnden Spiegel!

Sie aber senkte den Krug hinein
Und füllte sich Wasser genug hinein
Und schritt nach Hause versonnen –
O Nymphe, was soll dir der Bronnen?

Und anderen Tags schritt sie leise zu mir
Und sprach in gemessener Weise zu mir:
»Es währte volle sechs Stunden,
Doch habe ich alles gefunden:

In diesem Quell sind Bromnatrium,
Chlorlithium, Jodmagnesium,
Strontian und, wie ich beteure,
Auch Spuren von Kieselsäure.

Auch fand ich Manganokarbonat
Und Kalziumhydroarsenat
Und radioaktive Effekte ...«
Herrgott, wie ich mich erschreckte!

Die blonde Nymphe studiert Chemie
Und mischt und ruiniert Poesie
Und stiller Quellen Glänzen
Mit hundert Reagenzen.

Wenn ihr dereinst ein Söhnchen ersprießt
Und dann sein erstes Tränchen vergießt,
Wird sie, total verschroben,
Es erst am Lackmus proben.

Fritz Engel.

 

Vor einem alten Portrait.

In schwarzen Spitzen eine junge Frau:
Ein feines bleiches nordisches Gesicht,
Beherrscht von großer Augen dunklem Blau,
Daraus ein Sonnenstrahl von Liebe bricht.

Sah sie mit solchem Blick den Künstler an?
Gebot sein Wunsch der raschbereiten Hand? –
Ich stand im Bildersaal und sah und sann,
Bis das Portrait im Dämmergrau verschwand.

Bruno Frank.

 

Zukunftsbild.

Zum Nordpol wandelt ein Eskimo
Im hellen Nordlichtschein
Und wirft in den Briefkasten, der dort hangt,
Einen kleinen Brief hinein.

Von dannen schreitet er lächelnd drauf,
Wie glückliche Leute tun.
Es ist ein Brief an sein fernes Lieb
Im heißen Kamerun.

Johannes Trojan.

 

Rasche Bekanntschaft.

Drin beim Tanze sahn wir beide
Eben uns zum ersten Male –
War es wirklich eben, heute,
Heute abend drin im Saale?

Leise knackt es in den Dielen,
Wie wir traulich redend ziehen,
Fort vom Tanze, durch die kühlen,
Durch die dunklen Galerieen.

Bruno Frank.

 

Der Brief.

Will ich denn fort aus dieser Stille? Nein.
Jedoch heut Abend späh ich übers Feld
Und wünsch mir einen Brief. Da ist der Schein
Der Gurtlaterne ... nah schon überhellt
Sie ein Stück Weg und unsern Markungsstein.

Schon hör ich, wie der Mann am Hoftor schellt.
Schon hör ich ihn im Flur ... er klopft. Herein!
Geschäftspost. Zeitung. Soll das alles sein?
Er brummt und geht, und mit ihm geht die Welt
Und läßt mich wieder für die Nacht allein ...

Bruno Frank.

 


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