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Des zweiten Buches zweites Kapitel:
Eros regiert die Stunde ...

Page zur Prinzessin.

I.

Ich möchte gern als Spange an dir liegen,
Ich zitterte an dir in Zärtlichkeit,
Ich möchte mich als Gürtel an dich schmiegen
Und gern umklammern dein geliebtes Kleid.

Ich trüge bei zu deinen reinsten Siegen,
Daß du die Strahlendste im Schönheitsstreit,
Mit meiner Farben Regenbogenlügen
Weckt' ich der Pfauen und der Falter Neid.

Entsprühe einen deiner Blitze, Blicke,
Daß er aus mir sich leuchtend niederläßt:
Als Spiegel deiner schimmernden Geschicke
Glänzt Tag und Nacht mir wie ein großes Fest.

II.

Ich will dir in der tiefsten Demut dienen
Und deine Hände küssen andachtsvoll
Und mit der Süße weicher Violinen
Dir bringen meiner Lieder zarten Zoll.

Und deines Haares ährenblondem Segen
Und deines Blicks Zyanenblau mich weihn
Und mit dem Fiedelbogen oder Degen
Will ich der Hüter deines Herzens sein.

Bist du vielleicht dem Geiger mehr gewogen?
Deucht dir der Kämpfer eher liebenswert?
Ersing' ich dich mit meinem Fiedelbogen?
Erring' ich dich mit meinem schlanken Schwert?

Ich möchte deinen Stolz auf Tönen tragen,
Doch wenn du über deinen Diener lachst,
Will ich so Funken aus dem Degen schlagen,
Daß du ein Feuer in dir selbst entfachst.

III.

Zuweilen nenne ich dich Beatrice,
Zuweilen Sankta, weil du heilig scheinst.
Kling auf, du Name, der du alle Süße
Und aller Welten Seligkeit vereinst!

Ich brütete durch manche braunen Nächte:
Malt nie ein Name dich in Gnaden groß?
Wenn ich dir nun ein reifes Brautlied brächte,
In seiner Süße wär' es namenlos.

IV.

Ich bin dein Diener, denn ich bin dein Dichter,
In meinen klaren Versen fang' ich dich.
Und alle Spiegel, Spangen, Ampeln, Lichter,
Und alle Kerzen, sie beneiden mich.

Du bist so strahlend in mich eingegangen,
Dass deine Seele rein aus meiner sieht.
Nicht funkelnder kann dich ein Spiegel fangen
Als ich in meinem hellen, lichten Lied.

Arthur Silbergleit.

 

Don Juans Entschuldigung.

Nun hör auch mich: Ein junger Wandersmann
Sah fromm und wunschlos Gottes Welt sich an.
Da blitzte es vor ihm im Steingerölle,
Er bückte sich, und sieh: ein Diamant
Von märchenhafter, lichtdurchströmter Helle
Lag königlich in seiner armen Hand!

Was sollt' er tun? Er hob den edlen Fund
Inbrünstig dankbar an den heißen Mund.
Ließ ihn am Mittag und im Monde blitzen
Und schätzte küssend ihn als höchstes Gut,
Dann barg er ihn ganz dicht an seinem Blut,
Ihn bis zum Tod vor fremder Gier zu schützen.

Doch ohne Ruhe mußt' im Weitergehen
Er fürderhin Geröll und Sand durchspähen.
Mußt sich nach Glimmer, Quarz und Kiesel bücken –
Könnt ein Opal nicht unterm Mantel sein? –
Der Diamant erweckte sein Entzücken
Und jetzt verlockt ihn jeder blanke Stein!

Wer trägt die Schuld? – Hätt' ihm der Diamant
Mit seiner Schönheit nicht das Herz verbrannt,
Wär' es ein schlechtes Kupferstück gewesen
Von übler Prägung, ohne Klang und Wert,
Er hätt' kein zweites Exemplar begehrt
Und nichts gesucht und nichts mehr aufgelesen!

So aber tatst du deinem Wandersmann,
Du mein Juwel, den Schmerz der Schönheit an?
Auf meiner Stirne brennt das Sklavenzeichen
Friedloser Gier nach Schönheit und Genuß,
Weil du so schön warst, daß ich deinesgleichen,
Mir selbst zur Qual, nun ruhlos suchen muß! – – –

Georg Busse-Palma.

 

Die Dankbaren.

Nein, in solcher Nacht zu schlafen,
Könnten wir uns nicht verzeihn,
Schlaft Ihr Alten, träumt Ihr Braven,
Wir sind jung und sind zu zwein!

Gab ein Gott uns Sommerlüste,
Und den schönen, vollen Mond,
Brunnenfall und Heckendüfte,
Sei er auch mit Dank belohnt.

Schlägt denn keinem das Gewissen,
Wenn er solche Pracht versäumt,
Und dafür im heißen Kissen,
Dumpf von seinem Tagwerk träumt?

Einst vielleicht, wie unsre Väter,
Schnarchen wir beim Zauberlicht.
Aber das ist später ... später ...
Und das kümmert uns noch nicht.

Nein, in solcher Nacht zu schlafen,
Würden wir uns nicht verzeihn.
Ruht nur alle, ruht Ihr Braven!
Laßt uns nur allein!

Bruno Frank.

 

Spruch.

Drei Namen ruf' ich im Wind dir zu,
der eine ich, der andre du –
der dritte, sprich ihn demütig aus,
wird kommen als Erbe in Hof und Haus.
Nun ich dir die drei Namen genannt,
Liebste, bist du an mich gebannt.

Wilhelm von Scholz.

 

Weibliche Geographie.

Nach einem Volkslied.

In der Schwäbischen Alb und im Wiener Wald
Sind die Berge und Hügel gar viel gestalt.
Sind schneeig im Winter und grasgrün im Mai,
Doch nichts ist kurioser, als hier diese zwei! – –

Die reckten sich gar nicht so arg in die Höh',
Und stehn doch des Sommers wie Winters im Schnee!
Und über dem Schnee stehen zierlich und rot
Zwei klein' kleine Knöspchen und frieren nicht tot!

Das ist doch was Neu's, das nicht jedermann weiß,
Und die schneeigen Hügel sind obendrein heiß!
Und säh' man's nicht selber, dann glaubte man nie,
Wie schnurrig mitunter die Geographie! – – –

Georg Busse-Palma.

 

Liebeslied.

's gibt Menschen, die nicht lieben können,
Wenn Lieben heißt: in Glut entbrennen,
Auflodern plötzlich hell in Brand –,
Die nur mit stillem Herzen lieben,
Ganz flammenlos, ohn' Funkenstieben,
Doch ruhig, fest und unverwandt.

Sie lieben auch! Nicht, wie die Quelle,
Die stürmisch an des Tages Helle,
Des Drucks befreit, hellschäumend schießt,
Sie lieben auch, doch gleich dem Bache,
Der unterm dichten Blätterdache
Stillmurmelnd zwischen Auen fließt.

So bin auch ich! Mit glüh'nden Sinnen,
Mit trunkner Lust nicht kann ich minnen,
Mit schäumend wilder Herzenglut:
Ich kann nur still ins Aug' dir schauen
Und felsenfest auf dich vertrauen,
Treu kann ich sein, recht treu und gut.

Hugo Salus.

 

Nachmittagskaffee.

Gestern war bei Ihro Gnaden
Zum Kaffee ich eingeladen,
Denkt das Glück!
Ich bekam dort zum Versuchen
Von dem allerfeinsten Kuchen
Gleich ein Glück.

Dann gab's Sandwiches und Hörnchen,
Kognak mit drei goldnen Sternchen
Trank ich auch.
Solch ein Leben ist ein Leben!
Bald nachher hat uns umgeben
Blauer Rauch.

Ihro Gnaden sagten leise:
»Sind wir nicht dem Erdenkreise
Jetzt entrückt?
Dichte Wolken sinken nieder,
Ach, und wie mein enges Mieder
Eben drückt!«

Als zuletzt ich ihre runde
Hand geführt zu meinem Munde
Zum Adieu,
Senkte sie die bleichen Lider:
»Nicht wahr, Schatz, Du kommst bald wieder
Zum Kaffee ...«

Leo Heller.

 

Am Abend.

Komm, denn der Abend kommt.
Wir haben ihn so wild ersehnt.
Nun ist er da. Wie er im Mantel
Sich an die alten Pappeln lehnt.

Jetzt schlägt er seine Wimpern auf
Und sieht uns an und nickt uns zu –
Hat er nicht ganz dieselben Augen,
Nicht ganz denselben Mund, wie du?

Gustav Schüler.

 

San Domenico.

»So schaurig schön ist's, zu verbinden
Hotel mit Kloster. Ist's nicht so?
Romantischres ist nicht zu finden,«
Sprach Missis Burnes aus Buffalo.
Ihr Leib war fein und zart und schmächtig,
Und ihre Augen, blau und groß,
Durchschweiften etwas übernächtig
Den Kreuzgang San Domenicos.
Sie war erst gestern angekommen;
Ich hatte ihrer mich sogleich
Voll zartem Eifer angenommen;
Denn sie war Witwe, schön, jung, reich.
Statt eine Antwort zu erteilen
Ließ ich entzückte Blicke bloß
Auf ihrem Angesicht verweilen
Und dachte nicht Domenicos.
Da legte sie die Stirn in Falten
Und sagte mir gebietend: »Aoh,
Ich wünsche Auskunft zu erhalten.
Wie lang steht San Domenico?
Die Mönche waren Katholiken,
Nicht wahr, und schliefen nur auf Stroh?
Und Ladies ließen sich nicht blicken
Damals in San Domenico?
Ich liebe sehr die Sensationen;
Das alles intressiert mich so.
Ich bin so glücklich, hier zu wohnen
Im Kloster San Domenico.«
Im Sprechen war sie mehr als kindlich,
Doch kokettierte sie virtuos.
Ich lächelte galant, verbindlich
Im Kreuzgang San Domenicos,
Und leis begann ich zu berichten:
»Es stand ein Kloster irgendwo.
Dort gab es seltsame Geschichten.«
Sie rückte näher, fragte: »Aoh,
In Taormina?« Ich bejahte
Und bat noch leiser, feierlich:
»Das, was ich Ihnen da verrate,
Behalten Sie für sich und mich?
Ein junger Mönch schlief in der Zelle,
Die Sie jetzt grad bewohnen.« – »Aoh!«
»Gebadet lag in Mondenhelle
Das Kloster San Domenico;
Und blendend traf ein Strahl die Stelle,
Wo Sie jetzt schlafen mit Plumeau,
Und lockte fort von Stroh und Zelle
Den Mönch von San Domenico
Im Traum. Er schritt zur Tür, erwachte.
Denn dort ersah er lebensgroß
Ein Weib, das hold entgegenlachte
Dem Jünger San Domenicos,
Ein Weib mit langen, dichten Haaren,
Die sie umhüllten bis zum Schoß
Und die so goldig glänzend waren
Wie – wie bei Töchtern Buffalos.
Sie glauben wohl, daß nun voll Bangen
Der junge Mönch sofort entfloh?
O nein, zwei fromme Seelen sangen
Dem guten San Domenico
In dieser Nacht, in Zellenenge,
Grad dort, wo Sie jetzt wohnen –« – »Aoh!«
»Den höchsten aller Lobgesänge.« –
Und Missis Burnes aus Buffalo
Tat sehr chockiert, wenn auch verspätet,
Erhob sich, sprach: »Ich schäm mich so.« –
In selber Nacht hat sie gebetet
Mit mir in San Domenico.

Fr. W. v. Oestéren.

 

Die Wetterfahne.

Du auf deinem höchsten Dach,
Ich in nächster Nähe;
Doch die wahre Liebe, ach,
Schwankt in solcher Höhe.
Du in deinem Herzen leer,
Ich in blindem Wahne –
Dreh' dich hin, dreh' dich her,
Schöne Wetterfahne!

Unterhaltend pfeift der Wind,
Saust uns um die Ohren;
Von des Himmels Freuden sind
Keine noch verloren!
Glaubst du, daß verliebt ich bin,
Weil ich dich ermahne?
Dreh' dich her, dreh' dich hin,
Schöne Wetterfahne!

Dreh'n wir uns auf hohem Turm
Immer frisch und munter!
Ach, der erste Wintersturm
Schleudert dich hinunter.
Wenn dann auch verflogen wär,
Was ich jetzt noch ahne ...
Dreh' dich hin, dreh' dich her,
Schöne Wetterfahne!

Frank Wedekind.

 

In heißer Sehnsucht.

Ich hab' die allmächtige Liebe
Solange verlacht.
Nun hat sie die Augen mir trübe
Von Tränen gemacht.
Von heiligen Dolchen zerrissen,
Erzittert mein Herz
Und weint des Nachts in die Kissen
Sehnsüchtigen Schmerz.

Ich bin mit Rosen gebunden
Aus Feuersglut.
Wer kühlt die duftigen Wunden
Und heilt sie gut?
Wer führt mit ihr mich zusammen,
Um die ich glüh'? – –
Ach! schlingt, ihr Rosen und Flammen,
Euch auch um sie! – –

Georg Busse-Palma.

 

Alte Liebe.

Ich hab' dich lieb, kannst du es denn ermessen,
Versteh'n das Wort, so traut und süß?
Es schließt in sich eine Welt von Wonne
Es birgt in sich ein ganzes Paradies.

Ich hab' dich lieb, so tönt es mir entgegen,
Wenn morgens ich zu neuem Sein erwacht;
Und wenn am Abend tausend Sterne funkeln,
Ich hab' dich lieb, so klingt die Nacht.

Du bist mir fern, ich will darob nicht klagen,
Dich hegen in des Herzens heil'gem Schrein.
Kling' fort, mein Lied! Jauchz' auf, beglücke Seele!
Ich hab' dich lieb, und nie wird's anders sein.

Frank Wedekind.

 

Lulu.

Ich liebe nicht den Hundetrab
Alltäglichen Verkehres;
Ich liebe das wogende Auf und Ab
Des tosenden Weltenmeeres.

Ich liebe die Liebe, die ernste Kunst,
Urewige Wissenschaft ist,
Die Liebe, die heilige Himmelsgunst,
Die irdische Riesenkraft ist.

Mein ganzes Innre erfülle der Mann
Mit Wucht und mit seelischer Größe.
Aufjauchzend vor Stolz enthüll' ich ihm dann,
Aufjauchzend vor Glück meine Blöße.

Frank Wedekind.

 

Ein Zwischenfall.

Ringsum nächt'ge Dunkelheit,
Und die Herzen brünstig!
Komm! Es waren Ort und Zeit
Selten uns so günstig. –

Ihres Sträubens Kraft versagt,
Heiß erglühn die Wangen,
Und halb willig, halb verzagt
Läßt sie sich umfangen.

Und ihr Auge feuchtet sich,
Und mein Blick wird heller,
Und ich zieh' sie fest an mich,
Und sie atmet schneller.

Und sie beugt den Kopf zurück,
Und sie schließt die Augen,
Und schon will ich süßes Glück
Ihr vom Munde saugen –

Trapp! trapp! trapp! kommt auf uns zu
Eines Trittes Schwere.
– Fort ist sie in einem Nu,
Und – ich küß' ins Leere.

Sigmar Mehring.

 

Sehnendes Mädchen.

Ich singe durch die Sommertage,
Als wär mein Herz ein Drosselnest.
Ich singe mit so hellem Schlage,
Als stünd' ich selbst im frohsten Fest.

Und muß doch trüb' die Stirne neigen,
Wenn lau und blaß der Tag verfließt.
Ich singe und ich möchte schweigen.
O komm', du Mund, der meinen schließt!

Georg Busse-Palma.

 


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