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Vorrede.

Der Kuß ist die Vorrede zur Liebe ...

Die Liebe ist die Vorrede zum Heiraten ...

Die Ehe ist die Vorrede zum Glück der Menschheit ...

So ist denn, was ich hier schreibe: die Vorrede zu – drei Vorreden.

Nur lebende Dichter habe ich in diesem Buch zu Worte kommen lassen, und nur deutsche. Hätt' ich um ein Jahrhundert zurückgegriffen, hätte ich Übersetzungen zugelassen – dann mußte mein Buch Konversationslexikonformat bekommen.

Wohl weiß ich, daß ich nicht der erste bin, dem einfiel zu sammeln, was die Dichter über die besten Dinge der Welt – über das Küssen, Lieben und Heiraten – zu sagen wissen. Aber mein Anspruch ist bescheiden: ich bin der erste, der die Dichter des Heute zur Kuß-, Liebe- und Ehe-Konferenz lud. Und ich bin – zugleich mit ihnen – zufrieden, wenn unsere Sammlung so lange Wert behält, bis ein späterer die Dichter des Morgen zu einer ähnlichen Versammlung bittet.

Die Dichter des Morgen ... wie werden ihre Werke beschaffen sein? Wird jenes hilflose Gestammel, das schon heute damit beginnt, sich als die Dichtkunst der Zukunft zu präsentieren – wird es wirklich von nahenden Jahrzehnten als Kunst genommen werden? Die Liebesdichtung des Morgen – wird sie wirklich auf den schmeichelnden Klang des Reimes verzichten müssen, der doch ihrem innersten Wesen entsprungen zu sein scheint? Wird es in naher Zukunft Zeiten geben, wo die straffe Folge der Jamben und Trochäen als eine Lächerlichkeit gilt, wo der Daktylus und der Anapäst in der Rumpelkammer der Dichtung schlummern? Wo die Zahl mißduftiger Worte entscheidend ist für den Wert eines kleinen Gedichtes? Gehören wir heute wirklich schon zum alten Eisen, weil wir noch immer Goethe, Schiller und Heine lieben? Weil Reim und Rhythmus unserem Ohr als Kunst und Wohlklang erscheinen?

Mögen Spätere auf diese Fragen die Antwort finden. Heute ist heute; – und am heutigen Tage will ich die Stammler nicht zu den Dichtern zählen.

Wenn ich mir bei der Auswahl der Dichtungen die Engherzigkeit auferlegen mußte, die Vergangenheit und das Ausland auszuschließen, so durfte ich bei der Wahl des schmückenden Bildmaterials um so weitherziger sein: durch das liebenswürdige Entgegenkommen des Königlichen Kupferstichkabinetts zu Berlin konnte ich manchen fremden Meister früherer Jahrhunderte in diesem Buche seine Kunst aufs neue beweisen lassen. Es erscheint mir – und vielleicht auch manchem Leser dieser Sammlung – als ein reizvoller Gegensatz, die Modernitäten des Berliners Ernst Heilemann, des Griechen Demeter Galanis, des Marquis de Bayros, von Gestwicki, Leonard, Helwig, Ehrenberger, Kirchner, Dely wirken zu sehen neben den himmelstürmenden Capriccios des Spaniers Francisco Goya, neben dem altfränkischen Humor eines Hasenclever, eines Claus. Und einen anmutigen Kontrast für sich wieder bieten die Idyllen von Bargue, Burton und Steiner-Prag, die zarten Galanterien der Franzosen Jean Michel Moreau le Jeune und Sigismond Freudeberg gegen die wilden, geistvollen Satiren des Engländers William Hogarth. Bilder bedürfen ja glücklicherweise keines Übersetzers: sie reden in allen Sprachen zu den Augen des genießenden Beschauers.

Und so gebe ich mich denn in aller Bescheidenheit dem angenehmen Bewußtsein hin, durch meinen Sammlerfleiß ein Werkchen zusammengestellt zu haben, das der Liebende dem Gegenstände seiner Zärtlichkeit, der Verlobte seiner Braut, der Ehemann seiner Gattin gern als ein kleines Geschenk überreichen wird, und das »ihr« wie »ihm« Stunden voll edler und heiterer Fröhlichkeit bereiten kann.

Berlin, im Sommer 1914.
Gustav Hochstetter.


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