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(» L'accord parfait«. Von Moreau le Jeune.)
Wir waren Kinder und spielten
      
 In Höslein bis zum Knie.
      
 Im Garten bei dem Balkenhauf
      
 Trug uns die Schaukel ab und auf,
      
 Mich und die kleine Marie.
Wir waren Kinder und spielten
      
 Und küßten uns dann und wann.
      
 »Wenn wir erst größer sind« – dachten,
      
 Sagten wir uns und lachten –,
      
 »Werden wir Frau und Mann!«
Heut sah ich Maria wieder,
      
 Die lange schon gefreit.
      
 Ihr Töchterlein zählt zehn Jahre
      
 Und schaukelt mit wehendem Haare
      
 Sich wie Mama derzeit.
Daneben der Nachbarsjunge,
      
 Er schaut sie an und lacht.
      
 Er stiehlt ihr Birnen zum Essen
      
 Und küßt sie und wird sie vergessen,
      
 Wie es die Alten gemacht.
Die süße, dumme Geschichte!
      
 So früh hebt sie schon an!
      
 Kaum ward man selbst vernünftig,
      
 Probiert sich schon für künftig
      
 Klein-Hühnchen und Klein-Hahn! –
G. Busse-Palma.
»... nur verstohl'nen Handkuß will
      
 Ich beherzt nun wagen:
      
 O Geheimnis, süß und still,
      
 Will es keinem sagen.
Du auch tue niemand kund,
      
 Daß ich so verwegen ...«
      
 Und fürwahr, 
      sie hielt den Mund –
      
 Mir sofort entgegen.
* * *
Ich kannte eine schwarzlockige Frau, bei der wurde das erste graue Haar das erste blonde.
* * *
Als ich beim letzten Winterfest
      
 Mit Fräulein Doktor walzte,
      
 Hat sie sich eng an mich gepreßt,
      
 Daß ich vor Wonne schnalzte.
Ich sah ihr Köpfchen an meiner Brust
      
 In rührender Pose liegen,
      
 Als wollte sie sich mit heißer Lust
      
 Mir in die Seele schmiegen.
Und dankbar rief ich: »Wie sind Sie nett!«
      
 Da sprach sie mit ernster Betonung:
      
 »Sie haben am Herzen reichlich Fett
      
 Und bedürfen der äußersten Schonung!«
Vom Bahnhof holt sie mich in einem Wagen,
      
 Der einer Arche gleicht; schon aus dem Zuge
      
 Seh' ich mit Lächeln vor dem Bahnhoftore
      
 Den Kasten stehn und rings des Dorfes Jugend.
      
 Vom Bock winkt sie mir stürmisch Willkomm zu.
      
 Sie ist ganz Landkind, Bauernmädel, Heimat
      
 Und schaut mich unterm breiten Strohhut an,
      
 Wie meine Kindertage auf dem Lande,
      
 Wie meine Heimat, munter, frisch und blühend.
Nun sitzen wir im Wagen, ach, der ächzt
      
 Und wundert sich, daß wir so eng uns drängen,
      
 Da doch zwei Reifrockdamen ihn nicht füllten!
      
 Und mein Geliebtes ist so schlank und rosig,
      
 So gar nicht würdevoll und doch so würdig,
      
 Daß ich nur immerfort auf ihre Hände
      
 Die Lippen neigen möchte: »Süßes Leben!«
Nun fahren wir. Die Pferde meinen's gnädig
      
 Und eilen nicht. Mir ist ein jeder Baum
      
 In der Allee zum Dorfe, jedes Feld,
      
 Ein jeder Vogel, jeder Schmetterling
      
 Ein neues Wunder. »Sag, ist das hier Gerste?« –
      
 Sie lacht mich aus: »Nein, goldner Rumpelsamen!« –
      
 »Schau, diese roten Blumen!« – »Sind das Blumen?«
      
 – Lacht sie mich an – »ist solches Unkraut Blumen?
      
 Das nennt der Dichter Blumen! Ach, ich wette,
      
 Du kennst die Nachtigall nicht von der Lerche!« –
      
 – »O süße Julia!« – Da bebt ihr Mund,
      
 Da wird sie still und rot, rückt von mir fort;
      
 Wer weiß denn, welch ein Traum als Romeo
      
 Sich jetzt auf ihrer Seele Brüstung schwingt!
      
 So schweig' auch ich. Dann: »War dir bang nach mir?«
      
 Sie drauf: »Ich hab' dich lieb.« An meiner Schulter
      
 Ruht sanft ihr Köpfchen, bis der gute Wagen,
      
 Ein Kuppler, ihren Mund an meinen legt. 
      
 Wen ärgert das? Im nahen Dorf die Hunde!
      
 Ein solcher Neidling fängt zu heulen an
      
 Und rennt wie toll vom Dorf her uns entgegen,
      
 Schaut in den Wagen, bellt uns zu: »Hört auf!«
      
 Dann wirft er sich herum, er schießt zurück
      
 Und bellt die Hundeschaft im Dorf zusammen.
      
 Ein ganzer Rudel Köter sammelt sich
      
 Und fragt ihn aus. – »Los auf die zwei Verliebten!«
      
 Von allen Seiten bellt's uns an. Den Pferden
      
 Wirft sich ein närrisch Köterpaar entgegen,
      
 Kurzbeinige Dackel fliegen in die Höh'
      
 Und schleudern uns ein »Schämt euch!« in den Wagen
      
 Ein Jagdhund streckt den Hals und ärgert sich,
      
 Zwei Bullenbeißer sind vor Wut verrückt
      
 Und fletschen Mäuler, nicht zu glauben häßlich,
      
 Ein Rattlerbastard weint fast vor Erregung,
      
 Und wenn sie mich gehörig ausgezankt,
      
 Dann wirbeln sie hinüber zu der Liebsten
      
 Und sind nicht artiger mit ihr. Sie lacht:
      
 »Nun, weißt du nicht, wie du die Meute los wirst?«
      
 Ich drohe: »Kuscht euch!« – Neues Wutgeheule.
      
 Da sagt mein Schatz: »So wirst du sie nicht scheuchen!
      
 Ich kenn' die Meute besser. Schau, die Hunde
      
 Sind nur begierig, wer du bist. Ihr Hunde,
      
 Das ist mein Liebster, wißt ihr! Geht, seid artig,
      
 Ich weiß, ihr seid nicht bös, ich kenn' euch ja!«
      
 Und, wie der heilige Antonius zu den Fischen,
      
 Neigt sie sich zu den Hunden, die ihr lauschen:
      
 »Das ist mein Liebster. Wo er herkommt, fragt ihr?
      
 Aus einer großen Stadt! Und hat doch mich,
      
 Mich Dorfkind, auserwählt! Wohin wir fahren?
      
 Nein, seid ihr neugierig!! Auf unsern Hof;
      
 Dort wird die Hochzeit sein. Nun wißt ihr alles!« –
      
 Die Hunde nicken ernst. Sie bellen Beifall:
      
 Dann ist's schon recht! – Sie laufen wohl noch mit,
      
 Doch schon mit mir versöhnt; sie springen noch
      
 Ein letztes Mal zu ihr empor – dann kehren
      
 Sie ruhig um und trotten heim ins Dorf. 
      
 Ich weiß nicht, wie mir ist; so wie im Märchen:
      
 Die schlimmen Zwerge, die uns Böses wollten,
      
 Sind durch Prinzessin Bildhübsch umgestimmt
      
 Und trollen heim; doch vor uns in der Sonne
      
 Liegt hell der Weg in ein beglücktes Leben ...
Hugo Salus.
Margret, ich halt' die Mühle an,
      
 Wie auch der Mahlwind rauft.
      
 Der Meister Müller hat mein Herz
      
 Doch wahrlich nicht gekauft!
Juchhei, nun ist die Arbeit aus,
      
 Und wie der Sturm auch fegt
      
 Und sich mit beiden Armen breit
      
 In meine Mühle legt!
Derselbe Wind zaust dir das Haar
      
 Und wirft dein Schürzlein quer
      
 Und weht mir deines Mundes Hauch
      
 Mit seinen Flügeln her. –
Margret', ich halt' die Mühle an,
      
 Wie auch der Mahlwind rauft.
      
 Der Meister Müller hat mein Herz
      
 Doch wahrlich nicht gekauft!
Gustav Schüler.
Nun flog die letzte Garbe auf.
      
 Hopp, Anneliese, obendrauf!
      
 Die Erntekrone, bänderbunt,
      
 Die sollst du hochauf heben,
      
 Und singen mit dem roten Mund
      
 Ein helles Lied dem Leben!
Den Weidenweg dahergesaust,
      
 Dorfstraße wie im Sturm durchbraust:
      
 Der alte Hans kann fahren!
      
 So tut ers schon an vierzig Jahr,
      
 Und seine Augen sind so klar,
      
 Wie sie's mit zwanzig waren.
Hopp, Annelies'! Dein Liebster ist
      
 Viel schöner, als ihrs alle wißt
      
 Und jung, mit blonden Haaren,
      
 Am Erntetag sollt ihr ihn sehn,
      
 Da werdet ihr die Hälse drehn – –
      
 Hans, holla, du kannst fahren!
Gustav Schüler.
Den besten Freund und Bruder wirst du nie
      
 Und nimmermehr die liebste Liebe finden.
      
 Fern von dir atmen sie, und suchen sie ...
      
 Allein der Zufall mag euch nicht verbinden.
Die Möglichkeit ist unabschreitbar breit.
      
 Kaum Wegesbreite hat ein Menschenleben.
      
 Versäum dich nicht zu lange! Es ist Zeit,
      
 Ans maßvoll Wirkliche dich hinzugeben.
Laß sie mich küssen, die knospende Blume, den Kelch meiner Trunkenheit!
      
 Wenn meiner Lippen fliegende Glut dir die Glieder durchzittert hat,
      
 Dann erst wirst du mir Weib, und ein mächtig Erinnern
      
 Schwellt meine Segel glückseligen Inseln entgegen.
Frank Wedekind.
Der kleine Tempel wölbte rund
      
 Sich zwischen Lindenästen,
      
 Drin wir zu heller Mondesstund
      
 Uns an die Lippen preßten.
      
 Dein Äuglein flimmerte voll Licht,
      
 Süß schimmerte dein Angesicht,
      
 Indes mit Flammenküssen
Wir haben spielen müssen.
      
 Der feine Busen wölbte rund
      
 Sich zwischen Liebeshänden,
      
 Als uns're Lippen sehnsuchtwund
      
 Sich übten im Verschwenden.
      
 Drei Monde darbten wir voll Not
      
 Nach uns'rer Liebe Zuckerbrot,
      
 Indes wir traurig pickten,
      
 Was wir uns brieflich schickten.
Nun lagen wir zuzweit allein
      
 Und kannten kein Versagen,
      
 Wir zechten unsern Feuerwein
      
 Mit wonnigem Behagen.
      
 Der Mond zog Wolkentücher vor,
      
 Die Linden warf der Wind empor,
      
 Indes in leisem Bogen
      
 Zwei Fledermäuse flogen.
Karl Henckell.
Viele Frauen sind mir erschienen,
      
 Blond und braun –
      
 War gar manche lieblich von ihnen
      
 Anzuschaun.
Tat die eine spröd, dafür waren
      
 Zehne gewillt.
      
 Slavinnen dienten dem Herrn, dem Zaren
      
 Fügsam und mild.
Welsche Hexen, die da pfauchten –
      
 Jüngferlein –
      
 Donnas, die vor Liebe rauchten –
      
 Deutsche, die errötend hauchten:
      
 Ewig dein.
Schmeckten ihr Wasser und Kieselsteine,
      
 Wenn ich sie bot –
      
 Ging sie für mich durchs Leben – manch eine
      
 Gar in den Tod.
Hab so viele innig umschlungen,
      
 Andre verflucht –
      
 Dennoch in allen dich, meine Herrliche
      
 Ruhlos gesucht.
Spricht eine Frau: »Ich kann nicht küssen!«
      
 So wirst du ihr das glauben müssen.
      
 Dann bitt' um einen Kuß sie nie
      
 – – – – – – – – – – – – – – – –
      
 Doch küsse sie.
* * *
Küß jeden Kuß, als wäre er der erste!
      
 Als wäre er der letzte, küsse ihn.
* * *
Klug durch manche schöne Stunde,
      
 Will ich künden immer wieder:
      
 Küsse sind die schönsten Lieder
      
 Und sie gehn von Mund zu Munde.
Fritz Engel.
Goldne Sterne, blaue Glöckchen,
      
 Wie viel wonnevolle Kelche!
      
 Welche Schimmerpracht, ach, welche
      
 Sammtenen und seidnen Röckchen!
Blaue Glöckchen, goldne Sterne,
      
 Tausend Blüten seh' ich winken,
      
 Holde Blüten nah und ferne,
      
 Nur aus 
      einer sollt' ich trinken?
      
 Daß ich das doch nimmer lerne! ...
      
 Goldne Sterne, blaue Glöckchen.
Karl Henckell.
Und du kamest in mein Haus,
      
 Kamst mit deinen schwarzen Blicken;
      
 Sah ich still die Palmen nicken,
      
 Und du gabst mir deinen Strauß.
Gabst die zitternden Narzissen,
      
 Die wir in der Wildnis pflückten,
      
 Deine schwarzen Locken schmückten
      
 Meines Diwans rote Kissen.
Kehre wieder in mein Haus,
      
 Laß die wilden Blumen blühen;
      
 Unsre jungen Lippen glühen,
      
 Gib mir, gib mir deinen Strauß.
Richard Dehmel.
A Busserl is a Schlösserl
      
 Und a Schlüssel dazua,
      
 Das Schlösserl hat's Diandl
      
 Und den Schlüssel der Bua.
Sperrst auf, geht's zum Herzl,
      
 Aber oft is's koa G'winn;
      
 Denn oft gehst nur aus und ein
      
 Und bleibst gar nit drin.
Erst wenn's Diandl von innen
      
 Den Riegel vorschiabt,
      
 Daß d' nimmermehr aussikannst,
      
 Is sie wirklich verliabt!
Jüngling, wenn du willst um Küsse werben,
      
 Welchen Spruch, bedenk' ich, geb' ich dir?
      
 Denn der Unerfahr'ne, glaube mir,
      
 Kann da gar zu leicht das Spiel verderben.
      
 Alte Weisheit schärft die besten Pfeile:
      
 Gute Rede findet guten Ort,
      
 Auch die Spröde spricht zum Schmeichler: Weile! –
      
 Und ich sag': 
      Im Anfang war das Wort.
Ist sie sehr erpicht aufs Widersetzen,
      
 Bleibt die Chance freilich nur gering.
      
 Nein, ich werde irre an dem Ding,
      
 Kann das Wort so hoch unmöglich schätzen.
      
 Spricht dein Aug' ihr zärtlich zu Gemüte,
      
 Kommst du rascher fort ein gutes Stück –
      
 Weiche Wehmut rührt des Weibes Güte –
      
 Schön, ich sag': 
      Im Anfang war der Blick.
Hm – indes – leicht wirkt ein Jüngling komisch,
      
 Der noch ungeübt im Augenspiel,
      
 Nur zu oft da schießt man übers Ziel,
      
 Und Verschwenden ist nicht ökonomisch.
      
 Faust hat recht! Wie konnt' ich das vergessen!
      
 Gab mir selber einst den besten Rat:
      
 faßt' ich zu und küßte ungemessen – –
      
 Hier mein Spruch: 
      Im Anfang war die Tat!