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Des zweiten Buches Anfangskapitel:
Die Liebe und der Tanz.

Zeichnung von F. de Bayros.

Kleine, wenn wir alt geworden ...

Kleine, wenn wir alt geworden,
Hat das Leben uns getrennt –
Du im Süden, ich im Norden,
Wo den andern keiner kennt.
Deine Taille nicht mehr zierlich,
Deine Rosenwangen bläh,
Und behäbig-reputierlich
Handelst du mit irgendwas.
Ich – von mancher Lebensschlappe
Schon gekerbt und wenig froh –
Trage meine Aktenmappe
Auf ein dämliches Bureau.

Kleine, wenn wir alt geworden,
Gibt sich unser leichter Sinn;
Und ich kriege einen Orden,
Weil ich so manierlich bin.
Und was dir das Herz entflammte
Ist verweht nach froher Frist,
Und es führt zum Standesamte
Dich ein Steuerakzessist.
Und du liest in deinem Blättchen, –
Abends liegt es vor der Tür –,
Daß ich Lieder und Sonettchen
Manchmal dichte noch, wie früh'r.

Kleine, wenn sich Blüt' aus Blüte
In die Haare steckt der Mai,
Klingt ein Echo durchs Gemüte
Und die Brust wird jung und frei.
Wenn die Kinder längst entschliefen,
Und der Alte sitzt beim Skat,
Blätterst du in gelben Briefen –
Aber nicht vom Steuerrat;
Holst du dir die Liederbände,
Die ich zärtlich damals schrieb;
Und ich halte deine Hände,
Und du hast mich wieder lieb.

Kleine, höre was ich künde,
Sieh mich lächelnd an dabei:
Eine ew'ge große Sünde
Ist der holde Monat Mai.
Trotzend Muckern und Zeloten
Raubt sich keck der Liebe List,
Was auf Erden so verboten
Und was, ach, so himmlisch ist.
Denn wie wär' in dürren Tagen,
Schneebedrückt und sorgenschwer,
Wohl der Winter zu ertragen,
Wenn kein Mai gewesen wär'?
Stunden, ach, zum Teufelholen
Schleppt das Leben noch heran,
Aber aus verrauschten Bowlen
Mild erinnernd düftet's dann.
Und auf gelben Blättern lesen
Wir, wie einst der Puls uns schlug,
Da wir keck und jung gewesen
Und die Stirne Kränze trug.
Ob den Frohsinn zu ermorden
Uns ins Herz die Sorge kroch,
Kleine, wenn wir grau geworden,
Atmet unser Frühling Noch!

Rudolf Presber.

 

Die neuen Tänze.

Neues, ungekanntes Wiegen
Spült die Welle uns meerüber,
Unser nordisch starr und trüber
Geist beginnt sich ihm zu schmiegen.

Starker Duft aus großen Wäldern,
Süßer Duft aus Tropengärten
Weht gelind in unsre kältern
Säle, daß sie heiter werden ...

Unsre Mädchen, unsre Frauen
Biegt ein Anhauch voll von Blüten.
Jede Frackbrust spürt den Süden,
Und die strengsten Herzen tauen.

Bruno Frank.

 

Der erste Ball.

Artig seinen Namen flötend,
Beugt sich tief der junge Mann,
Erst erbleichend, dann errötend
Hört sie seine Bitte an.
Blaues Kleid mit weißem Schale,
Und das wilde Strudelhaar
Onduliert zum ersten Male,
Und noch nicht ganz achtzehn Jahr.

Ei, wie dieser Herzensknicker
Ihre Taille nun umfängt!
Wie sein Auge durch den Zwicker
Sich in ihre Augen hängt!
Dieser Jüngling ist so glutvoll!
Seiner Mannheit so bewußt!
Und sie schmiegt sich treu und mutvoll
An die Heldenhemdenbrust.

Ist dies noch ein ird'sches Wiegen?
Ist sie nicht Frau Königin?
Und sie schweben und sie fliegen
Wie auf Rosenwölkchen hin.
Kreisend sehn sie bunte Kreise,
Und nun ist's ein Karussel –
O du zwecklos süße Reise,
Warum endest du so schnell?

Leis drückt ihr die Hand der Sieger,
Da er sie zum Sofa führt,
Wo Mama, vielleicht bald Schwieger,
Scharf auf beide lorgnettiert.
Zu der Tochter spricht die Alte:
»Du zerdrückst dein Kleid, Sophie!«
Dann wie aus dem Hinterhalte
Fragt sie: »Was studieren Sie?«

Fritz Engel.

 

Kostümfest.

»Fatme, schlank gleich den Gazellen,
Folg' mir braunem Wüstensohn!«

* * *

»Fatme? Herr, ich heiße Ellen!
Ellen Maud Mechtildis Lohn!«

* * *

»Fatme mit den Ringellocken,
Komm, ich sag' dir was ins Ohr!«

* * *

»Herr, sie sind ein fader Nocken!
Stellen Sie sich erst mal vor!«

»Fatme, weiß sind deine Glieder,
Wie der Mond im Palmenhain!«

* * *

»Herr, jetzt kenn' ich Sie ja wieder:
Sie sind Doktor Löwenstein!«

»Fatme, komm mit mir zur Nische,
Daß ich mit dir kosen kann!«

* * *

»Herr, ich muß zu Mutters Tische,
Schließen Sie sich bitte an!« – –

Und sie wandeln und sie schreiten
Durch der Menge dichte Reih'n,
Und die Mutter prüft vom Weiten
Schon den jungen Löwenstein.

Daß er hat recht gute Praxis,
Weiß nach zehn Minuten sie,
Da verwandt er mit den Sachs is,
Ist er eine Glanzpartie.

Eh' der erste Morgenschatten
In den Saal fällt, sagt Frau Cohn:
»Liebe Meyern, Sie gestatten,
Hier mein Schwiegerwüstensohn ...«

Fritz Engel.

 

Ein Lichtblick im Leben einer Jungfrau.

Es war die Selma Tugendreich,
Die ält'ste Schwester unter sieben,
Doch war bei ihr, ich sag es gleich,
Die Schönheit gänzlich ausgeblieben.

Um andre Mädchen scharenweis
Bemühten sich die jungen Ritter,
Doch ging die Selma mal aufs Eis,
Verschwanden alle, – das war bitter.

Die Kränzchen, die sie mitgemacht,
Verfehlten völlig ihre Zwecke,
Da saß die Selma ganz verkracht
Als Mauerblümchen in der Ecke.

Kein Hochzeitswerber kam zu ihr,
Sie harrte lang, die Freier fehlten,
Oft stand sie an der Kirchentür
Und sah, wie andre sich vermählten.

Es wurde zu derselben Zeit
Ein Polizeigebot erlassen:
Der Schutzmann soll stets hilfsbereit
Die Frau geleiten auf den Gassen.

Die Selma wollte übern Damm,
Gar ängstlich war ihr da zumute;
Schon springt der Schutzmann: »Hier, Madam!«
Und nimmt sie untern Arm, der Gute.

Ein Männerarm! ach, tut das wohl!
Zum ersten Mal seit vierzig Jahren!
Fast hätt' ein Auto mit Petrol
Sie alle beide überfahren.

Doch schon im Sicherheitsbereich
Sind beide auf der andern Leite;
Der Schutzmann wendet sich sogleich,
Daß andre Damen er geleite.

Bei Wertheim löste sich der Harm
Der Selma auf in Tränenmassen:
»Ein Einz'ger gab mir mal den Arm,
Und der hat wieder losgelassen

Alexander Moszkowski.

 

(»Before«. Von W. Hogarth)


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