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Kurze Beschreibung des Schlosses Favorite und seiner Kunstschätze.

Erbauerin des Lustschlosses Favorite ist die Markgräfin Franziska Augusta Sibylla von Baden; als Tochter des letzten Herzogs von Lauenburg 1675 geboren, wurde sie, noch nicht 16 Jahre alt, 1690 Gemahlin des Markgrafen Ludwig Wilhelm, wegen seinen in den damaligen Türkenkriegen vollführten Heldentaten Türkenlouis genannt. Anfangs residierte das Fürstenpaar im (sog. neuen) Schloß zu Baden, siedelte aber 1705 in das von ihm erbaute Schloß Rastatt über, wohin Ludwig Wilhelm seinen Herrschersitz verlegte. Als der Markgraf 1707 an den Folgen seiner schweren Verwundungen im Kriege gestorben war, mußte seine Gemahlin, da der Erbprinz Georg Ludwig erst 5 Jahre alt war, die vormundschaftliche Regierung über die Markgrafschaft übernehmen, welcher Aufgabe sie mit großer Hingabe und vielem Geschick nachkam. Als die Zeit herannahte, wo der Erbprinz volljährig wurde, erbaute sie das Lustschloß Favorite und ließ es durch französische Gartenkünstler mit prächtigen Gärten und Parkanlagen umgeben. 1725 war das Ganze so weit fertig, daß die Markgräfin mit einer auserlesenen Gesellschaft zum erstenmal die Sommermonate dort zubringen konnte. Und fortan weilte Augusta Sibylla jeden Sommer und Herbst mehrere Monate hier bis zu ihrem Tode, der sie 1733 auf ihrem Witwensitz, Schloß Ettlingen bei Karlsruhe, erreichte. Ihre Ruhestätte fand sie nach ihrem Wunsche in der von ihr 1723 erbauten Hofkirche in Rastatt (jetzt Gymnasiumskirche). Nach ihrem Tode war Favorite nie mehr längere Zeit bewohnt, weder von ihren einander in der Regierung folgenden zwei Söhnen Ludwig Georg und August Georg (die Tochter war schon früh als Gemahlin des Herzogs von Orleans gestorben) noch von den Fürsten der seit 1771 vereinigten badischen Lande. Nur im Revolutionsjahr 1849 hatte Wilhelm, Prinz von Preußen (Kaiser Wilhelm I.), als er den Kampf gegen die Freischaren führte, vorübergehend sein Quartier hier aufgeschlagen. In den 170 Jahren des Bestehens sind die Anlagen um Schloß Favorite zu einem herrlichen Parke herangewachsen, dessen Besuch allein schon lohnend ist; kunstvoll angelegte Alleen, Baum- und Blumengruppen, Teich und Bächlein wechseln mit herrlichen Wiesen und Naturpark, der von unzähligen gefiederten Sängern bevölkert ist.

Schloß Favorite läßt mit seinem schlichten Äußern, eigenartig durch seine seltsame Mauerverkleidung – Kiesel und Granitsteinchen mit Schneckenhäuschen in erstarrtem Mörtel eingebacken – nicht ahnen, welchen Reichtum und welche Schönheiten das behagliche Innere birgt.

Das Schloß, dessen Hauptfassade gegen Nord-Ost liegt und durch eine sehr hübsch entwickelte Freitreppe geschmückt ist, wird durch einen achteckigen Hohlraum genau symmetrisch in zwei Hälften geteilt; dasselbe bietet im Erdgeschoß eine Empfangshalle und gestattet das Hindurchfahren der Wagen. Im Mittelgeschoß bildet es das Bindeglied zwischen dem östlichen und westlichen Flügel und im oberen Geschoß eine Galerie; hier spielte die Tafelmusik, wenn in der heißen Jahreszeit die kühle Empfangshalle als Speisesaal benützt wurde. Diese und der ganze Hohlraum erhalten ihr Licht durch die Scheiben des Türmchens, das jenen abschließt.

Die beiderseits der Empfangshalle im Erdgeschoß liegenden Räume dienten zu Wirtschaftszwecken und als Baderäume und werden, da sie nichts Bemerkenswertes enthalten, nicht gezeigt; gleiches gilt auch von den Räumen des oberen Geschosses, dessen Zimmer den Hoffräulein und der Dienerschaft als Wohnung dienten. So beschränkt sich der Besuch des Schlosses im Erdgeschoß auf die Empfangshalle, die sogenannte Staatsküche und das Fayencezimmer und auf die vierzehn Säle und Zimmer des Mittelgeschosses.

Durchwandern wir im Geiste mit dem Besucher diese Räume, um ihn auf das Sehenswürdigste aufmerksam zu machen.

Betritt man im westlichen Flügel das Schloß, so wird man schon angenehm berührt durch die äußerst freundliche Wandverkleidung in holländischen Porzellanplättchen, blaue Malerei auf weißem Grunde. Das sehr einfach gehaltene Vorzimmer zeigt ein großes Ölgemälde, das Porträt des jüngeren Sohnes der Erbauerin, des letzten baden-badenschen Markgrafen Georg August. Eine sehr hübsche Arbeit finden wir in dem nun folgenden Wohnzimmer, ein in Grün und Gold auf weißem Grund ausgeführtes Gipsrelief; die Decke zeigt das badisch-lauenburgische Doppelwappen; in den beiden Ölgemälden finden wir der Markgräfin Tochter Maria Johanna und ihren Gemahl, den Herzog von Orleans. Kunstverständige und Liebhaber werden hier wie auch im folgenden Zimmer auf vorzügliche Wachsreliefs, die zum Teil bedeutende Persönlichkeiten vorstellen, und auf die den Kaminaufsatz zierenden Vasen und Alabasterfiguren aufmerksam gemacht. Gerne verweilt der Besucher einen Augenblick im Familienzimmer, das er jetzt betritt; denn es ruft manche geschichtliche Erinnerung wach. Die fünf Ölgemälde zeigen: die Erbauerin des Schlosses als lauenburgische Prinzessin, kurz vor ihrer Verheiratung, ihren Gemahl Markgraf Ludwig Wilhelm in jungen Jahren, sodann beide als Gatten und endlich zwischen letzteren den schon im Vorzimmer gesehenen Sohn Georg August in seiner Jugend. Die besten Bilder jedoch von der Erbauerin und ihrem Gemahl finden wir in dem nun zu betretenden Schreibzimmer; hier sehen wir in Lebensgröße gemalt den Markgrafen als kaiserlichen Feldmarschall und seine Gemahlin im Witwenschleier (siehe das Titelbild). Durch die in Goldleisten gefaßten grün- und rotgestreiften Seidentapeten und durch den prächtigen Spiegel aus böhmischem Kristall erhält das Zimmer ein besonders vornehmes Aussehen. Feiner Geschmack und Prachtliebe wirken in dem nun folgenden Spiegelsaal zusammen, eine originelle und fesselnde Ausstattung zu schaffen: 313 an Decke und Wänden mannigfaltig gruppierte Spiegel zeigen dem Beschauer sein Bild hundertfach, und doch hat der findige Meister ein Plätzchen herausgefunden, auf dem stehend man sich trotz der vielen Spiegel doch nicht sieht. Interessanter sind noch die in Wasserfarben auf Pergament gemalten 73 Bilder der Markgräfin, ihres Gemahls, der Kinder und Verwandten in den verschiedensten Verkleidungen, ein sehr lehrreiches Stück Kostümkunde. Der aus weißem und farbigem Kristallglas zusammengesetzte Kronleuchter ist ein Meisterstück böhmischer Glastechnik. Einen Eindruck des Wohlbehagens macht das nun folgende Schlafzimmer der Markgräfin; in den Gold- und Silberstickereien, welche den Behang des Himmelbetts bilden, finden wir teilweise Handarbeiten der Markgräfin, wahre Meisterwerke, in den sehr schönen Vasen auf dem Nischenabschluß Geschenke des Markgrafen an seine Gemahlin.

Letztes der sieben Fürstenzimmer der Westseite ist der an das Schlafzimmer der Markgräfin sich anschließende Speisesaal; eine die Ostwand bildende Fensterreihe läßt reichlich Licht aus dem von oben beleuchteten Achteckraum einströmen und gestattet einen Blick hinab in die Empfangshalle. Besonders beachtenswert sind die in Wolle und Seide ausgeführten Wandstickereien, Tiere und Pflanzen darstellend; ebenso die sieben länglichen und vierzehn runden auf Spiegelglas gemalten Blumenkörbe. – Eine mit blaugemalten Holländerplättchen verkleidete Galerie, die auch den Zugang zur Freitreppe vermittelt, führt uns nun zur Zimmerreihe des östlichen Flügels. Ehe wir diese betreten, blicken wir hinab in die Empfangshalle. Die bunten Freskomalereien des Achteckraums, vier aus Stein gemeißelte Figurengruppen und zwei an den Langseiten aufgestellte aus Holz geschnitzte Frauengestalten, zu deren Füßen sehr wertvolle Muschelbecken aus Zwiebelmarmor, sind der Hauptschmuck dieser Halle. Beim Durchschreiten der Galerie beobachten wir in einer Ecke die von der Markgräfin benützte Sänfte, ein Rokokostück. – Nun nimmt uns der Empfangssaal auf, der besonders Besuchern Interessantes bietet: die Wandverkleidung ist durchweg Stickerei, Blumengruppen aus Seide, Wolle und Glaskorallen auf gelbem Grunde, der nur aus gelben Glasröhrchen gebildet ist; welche Geduldprobe für die Markgräfin und ihre Damen, diese Arbeit auszuführen! Auch Gobelins der Wände des nun folgenden Schlafzimmers des ältesten Sohnes, des späteren Markgrafen Ludwig Georg, sind wunderhübsche Arbeiten; sie zeigen, welchen Grad der Vollkommenheit die Gobelintechnik im vorigen Jahrhundert erlangte. Erinnern uns zwei Bilder an die heitere Götterwelt der alten Griechen – Aphrodite, von Liebesgöttern umgeben und der Meergott Poseidon über den Fluten, so zeigt uns ein drittes Alexander den Großen, wie er der unglücklichen Familie seines besiegten Gegners, des Perserkönigs, seine fürstliche Gnade zuwendet; das vierte ist eine Allegorie der vier Jahreszeiten. Der Kronleuchter, das Schönste und Wertvollste des Schlosses, ein Geschenk der Eltern der Markgräfin, ist ein Erzeugnis böhmischen Kunstfleißes, die zwei Blumenvasen aus roter Tonerde ein Geschenk ihres Heldengemahls, eine Beute aus seinem Türkenkriege. –

Die Perle alles Schönen und Kostbaren erwartet uns aber im sog. Florentinerzimmer, in das wir jetzt geführt werden. Leider geht es weit über den Rahmen dieser Darstellung hinaus, in eine Einzelbeschreibung einzutreten, wir müssen uns darauf beschränken, nur auf das Schönste und Wertvollste hinzuweisen. Sind schon die 150 teils auf Holz, teils auf Glas gemalten Blumen-, Obst- und Landschaftsbilder sehenswert, so erregen unsere Aufmerksamkeit ganz besonders 100 weiße Füllungen, aus denen sich bunte Blumen- und Vogelbilder abheben, mehr aber noch etwa 300 Mosaiken, wie sie feiner und lieblicher kaum gedacht werden können. Eine äußerst geschmackvolle Verwendung von Perlmutter und Steinchen verschiedenster Art und Farbe hat Schöpfungen ermöglicht, die von weitem wie kunstvolle Gemälde aussehen; dies gilt ganz besonders von den Landschaftsbildern; das Schönste in dieser Beziehung finden wir auf der Platte des im Zimmer aufgestellten Tisches und an dem auf einem Pfeilertischchen aufgestellten Kleinodkästchen. Wer auf den Besuch des Schlosses etwas mehr Zeit verwenden kann, versäume ja nicht, die 150 Glasgemälde eingehender zu betrachten; er findet hier lebenswahre Bildnisse einer langen Reihe in Kunst und Geschichte bedeutender, zum Teil berühmter Männer.

Haben wir das Florentinerzimmer gesehen, so können uns freilich die noch folgenden fünf Säle nicht mehr besonders fesseln; immerhin finden wir auch da noch manches, das der Beachtung wert ist. So fällt uns, wenn wir aus dem an das Florentinerzimmer anstoßenden Familienzimmer in das sog. chinesische oder japanesische Zimmer treten, eine höchst eigenartige Wandverkleidung auf: auf blauem Grunde sehen wir teils in Gipsfüllungen Vögel auf Ständern, teils aus Papiermasse hergestellte Japaner; alle diese Figuren waren ursprünglich durch eine hinter der Tapete angebrachte Mechanik beweglich. – In dem nun folgenden Arbeitszimmer versäume der Besucher nicht, außer einer prächtig eingelegten Schreibkommode 3 vorzügliche Elfenbeinschnitzereien zu betrachten, deren eine die Geißelung Christi, die beiden andern einen Bettler und eine Bettlerin in höchst origineller Auffassung darstellen. Haben wir das letzte der vierzehn Zimmer, das Garderobezimmer mit seinen vorzüglichen Kunstmöbeln verlassen, so ist damit unsere Wanderung innerhalb des Schlosses noch nicht zu Ende: im Erdgeschoß harren unser noch gar viele herrliche Dinge, die ganz besonders für die Damen von hohem Interesse sein müssen; wir finden sie in der Küche und in dem an dieselbe stoßenden Fayencezimmer. Hat man jene betreten, so weiß man nicht, was von all dem vielen und Schönen man zuerst betrachten soll – Platten, Schüsseln, Teller aus Porzellan und Fayence, das feinste, was Meißen und Sèvres und die Holländer an Tafelgeschirr geschaffen haben, die unvergleichlichen Glasgefäße aus böhmischen Kunstwerkstätten usw. Wer sich die Zeit nimmt, einzelne geschliffene Gläser näher anzusehen, so z. B. den Friedenspokal, die Ordensbecher der Ritter des badischen Hausordens der Treue, die Pokale derer, welche zur Zunft des hl. Hubertus gehören, wird staunen über die hohe Vollendung der Ätz- und Schleifkunst. In dem bereits erwähnten Fayencezimmer finden wir ein Hochzeitsgeschenk von der Mutter der Markgräfin, eine reichhaltige Sammlung von Speisegeschirren, die in künstlerischer Ausführung die Gerichte in ihrem Zustand vor der Zubereitung darstellt. Die heute so hoch entwickelte Majolikakunst hat nichts Besseres geschaffen. –

Beim Verlassen des Schlosses fällt uns sofort die Säule des Röhrenbrunnens auf, die das Prachtbild eines Mannes krönt. Es stellt jenen Diener Mustapha vor, den der Türkenbezwinger aus seinen orientalischen Feldzügen mitbrachte – eine Persönlichkeit, die, wenn die Sage recht hat, im Leben der Markgräfin eine hervorragende Rolle spielte. –

Zu beiden Seiten herrlicher Eichenalleen ziehen sich zwei Langbauten hin, deren westliche, ihrem ursprünglichen Zwecke noch erhalten, einen Gartensaal und eine Wandelhalle enthält; die östliche ist zu Wirtschaftsräumen, Remisen und Militärwache erbaut worden.

An den schmucklosen ehemaligen Kavalierhäusern vorübergehend, biegen wir in einen hübschen Wiesenpfad ein, an einem dichten Gehölz vorbei und erblicken nach wenigen Schritten, wie weltverloren, rings vom Parkwald umgeben, die sogenannte Einsiedelei oder Bußkapelle. Der Kern derselben ist eine kleine Kapelle, in deren Kreisumfang fünf Zimmer liegen, deren jedes durch ein Gitterfenster den Blick in die Kapelle gestattet. Hierher soll sich die Markgräfin zeitweise zurückgezogen haben, um in Weltentsagung Werke der Buße zu üben. Die in einem Glaskästchen auf dem Altar aufbewahrten Bußwerkzeuge, die im Schlafkämmerchen zu sehende Bastmatte, die als Lager diente, führte wohl zu jener Annahme. In dem letzten der fünf Zimmerchen sehen wir in Öl gemalt die Schwester der Markgräfin, die nach dem Tode ihres ersten Gemahls, eines Pfalzgrafen von Neuburg, mit einem Fürsten aus der berühmten Mediceerfamilie verheiratet war. –

Während zum Besuch der Anlagen und des Parkes, der jedem Naturfreund wegen seiner herrlichen und zum Teil seltenen Bäume zu empfehlen ist, weder Erlaubnis noch Führung nötig ist, muß man sich, um Schloß und Bußkapelle zu sehen, an den Hausmeister wenden, der in dem westlichsten der ehemaligen Kavalierhäuser wohnt. Bei ihm findet der Besucher verschiedene Erfrischungen, und wenn er zu Wagen kommt, Stallung für die Pferde.

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