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Elftes Kapitel.

Ein Heer von Fronbediensteten mußte gestern und vorgestern den Weg nach Baden, den die wochenlangen Regengüsse arg verwüstet hatten, wieder instand setzen, daß er nunmehr glatt und eben war wie ein Tisch.

Zu Pferde die Herren, in Wagen die Damen, reiste man von der Favorite ab, die eben jetzt mit ihren blütenbedeckten Bäumen besonders reizvoll war. Der Zug suchte an Stattlichkeit seinesgleichen, was die in Wien gebauten Staatskarossen, die Geschirre und Pferde betraf.

Markgräfin Sibylla liebte solchen Prunk, genau nach dem Muster, welches Ludwig XIV. allen Höfen seiner Zeit gegeben.

Überall am Wege standen gaffend herbeigeeilte Scharen von Dörflern und Bauern und schauten ehrfurchtsvoll den Glanz an, um dann das Freudengeschrei zu wiederholen, mit welchem sie den Anblick der schönen Landesmutter und des zukünftigen Herrn begrüßten.

Endlich nach einer Stunde erreichte der Zug das Dörfchen Oos. Die Berge, die hier zur Seite sich erhoben, waren nur niedrige Vorhügel, aber sie drängten sich, da der Weg sich ein wenig nach links bog, plötzlich dichter zusammen, andere, viel höhere, traten überall hervor, und siehe da, links von ihnen ragte die ehrwürdige Ruine Hohenbaden empor, auf welcher einst die stolzen Vorfahren der badischen Markgrafen gehaust hatten, als letzter der unvergeßliche Herr Christoph I., der geliebte, hochverehrte Fürst, dessen Weisheit und Güte weit hinaus über die Grenzen Badens und der Pfalz ihm hohen Ruhm gebracht.

Viele Blicke flogen hinauf nach dem grauen, stolzen Trümmerwerk, welches auf der Höhe des Berges aus grünem Waldesdickicht emporragte, darüber hinweg sah die eben so graue, steile Felswand des Battert.

»Wohnt noch jemand dort oben?« fragte Anna von Neuburg. – »Seit zwei Jahrhunderten nicht mehr, kaum vielleicht, daß noch ein ordentlicher Fußpfad durch das Waldesdickicht hinaufführen mag«, sagte die Markgräfin.

Rechts von ihnen schäumte und sprudelte dicht am Wege her durch Wiesengrund die launenhafte Oos, meist nur ein rasches Bächlein, aber oft genug im Verlauf einiger Stunden zu einem wilden, gefahrdrohenden Bergwasser anschwellend, wenn oben in den Bergen ein starker Regen gefallen war. Wie ein launenhaftes Weib wurde die Oos jedoch meist auch schnell wieder hell und freundlich, und die Bürger von Baden kannten ihre Gemütsart und fürchteten sich mehr vor ihrem Übermut, als vor wirklichem Zorn.

Die Berge waren jetzt, da der Weg sich noch mehr links bog, ganz dicht zusammengetreten, und ehe Prinzeß Anna, welche interessiert umherblickte, es geahnt, sah man sich unmittelbar am Eingang der offenen Stadt, die, wie in ein Nest von Waldesgrün und blumigen Matten gebettet, mit ihren weißen Häusern und grauen Schindeldächern, ihren stattlichen Kirchen und Klöstern dalag, überragt von dem neuen stolzen Schlosse, wie man es im Gegensatz zu der alten Burg noch immer nannte.

Ein tiefer Schmerz zog über das Antlitz der Markgräfin Sibylla. »Du erkennst es von hier nicht, wie mir der Franzos das schöne Schloß ausgebrannt hat«, sagte sie zu ihrer Nichte. »Die blühenden Flieder und Schneeballen sind mitleidig darüber hingewachsen in diesen zwanzig Jahren. Blutige Tränen möchte ich noch heute weinen, wenn ich daran denke, wie ich, kaum zwei Jahre verheiratet, dort oben mit dem ersten Kinde weilte, und wie man mich zwang, mit meinem Söhnchen zu fliehen. Mein armer Prinz starb daran, ich laß es mir nicht ausreden; ich aber sah an jenem Abend vom Turm des Klosters Lichtenthal ein Sengen und Brennen an, daß ich laut schrie in meiner Verzweiflung. Die Stadt hatten sie mir an sechzehn Stellen zugleich angesteckt, hoch darüber hin züngelten die Flammen des Schlosses und der Türme. Und wie hatte ich den Marschall Duras gebeten, wie hatte ich Kurier auf Kurier nach Paris geschickt, Ludwig XIV. zu erinnern, daß das Haus Baden dem seinigen verwandt sei! Alles vergebens! Doch laß es mich jetzt nicht denken! Die Erinnerung treibt mir alle Freude aus dem Herzen!«

»Aber sieh nur, Liebden Mutter, wie schön hat man schon alles wieder aufgebaut! Wer es nicht wüßte, sollte meinen, dies fröhliche Völkchen hätte nie solche Tage gekannt«, tröstete Prinzeß Augusta, die Hand der Mutter zärtlich streichelnd.

»Auch ich habe droben angefangen wieder aufzubauen, ihr werdet es schon sehen, ihr Lieben,« lächelte sie stolz durch ihre Tränen, »das Haus Baden soll meiner noch lange gedenken, wenn es froh und glücklich in den Schlössern, welche Sibylla Augusta errichtete, seine Heimstätten hat.«

Sie fuhren den sehr steilen, unmittelbar über die Stadt wie eine Wand aufragenden Schloßberg langsam hinan. Aus allen Türen liefen die Bürger, schwenkten ihre Mützen und riefen: »Vivat unser Herr Markgraf und unsere Frau Markgräfin Mutter!«

Endlich waren sie oben angekommen. Ein weiter Hof, der von zwei langen Seitengebäuden flankiert war, öffnete sich vor ihnen; im Hintergrund lag ein Teil des verbrannten Schlosses, der andere war schon niedergerissen und der Neubau begonnen.

Daß der Markgräfin Sibylla die Erinnerung an jene Schreckenstage Badens gekommen, erschien natürlich. Aber über die grauenhafte Verwüstung war schon Efeu in dichten Ranken und viel anderes Grün gewachsen, und als dann die Markgräfin ihre Nichte an das Fenster des ihr bestimmten Zimmers führte und sie hinausblicken ließ auf die Stadt zu ihren Füßen und die Berge ringsumher, empor zu der Ruine von Hohenbaden, seitwärts rechts, hoch am waldigen Berge und hinunter auf die köstlichen grünen Matten, welche sich vor den meilenweiten herrlichen Tannenwäldern, durch die Täler und an den Hängen hinzogen, untermischt von Äckern, zwischen denen überall Häuser und Häuschen, Weiler und Kirchtürme aufragten, dort in der Ferne noch auf hohem Gipfel die alte Ruine Yburg, da stand selbst die kühle Prinzeß Anna ganz still vor Bewunderung und schlug dann die Hände zusammen. »Liebden Tante, warum bautet Ihr nicht zuerst das Schloß hier wieder neu auf? Hier ist ja das Paradies! O, wieviel schöner ist es hier, als in Rastatt!«

»Hast recht, meine Anna Maria, viel schöner ist's hier, und wenn ich an mein geliebtes Baden denke, geht es mir allemal warm und sonnenhell durchs Herz. O, freilich, schön ist's, wunderlieblich schaut sich's hinaus und nirgend dünkt mich, wölbt sich der Himmel blauer über der Erde wie hier, wo deines Italiens Gewächse selbst im Winter ungefährdet bleiben! Aber dort hinten am Horizont, siehst du die silbernen Linien? Das ist der Rhein! Und weiter blicke, viel weiter, mehr nach links! Heute ist die Luft so klar wie selten. Schau, dort wo der Turm aufragt! Es ist das Straßburger Münster, und der Roy soleil hat die Stadt französisch gemacht! So nahe den Grenzen unseres Erbfeindes, Anna Maria, konnte ich nicht sicher wohnen, bis nicht Friede wurde. Dort unten in Rastatt und in meinem Schlößchen Favorite haben Prinz Eugen und Marschall Villars dann den Frieden zwischen Deutschland und Frankreich vereinbart. Und in meiner Favorite war's, wo der Villars ärgerlich über die bedungene Rückerstattung so vieler deutscher Gebiete drohte: ›Wir bekommen sie doch noch!‹ Da richtete Prinz Eugen sich kerzengerade auf, dem Marschall fest in die Augen blickend, hob er die Hand empor wie zum Schwur und sagte ernsthaft: ›Solang ich lebe, nicht, Herr Marschall Villars!‹ Ja, das waren Helden, Kind, der Eugen, der Herzog Karl von Lothringen und mein Ludwig Wilhelm. Das waren Helden!«

Anna von Neuburg wurde glühend rot. Ihr selbst war, als flöge ein Strahl der Sympathie aus den begeisterten Augen Sibyllas in ihr Herz und zündete dort. Mit beiden Armen umschlang sie die Tante. »Du Glückliche! Du Gesegnete! Von einem solchen Helden geliebt zu sein! Ihn lieben, ihm angehören zu dürfen!« rief sie mit zitternder Leidenschaft, und ihre Augen füllten sich plötzlich mit Tränen.

Die Markgräfin gewahrte dies unvermutete Hervorbrechen der innersten Empfindung mit freudiger Überraschung.

»Meiner Schwester Kind! Jetzt erkenne ich mein Blut!« rief sie, die Prinzeß, welche aufgeregt noch an ihrem Herzen lag, küssend. Dann fuhr sie fort und dabei wurde ihr nun doch ihrer Pläne wegen bang: »Wenn ich nur wüßte, wer der Held ist, den meine Anna lieben würde?« Und dabei lächelte sie die Nichte fragend an.

»Ach, Tante, es gibt keine solche mehr«, seufzte diese.

»Und Gott sei Dank, wir bedürfen derselben jetzt nicht. Was wir brauchen, sind einsichtsvolle, treue Landesväter, die es mit ihrem Herrscherberuf ernst nehmen! Es ist wohl schön, ein siegreicher Feldherr sein, aber – ach, Kind, wer jemals den Krieg mit seinem Gefolge von Elend sah, dem dünkt das Los dessen, der Wunden schlagen muß, minder beneidenswert, als der segensvolle Beruf, sie zu heilen und aus den armen, im Unglück vertierten Menschen ein glückliches, gutes und fleißiges Volk zu machen!«

»Meine Tante! Teure Tante, wie bist du so edel, so einsichtsvoll geworden?« fragte ganz erschüttert die Prinzeß.

»Wie ich es wurde? Ich glaube, der da droben hat gütig gelächelt, als er mein Geschick ermaß und ich, ich habe immer gedacht, daß ich ihm an seinen anderen Kindern danken müßte; aber du überschätzest mich, ich bin eine arme, sündige Kreatur wie alle!«

Ein düsterer Zug flog über das schöne Antlitz der Markgräfin, sie bekreuzte sich und bewegte lautlos die Lippen. Dann küßte sie Anna Maria noch einmal und ging schnell fort.

Die Prinzeß sah ihr befremdet nach. Zu Sabine sagte sie, während man ihr Haar frisierte:

»Mir ist so seltsam zumute, ich möchte jubeln und singen, als müßte hier ein ganz absonderliches Glück über mich kommen.«

Das Wiedersehen zwischen den nahen und engbefreundeten Verwandten war vorüber.

Der Markgraf Karl Wilhelm III. von Durlach, ein trefflicher Landesfürst und ein korpulenter, lebenslustiger Herr in den besten Jahren, zeigte sich überaus vergnügt, Erbprinz Friedrich, in Ludwig Georgs Alter, dagegen als ein ernster junger Mann mit gedankenvollen Augen.

Mustapha hatte Wunder getan, Sibylla lobte ihn befriedigt, und was man an leiblichen Genüssen den Gästen hatte bieten können, das war von den bewährten Köchen bereitet.

Es bedurfte zwischen Sibylla und dem Durlacher Herrn keiner Worte wegen des eigentlichen Zwecks dieser gemeinsamen Zusammenkunft. Die Partie war nach beiden Seiten gleich konvenabel. Ganz selbstverständlich hatte man dem Erbprinzen den Platz neben Anna von Neuburg gegeben, und da die jungen Leute, wenn man ihnen auch kein Wort von den Absichten der Familie verraten, diese mit zweifelloser Gewißheit dennoch erkannten, so lag in deren Blickesaustausch bei der ersten Begrüßung die stumme, angstvolle Frage beider: »Werden wir einander gut sein können?«

Aber, o weh! So vornehm und hübsch Prinzeß Anna auch aussah, des Erbprinzen Augen erhellte kein Strahl des Wohlgefallens, und so schlank und jugendlich kräftig er auch vor ihr stand, sein ernstes, kühles Aussehen, seine düsteren Augen und dieser Zug von Verschlossenheit um seinen Mund gefielen ihr nicht. Er war ihrem Geschmacke auch zu jung und sah jedenfalls um mehrere Jahre jünger aus, als Ludwig Georg. In ihrem Herzen lebte ein tiefes Sehnen nach einem dieser Helden, von welchen die ganze Welt redete und von denen Markgräfin Sibylla ihr noch vorhin erzählt hatte.

Indessen wie geneigt Anna von Neuburg auch war, sich trotzdem zugänglich zu zeigen, ihr Tischnachbar suchte entweder vergeblich nach einer passenden Anrede, oder er war nicht so scheu, wie er schien, sondern unhöflich. Nur Minuten vergingen in diesem Schweigen des Erbprinzen, als sich schon Prinzeß Anna zu der letzteren Annahme entscheiden mußte, denn eben jetzt fragte der Erbprinz, sich Prinzeß Augusta zuwendend, und aus seinen dunklen Augen brach ganz urplötzlich ein warmer, heller Strahl: »Erinnert Ihr Euch noch, Augusta, wie wir vor zwei Jahren so schöne Tage in Herrenwies verlebten?«

»Gewiß, Vetter Friedrich, und vergeblich hab' ich den Bruder oft gebeten, mich wieder mit dahin zu nehmen!« gab diese lebhaft zurück.

»Ich habe immer daran gedacht! Ich wollte, wir könnten wieder hin!« sagte er leise, als fielen die Worte ihm unbewußt von den Lippen.

»Das können wir! Das wollen wir! Aber Ihr müßt die Mutter bitten, Vetter!« rief Prinzeß Augusta.

Ah! Mit Augusta also konnte der Herr Erbprinz reden? Und sogar lächeln? Nun, sie waren alte Bekannte. Aber dies Lächeln, dieser warme, zärtliche Ausdruck seiner Züge?

Sie hatte, bitter verletzt vor sich hinblickend und diesem Gedanken Gehör gebend, unbeachtet gelassen, daß Mustapha seiner Herrin eine Meldung machte und daß diese rief:

»Sehr willkommen! Der Fürst wird gebeten, einstweilen an unserem Mahle teilzunehmen, ich will später seinen Auftrag hören.«

Jetzt wurde sie durch die Erwähnung des Bischofs veranlaßt, aufzusehen. Ihre Tante wiederholte ihr, eine Verstimmung ihrer Nichte sogleich erkennend, in freundlichem Tone, was sie eben dem Durlacher Herrn gesagt: »Der hochwürdige Herr Bischof schickt mir den Fürsten Landin, vom Hofe zu Wien, mit einem Auftrage!«

»Fürst Landin? Sein Vater war bei uns in Florenz, ein gelehrter, alter Herr, in Ungarn reich begütert«, sagte interessiert Prinzeß Anna.

»Er ist tot, sein Sohn steht dem Kaiserhause nahe, mit den Gütern ist's nicht weit her, man nennt ihn den Günstling Sr. Majestät«, warf Graf Eberstein ein.

Da wurde der Angekündigte schon hereingeführt; ein sehr großer, fast zu schlanker und hagerer Mann. Und auf diesem beinahe dürr scheinenden Körper saß ein kleiner mit überaus starkem, schlichtem, blauschwarzem Haar bedeckter Kopf.

Mehr vermochte Anna von Neuburg nicht zu sehen. Sobald die zeremoniellen Begrüßungen vorüber, wurde ihm sein Platz zur Rechten Annas von Neuburg angewiesen. Diese empfing zunächst nur den Eindruck von dem neuen Tischnachbar, daß er sehr häßlich sei.

Ein unregelmäßig geschnittenes Gesicht, vorstehende Backenknochen, breite Stirn und dichte schwarze Augenbrauen: dazu eine Hautfarbe wie ein Zigeuner, Zähne so weiß, wie diese sie haben, das ganze Aussehen eines solchen, und die Augen –! Gerade jetzt wandte sich der Fürst ihr zu, ihre Blicke trafen sich; er hatte den forschenden Ausdruck der Prinzessin gesehen, keck erwiderte er ihn und tief tauchten seine funkelnden schwarzen Augen in die ihrigen. Ihr war's, als zucke ein Blitz auf sie nieder und fahre ihr ins Herz.

Und nun redete er mit aller Feinheit und Ungezwungenheit des gewiegten Weltmannes zu ihr, als ob dies Blicketauschen gar nicht gewesen wäre. Was er sagte, sprühte von guter Laune, scherzhaften Einfällen, keckem Witz.

Er saß noch nicht fünf Minuten neben ihr, als er ihr schon erzählt hatte, er komme von dem Hoflager des Bischofs, wo die neun Musen zum Christentum bekehrt würden, nachdem Apoll Bischof geworden. Und als er sah, sie fand Gefallen an dieser Art, die Unterhaltung zu führen, da hatte er in weiteren zehn Minuten ihr die ganze Umgebung des hochwürdigen Herrn geschildert, indem er die Charaktere nach den olympischen Gottheiten benannte. Sie mußte lachen, trotz der Furcht, die Markgräfin Tante könne ein Wort von dem kecken Geplauder vernehmen. Dann kam er ebenso auf den Wiener Hof zu sprechen. Den Fürsten Schwarzenberg z. B. nannte er anzüglich den gichtischen Liebesboten.

Siegfried Bilky rief mit lächelndem Protest: »Wahrt Euch, mein Fürst, Geheimnisse zu verraten, welche wir Männer gar zu gern wüßten, welche aber Damen besser vorenthalten bleiben.«

Darüber entstand unter den jungen Leuten ein Lachen, der Fürst drohte scherzend: »Das zahl' ich Euch heim!« und Markgraf Ludwig hatte inzwischen Bilkys Wink und warnende Blicke verstanden. Er verriet sich nicht, aber von dieser Minute an beteiligte er sich lebhaft an der Unterhaltung des Fürsten und seiner Cousine von Neuburg und hörte so die Nachricht der geplanten Übersiedelung der Schwarzenbergs nach Baden.

Ludwig Georg fühlte einen Schwindel vor übergroßer Aufregung. War es möglich? Kam der Himmel seinen Wünschen in so sichtbarer Weise entgegen?

Noch nie hatte man Anna Maria so lebhaft, so heiter, ihre Wangen so glühend, ihre Augen so glänzend gesehen. Sie erzählte Landin von seinem Vater und daß sie denselben in Florenz gekannt, berichtete ihm Einzelheiten von dem alten Herrn, an den sie nie wieder gedacht, die ihm aber jetzt Freude machten. Immer lebhafter und freundlicher wurde ihr Gespräch, immer heißer Prinzeß Annas Wangen, immer scheuer und zaghafter ihre Blicke vor den Feueraugen Landins und immer weicher und schöner der Ausdruck ihrer Züge.

»Ihr gehört nicht hierher, Prinzeß, Euer Platz ist die große Welt!« flüsterte er ihr zu, und viel mehr noch sagten ihr seine Augen.

Anna von Neuburg sah und hörte nur ihn.

»Yanko heiße ich auch,« sagte er eben, da sie zufällig seines Vaters Vornamen genannt, »Yanko Landin.«

»Yanko Landin!« hallte es durch ihr Herz wie Musik. Sie dachte nicht an den Erbprinzen, hatte ihm im Eifer beinah den Rücken zugewendet. Ebensowenig gedachte sie ihrer Tante Markgräfin. »Yanko Landin«, redete ja zu ihr, kein Wort durfte ihr entgehen! Sie fühlte seine Glutblicke wie heißen, erquickenden Sonnenschein, und ihr Herz wie befreit von einer Erstarrung.

Klar machte sie sich das alles nicht, aber ganz weltvergessen saß sie neben ihm und ließ ihre Augen mit Entzücken auf seinen erregten Mienen ruhen. Wie schön war er! Was war ihr denn eingefallen, daß sie ihn erst bei sich häßlich genannt?

Wie Yanko Landin lachte, als sie ihn über ihrer Tante Selbstherrlichkeit orientierte. Wie in seinen Augen sofort der Entschluß aufleuchtete, Sibylla Trotz zu bieten! Das war's, was sie an den Herren hier vermißt hatte, den Mut, Sibylla zu widersprechen.

Da erhob man sich schon von der Tafel. Wohin war die Zeit so schnell geflogen? Anna von Neuburg kam zur Wirklichkeit zurück und sah unruhig nach der Markgräfin Tante Augen. Ah, sie lächelte, aber mit bewölkter Stirn. Auch Markgraf Karl schien mißgestimmt; Prinzeß Augusta blickte ängstlich und vorwurfsvoll. Nur der Erbprinz verneigte sich mit einer freundlicheren Miene vor ihr, als sie noch je bei ihm gesehen. Gleich darauf schritt er auf seine Cousine Augusta zu. Ludwig Georg aber nahm den Arm Yanko Landins und führte ihn fort. Einen raschen Blick des Bedauerns warf er ihr zu, ihre Augen begegneten sich wiederum und ruhten für eine Sekunde ineinander.

»Seht, Herr Bruder, das ist so Mädchenart, Ew. Liebden Herr Sohn und meine Nichte spielen ein wenig Versteck miteinander, das soll uns indes nicht beirren«, hatte Sibylla bereits während der Mahlzeit lächelnd ihrem Gast zugeflüstert.

Dem Markgrafen Karl war seinerseits die kühle Gelassenheit seines Erbprinzen ebenso verdrießlich wie Sibylla das Benehmen Anna Marias, indes, man mußte abwarten; möglicherweise verhielt es sich wirklich so, wie man von beiden Seiten geneigt war, es aufzunehmen, und daß die geheime Aufregung Anna zu weit trieb, gegenüber der Zurückhaltung des Erbprinzen, erschien sehr verzeihlich.

Während die Markgräfin ihren Geist aufbot, den Herrn Cousin nicht eine Minute aus der angenehmen Stimmung herauskommen zu lassen, sann sie sogleich eifrig darüber nach, wie sie diesen Landin unschädlich machen und Anna Maria mit dem Erbprinzen zusammenführen solle; sie dankte in ihrem Herzen dem Sohne die geschickte Manier, in welcher dieser den »Österreicher« aus Anna Marias Nähe hinwegführte.


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