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Einundzwanzigstes Kapitel.

Im Laufe der nächsten Tage kam die Markgräfin mit den Ihrigen nach dem Lustschloß Favorite zurück. Nach allen Seiten waren Kuriere abgesandt, den verwandten und nah befreundeten Fürstenhäusern die Nachricht von der Verlobung Sr. Königlichen Hoheit des Herzogs Louis von Orleans mit der jungen Prinzeß Augusta von Baden zu melden.

Schon am zweiten Tage nach dem Verlobungsabend – der junge Herzog war schon auf dem Wege nach Paris – langte ein Kurier von dort an und überbrachte der Markgräfin ein verbindliches Danksagungsschreiben von dem Regenten und der jungen Braut seines Sohnes ein anderes ähnlichen Inhalts. Prinzeß Augusta war inzwischen aus dem Taumel des ersten Tages und der übermäßigen Aufregung zu einer gewissen Ruhe und Klarheit gekommen. »Der Eltern Segen!« – »Der arme Cousin!« – »Fürstenkinder müssen sich fügen!« So widersprach sie ihrem klagenden Herzen. Sie lächelte die Mutter an, welche so heiter war, wie sie dieselbe lange nicht gesehen. Ihre eigene Seele wußte nichts von Freude, aber sie fühlte auch kein Leid; es lag auf ihr wie ein erstarrender Bann, dessen war sie sich klar bewußt.

Sibylla hatte auch Ursache froh zu sein. Ihre Tochter machte eine glänzende Heirat, und Markgraf Ludwig hatte sich ohne allzu großes Bedauern von der ersten Flamme seines Herzens verabschiedet und zeigte sich so vergnügt wie nur je. Aber wenn die Markgräfin in bester Laune war, so konnte man dies nicht von ihren Begleitern sagen.

Die badischen Herren verschwiegen Sibylla ihre Meinung nicht. Hatte nicht Ludwigs Heer ihr ebensoviel Leid getan wie Österreichs Undank? Auch Wiedebar, ohnehin gereizt durch die Behandlung seiner Tochter, hielt seiner Herrin mit herben Worten das Los Elisabeth Charlottes vor und wies sie hin auf die wahnsinnige Verschwendung im Hofhalt des Regenten, welche der Sohn nachzuahmen nicht ermangeln werde, so daß Prinzeß Augustas Erbe sicherlich wie ein Tropfen auf heißem Stein verdunsten müsse.

»Ihr sagt mir, daß ich dem Erbfeinde des Reiches mein Kind gebe, während ich dem Oberherrn desselben die Versöhnung verweigere?« rief sie erglühend unter Ebersteins ernst fragendem Blick. »O, ihr Herren, muß ich euch erinnern, wie die Sachen standen? Ludwig Wilhelm befreite im Osten das Reich, – Österreichs Hauptstadt von Kara Mustaphas verheerenden Horden, er brach der Türken Macht für Österreich! Um Österreichs willen fiel ihm der Franzos in sein eigenes Land, er eilte heim und schlug ihn zurück. Frankreich hat uns in den Friedensschlüssen alle verlorenen Gebiete, ja, mehr als diese, und Millionen zur Entschädigung zurückgegeben; was gab uns Österreich –? – Geht mir doch, eure Logik steht auf schwachen Füßen!«

»Sie steht wenigstens vor einer fertigen Tatsache, und für diese hat Ew. Durchlaucht alle Verantwortung übernommen!« erwiderte Eberstein.

»Wir aber haben unsere Glückwünsche zu wiederholen!«

»Ja, Gott gebe unserer teuren Prinzeß Glück!« sagten die alten Herren, und dabei blieben sie alle drei.

*

»Was hast du denn, Friedel,« fragte auf dem Heimritt der Markgraf seinen Freund, »daß du den Kopf hängen läßt wie ein welkes Veilchen?«

»Gott der Herr weiß, was da los ist! Mit mir und der Charlotte geht's einen schlimmen Weg, das Mädel ist mir wie verhext, ich kann weder mit guten noch bösen Worten bei ihr ankommen, und dabei lacht sie, aber die Augen standen ihr heute früh voll Tränen«, fuhr Siegfried Bilky heftig los und nagte zornig an seinem Bart. »Rede du mit ihr, Lutz, sag' ihr, sie soll mich und sich nicht quälen mit solchen Launen. – Was tat ich denn, daß sie mich so wegwirft und allezeit mit Grunthal lacht?«

Am ersten Abend nach der Ankunft in der Favorite stand Bilky neben Prinzeß Anna und sprach mit dieser. Da fügte es sich, daß Charlotte von Windeck an ihnen vorüberging.

»Wollt Ihr mit uns gehen, Fräulein Charlotte?« bat Siegfried Bilky, auf den Park zeigend.

»Ihr habt, als wir beim Bischof waren, Eure Morgenspaziergänge mit Prinzeß Anna allein gemacht, geht jetzt auch nur abends allein mit ihr, Herr Graf!« antwortete sie spitzig.

Sibylla hatte gehört und stutzte. In ihrem Zimmer sagte sie lächelnd zu Charlotte: »Du bist doch ein töricht Mädchen, wann hätten die beiden Morgenspaziergänge gemacht?«

»Ach, Frau Markgräfin, ich wollt' ja nur den Friedel ärgern, ein einziges Mal war er mit der Prinzeß hinaus, den Morgen, als die spanische Herzogin abreiste.«

Sibyllas Herz schlug schneller! Ihr Verdacht wuchs. Abends sagte der Markgraf völlig unbefangen über den Tisch herüber scherzend zu Anna Maria: »Euer großer Verehrer, der Fürst Landin, war auch beim Bischof, habe ich gehört; hattet Ihr ihn von Eurem Angesicht verbannt, Cousine Anna, daß er so unsichtbar blieb?«

»Nein,« lachte diese mit sichtbarem Triumph, »ich habe zweimal das Vergnügen gehabt ihn zu sprechen und bedauere Euch von Herzen, Cousin, daß Ihr ihn vermissen mußtet!«

Sibyllas Messer fiel klirrend aus ihrer Hand auf ein zartes böhmisches Glas, welches zerbrach und seinen Inhalt auf das Tafeltuch ergoß. Ihr fiel die Scholastika ein, die in Rastatt gefangen saß.

Inzwischen erwartete sie die Antwort des Durlacher Markgrafen auf den Brief, in welchem diesem die Verlobung Augustas bekannt gegeben war.

»Warum gabt Ihr Augusta nicht lieber unserem Durlacher Vetter, dann war jetzt alles gut?« hatte ihr Sohn gefragt, der auf einmal begann tiefer zu blicken.

»Weil zwei weiche und biegsame Seelen zueinander nicht taugen!« sagte Sibylla anscheinend gelassen. Der Markgraf konnte nichts dagegen einwenden als: »Die Anna scheint mir ebensowenig eine Frau für ihn, und, teure Mutter, ich fürchte, sie ist aus sprödem Stahl, der eher zerspringt als nachgibt.« Das war leider Gottes nur zu möglich.

Anna Maria ging ihren Weg in offenem Trotz. Sie forderte ihre Tante nicht eben heraus, wie das eine Mal an der Tafel, da sie offen bekannte, daß sie Landin wiedergesehen, aber sie tat auch nicht das mindeste, durch Entgegenkommen ihre Reue zu zeigen. Sabines Namen wurde in ihrer Gegenwart nicht genannt; sie hatte Eberstein, Bilky, Markgraf Ludwig zurückgewiesen, als diese auf der Gebirgsreise die Prinzeß zur Milde und zur Vergütung ihres Unrechtes zu bewegen suchten. Dazu kam nun auch noch ein heimlicher Groll. Anna von Neuburg bereute keine Sekunde ihre leidenschaftliche Liebe zu Landin, aber der Vergleich lag zu nahe; Sibylla verheiratete ihre Tochter in die vornehmste Familie Europas. Und ihrer Nichte bestimmte sie diesen kleinen Erbprinzen von Baden-Durlach? »Und doch, böte man mir die Kaiserkrone, ich schlüge sie aus und bliebe meinem Yanko treu!« schloß seine Braut diese Erwägungen.

Während jetzt von allen Seiten die Kuriere der befreundeten Höfe Glückwünsche zu der Verlobung Prinzeß Augustas brachten, von Paris aus die herrlichsten Geschenke, die schmeichelhaftesten und zärtlichsten Briefe kamen und die Gefeierte stumm und mühsam lächelnd ihre Rolle dabei spielte, immer den Blick auf die Mutter gerichtet, hatte auch Markgraf Karl seine hohe Befriedigung ausgedrückt und die Hoffnung ausgesprochen, daß die Hochzeit der Verlobung baldigst folge.

»Mein Erbprinz ist seit unserem Besuche bei Euch, vielliebe Frau Cousine, in melancholischer Gemütsstimmung. Es chagriniert ihn extremement, daß er noch immer auf ein Glück verzichten muß, welches nur der boshafte Hazard retardieret. Ew. Liebden soigneuse Teilnahme vor mein und meines Erbprinzen Contentement bewahren mich annitzt noch für fatale Pressentiments in dieser affaire délicate, deren glückliche Beendigung wir Eurem Merite danken werden.«

Jedesmal wo Sibyllas Gedanken sich dieser Angelegenheit zuwendeten, wurde ihr ganz heiß und beklommen. Sie mußte in irgendeiner Weise die Sache zur Entscheidung bringen; aber wie wäre Anna Maria zu einer Nachgiebigkeit zu bewegen?

Da kam etwa eine Woche später die Nachricht, der Erbprinz Friedrich sei gleich nach einer größeren Jagdtour in ein böses hitziges Fieber verfallen. Sollte? – Aber nein, nein, Sibylla wollte es nicht glauben! Sie verschloß gewaltsam ihre Augen vor der Kombination, daß Augustas Verlobung in einem Zusammenhang mit dieser Krankheit stehe.

Markgraf Ludwigs Blicke tauchten in banger, bedeutsamer Frage in die Augen seiner Mutter. Sie verstand ihn sofort, ach, nur zu wohl.

»Wir auf den Thronen haben unsere Pflicht zu tun, vor allem und ohne Rücksicht unsere Pflicht!« rief sie aus.

»Ja, meine Mutter, nur daß wir nie vergessen, was Aufrichtigkeit, Gnade, Gelindigkeit und Gerechtigkeit von uns fordern!« rief der Markgraf. »Gott helfe dem armen Vetter Friedrich! Der Augusta wollen wir es lieber nicht sagen und überhaupt die Nachricht geheimhalten.«

Markgräfin Sibylla schwieg. Ihres Sohnes vierfachen Wahlspruch kannte sie. Eberstein hatte ihn seinem Zögling gegeben und sie selbst im stillen ehrlich danach getan. Sie wollte immer nur das Gute und Rechte und das Beste ihres Landes.


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