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Siebzehntes Kapitel.

Sabine saß einsam und gelangweilt in ihres Vaters Hause und blickte auf die stille Straße. Der alte Herr war gestern vormittag in zorniger Befriedigung von dem Lustschlosse zurückgekommen.

»Sie besucht dich, die Frau Markgräfin mein' ich, und ladet dich ein für die Reise ins Gebirge!« rief er ihr zu. Es klang ihr wie Himmelsmusik. Sie machte sich nicht klar, daß dies Zugeständnis ein widerwilliges sei. Ihre Bitte, einige Anstalten zum Empfang der Markgräfin zu treffen, wies ihr Vater ab.

»Ich brauche mein Geld, dem Rudolf das Schloß Wiedebar wieder aufzubauen, daß du es nur weißt! Zwischen uns beiden ist die Sache dazumal vor der Frau Markgräfin abgetan, wie du gewollt hast. Eine Liebe ist der andern wert.«

Indem sie wieder einmal die Straße sehnsüchtig hinabstarrte, sah sie, wie zwei bewaffnete Landreiter ein Weib vor sich hertrieben, und hinter ihnen ritt der Landvogt von Laudrum. Dergleichen Szenen waren nichts Neues, plötzlich aber erkannte sie die Scholastika. Ha! Wenn die im Verhör verriet, was Sabine von ihr gewollt! Wie lächerlich würde sie allen erscheinen! Pferdegetrappel, Wagengerassel und Peitschenknallen ertönte plötzlich. Da kam die Markgräfin! Der vergoldete Wagen, auf dessen Trittbrett die Mohren standen, die Vorreiter blasend voran. Sabine war aufgesprungen, zitternd, mit fliegendem Atem blickte sie dem Wagen entgegen. Richtig! Er hielt vor ihrem Hause. Zugleich erschien ihr Vater in seinem Staatsrock vor der Tür, unordentlich aussehend, wie immer. Er redete in gewohnter steifer Manier von der hohen Ehre und Herablassung. In seinen Mienen lag aber, für seine Tochter sehr erkennbar, der befriedigte Stolz.

»Es ist meine Pflicht, eine Ungerechtigkeit wieder gut zu machen, Sabine«, sagte sie rasch. »Ich möchte eine andere Art vorgezogen haben, aber dein Vater konnte seiner Herrin die Bedingungen vorschreiben«, fuhr sie bitter fort.

»Ach, hätte ich doch geduldig alles über mich ergehen lassen, nun zürnt Ew. Durchlaucht mir auch!« schluchzte Sabine, während ihr Vater ungeschickte Entschuldigungen sprach.

Wenn Sibylla die Wahrheit hätte sagen wollen und können, so würde sie haben einräumen müssen: ja, sie zürnte! Sabine war ihr lästig und hinderlich geworden, denn Anna von Neuburg hatte sich unversöhnlich gezeigt gegen alle Überredung.

Die Fürstin blieb gegen Sabine kalt, endlich sagte sie noch: »Dein Herr Vater verlangt, daß du den Hof ins Gebirge begleitest, die Prinzessin will dich nicht um sich dulden; ich lade dich hiermit ein, aber ich gebe Euch, Herr Geheimer Rat, zu erwägen, ob es nicht besser wäre, Ihr ließet Euch an diesem meinem Besuch genügen!«

»Werde mir die Sache mit Ew. Durchlaucht Wohlnehmen durch den Kopf gehen lassen!« verbeugte sich der alte Herr.

Sabine von Wiedebar fühlte sich unbeschreiblich elend. »O, meine gnädige, meine gute Herrin, könntet Ihr doch sehen, wie mir's im Herzen ist! Wüßtet Ihr doch, wie meine Seele schmachtet nach einem Wort von Euch, einem gütigen, huldvollen Blick!«

Das war ein wahrer, warmer Klang! Selbst in ihrer tiefen Verstimmung hatte Sibylla ein Ohr dafür. »Du armes Ding! Du! Neben einem braven Manne mit lieben Kindern wärest du eine gute Frau geworden und hättest Liebe geben und empfangen dürfen!« sagte sie mitleidig. Ach ja! das dachte Sabine auch, aber –

Der Landvogt ritt eben vorüber.

»Ich möchte dem Laudrum einen Auftrag geben, Herr von Wiedebar, sendet ihm gefälligst einen meiner Diener nach«, bat sie dann rasch.

Wenige Augenblicke später erschien Laudrum.

»Ich habe schon gehört, Ihr brachtet die Scholastika ein, Herr Landvogt! Für heute habe ich Euch einen Auftrag zu geben.« – Während die Markgräfin so dem Eintretenden entgegenrief und ihm das Wort damit abschnitt, winkte sie den beiden Wiedebars Entlassung. Dieselben zogen sich, heimlich sehr erstaunt, zurück.

»Redet leise, Herr Landvogt, und berichtet mir, was ist es mit dem Weibe?« fragte sie ihn fast flüsternd und sichtlich sehr gespannt.

»Die Scholastika bettelt schier in Krämpfen um Gnade, redet allerlei in immer größerer Todesangst daher, vom Grafen Bilky und der Prinzeß, die seien ihre Beschützer, und dergleichen mehr.«

»Die Prinzeß?« rief die Markgräfin, sich vergessend, laut aus.

»Frau Markgräfin, die Person ist offenbar mit schlimmen Dingen betraut! Heut in aller Frühe hat sie dem Turmwärter Geld geboten, zuletzt sechs Goldstücke! – und seht hier, Durchlaucht, diesen Brief fand ich zwischen dem Futter der Jacke.« Er überreichte der Markgräfin das Schreiben.

»An Se. fürstlichen Gnaden Herrn Yanko Landin, am Hofe Sr. Hochwürden des Herrn Bischofs«, las Sibylla.

»Wißt Ihr, Laudrum, von wem dieser Brief kommt?« fragte die Markgräfin nach einer kurzen Überlegung.

»Ich ahne es, Durchlaucht! Das Weib wollte es nicht sagen.«

Sie nickte in sichtbarer Aufregung. »Der Zufall, oder sagen wir lieber das Walten der Heiligen macht Euch so zu meinem Vertrauten, Herr Landvogt. Ich habe viel Kummer und Sorge diese Zeit! So steht mir bei, in aller Stille zu tun, was meines Amtes ist an meiner hochseligen Schwester Kinde! Achtet auch ferner auf ihren Briefwechsel!«

Der Landvogt nickte ernst. Auch er sah in dieser heimlichen Liebelei, denn eine solche schien ihm hier vorzuliegen, nichts als eine Verirrung der Prinzessin. Sie hatte sich wenig Sympathien bei dem stillen, verständigen Manne erworben, dagegen verehrte er seine Herrin mit vollster Hingebung.

»So hört, Laudrum! Von diesem Briefe wird nicht geredet; die Scholastika haltet fest; sie soll nicht eher vernommen werden, als bis ich selber Zeit finde, mich mit ihr zu beschäftigen. Niemand soll zu ihr, und wenn sie Bekenntnis ablegen will, so verhört Ihr sie, kein anderer. Inzwischen gehe ich mit dem Hofe nach Herrenwies und von da weiter. Ich vermute, die Fatme treibt sich im Lande herum; ermüdet nicht, auf sie zu fahnden, und falls Ihr ihrer habhaft werdet, sperrt auch sie ein, laßt sie mit keinem reden, bis ich komme.«

Den Brief barg die Markgräfin dann in ihrer Tasche, ohne ihn zu lesen, und dann schien sie eilig fortzukommen, nahm rasch Abschied von Sabine und fuhr ihrem geliebten Favorite wieder zu.


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