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Achtzehntes Kapitel.

Am andern Tage, bei guter Stunde, trat die ganze Gesellschaft die für eine Woche berechnete Tour an. Sibylla hoffte, daß das tägliche stundenlange Reiten durch den grünen Wald ihr wohltun würde.

Der Markgraf, Prinzeß Augusta und Bilky waren gegen Abend dieses Tages auf einen Seitenweg gebogen und sahen plötzlich einen Herrn und eine Dame, gleichfalls zu Pferde, auf sich zukommen. Ein Dritter folgte dem Paar. Der Markgraf stieß einen Ruf aus, glaubend, es seien von seinen Reisegefährten. Der Herr und die Dame grüßten und ritten, ihre Pferde in Trab setzend, weiter, der Diener folgte ihnen, und der andere Herr kam ihnen entgegen. Wie befremdlich, daß jene beiden so schnell davonritten? Die kurze Entfernung machte diese Eile beinahe zu einer Unhöflichkeit.

Die Dame trug ein Reitkleid von grünem Sammet, einen ebensolchen Hut mit weißen, langen Federn, und unter demselben sah man ein junges, stolzen Ausdruck tragendes Antlitz.

Inzwischen war der andere Kavalier ganz nahe und zog, sich zuerst vor Prinzessin Augusta tief verneigend, den Hut mit so viel Anstand und vornehmer Würde, wie Augusta nie zuvor gesehen. Sie hatte mit halbem Blicke wahrgenommen, daß der Fremde weder hübsch, noch bedeutend aussah, aber sie wußte sofort, er war ein Kavalier von Dinstinktion. Seine dunklen Augen, der Schnitt seines dunklen, feinen Bartes, die ganze Erscheinung kennzeichneten den Franzosen.

Der Markgraf trieb sein Pferd etwas voran und begrüßte inzwischen den Fremden ebenso achtungsvoll und heimlich lebhaft interessiert. »Verzeiht, mein Herr, daß ich Euch auf Euerem Wege irrtümlich aufhielt – ich glaubte einige unserer Begleiter zu sehen, die einen andern Weg nach Herrenwies einschlugen.«

»Sie werden den oberen genommen haben, mein Herr, er ist weiter als dieser, Ihr seid in wenig Minuten an dem Wege, welcher nach dem Jagdhause führt; ich werde die Ehre haben, Euch denselben zu zeigen«, erwiderte dieser im besten Französisch, und dabei trat eine feine Röte auf seine Wangen, und eine eigentümliche Verlegenheit malte sich auf seinem Gesicht.

»Ich danke Euch für Eure Freundlichkeit, mein Herr, den Weg kennen wir genau; – es tut mir leid, Euch Eurer Gesellschaft entzogen zu haben!« erwiderte der Markgraf.

»Ich bin im Vorteil, mein Herr, und habe eher meinerseits zu danken und mein Glück zu preisen!« erwiderte jener in mangelhaftem Deutsch, indem er sich mit einem festen, aber nicht unbescheidenen Blick vor Prinzeß Augusta verneigte.

»So reiten wir die wenigen Schritte gemeinsam!« sagte der Markgraf und trieb sein Pferd neben das des Fremden. Dieser aber lenkte das seinige beiseite, um Prinzeß Augusta vorüber- und so voranreiten zu lassen. Dann folgten er und der Markgraf – aber nicht zwei Minuten später hatte der Franzose die Prinzessin angeredet und hielt nun sein Pferd neben dem ihrigen, mit der größten Bescheidenheit seine Unterhaltung zwischen ihr und ihrem Bruder teilend.

Sie hatte diesen »Ludwig Georg« genannt, ohne es im Gespräch zu beachten, dann aber fiel ihr auf, wie ein Feuerblick des fremden Herrn voll Überraschung sie und den Markgrafen streifte.

Doch hier war schon der Wald zu Ende; – eine weite, grüne Matte, mit tausend Blumen übersät, lag vor ihnen, rings von hohen Bergen und dunklem Wald eingerahmt.

»Da sind sie schon, frisch Bruder, wir müssen eher ankommen!« rief die Prinzeß. Und mit einem flüchtigen »Dank Euch, mein Herr!« dem Markgraf Ludwig ebenfalls noch ein letztes Dankwort hinzufügte, trabten sie eilend von dannen.

Der Franzose blickte ihnen mit hochinteressierter Miene nach. »Das war sie! Welcher Zufall!« murmelte er erregt. Und dann, sich das Bild der Prinzessin vergegenwärtigend, sagte er leise vor sich hin: » Encore une charmante enfant! Quelle innocence dans ses yeux!« Darauf trieb er sein Pferd von neuem an und ritt immer am Saume des Waldes entlang, die Augen auf das Jagdhaus und die ankommende Gesellschaft gerichtet, obgleich die Entfernung zu groß war, um die einzelnen zu erkennen. – Prinzeß Augustas Augen aber trübten sich plötzlich, als ihrer Mutter am Jagdhause ein Bote aus Durlach wartete, welcher ein Schreiben Markgraf Karls brachte, worin dieser unter den Ausdrücken des lebhaften Bedauerns eine Absage zu dem Rendezvous gab. »Ich dachte es mir!« murmelte Sibylla. Zu dem Gefolge und ihren Kindern sagte sie nichts darüber.


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