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Sechstes Kapitel.

Am folgenden Abend gegen neun Uhr holte der Abbé Bourrette den Abbé Faujas ab, da er ihm versprochen hatte, ihn im Salon Rougon einzuführen. Er fand ihn fertig angekleidet und damit beschäftigt, ein Paar schwarze Handschuhe anzuziehen, die an den Fingerspitzen schon weiß waren, und meinte in etwas spöttischem Tone:

Haben Sie keinen anderen Talar?

Nein, erwiderte Faujas ruhig. Dieser wird wohl noch gehen.

Freilich, freilich, erwiderte der alte Priester. Es ist kalt draußen, nehmen Sie nichts um? ... Gut, so gehen wir!

Es war eben die erste Kälte, und der Abbé Bourrette steckte ganz warm in seinem mit Seide gefütterten Oberrock, während Faujas nur seinen dünnen Talar anhatte. Sie blieben an der Ecke des Präfekturplatzes und der Banne-Straße vor einem weißen, ganz aus Steinen aufgeführten Hause stehen, das mit seinen in allen Stockwerken angebrachten Rosetten zu den schönsten des neuen Stadtteiles gehörte. Ein Diener in blauer Livrée empfing sie im Vorraum. Lächelnd nahm er den Oberrock des Abbé in Empfang, während er sich nicht genug wundern mußte, daß der andere Priester, dieser große, plumpe Mensch, bei dieser Kälte nur im Talar kam. Der Salon befand sich im ersten Stocke.

Der Abbé Faujas trat mit erhobenem Kopfe und ernster Miene ein, während der Abbé Bourrette, der immer sehr aufgeregt zu den Rougons kam, obwohl er nicht das erstemal da war, sich dadurch aus der ganzen Geschichte zog, daß er sofort in ein Nebenzimmer schlüpfte. Faujas durchschritt langsam den Salon, um die Herrin des Hauses zu begrüßen, die er in einer Gruppe von mehreren Frauen vermutete. Er mußte sich selbst vorstellen, was er in drei Worten abmachte. Felicité hatte sich schnell erhoben. Nachdem sie ihn rasch mit einem Blicke von unten bis oben geprüft und mit ihrem Marderblick ganz besonders ihm in die Augen geschaut hatte, sagte sie lächelnd:

Es freut mich sehr, Herr Abbé, es freut mich wirklich sehr ...

Das Erscheinen des Abbés machte im Salon nicht geringes Aufsehen. Eine junge Frau, die plötzlich aufblickte, erschrak ungemein über die schwarze Masse, die auf einmal vor ihr stand. Der Eindruck, den er hervorrief, war aber auch wirklich ungünstig.

Er war sehr groß und vierschrötig; sein Gesicht hatte einen harten Ausdruck und die Hände waren viel zu plump. In dem Lichte des Kronleuchters sah sein Talar so schäbig aus, daß die Frauen sich schämten, einen so schlecht gekleideten Abbé zu sehen. Sie hielten sich die Fächer vor das Gesicht und kicherten: die Herren wechselten bedeutsame Blicke.

Felicité geriet über diese kühle Aufnahme, die ihr nicht entging, in Aufregung; sie blieb inmitten des Salons stehen und sprach recht laut, damit alle ihre Gäste hören konnten, wie sie den Abbé Faujas auszeichnete.

Der liebe Bourrette, sagte sie in zärtlichem Tone, hat mir schon erzählt, welche Mühe er gehabt hat, Sie zu überreden ... Ich soll Ihnen eigentlich darum böse sein, denn Sie haben kein Recht, sich so von aller Welt zurückzuziehen.

Der Priester verneigte sich, ohne etwas zu reden. Die Dame fuhr lächelnd fort und betonte gewisse Worte ganz besonders:

Ich kenne Sie schon länger, als Sie glauben, trotzdem Sie sich alle Mühe geben, uns Ihre Tugenden zu verbergen. Man hat mir von Ihnen erzählt. Sie sind ein Heiliger und ich bitte Sie um Ihre Freundschaft ... Wir sprechen davon noch, denn jetzt gehören Sie zu uns.

Der Abbé Faujas sah sie scharf an, als wenn er in der Bewegung ihres Fächers ein freimaurerisches Zeichen erkannt habe. Er erwiderte leise:

Madame, ich stehe Ihnen ganz zur Verfügung.

Das erwarte ich auch, erwiderte sie, lauter lachend. Sie sollen sehen, daß wir hier nur aller Welt Bestes wollen ... Aber kommen Sie, ich werde Sie Herrn Rougon vorstellen.

Sie ging durch den Salon und schob mehrere Personen zur Seite, um dem Abbé Platz zu machen, dem somit eine Wichtigkeit beigemessen wurde, die alle Anwesenden gegen ihn noch mehr aufbrachte. In dem Nebenzimmer standen Spieltische; an einem saß ihr Gatte. Sie ging auf ihn zu, doch machte er, da er in seinem Spiele nicht gestört werden wollte, eine ungeduldige Bewegung; als sie sich aber zu ihm herabbeugte und ihm etwas ins Ohr flüsterte, da stand er schnell auf.

Sehr gut, sehr gut, sagte er leise.

Nachdem er sich schnell bei seinen Partnern entschuldigt hatte, ging er dem Abbé entgegen, dem er die Hand schüttelte. Rougon war damals ein dicker, blasser Mann von siebzig Jahren, dem man schon von den Gesichtszügen den Reichtum ablesen konnte. In Plassans sagte man, er habe einen schönen, weißen Kopf, den stummen Kopf eines Politikers.

Nachdem er mit dem Abbé einige höfliche Worte gewechselt hatte, begab er sich wieder zu seinem Spieltisch, und auch Felicité kehrte lächelnd in den Salon zurück.

Als der Abbé Faujas allein war, schien er nicht im geringsten verlegen zu sein. Er sah einen Augenblick den Spielern zu. In Wirklichkeit aber betrachtete er die Möbel und die Ausstattung. Es war ein kleiner, getäfelter Salon mit drei Bücherkästen aus gebeiztem Birnenholze und mit Kupferbeschlägen geschmückt, so daß das Zimmer eher dem Arbeitszimmer eines Richters ähnelte. Der Priester, der ohne Zweifel eine vollständige Besichtigung vornehmen wollte, durchschritt von neuem den großen Salon. Dieser war grün, ebenfalls in ernstem Stil gehalten, aber mit Goldverzierungen überladen, ein Mittelding zwischen dem Ernste eines Ministerzimmers und dem Luxusraum eines großen Restaurants. Auf der anderen Seite befand sich noch eine Art von Gemach, das Felicité bei Tage als Empfangssalon diente. Es war gelb tapeziert; auch die Möbel waren gelb mit eingewebten Zweigen in violetter Farbe; es waren so viele Sessel, Fußschemel und Sofas da, daß man kaum gehen konnte.

Der Abbé setzte sich an den Kamin, als wolle er sich die Füße wärmen. Er nahm eine Stellung ein, daß er durch die offene Tür die Hälfte des grünen Salons überblicken konnte. Die liebenswürdige Aufnahme von Seiten der Frau Rougon veranlaßte ihn zum Nachdenken, und er schloß halb die Augen, um den Grund dieser guten Aufnahme zu finden. Der Sessel, auf dem er sich niedergelassen, hatte eine so hohe Lehne, daß er ganz versteckt war. Nach einigen Augenblicken hörte er wie im Traume mehrere Stimmen hinter sich und lauschte, durch die Wärme des Kamins halb eingeschläfert.

Ich war ein einziges Mal zu jener Zeit bei ihnen, sagte eine heisere Stimme; sie wohnten damals gegenüber auf der anderen Seite der Banne-Straße. Sie waren wohl damals in Paris, denn ganz Plassans kannte den gelben Salon der Rougons: ein jämmerlicher Salon, mit gelben Tapeten zum Preise von fünfzehn Sous die Rolle; die Möbel aus Wollsamt, und jeder Sessel wackelig. Sehen Sie jetzt um sich! Wie die Schwarze dort in kastanienbrauner Seide auf dem Stuhle sitzt. Sehen Sie, jetzt reicht sie dem kleinen Delangre die Hand. Meiner Treu! Sie reicht sie ihm zum Kusse.

Eine jüngere Stimme meinte höhnisch:

Die müssen arg gestohlen haben, um einen so schönen Salon zu besitzen; es ist ja der schönste Salon der Stadt.

Die Dame, versetzte der andere, hat seit jeher gern Gesellschaften gegeben. Als sie keinen Sou hatte, trank sie Wasser, um ihren Gästen abends ein Glas Limonade anbieten zu können. Ich kenne sie genau, diese Rougon, denn ich habe sie beobachtet. Es sind gar pfiffige und zähe Leute, so habgierig, daß sie imstande wären zu morden. Der Staatsstreich half ihnen, einen Traum nach Reichtum und Genuß zu verwirklichen, der sie vierzig Jahre lang gequält hatte. Wie ihnen alles in den Schoß fiel! ... Nun schwelgen sie aber auch ohne Maß und Ziel. Dieses Haus, das sie heute bewohnen, gehörte damals einem gewissen Peirotte, Steuereinnehmer, der bei dem Putsche von Sainte-Roure im Jahre 1851 erschossen wurde. Ja, die Leute haben wirklich Glück gehabt. Eine verirrte Kugel befreite sie von diesem Manne, der ihnen im Wege stand und den sie beerbten ... Felicité hätte, wenn sie zwischen dem Hause und der Stellung des Einnehmers zu wählen gehabt hätte, sich gewiß für das Haus entschieden. Sie ließ es seit zehn Jahren nicht aus den Augen, von der wütenden Gier einer Schwangeren erfaßt, und schaute sich fast krank an den prächtigen Vorhängen, die hinter den Spiegelscheiben hingen. Das waren ihre Tuilerien, um den Ausdruck zu gebrauchen, der in Plassans nach dem zweiten Dezember in Umlauf war.

Aber woher hatten sie denn das Geld, um das Haus zu kaufen?

Ja, das ist eben das Geheimnis. Ihr Sohn Eugen, der in Paris eine so hohe Stellung erlangt hat und vom Abgeordneten zum Minister und Geheimrat der Tuilerien emporgestiegen ist, erlangte auf leichte Weise eine Steuereinnehmerstelle und das Kreuz der Ehrenlegion für seinen Vater, der hier eine nette Posse aufgeführt hatte. Das Haus ist wohl durch Abmachungen bezahlt worden; das Geld haben sie sich jedenfalls von irgendeinem Bankier geliehen ... In jedem Falle sind sie heute reich und bringen die verlorene Zeit herein. Ich glaube, ihr Sohn steht in Briefwechsel mit ihnen, denn sie haben noch nicht eine einzige Dummheit begangen.

Die Stimme hielt inne, um sofort wieder mit einem heiseren Lachen fortzufahren:

Nein, ich muß wirklich lachen, wenn ich sehe, wie diese fromme Grille Felicité sich auf die Herzogin hinausspielt ... Ich denke immer noch an den gelben Salon mit seinen abgenützten Tapeten, den schmutzigen Konsolen und dem kleinen Kronleuchter, dessen Musselinehülle ganz mit Fliegenschmutz bedeckt war ... Jetzt empfängt sie die Fräulein Rastoil ... Hei, wie sie die Schleppe wirft! ... Die Alte wird eines Abends noch in ihrem grünen Salon vor Stolz bersten!

Der Abbé Faujas hatte leise den Kopf gewendet, um zu sehen, was in dem Salon vorgehe. Er bemerkte dort Madame Rougon, die sich in dem Kreise ihrer Gäste wirklich prächtig ausnahm. Sie schien auf ihren kleinen Füßen größer geworden zu sein und alle Umstehenden wie eine Königin zur Huldigung zu zwingen. Zeitweilig mußte der Priester vor den goldenen Verzierungen des Salons und den prächtigen Tapeten die Augen niederschlagen.

Ei, da ist ja Ihr Vater, sagte die breite Stimme; da tritt der gute Doktor ein ... Ich wundere mich nur, daß der Doktor Ihnen nicht all dies erzählt hat, er weiß doch mehr darüber als ich.

Ja, mein Vater fürchtet, ich könne ihn kompromittieren, erwiderte der andere in heiterem Tone. Sie wissen, er warf mir vor, daß ich ihn um seine Praxis bringe. Verzeihung, ich bemerke die beiden jungen Maffre und will ihnen die Hand drücken.

Der Abbé hörte jetzt einen Stuhl rücken und sah dann einen jungen Mann mit abgelebtem Gesichte den kleinen Salon durchschreiten. Auch die andere Persönlichkeit, die den Rougons so arg zugesetzt, erhob sich. Eine Dame, die vorüberging, ließ sich freundliche Worte von ihm sagen und nannte ihn lachend den »lieben Herrn von Condamin«. Der Priester erkannte jetzt in ihm den schönen, sechzigjährigen Mann, den ihm Mouret in dem Garten der Unterpräfektur gezeigt hatte.

Herr von Condamin setzte sich in die andere Ecke des Kamins und bemerkte hier zu seinem Erstaunen den Abbé, den er wegen der hohen Lehne des Fauteuils nicht hatte sehen können. Er war aber keineswegs verlegen, sondern lächelte und sagte in liebenswürdigem Tone:

Herr Abbé, ich glaube, wir haben soeben gebeichtet, ohne es zu wollen ... Nicht wahr, es ist eine große Sünde, wenn man von seinem Nächsten Übles redet? Zum Glück können Sie uns die Absolution erteilen.

Der Abbé errötete ein wenig, so sehr er auch sonst seine Gesichtszüge zu beherrschen wußte. Er glaubte, Herr von Condamin mache ihm Vorwürfe, daß er gehorcht habe, aber dieser Herr konnte einem Neugierigen nicht böse sein. Im Gegenteil, er war erfreut, eine Art Schuldgenossenschaft zwischen sich und dem Priester hergestellt zu haben. Dies gab ihm das Recht, frei von der Leber weg zu reden und die Skandalgeschichten aller Personen zu erzählen, die anwesend waren. Es machte ihm ein besonderes Vergnügen. Der Abbé, der erst nach Plassans gekommen war, schien ihm ein sehr aufmerksamer Zuhörer, um so mehr, als er ein häßliches Gesicht hatte, das Gesicht eines Menschen, der gut dazu ist, alles zu hören, und der einen Talar trägt, der zu schäbig war, als daß die Vertraulichkeiten, die man sich mit ihm erlauben würde, irgendwelche Folgen haben könnten.

Nach einer Viertelstunde war Herr von Condamin ganz im Erzählen und klärte ihn als höflicher Mann über ganz Plassans auf:

Sie sind bei uns noch fremd, Herr Abbé, und ich würde mich glücklich schätzen, wenn ich Ihnen irgendwie nützlich sein könnte ... Plassans ist eine kleine Stadt, wo man sich schwer einzugewöhnen vermag. Ich bin aus der Umgebung von Dijon, als man mich hierher als Forstinspektor ernannte, verabscheute ich das Land und langweilte mich zu Tode. Das war am Vorabend des Kaiserreiches. Besonders nach 1851 war hier kein angenehmes Leben, denn die Einwohner hatten eine heillose Furcht. Bei dem Anblick eines Gendarmen hätten sie sich unter der Erde verkrochen ... Allmählich wurde es doch anders, sie nahmen wieder ihr gewohntes Leben auf, und ich, mein Gott, fand mich schließlich auch in die Lage. Ich lebe draußen im Freien, mache große Spazierritte und habe auch einige Bekanntschaften angeknüpft.

Er sprach jetzt leiser und fuhr im vertraulichen Tone fort:

Glauben Sie mir, Herr Abbé. Sie müssen auf der Hut sein. Sie können sich nicht vorstellen, in welches Wespennest ich beinahe geraten wäre. Plassans ist in drei deutlich geschiedene Viertel geteilt: das alte Viertel, wo Sie nur zu trösten und Almosen zu geben haben; das Sankt-Markus-Viertel, von dem Adel bewohnt, ist ein langweiliger und ränkevoller Ort, vor dem ich Sie nicht genug warnen kann; und die Neu-Stadt, das Viertel, das jetzt um die Präfektur entsteht; nur hier kann man erträglich leben ... Ich habe den Fehler begangen, in das Sankt-Markus-Viertel zu ziehen, wohin ich durch meine Beziehungen gewiesen zu sein wähnte. Aber es kam anders. Ich fand dort nur alte Edelfrauen, die so dürr sind wie Hopfenstangen, und vertrocknete Marquis. Jeder beklagte die gute, alte Zeit. Da gibt es kein gesellschaftliches Leben, kein Fest; alles verschwört sich gegen den glücklichen Frieden, in dem wir leben. Mein Ehrenwort, ich kompromittierte mich beinahe. Péqueur machte sich über mich lustig ... Herr Péqueur des Saulaies, unser Unterpräfekt, den kennen Sie? ... Hierauf bin ich jenseits der Promenade Sauvaire gezogen und habe mir auf dem Platze eine Wohnung genommen. In Plassans gibt es kein Volk, der Adel ist unverbesserlich, und so kann man nur mit einigen Emporkömmlingen verkehren, die sehr angenehme Leute sind und der Beamtenwelt viel Entgegenkommen zeigen. Wir Beamten leben denn auch recht glücklich. Wir bleiben unter uns und kümmern uns nicht mehr um die Bewohner, als wenn wir unser Lager in einem eroberten Lande aufgeschlagen hätten.

Er lachte zufrieden und streckte sich, indem er seine Sohlen dem Feuer näher brachte; dann nahm er ein Glas Punsch von der Tasse, die eben ein Diener vorübertrug und trank langsam davon, wobei er fortwährend den Abbé Faujas beobachtete. Dieser sah ein, daß er aus Höflichkeit etwas sagen mußte.

Dieses Haus scheint sehr angenehm zu sein, sagte er, und wandte sich halb dem grünen Salon zu, wo die Unterhaltung lebhafter wurde.

Ja, ja, erwiderte Herr von Condamin, der von Zeit zu Zeit innehielt, um einen Schluck Punsch zu trinken. Die Rougons lassen uns Paris vergessen, so daß man gar nicht glaubt, in Plassans zu sein. Es ist der einzige Salon, wo man sich unterhält, weil hier alle Meinungen vertreten sind. Péqueur hat auch sehr angenehme Unterhaltung ... Den Rougons muß es viel Geld kosten, und sie haben keinen Beitrag aus den Kanzleispesen, wie Péqueur; aber sie haben Besseres: die Taschen der Steuerträger.

Dieser Scherz belustigte ihn; er stellte das leere Glas auf den Kamin, neigte sich zu dem Abbé hin und fuhr fort:

Das Unterhaltende sind die steten Komödien, die sich hier abspielen. Wenn Sie die Personen kennen würden! ... Sie sehen Madame Rastoil, die Dame dort drüben mit ihren beiden Töchtern? Sie hat einen Kopf wie ein blökendes Schaf und ist ungefähr fünfundvierzig Jahre alt ... Haben Sie bemerkt, wie ihre Augenlider zitterten, als sich Delangre gegenübersetzte? Dort der Herr, der wie ein Hanswurst aussieht! ... Vor mehr als zehn Jahren haben sie sich sehr gut gekannt, und man erzählt, daß ein Mädchen von ihm ist, aber man weiß nicht, welches ... Das Drolligste ist, daß Delangre zu derselben Zeit auch mit seiner Frau Verdrießlichkeiten hatte, und man sagt, daß sie ihre Tochter von einem Maler habe, den ganz Plassans kennt.

Der Abbé glaubte, daß er zu solchen Vertraulichkeiten eine ernste Miene annehmen müsse; er schloß die Augen und tat, als wenn er nichts mehr höre. Herr von Condamin fuhr fort, als wolle er sich rechtfertigen:

Wenn ich dies von Delangre erzähle, so geschieht es nur deshalb, weil ich ihn gut kenne. Er ist sehr tüchtig; ich glaube, sein Vater ist Maurer gewesen. Vor fünfzehn Jahren übernahm er alle Prozesse, die die anderen Advokaten ablehnten. Frau Rastoil unterstützte ihn in jeder möglichen Weise und schickte ihm sogar im Winter Holz, damit er nicht friere. Durch sie gewann er seine ersten Prozesse. Bedenken Sie, daß Delangre damals die Geschicklichkeit hatte, gar keine politische Meinung zu haben. So kam es, daß als man im Jahre 1852 einen Bürgermeister suchte, man sofort nur an ihn dachte, denn nur er konnte eine solche Stellung einnehmen, ohne eines der drei Viertel der Stadt in Furcht zu setzen. Seit jener Zeit hat er Glück, und ihm steht die schönste Zukunft bevor. Zu seinem Unglück kann er sich mit Péqueur nicht vertragen, mit dem er immer wegen der albernsten Dinge streitet.

Er unterbrach sich, als er den jungen Mann wieder zurückkommen sah, mit dem er sich vorhin unterhalten hatte.

Herr Wilhelm Porquier, sagte er und stellte ihn dem Abbé vor, der Sohn des Doktor Porquier.

Als sich der junge Mann gesetzt hatte, fragte er ihn spöttisch:

Was haben Sie denn Schönes gesehen?

Nichts Außerordentliches, erwiderte der junge Mann in heiterem Tone. Ich habe die Eheleute Paloque gesehen. Frau Rougon sucht sie immer hinter einem Vorhange zu verstecken, um ein Unheil zu verhüten. Eine schwangere Frau, die sie eines Tages auf dem Spaziergange sah, hätte bald eine Frühgeburt gemacht ... Paloque wendet kein Auge von dem Präsidenten Rastoil; er hofft wahrscheinlich, daß den andern dadurch der Schlag rühren könne; denn Sie wissen, ja, dieses Ungeheuer von einem Paloque will Präsident werden.

Beide lachten. Die Häßlichkeit der Paloque war der Gegenstand ewiger Spötteleien in der kleinen Beamtenwelt.

Porquier junior fuhr leise fort:

Ich habe auch den Herrn Bourdeu gesehen. Finden Sie nicht, daß er seit der Wahl des Marquis de Lagrifoul viel magerer geworden ist? Bourdeu wird sich nie trösten können, daß er nicht mehr Präfekt ist. Jetzt hat er seinen Orleanistengroll in den Dienst der Legitimisten gestellt; er hofft, dadurch in die Kammer zu kommen und dort die so sehnlich erwartete Präfektur zu erhalten ... Er ist auch tief gekränkt darüber, daß man ihm den Marquis vorgezogen hat, einen solchen Dummkopf, der von der Politik nicht ein Jota versteht, während Bourdeu sehr gescheit ist!

Er sieht entsetzlich aus, mit seinem stets zugeknöpften Überzieher und seinem Philosophenhute, meinte Herr von Condamin. Wenn man diese Leute so gehen läßt, machen sie bald aus ganz Frankreich eine Akademie von Advokaten und Diplomaten, in der man sich zu Tode langweilt ... Richtig, ich wollte Ihnen sagen, Wilhelm, daß man mir erzählt hat, Sie führen ein tolles Leben.

Ich? rief der junge Mann lachend aus.

Ja, Sie, mein Lieber! und bedenken Sie, ich habe es von Ihrem Vater. Er ist trostlos und beschuldigt Sie, daß Sie spielen, die ganze Nacht im Klub und anderswo zubringen ... Ist es wahr, daß Sie hinter dem Gefängnis ein Winkelkaffee entdeckt haben, wo Sie mit Ihren Freunden wahre Orgien aufführen? Man hat mir sogar erzählt ...

Da Herr von Condamin zwei Damen eintreten sah, flüsterte er das übrige dem Wilhelm ins Ohr, der das Gehörte lachend und kopfnickend bestätigte. Er schien die ganze Erzählung noch durch Einzelheiten pikanter zu machen, denn er neigte sich jetzt seinerseits zu Condamin und beiden leuchteten die Augen vor Entzücken über das, was man vor Damen nicht erzählen durfte.

Der Abbé Faujas saß noch immer auf seinem Platze, aber er hörte nicht mehr zu. Er beobachtete Herrn Delangre, der mit großer Beweglichkeit in dem grünen Salon Liebenswürdigkeiten austeilte; das fesselte ihn derart, daß er gar nicht bemerkte, wie ihn der Abbé Bourrette mit der Hand zu sich rief. Dieser mußte ihn erst am Arme berühren und ersuchen, ihm zu folgen. Der Abbé führte seinen Amtsgenossen in das Spielzimmer mit der Vorsicht eines Menschen, der etwas Wichtiges mitzuteilen hat.

Lieber Freund, sagte er leise, als sie sich allein in einer Ecke befanden, Sie sind zu entschuldigen, weil Sie das erstemal hier sind. Aber ich muß Ihnen sagen, daß Sie sich sehr kompromittiert haben, indem sie sich so lange mit den Leuten dort unterhielten.

Der Abbé Faujas sah ihn erstaunt an.

Die Leute sind nicht gern gesehen, fuhr der andere fort. Ich will nicht über sie urteilen und keine Verlästerungen wiederholen; aber aus Freundschaft muß ich Sie vor ihnen warnen.

Mit diesen Worten wollte er sich entfernen, aber Faujas hielt ihn zurück:

Sie beunruhigen mich, lieber Herr Bourrette. Erklären Sie sich doch, bitte. Es scheint mir, daß Sie ohne üble Nachrede mir Aufklärung geben können.

Nun, erwiderte der Priester nach einigem Zögern, der junge Mann, der Sohn des Dr. Porquier, macht seinem ehrenwerten Vater viel Kummer und gibt der studierenden Jugend von Plassans das schlechteste Beispiel. In Paris hat er nichts als Schulden hinterlassen, und hier bringt er die ganze Stadt in Aufruhr ... Was Herrn von Condamin anbelangt ...

Er hielt von neuem inne, da er vor den schrecklichen Dingen, die er hier zu berühren hatte, zurückschrak; dann schlug er die Augen nieder und fuhr fort:

Herr von Condamin hat eine lose Zunge, und ich fürchte, daß ihm das moralische Gefühl abgeht. Er schont niemanden und gibt allen ehrbaren Leuten ein Ärgernis. Ich weiß nicht, wie ich es Ihnen recht sagen soll, kurz, man erzählt sich, daß er eine nicht ehrenvolle Heirat eingegangen sei. Sehen Sie da diese junge Frau von etwa dreißig Jahren, die so umworben ist! Er brachte sie eines Tages nach Plassans, ohne daß man wußte, woher. Von dem Tage ihrer Ankunft an war sie hier allmächtig, und ihrem Einflüsse verdanken ihr Gatte und der Dr. Porquier ihre Orden; sie hat nämlich Freunde in Paris ... Aber ich bitte Sie, diese Dinge für sich zu behalten. Frau von Condamin ist eine sehr liebenswürdige und mildtätige Dame, die ich manchmal besuche; ich wäre deshalb untröstlich, wenn sie mich als ihren Feind ansehen würde ... Hat sie Fehler, so ist es unsere Pflicht, ihr zu verzeihen und sie auf den richtigen Weg zu bringen. Ihre Gatte hingegen ist ein niedriger Mensch, den Sie kühl behandeln müssen.

Der Abbé Faujas sah Bourrette in die Augen, denn er hatte soeben bemerkt, daß Madame Rougon ihr Gespräch von weitem aufmerksam beobachte.

Hat nicht Madame Rougon Sie ersucht, mir diesen guten Rat zu geben? fragte er plötzlich den alten Priester.

Wieso wissen Sie das? rief dieser erstaunt aus. Sie hat mich ersucht, nicht von ihr zu sprechen; aber da Sie es erraten haben ... Die Dame hat eben ein gutes Herz und will nicht, daß ein Priester in ihrem Hause eine traurige Rolle spielt, denn sie muß leider die verschiedensten Leute empfangen.

Der Abbé dankte und versprach, vorsichtig zu sein. Die Spieler um sie herum hatten sie gar nicht beachtet. Er kehrte in den großen Salon zurück, wo er sich von neuem in einer feindseligen Umgebung sah, die sich noch frostiger und mit deutlicher, stummer Verachtung ihm gegenüber benahm. Die Damen gingen ihm aus dem Wege, als wenn er ihre Kleider beschmutzen könne, und die Herren wandten sich mit spöttischem Lächeln ab. Er bewahrte aber vollständig die Fassung. Als er aus einer Gruppe den Namen Besançon zu hören glaubte, schritt er darauf zu, – es war in dem Zimmer, wo Frau von Condamin umworben thronte – doch brach man bei seinem Nahen sofort die Unterhaltung ab, und alle blickten mit einer gewissen boshaften Neugierde auf ihn. Gewiß sprach man von ihm und erzählte sich irgendeine häßliche Geschichte. Wie er dastand, hörte er hinter sich eine der Schwestern Rastoil, die ihn bemerkt hatte, die andere fragen:

Was mag nur dieser Priester, von dem jeder spricht, in Besançon angerichtet haben?

Ich weiß es nicht ganz genau, erwiderte die Ältere, aber ich glaube, er hat in einem Streite bald seinen Pfarrer erwürgt. Papa erzählte auch, daß er sich in ein industrielles Unternehmen gemischt habe, das aber bald eingegangen sei.

Nicht wahr, er ist doch da? ... In dem kleinen Salon ... Man sah ihn ja soeben sich mit dem Herrn von Condamin unterhalten.

Wenn er sich mit dem unterhält, dann hat man ein Recht, ihm zu mißtrauen.

Diese Worte der beiden jungen Damen trieben dem Abbé Faujas den kalten Schweiß aus. Er sah starr vor sich hin, kniff die Lippen zusammen, und sein Gesicht nahm eine erschreckend fahle Farbe an. Jetzt hörte er im ganzen Salon nur von dem Pfarrer reden, den er erwürgt hatte, und von den unsauberen Geschäften, in die er sich gemischt. Herr Delangre und der Dr. Porquier blieben ihm gegenüber ernst; Herr von Bourdeu zeigte eine verächtliche Miene, während er leise mit einer Dame sprach; Herr Maffre, der Friedensrichter, sah ihn scheu von der Seite an, beroch ihn gleichsam von weitem, bevor er sich entschloß, ihn anzusprechen; und am anderen Ende des Salons steckten die häßlichen Paloques ihre Köpfe vor innerer Freude über dieses schlimme Gerede zusammen. Der Abbé Faujas wich langsam zurück, da er einige Schritte weiter Frau Rastoil bemerkte, die sich zwischen ihre Töchter setzte, gleichsam als wolle sie diese unter ihren Schutz nehmen und sie vor seiner Berührung bewahren. Er lehnte sich an das Piano, das hinter ihm stand und verharrte hier nachdenklich und unbeweglich, als wenn er von Stein wäre. Gewiß ward ein Komplott geschmiedet, und man behandelte ihn als Ausgestoßenen.

Wie er so unbeweglich dastand und mit halb geschlossenen Augen den Salon musterte, fuhr er plötzlich fast unmerklich zusammen. Er bemerkte den Abbé Fenil, der nicht weit von ihm auf einem Sessel saß mit feinem Lächeln in einem Kreise von Damen. Die Augen der beiden Priester hatten sich einen Augenblick gekreuzt mit dem furchtbaren Hasse zweier Duellanten, die auf Leben und Tod zu kämpfen sich anschicken. Hierauf ließ sich ein Rauschen von Kleidern vernehmen, und dann verschwand der Großvikar von neuem hinter den Spitzen der Damen.

Unterdessen war es Felicité auf ganz unauffällige Weise gelungen, sich dem Piano zu nähern; sie ließ daselbst die ältere der Schwestern Rastoil Platz nehmen, die sehr schöne Romanzen zu spielen wußte. Jetzt konnte die Frau sprechen, ohne gehört zu werden; sie zog den Abbé Faujas in die Nische eines Fensters.

Was haben Sie den dem Abbé Fenil getan? fragte sie ihn.

Sie sprachen leise weiter. Der Priester spielte zuerst den Überraschten; als aber Madame Rastoil einige Worte unter Achselzucken geflüstert hatte, wurde er offener. Beide lachten und schienen leere Höflichkeiten auszutauschen, während ihre Augen dieses Spiel ganz widerlegten.

Das Klavier verstummte jetzt und das ältere Fräulein Rastoil mußte noch ein Lied singen, »die Taube des Soldaten«, das zu jener Zeit sehr beliebt war.

Sie haben mit Ihrem ersten Auftreten Unglück gehabt und sich unmöglich gemacht, sagte Felicité leise. Ich rate Ihnen daher, für einige Zeit nicht hierher zu kommen ... Man muß Sie erst schätzen lernen, verstehen Sie mich? Ihre Vergangenheit würde Sie vernichten.

Der Abbé sah nachdenklich vor sich hin.

Sie meinen, daß diese Geschichten von dem Abbé Fenil erzählt worden sind? fragte er.

Oh, dazu ist er viel zu klug. Er hat diese Sachen jedenfalls seinen Beichtkindern zugeflüstert. Ich weiß nicht, ob er Sie durchblickt hat, aber sicher fürchtet er Sie. Er wird Sie mit allen möglichen Waffen bekämpfen ... Das Schlimmste ist, daß bei ihm die beste Gesellschaft der Stadt zur Beichte geht. Ihm ist ja auch die Wahl des Marquis de Lagrifoul zu verdanken.

Ich tat wirklich unrecht hierherzukommen, ließ der Priester fallen.

Felicité biß sich auf die Lippen.

Sie taten unrecht, erwiderte sie lebhaft, daß Sie sich mit einem solchen Menschen wie Condamin kompromittierten. Ich habe es an nichts fehlen lassen. Als die Ihnen bekannte Person mir aus Paris geschrieben hatte, glaubte ich, Ihnen durch eine Einladung in mein Haus nützlich zu sein. Das war der erste Schritt. Aber anstatt zu gefallen, haben Sie jedermann gegen sich aufgebracht ... Entschuldigen Sie meine Offenheit, aber ich finde, daß Sie geradezu dem Erfolge den Rücken zukehren. Sie haben eine Reihe von Fehlern begangen, indem Sie bei meinem Schwiegersohne sich einmieteten, indem Sie so zurückgezogen leben und einen Talar tragen, der das Gelächter der Gassenbuben erregt.

Der Abbé konnte eine Gebärde der Ungeduld nicht unterdrücken. Er begnügte sich zu sagen:

Ich werde Ihre guten Ratschläge befolgen. Nur helfen Sie mir nicht dabei, denn das könnte alles verderben.

Ja, diese Taktik ist klug, meinte die alte Frau. Kehren Sie in diesen Salon nur als Sieger zurück ... Noch ein Wort, mein Herr. Die betreffende Person in Paris legt viel Gewicht auf Ihren Erfolg, und deshalb interessiere ich mich so für Sie. Also jagen Sie niemandem Furcht ein, seien Sie liebenswürdig und suchen Sie vor allem den Frauen zu gefallen, wenn Sie Plassans erobern wollen.

Das ältere Fräulein Rastoil hatte soeben mit einem Akkord die Romanze beendigt, und man klatschte Beifall. Madame Rougon ging auf die Sängerin zu und beglückwünschte sie; hierauf begab sie sich mitten in den Salon, um den Gästen, die sich zurückzogen, zum Abschiede die Hand zu reichen. Es war elf Uhr. Der Abbé Faujas war sehr verdrossen, als er bemerkte, daß Bourrette die Musik benützt hatte, um zu verschwinden; er hatte darauf gerechnet, mit ihm fortzugehen, was ihm einen ehrenvollen Rückzug bereitet hätte. Wenn er jetzt allein fortging, kam es einer vollständigen Niederlage gleich, denn man würde sich am folgenden Tage in der ganzen Stadt erzählen, daß man ihn zur Türe hinausgeworfen habe. Er flüchtete wieder in eine Fensternische und wartete auf eine günstige Gelegenheit, einen ehrenvollen Rückzug anzutreten.

Unterdessen leerte sich der Salon derart, daß nur noch einige Damen anwesend waren. Jetzt bemerkte er eine sehr einfach gekleidete Frau; es war Madame Mouret, die ihm mit ihren gekräuselten Haaren heute viel jünger vorkam; überraschend fand er auch ihr ruhiges Gesicht, in dem zwei große schwarze Augen zu schlafen schienen. Er hatte sie den ganzen Abend nicht bemerkt; gewiß saß sie die ganze Zeit in einer Ecke, ohne sich zu rühren, voll Unmut, daß sie so müßig dasitzen müsse. Als er sie ansah, erhob sie sich eben, um sich von ihrer Mutter zu verabschieden. Diese genoß jetzt ihren schönsten Augenblick: die Gäste empfahlen sich unter vielen Bücklingen und Ausdrücken der Hochachtung, indem sie sich für den Punsch und die angenehmen Stunden bedankten, die sie in dem grünen Salon zugebracht hatten. Sie dachte jetzt an jene Zeit zurück, wo die besseren Stände ihr »auf dem Leib herumtraten«, – wie sie sich ausdrückte – während jetzt die Reichsten nicht zärtlich genug »der lieben Frau Rougon« zulächeln konnten.

Gnädige Frau, sagte der Friedensrichter Maffre, hier vergißt man ganz die Stunden.

Nur Sie wissen zu empfangen in dieser von Werwölfen bewohnten Gegend, meinte die hübsche Frau von Condamin.

Wir erwarten Sie morgen zum Essen, sagte Herr Delangre; doch machen wir mit der Küche nicht so viele Umstände wie Sie.

Martha mußte diese Huldigung stören, als sie sich von ihrer Mutter verabschieden wollte. Sie küßte sie und zog sich zurück; aber in demselben Augenblicke hielt Felicité sie auf; sie sah sich nach allen Seiten um, als suche sie jemanden. Als sie den Abbé Faujas erblickte, fragte sie ihn lächelnd:

Herr Abbé, sind Sie ein galanter Mann?

Der Abbé verbeugte sich.

Dann haben Sie die Güte, meine Tochter zu begleiten. Sie wohnen in demselben Hause, es wird Ihnen nicht lästig fallen; der Weg ist finster und eng dahin und nicht ganz sicher.

Martha meinte ruhig, daß sie doch kein Kind sei, das sich fürchte. Aber ihre Mutter bestand darauf und erklärte, daß sie nur dann beruhigt sei, wenn sie die Begleitung des Abbé annehme. Felicité begleitete die beiden nun bis zur Stiege, wo sie noch dem Priester ins Ohr flüsterte:

Erinnern Sie sich meiner Worte ... Trachten Sie, den Frauen zu gefallen, wenn Sie Plassans erobern wollen.


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