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Viertes Kapitel.

Thomas Münzers Untergang.

Ins Elsaß waren die ersten Funken durch Thomas Münzer getragen worden: er ging den Elsäßern als Opfer für das, was er gewollt, voran.

Münzer wollte sich nicht übereilen; er wollte den rechten Augenblick erwarten, warten, bis der Aufstand durch die Zeit und Gewohnheit Stärke gewänne und eine vollkommenere Organisation; bis die waffengeübten handfesten Bergknappen bei ihm wären, die Oberschwaben und andere Haufen die ersten Schlachtsiege über die Fürsten gewonnen hätten. Er wollte sie alle zum Rückhalt haben, und dann erst von seinem Mühlhausen aus sich erheben mit Gideons Schwert. Er kannte ihn wohl, den größeren Theil seiner Thüringer: das waren keine Schwaben, die von Jugend an der Fahne gefolgt, im Kriege herausgewachsen waren; keine Franken, wie Herrn Florians schwarze Schaar; keine Schützen, wie die in den Alpen und im Elsaßerland: der Erdscholle mühsam kümmerlich den Unterhalt abzuringen, war ihr Tagewerk, Hacke und Spaten die einzigen ihnen gewohnten Waffen. Auch waren um ihn her nicht wie anderswo gute Geschütze aus den Schlössern zu holen; und um Pulver zu bekommen, mußte er erst einen Schweizer mit 900 Gulden nach Nürnberg, dem großen Pulvermarkt für Freund und Feind, abschicken. Rettung, Hülfe für sein Volk sah er noch immer einzig durch das Schwert, nur auf der Schädelstätte der alten Welt die Möglichkeit einer neuen, besseren, nur im Untergang der Tempel und ihrer Priester die Befreiung des Geistes, nur im Ende der Aristokratie und ihrer Frohnen die Erlösung des Leibes und des Lebens erreichbar. Noch immer zweifelte er nicht am Siege, wenn nur alle Haufen einig wären und sich nicht einzeln abfangen, betrügen ließen. Er kannte das Volk, das dem, der es hundertmal getäuscht, Vertrauen und Her; doch immer wieder schenkt. Ihm erschienen die Herren, je gefälliger sie sich zeigen, desto gefährlicher; nicht ihre Waffen, aber ihre Falschheit, ihre Friedensränke und Liste fürchtete er. Und seine Furcht wurde für den ganzen Volkskampf wahr.

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Der, welcher ihm bisher treulich zur Seite gestanden, wurde jetzt sein böser Geist: Pfeifer zwang ihn, viel zu frühe loszuschlagen. Pfeifer glaubte, Münzers Zögern versäume die beste Gelegenheit. Er achtete nicht, daß Münzer ihm nachwies, wie sie noch lange nicht stark genug, die benachbarten Bauern noch nicht alle rege wären. Es trieb, es riß ihn hinaus ins Feld; und gegen Münzers Wort, daß es der Geist in ihm noch verbiete, auszuziehen, setzte Pfeifer ein Traumgesicht, als ein anderes göttliches Gebot. Es habe ihm geträumt, er sehe sich im Harnisch in einer großen Scheune und um ihn her einen gewaltigen Haufen Mäuse, die habe er alle mit einander vertrieben, und der Geist sage ihm, die Deutung des Traumes sei, daß er alle Junker in Thüringen und auf dem Eichsfelde ausrotten werde. Das Volk lauschte auf Pfeifer und fiel ihm zu: so sah Münzer die Maschinerie, durch die er wohl auch aufs Volk wirkte, gegen sich selbst gewendet, gegen seine bessere Einsicht und Vernunft. Als er für den Auszug noch nicht sein wollte, drohte ihm Pfeifer, wo er ihn nicht ziehen ließe und das Volk abschreckte, wolle er wider ihn selbst sein, und ihn vertreiben helfen. Da ließ ihm Münzer seinen Willen, und Pfeifer zog aus mit seinem Anhang nach dem erzbischöflichen Eichsfeld, plünderte Kirchen, Klöster und Edelhöfe, nahm etliche Junker gefangen, und kam mit ihnen und einer reichen guten Beute nach Mühlhausen. Um nicht seinen Einfluß zu verlieren, mußte Münzer jetzt persönlich auch ausziehen. Ein in Langensalza ausgebrochener Tumult gab ihm die nächste Gelegenheit. Am 26. April erhob er sich, seinen Brüdern dort zu Hülfe, mit seiner Leibwache von 400 meist fremden Bewaffneten, und seinem Feldzeichen, einer weißen Fahne, darin ein Regenbogen stand. In Langensalza siegte die Bewegung, und die Bauern von Urleben wollten Erich Volkmar, den Erstgebornen Sittichs von Berlepsch, zum Fenster hinauswerfen: nur die Amme, die, wie zu Castell, hoch und theuer ihn für ihr Kind ausgab, rettete ihn. Münzers Schaar wurde vor dem Thore reichlich bewirthet, und er zog weiter bis nach Tungeda und machte gute Beute. Da kam ein Schwarm Eichsfelder zu ihm mit neun Wagen voll geistlichem und weltlichem Herrengut: Lebensmitteln, Hausrath, Geschmeid und Kirchenglocken. Münzer empfing sie sehr wohl, hielt ihnen eine Predigt vom Pferd 426herab und theilte die Beute unter sie aus. Die Angekommenen baten ihn, sie weiter ins Eichsfeld zu führen; er zog mit ihnen auf Heiligenstadt, wo er einen Sieg erfocht, und wo alle Bürger zum Bunde schwuren; von da weiter nach Duderstadt. Auch hier machten die Bürger einen Bund mit ihm, und er zog wieder ab, nachdem er hier wie dort die Güter »Baals und Nimrods,« der geistlichen und weltlichen Herren, eingefordert hatte. Zu gleicher Zeit war Pfeifer nach der andern Seite gezogen, hatte manchen edeln Herrn von Haus und Hof getrieben, und die Schlösser Schlotheim, Bissingen, Almenhausen, Seebach, Arnsberg und andere gebrochen. Im Schlosse zu Schlotheim hatten die Bauern nach der Erstürmung die Edelfrau, welche Sechswöchnerin war, aus dem Bette geworfen, und Bett und Tücher hinweggeschleppt. Seit diesen glücklichen Erfolgen waren die Bauern aller Orten umher gar freudigen Muthes. »Daß sie Glück hatten, das machte sie beißig.« Zu Keula ließen sie sich eine ganze Braupfanne voll Fische sieden, die sie aus dem Teiche langten, um sich auch einmal satt Fische zu essen. Vom 30. April bis zum 12. Mai wurden alle Klöster vom Fuße des Harzes bis zur Einmündung der Unstrut in die Saale, von der Grafschaft Grubenhagen, Hohenstein und Stollberg bis Freiburg, durch die ganze goldene Aue hindurch, eingenommen und die Klostervorräthe und Gelder »für die Zwecke des heiligen Krieges zu Handen gebracht«: zu Walkenried, Ilfeld, Volkerode, Ballenstedt, Nordhausen, Sangerhausen, Kelbra, Michelstein, Ilsenburg, Himmelpforte, Trubigk, Wasserleer, Schowen, Langelen; einzelne, wie das Kloster Heuseburg, gingen in Flammen auf. In der Grafschaft Mansfeld wurden namentlich die Klöster Sittichenbach, Rhode, Wimmelburg und das zu Eisleben heimgesucht, Holzzelle verbrannt. Um den geweihten Berg der Sage, wo seit Jahrhunderten Kaiser Rothbart im Zauberschlafe schläft, und der rechten Stunde harrt zum Wiedererwachen, um den alten Kyffhäuser her leuchteten die Fackeln in die umheimlichen Verließe und Zellen, und die Raben flatterten bang davon, und es schien der Augenblick nahe, da der Kaiser hervortrete, und alle Deutschen sich sammeln auf einem neuen Maifelde, lauter freie Deutsche mit gleicher Stimme unter dem Vorsitz eines Hauptes.

Aber das wollten die vielen Fürsten und Herren nicht. Schon 427waren sie auf mit Roß und Mannen, Landgraf Philipp von Hessen allen voraus.

Der einundzwanzigjährige Landgraf versammelte zu Alsfeld seine Lehensleute und die Fähnlein seiner Städte und sprach ihnen an das Herz. Am Schluß forderte er ein Zeichen, wessen er sich zu ihnen zu versehen habe, und alle reckten mit freudiger Bewegung die Schwurfinger empor und riefen, zu ihm Leib, Gut und Leben setzen zu wollen. Da zog er mit Muth gegen seine Bauern. Auf dem Marsch traf er auf einen Herold der Bürger von Hersfeld, der um Geleit für vier Rathsherren zur Unterhandlung nachsuchte. Der Landgraf schlug es ab, und die Stadt ergab sich und huldigte. Die Bauern hatten sich vor ihm auf Fulda zurückgezogen. Aber auch sie schickten Daniel von Fischborn mit andern Abgeordneten zu gütlicher Handlung an ihn, welche der Bauern Unternehmen rechtfertigen sollten. Philipp antwortete kurz, sie haben keine Gnade zu hoffen, wofern sie nicht von ihren Aufruhren abließen und Sicherheit ihres Gehorsams gäben. Die christliche Versammlung in der Buchen war damit wenig vergnügt, und suchte sich zu verstärken. Der oberste Hauptmann Dolhopt, der Uhrmacher, musterte den Haufen, bei dem die Mannschaften aller verbündeten Städte und viele buchonische Ritter waren. Herr, wie gefällt euch mein Kriegsheer? rief er vorbeireitend dem Codadjutor Johannes zu. – Der Landgraf nahm schnell Raßdorf und Hünfeld mit zwei großen Heereshaufen, deren einen er selbst, den andern Conrad Hesse, der Schultheiß von Marburg, führte. Zu Hünfeld traf der Coadjutor Johannes mit ihm zusammen, sich selbst zu entschuldigen und für die Landschaft in der Buchen Fürsprache einzulegen. Er hatte ohne Auftrag, auf eigene Hand den Ritt gethan. Als die Bauern seine Abwesenheit wahrnahmen, schrieen sie über Flucht und Verrath. Johannes hatte seinen zwölfjährigen Bruder, den Grafen Poppo, im Schlosse zu Fulda zurückgelassen. Die Bauern überfielen und plünderten das Schloß, und suchten und fragten nach dem jungen Grafen, um ihn zum Schloß hinaus zu hängen. Aber ein treuer Kellner hatte ihn unter Fässer im Keller so wohl verborgen, daß sie ihn nicht fanden. Auf das Gerücht, der Coadjutor habe sich nach Cassel geflüchtet zum Landgrafen, ihrem in Anzug begriffenen Feind, rasten die Bauern aufs Neue. Sie suchten allenthalben umher nach dem 428zwölfjährigen Grafen mit dem Geschrei: »Wo ist das Herrlein? wo ist das Herrlein? hätten wir's, wir wollten gewiß Frieden machen.« Aber drei Tage blieb dasselbe unsichtbar unter den Fässern, und jetzt, am 3. Mai, stand Philipp vor dem Frauenberg.

Der Coadjutor, der sich selbst einen Theilnehmer des Aufruhrs schelten hören mußte, hatte von dem Landgrafen nichts erlangt, als die Erklärung, daß er sich mit ihm verständigen wolle, wenn er seine Unterthanen, statt sie zu entschuldigen, zu Niederlegung der Waffen bewege. 12,000 Goldstücke, welche der vermittelnde Graf von Solms bot, hatten ihn so weit besänftigt. Während sie so miteinander verhandelnd auf Fulda reiten, erblickt der Landgraf das Lager der Bauern vor Fulda auf dem Frauenberg, er entbrennt und bricht trotzig alle Unterhandlung ab. Leib und Gut der Aufrührer, ruft er, wolle er haben. Die Bauern hatten den zerstörten Frauenberg in der Schnelle, so gut es ging, befestigt; sie hatten Schloß und Stadt inne, aber sie hatten wenige, der Landgraf viele Geschütze. Durch das Feuer der letztern und den ersten Angriff nahmen die Landgräfischen den Berg, und die Bauern zogen sich in die Stadt hinab und ins Stift. Von der Stadt aus vertheidigten sie sich muthig, als aber die hessischen Feuerschlünde eine Zeitlang vom Frauenberg herab die Häuser beschossen hatten, öffneten die Bürger die Thore; der größere Theil der Bauern zerstreute sich, 1500 flohen in den Schloßgraben. Hier ließ sie der Landgraf einschließen, drei Tage allen Qualen des Hungers und Durstes preis, ohne ihre Ergebung anzunehmen. Am Abend des dritten Tages ließ er sie heraus. Die Unglücklichen rauften sich um das Gespühle an der Schloßküche. »Man warf ihnen das Brod vor, gleich unvernünftigen Thieren, sie mußten sich mit höhnischen Worten schmähen und sagen lassen: Wo ist nun ein schwarzer Bauer und evangelischer Gott, der euch jetzt Hülf und Beistand thue?« und die gefangenen Hauptleute: Hans Dolhopt, Henne Wilke, Johann Kugel und Hans von Rom, auch den Feldprediger der Bauern, ließ der Landgraf vor dem Schloß enthaupten und ihre Köpfe über den Thoren auf Spieße stecken; die Andern ließ er halbverschmachtet sich heimwärts schleppen. Lauze, Handschrift bei Rommel. Alte Handschrift bei Schunk. Buchonia, Zeitschrift S.167—170. Schreiben der Bauern auf der Hohen-Rhön an die Oberfranken vom 8. Mai, Bensen 328.

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Den Coadjutor strafte der Landgraf dadurch, daß Abt und Convent zu Fulda, die Ritterschaft und das ganze Land fortan ewig mit Lehenspflicht dem Landgrafen von Hessen unterthänig zu sein geloben mußten, während die Landgrafen bisher Lehensleute der Abtei waren. Dazu wurden ihnen 4000 Goldstücke für die Beutelösung, 15,000 für Kriegskosten angesetzt, von den Fuldaer Unterthanen schwere Geldbußen und ihr Vieh genommen. Alle Geschütze der Fuldaer nahm der Landgraf mit, eilte auf Vach und Friedewald, unterwarf Schmalkalden, überall zogen sich die Bauern eilig vor ihm zurück, und er stand jetzt siegreich zwischen inne, zwischen Franken und Thüringen.

Die Engherzigkeit der Oberfranken, welche das Bündniß mit denen auf der Fulda zurückgewiesen, und welche so eben diese ihre Brüder im Stich gelassen hatten, sollte sich an ihnen selbst nur zu bald rächen. Der Mangel an Nationalgefühl, Deutschlands altes Unglück, war auch hier das Verderben: sie fühlten sich nur als Schwaben, Franken, Thüringer, und nicht einmal dieses, sondern als Ober- und Niederschwaben und Ober- und Niederfranken, und die Einen sahen die Andern mit Augen an, als wären sie Fremde.

Während die in der Buchen niederlagen, standen 4000 wohlgerüstete Männer zu Obernelzbach auf der Hohenrhön, thatlos, wie die Narren, den Landgrafen zu beobachten; und die Oberfranken tagten behaglich zu Neustadt. Der Landgraf ließ jene stehen und diese tagen und zog rasch auf Thüringen, über's Gebirg, seinen sächsischen Vettern zu Hülfe. Vor Eisenach stieß Herzog Heinrich von Braunschweig zu ihm, und diese Stadt war schnell genommen. Das Blut von 24 Bauern und Bürgern floß unter dem Schwert des Scharfrichters über den Markt, darunter auch das des Prädikanten Paulus. Doktor Strauß wurde gefangen genommen. Von da ging's auf Langensalza, wo Herzog Georg nachher 41 auf dem Markt enthaupten ließ und 7000 Gulden Strafgeld nahm. Der Landgraf zog eigentlich dem Haufen von Vach nach, der an Mühlhausen vorüber nach Frankenhausen sich gewendet hatte.

Hier, bei dieser damals volkreichen Stadt, lagerten die Bauern mit den Schwarzburgischen und Mansfeldischen, und vergeudeten die Zeit damit, daß sie die Beschwerden der Nonnen zu Kelbra gegen ihren Probst anhörten und mit Graf Albrecht von Mansfeld Unterhandlungen pflogen. 430Graf Albrecht gab den Bergleuten in seiner Grafschaft die schönsten Zusagen, damit sie sich nicht zu den Bauern ins Feld begäben, ritt selbst auf den Harz, versteckte etliche wenige Pferde im Gebirg, jagte damit, als wären Geschwader nahe, den Harzbauern Furcht ein, und wiegte die Versammlung zu Frankenhausen durch die besten Worte ein, als wollte er für sie, um Blutvergießen zu vermeiden, einen freundlichen Vertrag mit ihren Oberherren suchen helfen. Während seine Boten hin und her gingen, überfiel und plünderte er die zu Odersleben und Pfiffel; und sie trauten ihm doch und luden ihn auf Freitag den 12. Mai, Mittags, auf die Brücke zu Martinsried zur Besprechung. Er kam nicht, und zog sie mit seinen Vorspiegelungen auf den nächsten Sonntag hinaus; er wußte, daß bis dorthin die verbündeten Fürsten bei ihm sein mußten. Dagegen geberdete sich Graf Ernst von Mansfeld, der zu Heldrungen saß, offen feindlich gegen sie, und sie schrieben nach Mühlhausen, »ihnen wider den Tyrannen zu Heldrungen zu helfen.« Münzer eilte selbst dahin mit 300 Mann seiner Leibwache und mit wenig Geschütz. Pfeifer wollte nur die altgläubigen, nicht die evangelischen Herren angegriffen wissen. Münzer hatte umsonst durch eine ihm im Traum gewordene Offenbarung, nach dem Aufgang der Sonne zu ziehen, Pfeifer und die Mühlhäuser zum Mitzug zu bewegen versucht. Auch der Schrecken der Niederlagen im Fuldaischen, Eisenachs und anderer Städte Schicksal hielt die Bürger zurück. An die Erfurter schrieb er, »sie sollen kommen und streiten helfen wider die gottlosen Tyrannen, mit Volk und Geschütz, auf daß sie erfüllen, was Gott selber befohlen. Es steht ja geschrieben, sagte er, Daniel 5, daß die Gewalt soll gegeben werden dem gemeinen Volke. Offenbarung 18 und 19. Es bezeugen fast alle Urtheile in der Schrift, daß die Kreaturen frei werden müssen, wenn das reine Wort Gottes ausgehen soll. Habt ihr nun Lust zur Wahrheit, macht euch mit uns an den Reigen; den wollen wir gar eben treten, daß wir es ihnen treulich bezahlen, was sie der armen Christenheit mitgespielt haben.« Auch nach allen andern Seiten schrieb er um schleunigen Zuzug. Denen zu Frankenhausen erklärte er gleich bei seiner Ankunft, daß Graf Albrecht nur mit Betrug umgehe, und daß man das Nest der Adler angreifen müsse. Er schrieb selbst an »Bruder Albrecht:« »Furcht und Zittern sei einem Jeden, der übel thut. Meinst du, daß Gott der Herr sein unverständig Volk nicht erregen könne, die Tyrannen 431abzusetzen in seinem Grimm? Meinst du, daß Gott nicht mehr an seinem Volk, denn an euch Tyrannen gelegen? Willst du erkennen Daniel 7, wie Gott die Gewalt der Gemeine gegeben hat, und vor uns erscheinen, so wollen wir dich für einen gemeinen Bruder haben: wo nicht, so werden wir wider dich fechten, wie wider einen Erzfeind des Christenglaubens.« An »Bruder Ernst« schrieb er: »Du sollst, in sicherem Geleit, deiner offenbaren Tyrannei dich vor uns entschuldigen; wirst du ausbleiben, so sollst du ausgereutet werden. Wirst du dich nicht demüthigen vor den Kleinen, so sage ich dir, der ewige lebendige Gott hat es geheißen, dich von dem Stuhl mit der Gewalt, die uns gegeben, zu stoßen; denn du bist der Christenheit nichts nütz, du bist ein schädlicher Staupbesen der Freunde Gottes. Gott hat es von dir und Deinesgleichen gesagt, dein Nest soll ausgerissen und zerschmettert werden. Wir wollen deine Antwort noch heut haben, oder dich im Namen Gottes der Heerschaaren heimsuchen. Wir werden unverzüglich thun, was uns Gott befohlen hat; thu' du auch dem Bestes. Ich fahre daher.«

Diese beiden, im massivsten Prophetenstyl gehaltenen Briefe schrieb Münzer noch am Freitag Mittag. Er unterzeichnete beide: Thomas Münzer mit dem Schwert Gideons. Sie beleuchten seinen Gemüthszustand. Das ist nicht die Sprache der ruhigen Zuversicht; er hat sich in eine Stimmung hinauf geschraubt, die an Wahnsinn streift. Man sieht, er bemüht sich, sich wie die Seinen in eine Art Wuth zu setzen: Alles an ihm zeigt sich jetzt überspannt, echauffirt, er wandelt wie in einem Gewölke von Schwärmerei, das aus dem Abgrund aufsteigt, an dessen Rand angelangt er schwindelt. Es konnte ihm nicht entgehen, daß der Haufen, gegen den jetzt sieben verbündete Fürsten heranzogen, selbst gegen den einzigen Landgrafen zu schwach war; es war größtentheils unkriegerisches, schlechtbewaffnetes, zusammengelaufenes Volk. Nicht einmal Pulver genug hatte er; der Schweizer, der es bestellen sollte, war mit dem Geld verschwunden; und jetzt im Angesicht der Entscheidung wandelte es ihn an, es übernahm ihn; er fand es viel schwieriger in der Nähe, als er es sich in der Ferne gedacht hatte. Er sollte als Heerführer sein Volk zur Schlacht führen gegen kampfgeübte Fürsten, und er hatte nie eine Schlacht gesehen. Dem neuen Moses fehlte sein Josua, 432dem neuen Mahomet sein Omar. Vor der ersten Schlacht hat großen Helden schon geschwindelt, und mancher berühmte Eroberer ist aus der ersten Schlacht geflohen und hat sie verloren, und aus der Erfahrung Zuversicht und Klugheit, aus der Niederlage die Kunst zu siegen gelernt. Es mußte sich nun zeigen, ob das Verhängniß Münzern und dem Volke Zeit ließ, siegen zu lernen.

Seine drohenden Aufgebote, zu kommen, oder man würde sie holen, zogen aus allen Dörfern nächst umher die Bauern ins Frankenhäuser Lager. Weiber und Kinder geleiteten Gatten, Väter und Brüder aus allen Straßen Frankenhausen zu; »theils mit Weinen und Seufzen, theils mit Jauchzen und Frohlocken, nachdem sie Furcht oder Hoffnung bei dem Handel hatten.« Die Entfernteren kamen jedoch nur langsam heran. Statt ins gemeinschaftliche Lager zu eilen, hielten sich z. B. die klettenbergischen und scharzfeldischen Bauern mit Plündern in Klöstern und Pfarren auf, und waren dabei so tapfer, daß sie sich aus dem Pfarrhofe zum Elende durch erzürnte Bienenschwärme abtreiben ließen, mit deren Körben der Pfarrer sich sinnreich vertheidigte. Die, welche sich um Sittichenbach und Osterhausen gesammelt hatten, überfiel Graf Albrecht mit etlichen sechzig Reitern, und erstach gegen 200 in dem an allen Ecken Nachts angezündeten Flecken Osterhausen; die Andern wurden theils gefangen, theils entkamen sie nach Frankenhausen, nicht zur Ermuthung der Gesammtheit.

Das vereinigte Heer des Landgrafen, des Braunschweigers und Herzogs Georg von Sachsen zählte 2600 Reisige und 6000 zu Fuß; und überaus viel treffliches Geschütz. Der neue Churfürst von Sachsen, Johann, war mit 800 Reisigen und 2400 zu Fuß im Anzug. Am 15. Mai zeigten sich die drei Ersten vor Frankenhausen. Es kam sogleich, doch ohne sonderlichen Schaden, mit den Bauern zu einem kleinen Gefecht. Der Landgraf hatte ohne Verzug angreifen wollen; dann aber seine Leute, weil sie zu erschöpft waren, in ein Lager zurückgeführt, um sich zu erquicken. Münzer, als er dies sah, hielt es für Furcht und ließ eine Falkonetkugel unter die rückziehenden Reiter abschießen, wodurch ein junger Edelmann, Matern von Gehofen, eines alten Mannes einziger Sohn, todtgeschossen wurde. Lauze's Handschrift (Rommel, II. 77) sagt ausdrücklich nach einem Augenzeugen, die Bauern haben keinen der fürstlichen Gesandten umgebracht. Die Angabe, Münzer habe einen der Gesandten ermordet, ist eine der hundert verbreiteten Lügen. Es ergibt sich das Obige als das Wahrscheinliche. Nach dem Bekenntniß Münzers waren Gehofen und andere mansfeldische Diener in contumaciam zuvor schon zum Tode verurtheilt worden.

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Münzer hatte sich an der Anhöhe über Frankenhausen gelagert, die noch jetzt der Schlachtberg heißt, eine starke Wagenburg um sich geschlossen und einen Graben gezogen, daß man so leicht, besonders zu Roß, nicht an ihn kommen mochte. Aber sein Haufen zählte gar viele Zaghafte unter sich, keinen kriegskundigen Führer, und war im Ganzen nicht 8000 stark; wollten die Einen schlagen, so wollten die Andern nur unterhandeln und Frieden suchen. Durch die Friedensanträge der Gegner wurde Münzers Lage vollends höchst bedenklich. Der Landgraf sandte nach Ankunft des Herzogs Georg eine Botschaft an die Bauern, wenn sie ihre Hauptleute ausliefern, wolle er ihnen bei ihren Herren Gnade verschaffen. Durch einen Kürschner schrieben die Bauern zurück: Sie bekennen Jesum Christ, sie seien nicht hier, Blutvergießen zu stiften, sondern die göttliche Gerechtigkeit zu erhalten. Seien die Fürsten auch so gestimmt, so wollen sie nichts Feindliches gegen sie thun. Münzers Stellung wurde durch die paar Edelleute, die, zum Haufen genöthigt, da waren, noch schwieriger. Die Herren und Ritter machten, so scheint's, die Führer und Sprecher der Friedenspartei im Lager. Als diese sah, daß die Feinde ihr Geschütz auf allen Seiten um sie rückten und sie umringten, sandte sie den Grafen Wolfgang von Stollberg, Caspar von Rüxleben und Hans von Werthern zu einer zweiten Unterhandlung an die Fürsten. Die Fürsten bewilligten drei Stunden Stillstand zur Bedenkzeit und verlangten Ergebung aus Gnade und Ungnade, mit dem Versprechen, daß sie dennoch nach Gelegenheit der Sache Gnade finden sollen, wenn sie ihren falschen Propheten Thomas Münzer sammt seinem Anhang ihnen lebend überantworten. Die Bauern schickten die drei Gesandten abermals an die Fürsten, um für Alle, auch für Münzer, Gnade nachzusuchen. Die Fürsten behielten den Stollberg und den Rüxleben zurück, und ließen durch Werthern ins Lager entbieten, sie wollen weiter mit ihnen des Münzers halben nicht disputiren, sondern wenn sie ihn nicht ausliefern und ihre Wehr ablegen, werden sie gegen sie vornehmen, kraft ihres obrigkeitlichen Amts, was sich gegen sie 434gebühre. Die Uneinigkeit, das Schwanken stieg im Bauernlager, und es scheint ein Edelmann und ein Priester zettelten im Lager Verrath an. Münzer, umgeben von seiner Leibwache, und immer noch von einem starken Anhang, ließ auf Urtheil des Haufens den Edelmann, »der zuvor manchen armen Mann um das Evangelium verfolgt hatte,« und den Priester im Ring enthaupten; dann bot er alle Macht seiner Beredsamkeit auf und sprach zu dem schwankenden, zagenden Volk in der Sprache eines Propheten. Die, welche stets um ihn gewesen waren, hatte er wohl mit seinem Geiste zu durchdringen vermocht, und er und sie mußten jetzt schon aus Verzweiflung fechten, wären sie auch nicht von wilder Begeisterung getragen worden. An den andern Allen mußte er wohl schmerzlich sehen, wie wenig von Innen heraus für die Freiheit befestigt, wie wenig, das Aeußerste für sie zu wagen, sie vorbereitet waren, und welch ein Wagniß es war, die Sache der Freiheit auf das Schwert von Leuten zu setzen, welche die innere Freiheit noch nicht hatten. Es galt jetzt den Versuch, ob es gelänge, diese Masse zu exaltiren, sie außer sich zu setzen, sie hinzureißen; ob es ihm gelänge, ihnen den Muth, der ihnen fehlte, einzureden, oder wenigstens Wuth statt Muth; ob es ihm gelänge, wenigstens für eine Stunde sie aus Knechten in Freie umzuwandeln, aus Feigen in Tapfere; muthig und tapfer wenigstens aus religiösem Glauben. Er sprach zu ihnen von seiner göttlichen Sendung; sie wissen ja Alle, daß er die Sache auf Gottes Befehl angefangen; er schalt auf die Fürsten, als Tyrannen, als Gottlose, die in lasterhafter Pracht der Armen Schweiß und Blut verzehren; und Gott selbst verheiße, er wolle den Armen und den Frommen helfen, und die Gottlosen ausrotten. Weil die Fürsten zu furchtsam seien zum Angriff, suchen sie jetzt Zwietracht unter sie zu säen und sie durch betrügliche Unterhandlungen zu entwaffnen. Gideon, Jonathan und David haben mit wenig Auserwählten viele Tausende geschlagen. Zuletzt soll er geschlossen haben: Lasset euch nicht erschrecken das schwache Fleisch, und greift die Feinde kühnlich an. Ihr dürft das Geschütz nicht fürchten, denn ihr sollt sehen, daß ich alle Büchsensteine, die sie gegen uns schießen, mit meinem Aermel auffangen will. Während dem zeigte sich ein schöner Regenbogen am Himmel, rings um die Sonne, bei heiterem Blau. Es war Mittagszeit. 435Sogleich nahm Münzer diese Naturerscheinung als ein besonderes Gnadenzeichen, als ein Wunder zu Hülfe; es lag um so näher, es für sich zu deuten, da er einen Regenbogen in seiner Fahne führte. Ihr sehet, sprach er, daß Gott auf unserer Seite ist; denn er gibt uns jetzt ein Zeichen am Himmel. Sehet den Regenbogen da droben; er bedeutet, daß Gott uns, die wir den Regenbogen im Banner führen, helfen will, und droht den mörderischen Fürsten Gericht und Strafe. Er will nicht, daß ihr Frieden mit den Gottlosen machen sollt. Fechtet unerschrocken und tröstet euch göttlicher Hülfe! Daß die Rede, der wir diese Gedanken im Allgemeinen entnehmen, ein Machwerk Melanchthons ist, ist offen klar; es ist nicht ein Hauch münzerischer Art darin. Sie ist eine rednerische Ausarbeitung einiger Grundgedanken der wahren münzerischen Rede, die nachher von den Gefangenen bekannt worden sein mögen. Was das Auffassen der Kugeln betrifft, so ist zu bemerken, daß seine Feinde auch Jakob Wehe nachredeten, er habe den Bauern vorgespiegelt, die Büchsen und Wehren der Bündischen werden sich umkehren, und in die, die sie führen, selber gehen. Seidler. Auch 1809 wurden in Tyrol »Lukaszettel« ausgetheilt.

Das wirkte auf die Entzündbaren; die, welche verzagt blieben und gerne weit weg gewesen wären, durften sich nichts merken lassen; Münzers Anhang war jetzt der Mächtigere. In wilder Begeisterung erklärten sie seine Meinung für die rechte, sie auszuführen für nothwendig, und ganz ohne alle Berührung ließ die Andern das, was sie für ein Wunderzeichen hielten, doch auch nicht: sahen sie doch den Regenbogen vor Augen. So stimmten sie bei, den Fürsten sich nicht zu ergeben. Als Münzer fragte, was sie nun thun wollten, ob sie sich bedacht haben, ihn den Fürsten zu überantworten oder nicht, schrieen sie alle: Nein, nein; todt oder lebendig wollen wir hie bei einander bleiben. Die Münzerischen riefen laut: Frisch dran und nur drein geschlagen und gestochen, und der Bluthunde nicht geschont! Der gemeine Haufe stimmte die feierliche Melodie an: Komm heiliger Geist, Herre Gott. Sie wollten sich zur Schlacht weihen; noch war der vierte Theil der Bedenkfrist nicht vorüber: da plötzlich, während sie sich »in gutem Stillstand und Frieden« wähnten, Ganz übereinstimmend wird dies ausdrücklich gesagt in dem alten Dialog zwischen einem Schwärmer und einem Bauer, und in dem für diesen Punkt entscheidenden Schreiben derer zu Mühlhausen an die Oberfranken vom 19. Mai, Bensen, 335. Der fürstliche Haarer auch sagt: »Nachdem sich des Haufens Antwort etwas verlängert, ließen sie das Geschütz alsobald in die Bauern abgehen«. während 436des Gesanges, schmetterten alle Geschütze der Fürsten in sie, und ihre zerrissenen Glieder flogen umher: »Die Fürsten hielten nicht Glauben.«

Während der Unterhandlung hatten die Fürsten den Berg ganz umzogen; Landgraf Philipp ritt vor seinem Volk herum und ermahnte es zur Tapferkeit, sobald er sah, daß »der Graf Stollberg und die andern Edeln außer der Gewalt der Bauern waren.« Sie rüsten sich zur Schlacht, sprach er, sie zwingen uns zur Nothwehr; greift sie ritterlich an, der Teufel hat sie geblendet. Sie klagen wider die Obrigkeit, aber sie verschweigen unsere Sorge und Mühe, gegen welche ihre Abgaben und Lasten gering sind. Für ihre Abgaben erhalten sie Schutz, ihnen ist der meiste Nutzen. Darum, da sie keine billige Ursache haben, Gott und ihre Obrigkeit lästern, sollt ihr sie getrost angreifen. Daran thut ihr Gottes Willen. Hinein in Gottes Namen!

Und ohne sich um den Stillstand zu kümmern, rückte die ganze Schlachtordnung plötzlich an die Wagenburg, und das Geschütz ging mit solchem Donnern unter die Bauern los, daß viele davon niederstürzten, die andern vor Bestürzung nicht wußten, ob sie fechten oder laufen sollten. Viele sahen hinaus, ob Gott ihnen eine übernatürliche Hülfe vom Himmel zuschicken werde. Aber ehe die Engellegionen niederstiegen, war die Wagenburg durchbrochen »und sie wurden erschossen, erstochen, ganz jämmerlich ermordet.« Schreiben der Mühlhäuser. Münzer, der unter seinem Prophetenmantel ein Koller vom dichtesten Büffelleder trug, aber kein Ziska war, vermochte die jetzt allgemein werdende Flucht der Seinen nicht zu hemmen; seine acht Geschütze wurden genommen, ein Theil des Haufens entrann aus seinem Vortheil vor den fürstlichen Reisigen nach Frankenhausen, die andern eilten auf der jenseitigen Seite den Berg hinab und nach den nahen Waldhöhen. Nur ein kleiner Haufe setzte sich in einer Steinkluft auf einem Hügel im Thal, und wehrte sich wild und tapfer gegen die ansprengenden Reisigen, brachte Wunden und Tod unter sie, bis er durch die Ueberzahl überwältigt wurde. Unterwegs setzte sich auch der Haupthaufe der Flüchtigen dann und wann zur Wehre; aber der von dem Landgrafen vorausgesandte verlorene Haufen kam mit den Bauern in die Stadt Frankenhausen hinein, und noch fürchterlicher war das Gemetzel in der Stadt; Alles, was den Reisigen aufstieß, wurde 437niedergehauen; in und um Frankenhausen war nichts als Jammer und Blutvergießen; selbst in den Kirchen und Klöstern und in den Häusern wurde gewürgt und geplündert: der durch die Stadt fließende Bach wälzte sich als Blutbach fort. Fünftausend Bauern waren auf dem Feld und in der Stadt erschlagen, und die Fürsten, des Blutes noch nicht satt, ließen noch 300 Gefangene, ohne Untersuchung der Schuld oder Unschuld, unter das Rathhaus führen, um sie zu enthaupten. Darunter war ein alter Priester mit seinem Kaplan. Als die Frankenhäuserinnen herzuliefen, um ihre gefangenen Männer loszubitten, sagte ihnen ein Reisiger Begnadigung zu, wenn sie diese Pfaffen erschlügen. Und sie schlugen sie mit Knitteln todt. Als der Reisige von den Fürsten zur Strafe gezogen werden sollte, verrieth ihn Niemand. Die Handschrift der Erfurter Stadtchronik erzählt dies etwas anders. »Der Landgraf und Herzog Georg ließen den Frauen der gefangenen Männer einen Prediger mit seinem Kaplan überantworten. Die haben sie müssen mit Knitteln zu todt schlagen, damit sie ihre Männer beim Leben erhielten. Und die Frauen haben sie also zerschlagen, daß ihnen die Köpf sind gewest wie ein gesottenes Krauthaupt, daß das Gehirn an den Knitteln gehangen hat. Hierauf gab man ihnen ihre Männer los. Es haben auch die Fürsten zugesehen, daß solches geschehen ist.« Die 300 Gefangenen wurden hingerichtet, so weit sie nicht durch ihre Frauen erbeten wurden. Des andern Tages wurden auch Etliche, die in Aemtern gestanden waren, hingerichtet, und die in der Stadt Erschlagenen auf Wagen hinausgeführt und mit den im Feld Gefallenen begraben. Einige Nachrichten sprechen von 7423 Todten, handgreiflich zu viel. Münzer gibt 4000, Herzog Georg 5000 an. Viele Flüchtige retteten sich in das Gebirge, einzelne nach Gotha, Eisenach und in die erfurtischen Dörfer. Schreiben des Landgrafen an Churfürst Johann vom 8. Dezember. Auf Münzers Kopf setzten die Fürsten einen Preis.

Auch Münzer hatte unter den Fliehenden Frankenhausen erreicht, und da die feindlichen Reiter hart an ihm waren, sich in eines der nächsten Häuser am Nordhäuser Thore geworfen, war auf den obern Boden gegangen, hatte sich entkleidet, und mit verbundenem Haupt in ein Bett gelegt, um seinen Feinden unkenntlich zu sein. In dasselbe Haus quartierte sich nach der Plünderung der Stadt ein Lüneburger Edelmanmn Otto von Ebbe, ein, und des Ritters Knecht besichtigte sich die neue Herberge und kam auch auf den Boden. Auf dessen 438Frage, wer er sei? stellte sich Münzer sehr schwach und sagte: er sei ein kranker Mann und liege seit lange da am Fieber. Der Reisige, der ihn nicht kannte und nach einem Beutestück umherspähte, entdeckte Münzers Tasche, durchsuchte sie und fand darin die Briefe, die Graf Albrecht von Mansfeld an die Bauern geschrieben hatte. Dadurch war er verrathen. Otto von Ebbe führte ihn zu den Fürsten. Diese empfingen ihn mit der Frage, warum er das arme Volk verführt, und in ein solches Blutbad gestürzt habe? Er aber hatte sich bereits wieder gefaßt, und der Geist, der ihn seit frühester Jugend emporgetragen hatte, der es ihn wagen hieß, Menschen zu opfern, um die Menschheit zu retten, sie zu opfern einem nach seiner Ansicht edelsten Zwecke, während er die Fürsten sie ihrem Eigennutz, Launen und Lüsten opfern sah – dieser Geist kam jetzt über ihn und hielt ihn aufrecht. Er sprach, er habe recht gethan, daß er die Fürsten zu strafen ein Solches angefangen habe, weil sie dem Evangelium so heftig zuwider seien, und wider die christliche Freiheit so unbarmherzig handeln; man müsse den Fürsten Zaum und Gebiß anlegen. Wären darüber die Bauern geschlagen, dafür könne er nicht; sie haben es auch anders nicht haben wollen. Der einundzwanzigjährige Landgraf wollte dem Reformator, dessen Stimme Völker gelauscht hatten, in lutherischer Weise die Bibel über Aufruhr und Obrigkeit auslegen. Das schien dem stolzen Meister Thomas doch wirklich zu viel und gar zu unpassend, er würdigte ihn keiner Antwort mehr. Der junge Landgraf aber schmeichelte sich, den Reformator niederdisputirt zu haben; so sehr mißkannte er dieses Schweigen stolzen Selbstbewußtseins. Die Fürsten ließen ihn auf die Folter spannen und weideten sich an seinen Qualen, die ihm einen Schmerzensruf entrissen. Ja, Thomas, sagte Herzog Georg, thut dir dieses wehe, so bedenk auch, daß es den armen Leuten nicht wohl gethan hat, die heute deinetwegen niedergemacht worden sind. Da man ihn inzwischen fort folterte, nahm unter den Schmerzen, wie so oft, des Gefolterten Gesicht und Ton das Aussehen des Lachens an. Ho, stieß er heraus, sie haben es nicht anders haben wollen. Kein Bekenntniß von Werth vermochten sie ihm durch diese Folter zu entreißen: Die Hinrichtung des Edelmanns, sagte er, sei geschehen nach Kriegsrecht und Urtheil der ganzen Gemeinde. Die Fürsten ließen ihn auf einen Wagen schmieden und 439schickten ihn dem grausamen Grafen Ernst von Mansfeld zu einem Beutpfennig, an den er kurz zuvor geschrieben: Ich fahre daher. War er zuvor »übel gemartert worden,« so wurde jetzt im Thurm zu Heldrungen nach einigen Tagen »gräulich mit ihm umgegangen,« so daß er in der Wundfieberhitze nach den Martern der Folter zwölf Kannen Wasser getrunken haben soll. Herzog Georg und einige Grafen sahen seiner Marter zu; sie entrissen ihm Bekenntnisse, doch nur karge, kaum einen abgerissenen Theil seines Werkes und seiner Verbindungen; er nannte Namen seiner Bundesgenossen zu Altstett, Mansfeld, Mühlhausen, Aschersleben, Wimmelburg, Wolferode und an andern Orten; wie es scheint, Gefallener; denn keiner dieser Namen erscheint unter den Enthaupteten.

Im Thurm zu Heldrungen, tief unter der Erde, schrieb er an die in Mühlhausen, und ermahnte sie, der Fürsten Gnade für ihre Stadt nachzusuchen. Das Unglück, das ihre Sache getroffen habe, sei Folge der Eigennützigkeit, welche viele darin bewiesen haben. Nachdem es nun Gott also gefallen, daß er von hinnen scheiden müsse, gleichsam als Opfer für die Thorheiten und Sünden Anderer, sei er es herzlich zufrieden, daß Gott es also verfügt hab: Gottes Werke müssen nicht nach dem äußerlichen Ansehen, sondern in Wahrheit geurtheilt werden; darum sollen sie sich auch seines Todes nicht ärgern, da derselbe zu Besserung der Unverständigen diene. Er habe etliche Mißbräuche zum Besten des Volkes abschaffen wollen, aber Unverstand und Eigennutz, die zum Untergang göttlicher Wahrheit führen, haben sein Werk verdorben. »Das will ich jetzt, schloß er, in meinem Abschied, womit ich die Bürde und Last von meiner Seele abwinde, euch gesagt haben, keiner Empörung weiter Statt zu geben, damit das unschuldige Blut nicht weiter vergessen werde.« Wiederholt eingeflochten war die dringende Bitte, seinem Weibe beizustehen, sie nichts entgelten und ihr das kleine Gut, das sie habe, folgen zu lassen. Und die Wittenberger und ihr Anhang verbreiteten ohne Scheu die Lüge, Münzer habe die Beutegelder aus den Klöstern für sich eingezogen, und sich unermeßlich bereichert!

Dieser Brief zeigt des Propheten der Volkssache, dieses sonst so heftigen, unruhigen Geistes, völlige Ergebung in sein Schicksal, eine Resignation für die Gegenwart, eine Resignation, schmerzlich, 440weil sie das Scheitern großer Entwürfe durch die Blindheit der Selbstsucht einzig verschuldet sah, aufgehellt durch die Hoffnung der Besserung des Volkes in künftigen Tagen; er läßt, ohne ihn auszusprechen, den ungebrochenen Glauben an den einstigen Sieg seiner Sache durchleuchten; er spricht unverholen aus das »Göttliche dieser Sache« und ihre »Wahrheit.« Dennoch logen sie in alle Welt hinaus, Münzer habe seine Irrthümer widerrufen und sich als armer Sünder selbst zum Glauben der römischen Kirche zurückgewandt. Unter solche Lügen gehört das Schreiben des Doktor Ruhel vom 21. Mai an Luther, Seckendorf II, 13.

Wie sehr Münzer Recht hatte, den Eigennutz der Bauerschaften anzuklagen, sieht man überall. Statt sich zusammen zu schließen und Einer für Alle zu stehen, ließen sich die vielen Tausende, die rings umher durch das Thüringer Land in Lagern standen, hinhalten und stillen »durch ihres gnädigen Herrn, des Churfürsten gnädige, theils auch dräuliche Schreiben;« Spalatin, sächsische Historie. die Scharzfelder und die Klettenberger kamen erst in die Nähe, als die Schlacht von Frankenhausen verloren war; sie hatten sich bei dem Vorwerk Flarichsmühle am Abend des 14. Mai lieber noch einmal erlustigt, als daß sie ihren Brüdern zu Hülfe geeilt wären; in Heeringen angelangt, vernahmen sie die traurige niederschlagende Botschaft; in Unordnung zerstreuten sie sich heimwärts in ihre Dörfer. Eckstorm, Chronik von Walkenried. S. 149.

Die in Mühlhausen schrieben am 19. Mai an die Oberfranken, wie die Fürsten bei Frankenhausen »im Stillstand und guten Frieden« den christlichen Haufen überfallen und gewüthet haben, wie sie jetzt Mühlhausen selbst heimzusuchen gedenken, und wie nach ihrem Fall das Gleiche auch den Franken bevorstehe. Darum bitten sie durch Gott, der Liebe und Gerechtigkeit halb, ihnen bald aufs Allerförderlichste Beistand zu thun.

Als der Landgraf zuerst bei Eisenach in den Gebirgen war, hätten die Oberfranken, waren sie verständiger Weise ihm gefolgt, mit ihren Schützen ihn vernichten können. Noch jetzt, wenn sie auf den Ruf der Mühlhäuser hörten, und schnell alle zerstreuten kleinen Haufen zwischen der hohen Rhön und den Thüringer Bergen an sich 441zogen, und die Pässe oberhalb Eisenach besetzten, mußte Alles eine andere Wendung nehmen: denn der Bauern Tod, die Reiterei, war so wenig als das schwere Geschütz des Fürsten in diesen Gebirgen zu brauchen. Aber wie die Brüder auf der Fulda, wie die Brüder zu Frankenhausen, so wurden von den Oberfranken auch die Mühlhäuser im Stich gelassen. Wieder war es der Eigennutz, die Selbstsucht, daran die Volkssache scheiterte. In den lieblichen Gründen des Main kleine Schlösser zu plündern, und des Weins in Fülle zu haben, dünkte ihnen behaglicher als sich zusammen zu schließen, durch's Thüringer Gebirg sich zu winden und dem Fürstenheer die Spitze, den bedrängten Brüdern die Hand zu bieten. Statt Thüringen, bewegten sie sich dem Bambergischen zu, schrieben einen allgemeinen fränkischen Landtag nach Schweinfurt aus, als wär' es Zeit zum Tagen, nachdem die Fürsten einen Haufen um den andern geschlagen. Am 23. Mai schrieben die von Mühlhausen zum zweitenmal: »Wenn wir niederliegen, wird dasselbe euch widerfahren. Helft uns, seid getrost und mannlich, und Gott wird mit uns sein.« Aber wie die Oberfranken von dem Beschluß, denen vor Würzburg zuzuziehen, nur zur Sendung von einigen Fähnlein kamen, so kamen sie Mühlhausens wegen nicht einmal zu einem Beschluß; sie stritten sich in ihren Lagern über ihre verschiedenen Feldprediger und über die rechte Art, die Bibel auszulegen; es gab Parteiungen und Zwiespalt; des Haufens Schultheiß, Heinrich Krumpfuß, der wackere Goldschmied aus Römhild, sagte, er sei zu krank, um länger Schultheiß zu sein, und für ihn trat Hans Martell, Stadtschreiber von Königshofen, ein; auf ein Altweiber-Geschwätz hin kam selbst der oberste Hauptmann Schnabel in Verdacht, mit dem Grafen von Henneberg in geheimer Verhandlung zu stehen; und während sie so die Zeit vergeudeten, ging der feste Hort der Volkssache, das starke Mühlhausen, verloren. Friese, Handschrift.

Von Frankenhausen zog das Fürstenheer über Seebach, wo der vertriebene Hans von Berlepsch wieder eingesetzt wurde, und auch 20 Bauern zum Geschenk erhielt, sich an ihnen für seinen Schaden zu erkühlen; man lagerte zu Schlotheim. Noch einmal wagte hier ein kühner Bauernhauptmann, ein Büchsenschmied, das Volk in Bewegung zu bringen; er machte den Anschlag, das Geschütz des 442Landgrafen in der Nacht zu überfallen und wegzunehmen. Aber das Volk hatte Kopf und Muth verloren; es gelang ihm nicht, so viele aufzubringen, als zu der That nöthig waren. Zu Schlotheim vereinigten sich Churfürst Johann und sein Sohn und bald darauf auch Philipp und Otto von Braunschweig mit den verbündeten Fürsten, und Mühlhausen, das seit dem Abend des 19. Mai berannt war, wurde nun auf drei Seiten belagert. Die Dörfer wurden niedergebrannt. In der Stadt, in der Pfeifer befehligte, und 1200 Bürger in Waffen und mit Vorräthe auf lange versehen waren, zeigte sich schon auf das erste Schreiben der Fürsten, worin sie, unter Zusage der Schonung aller Unschuldigen, unbedingte Unterwerfung und die Auslieferung der Rädelsführer verlangten, bei einem Theil der Bürger Neigung zu Unterhandlungen. Diese wuchs, als Bresche geschossen und der Sturm vorbereitet wurde. Pfeifer widersetzte sich, so sehr er konnte, und von den gutgezielten Schüssen der Vertheidiger fiel mancher im fürstlichen Lager. Als aber kein Entsatz kam, als die Partei, die »lieber sich mit Gnaden strafen lassen, als mit Ungnaden Leib und Gut sammt der Stadt verlieren wollte,« die Oberhand erhielt, und mit dem Churfürsten von Sachsen Unterhandlungen anknüpfte, und er Alles verloren sah, entwich er in der Nacht des 24. Mai mit 400 seines Anhangs heimlich aus der Stadt, um zu den Oberfranken sich durchzuschlagen. Auch Andere entwichen. Die Bürger, welchen eben damit eine Hauptbedingung ihrer Begnadigung aus der Hand war, sahen sich Morgens bestürzt an. Sie sandten an diesem Tage, es war Himmelfahrt der 25. Mai, 600 ihrer Frauen mit zerrissenen Kleidern, nackten Füßen und fliegenden Haaren, und 500 Jungfrauen mit Wermuthkränzen auf dem Haupt, hinaus ins Fürstenlager, um Gnade zu erflehen, und den Fürsten ihren eigenen Brief zu überreichen, worin sie der reuigen Stadt zugesagt, aller Unschuldigen zu schonen. Frau Viebich machte die Sprecherin. Die Fürsten speisten sie mit Brod und Käse, erneuerten ihnen diese Zusage, und erklärten ihnen nur, daß die Bürger selbst kommen müssen. Und die Bürger kamen heraus baarhaupt und baarfuß, mit weißen Stäben in der Hand, in langem Zug, beugten dreimal vor den Fürsten ihre Kniee, und überlieferten ihnen gegen die schriftliche Zusage der Gnade die Schlüssel der Stadt. Sobald aber das fürstliche Kriegsheer »in dem Erzketzernest« war, legten sie den Bürgern auf, alle Waffen auszuliefern, der ewige 443Rath wurde abgesetzt, der alte wieder hergestellt, Bürgermeister Sebastian Kühnemund am Leben gestraft, mit ihm eine Reihe Bürger, »wie der Zufall oder Privathaß sie aufgriff, ohne Urtheil und Recht. Die Außenwerke der Stadt wurden der Erde gleich, die alte Reichsstadt zu einer Fürstenschutzstadt gemacht, ihr 300 Goldgulden als jährlicher Tribut an jeden der Fürsten auferlegt, dazu die Entschädigung aller Edelleute im Eichsfeld und Schwarzburgischen; alle Waffen, Pferde, Schätze aus der Schatzkammer wurden genommen, und die völlige Ausplünderung und Zerstörung nur durch 40,000 Gulden Brandschatzung abgekauft. Hier, im fürstlichen Lager von Mühlhausen, war es, wo ein Ritter vor Münzers unglücklicher, schwangerer, junger Frau öffentlich hinkniete und an sie begehrte, daß sie sich seinem Gelüste ergebe. Da mußte wohl selbst Luther ausrufen: Ich habe Beides gesorgt, würden die Bauern Herren, so würde der Teufel Abt werden, würden aber solche Tyrannen Herren, so würde seine Mutter Aebtissin werden.

Da die Fürsten nicht anders denken konnten, als daß Pfeifer zu den fränkischen Bauern über den Thüringer Wald wolle, hatten sie ihm sogleich, um ihm vorzubeugen, den Ritter Wolf vom Ende mit dem halben Theil der Reiterei nachgeschickt. Der ereilte ihn im Amt Eisenach. Es kam zum verzweifelten Kampfe. Ein Theil fiel tapfer fechtend, ein Theil entkam im Wald, Pfeifer, verwundet, wurde lebendig gefangen mit 92 der Seinen, und gebunden ins Lager vor Mühlhausen zurück gebracht, hier sogleich mit ihnen zur Enthauptung verurtheilt und mit ihnen hingerichtet. Er verschmähte Beicht und Sakrament und starb lautlos, ohne Furcht und ohne Reue, mit der Todesverachtung eines Kriegsmannes; sein letzter Blick Trotz gegen die Feinde.

Auch Münzer wurde aus dem tiefen Thurm zu Heldrungen hervor und ins Lager vor Mühlhausen geholt, um hier, an den Wagen festgeschmiedet, enthauptet zu werden. Als er im Ring war, da traten sie vor ihn hin, die Fürsten, und Herzog Georg machte sich zuerst daran, dem Reformator beichtväterlich zusprechen und ihn bekehren zu wollen. »Laß dir leid sein, Thomas, hub er an, daß du deinen Orden verlassen hast, und die Kappen ausgezogen und ein Weib genommen.« Und der junge Landgraf fiel ein: »Münzer, laß dir das nicht leid sein; sondern laß dir das leid sein, daß du die aufrührerischen Leute 444gemacht hast, und traue dennoch Gott, er ist gnädig und barmherziger, er hat seinen Sohn für dich in den Tod gegeben.«

Da erhob sich der Angeschmiedete; weder die grünlichen Marter der Folter und der Haft, noch der Anblick des Todes hatten die Kraft dieses Geistes zu lähmen oder zu brechen vermocht. Laut und zusammenhängend sprach er im Ring. Er gestand, daß er »allzu Großes, daß er über seine Kräfte Gehendes gewagt habe, » Majora justo« schreibt Melanchthon an Cammerar; zu deutsch: allzu Großes, übermäßig Großes. Das übersetzte man später flugs weg in die Worte: Münzer habe »sein Unrecht« bekannt. Daß Münzer kleinmüthig beim Ende gewesen sei, davon findet sich in allen ältesten Nachrichten keine Spur; nur Melanchthon redet dieses ihm nach, setzt aber selbst hinzu, er habe die oben angegebene Rede gehalten. Solche Widersprüche konnten nur neben einander Platz finden in einem Kopfe, in welchem die Leidenschaft des Augenblicks das Urtheil verwirrte. Jedermann weiß, daß man im Wundfieber brennenden Durst hat. Wenn Münzer viel Wasser trank, so trank er es aus Durst des Wundfiebers, der Folge seiner Zerfolterung, nicht aus Todesfurcht, wie die Wittenberger faselten. und redete den Fürsten ernst ins Gewissen, mit Vermahnung, Bitte und Verwarnung, daß sie den armen Leuten, ihren Unterthanen, nicht mehr so gar hart sein sollen, so dürfen sie solcher Gefahr nicht mehr gewärtig sein. Sie sollen fleißig in den heiligen Schriften lesen, zumal in den Büchern Samuelis und der Könige, dort werden sie Beispiele genug finden, was Tyrannen für ein Ende nehmen, und darin mögen sie sich wohl spiegeln.«

Nach dieser Rede schwieg Münzer und erwartete den tödtlichen Streich. Herzog Heinrich von Braunschweig, der wähnte, ein Geist wie Münzer, mit solchen Ueberzeugungen und Grundsätzen, werde, wie es Brauch war, wie ein anderer armer Sünder, das Credo vorher noch herbeten, und meinte, die Todesfurcht nur lasse ihn die Worte nicht finden, betete ihm den apostolischen Glauben vor. Dann fiel der Streich, sein Rumpf wurde gespießt, der Kopf am Schadeberg auf einen Pfahl gesteckt, Pfeifers Kopf am hohlen Wege nach Bollstedt zu, wo der letztere noch lange Zeit zu sehen war.

So war Münzers Leib getödtet, gewaltsam gebrochen das noch jugendliche Gehäus eines der kühnsten Geister, ehe dieser in sich die läuternde Krise durchgemacht, ehe er ins Mannesalter gereift war; 445ein größerer Verlust für das deutsche Volk, als für ihn. Luther, der Münzers Benehmen richtig faßte und »keine Spur von Reue, nichts als Trotz und Verstocktheit bis ans Ende« an ihm sah, konnte seine Schadenfreude über sein Schicksal in Heldrungen und über seinen Ausgang durchs Henkerschwert nicht verhalten. Er vergaß, daß das äußere Ende vor Denkenden weder Licht noch Schatten auf eine Persönlichkeit zu werfen vermag, daß die Geschichte bald die Edelsten, bald die Verworfensten auf dem Schaffote zeigt, und daß, was der Lebensstrom der neuen Zeit wurde, Blut war, auf einer Schädelstätte vergessen.

Luthern voraus an Einsicht in politischen und selbst in einzelnen religiösen Dingen, nicht so sehr Schreckensmann, nicht so despotisch und blutig als Calvin, mit welchem er es theilte, im Vertrauen auf Gott und das Gerechte seiner Sache, Menschen zu opfern, ist Münzer den Umständen und Einem Irrthum unterlegen. Den Fürsten gegenüber war er über alle Selbsttäuschungen erhaben: Luther mußte später bekennen, daß er in den Fürsten sich schmerzlich getäuscht habe. Aber im Volke hatte Münzer sich geirrt, sich verrechnet. Wie mit seinen Gedanken seiner Zeit, war er mit seinem Wagen und Thun seinem Volke vorausgeflogen. Die Verfassung des öffentlichen Lebens, wie er sie vorfand, und die er als eine dem Geist des Christenthums widerstreitende erkannte, war noch so gut befestigt, daß nur dauernde Begeisterung des Volkes sie umzuwerfen vermocht hätte: aber der Geist des Christenthums war noch lange nicht im Volke erstarkt genug, um eine solche Erhebung des Volksgeistes zu wirken und die Klammern der bestehenden Verhältnisse zu sprengen. In der eigenen Begeisterung legte Münzer einen falschen Maßstab an das Volk und irrte über seine Mündigkeit und seine Kraft, bis ihn die offenliegende Selbstsucht der Masse enttäuschte. An dieser Selbstsucht, an der Unreife, an der Unmacht der Zeit unterlag er, einer Zeit, die es gerne von ihm hörte, daß er gekommen sei, wie vom Geistestod, so auch vom Leibestod sie zu erlösen, und daß Knechtschaft und Leibeigenschaft nichts Anderes sei als der Tod, die aber noch in eben diesem Tod befangen und noch zu schwach war, um für das, was sie wollte und begehrte, für die neue Idee sterben zu können. Münzers ganzes Leben ist Eine Consequenz. Er hatte frühe, zu einer Zeit, da Andere noch kindisch träumen, angefangen, wahrhaft zu leben, das heißt, 446für sein Volk zu fühlen, zu denken und zu wirken; aber noch waren der für das Alte Besorgten zu Viele und zu Rüstige, die, was er an der Mauer des Bestehenden brach, behend wieder zubauten. Der Geist der Zukunft drängte ihn vorwärts, die Zukunft muß ihn richten. Wenn der Same, den er eingesenkt und mit seinem Blute gefeuchtet, auf dem Boden des Lebens in goldenen Aehren steht, dann werden wohl auch viele seiner Worte und Gedanken, die von seinen Zeitgenossen als Irrthum und Fluch bezeichnet wurden, wenn auch als unreif und vorzeitig, doch als eine Wahrheit und als ein Segen, er selbst als ein Werkzeug der höhern Macht erkannt werden, wie es schon mit so mancher Revolution in der Politik, der Wissenschaft und der Religion und mit ihren Urhebern ergangen ist. Noch muß der Geschichtschreiber einen heftigen Widerspruch von Vielen fürchten, wenn er auf Thomas Münzers Grab die Krone derer heftet, die für ihre Ueberzeugung starben. Und doch, wie nach der Christuslehre das Weltgericht Gottes, wiegt die Geschichte nicht bloß das Gewordene und Vollbrachte, sondern auch das Denken und das Gedachte, das Wollen und das Gewollte. Und es ist ein eigenes Geschick: unter den Disteln und Dornen, womit die Verläumdung sein Grab überflocht, sind derselben auch große frische Lorbeerblätter entfallen; diese sammelt die Geschichte und flicht sie zum Kranz. Ein Steinbild vor Langensalza hieß lange im Volke »das Münzermännchen.«

Noch lange nach seinem Tode hatte Münzer »einen großen Anhang heimlicher Jünger in Thüringen, die ihn als einen frommen gottesfürchtigen Mann ehrten, und seine hitzigen Episteln als eines heiligen Mannes Werk entschuldigten, der es aus einem göttlichen Eifer gethan, dessen Geist und Wort Niemand urtheilen könne.« Sebastian Frank.

Noch gehet sein Geist um in Europas Gauen, läßt sich manchmal noch hören aus den Hütten des Landmannes, haucht über die heiße Stirn des Denkers bei mitternächtlicher Lampe, hallt nach in manchem Vortrag, mancher Forderung redlicher Volksvertreter. Wichtiger als Münzers »Runenschwert« in Dresden, bleiben seine Ideen. Quellen für Münzers Ausgang: eine Reihe thüringischer alter Chroniken. Melanchthons Historie Münzers. Alte Erzählung bei Schunk. Lauze, Handschrift bei Rommel. Haarer. Manlius Collecian. II. 135. III. 25. Luthers Werke XVI. Strobel. Treitschke. Seidemann. Fr. Stephan's Mittheilungen aus dem Mühlhauser Archiv.

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Es hat Solche gegeben, und darunter wissenschaftliche und verständige Männer, welche Münzers geistige Fähigkeit nieder anschlagen zu dürfen glaubten, und in ihm nur einen eiteln Thoren sahen, der vor Allen sich selbst betrogen habe, über seine Kraft und seine Bestimmung; und denen seine Plane wie Tollhäuslerplane vorkamen. Diese haben übersehen, daß, was mächtig genug ist, fortzuwirken in der Welt, Jahrhunderte hindurch, und was im Laufe derselben durchdringt und sich verwirklicht in Staat und Kirche, seinen Ursprung nicht aus der Unvernunft haben kann, sondern daß ursprünglich Vernunft gewesen sein muß in demjenigen, welcher die erste Idee davon hatte, und, diese Idee ins Leben einzuführen, keine Ruhe und keine Rast, keinen Genuß des Lebens sich gönnte, ja alles Glück des Herzens und alles Glück äußerlicher Stellung, das Leben selbst daran setzte, um dieser Idee Leben zu geben auf dem Boden der Wirklichkeit, in der Anerkennung der Menschen und in der Geltung unter den Menschen, in der Herrschaft über die Zeit. Vieles von Münzers Ideen ist verwirklicht worden, und hat Völkerglück begründet und Staaten groß gemacht: denn es ist nicht schwer, ja unabweisbar, den Sieg dessen, was ursprünglich zu Münzers Ideen gehörte, wieder zu erkennen in dem, was nicht bloß mitwirkte, sondern vorzugsweise wirkend war in Staatsumwandlungen diesseits und jenseits des Meeres.

Es wäre ein leichter Witz, das so zu deuten, als wollte damit gesagt werden, diese Staatenbildungen haben Thomas Münzer zum Vater. Wer zu denken und zu prüfen begabt genug ist, wird finden und zugeben, daß, was mit dem Vorhergehenden gesagt ist, einfach wahr ist: das, was jenen Staatenbildungen innewohnte als ihre Idee, floß aus derselben Vernunft, und zwar aus der christlich-gebildeten Vernunft, welche sich zuerst in dieser Weise im Gemüthe des Thomas Münzer so mächtig offenbarte, daß sie zuerst Geist in ihm wurde, dann Geist in Vielen, hernach Geist in der Zeit, und zuletzt der Geist, der diese Staatenbildungen vollbrachte.

Vieles, was noch religiös und politisch in der Welt treibt, läßt sich zurückführen auf Münzer, als auf den Punkt, von welchem die erste Anregung dazu ausging; Einiges davon hat die Zeit von den 448Schlacken gereinigt, Anderes davon ist noch in der Läuterung begriffen, und erscheint darum öfters noch nur als Verirrung, nicht als Wahrheit.

Diese Fortpflanzung und Fortwirkung der von ihm zuerst laut ausgesprochenen Gedanken, und zugleich die Thatsache, daß er auf die Menschen so viel Einfluß und sich so viel Anhang gewann, von unbedeutender Stellung aus so lange ein gefürchteter Widerpart gegen die höchsten Gewalten in Kirche und Staat war, und von allen Seiten angegriffen und verfolgt, nach allen Seiten hin kämpfte mit dem Schwerte des Geistes – das hat unter allen Ansichten und Farben dem tragisch untergegangenen Kämpfer, wenigstens die Anerkennung errungen, daß er ein ungewöhnlich begabter Mensch gewesen sein müsse. Selbst H. Leo gesteht ihm dies zu, Ev. Kirchenzeitung. 30. 1856. Doch fehlt seinem Aufsatz die urkundliche Kenntniß der Thatsachen, und darum meist die Wahrheit.

Gerade weil er seiner Zeit so über alles Maß hinaus voraus flog, wurde er von ihr nicht erkannt, sondern verkannt. Weil »sein Geist, gleichsam ein tiefer Hohlspiegel, in Luftgestalten darstellte, was spätere Zeiten in die Wirklichkeit einführen sollten, und weil die anderen, nicht so wie er gearteten Geister dafür verschlossen und unempfänglich blieben,« G. E. Treitschke, allgemeines historisches Archiv I., 63. glaubten Viele ihn verlachen, ihn verachten zu dürfen, und erst die spätere Zeit half ihm zur Würdigung seiner Bedeutsamkeit.

Münzer war nicht das, was man einen großen Mann nennt: aber er war ein außerordentlicher Mensch, und »ein Mikrokosmus der Zukunft, ein Geist, in welchem sich manche Erscheinungen lange nach ihm kommenden Ganges der menschlichen Bildung im Voraus abspiegelten.« Ebendaselbst. Münzer wäre ein großer Mann gewesen, wenn er neben seiner Phantasie und seiner vielseitigen Empfänglichkeit, neben seinem lebendigen, für die Menschheit offenen und tiefen Gemüth, neben seiner Beredsamkeit und Begeisterung auch diejenigen Eigenschaften gehabt hätte, die dazu gehörten, um das, was er wollte, zu verwirklichen; wenn er ebenso viel Talent, die Dinge wie sie lagen, praktisch zu ergreifen und thatkräftig zu handeln, gehabt hätte, als er hoch flog in seiner poetischen Excentricität, und geschickt war, in den Tiefen des Volkes zu wühlen und aufzuregen.

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Was ihm fehlte, konnte er andern nicht geben. Die Meisten seines Anhangs wußten besser zu beten, zu singen, über Fürsten und Pfaffen und über die Ungleichheit unter den Menschen zu fluchen, zu plündern und zu theilen, als zu fechten und militärische Ordnung zu halten, überhaupt mit kaltem Verstand und mit Benützung der gegebenen Verhältnisse und Mittel nachdrücklich zu handeln. Diese deutschen Revolutionäre des Thomas Münzer glichen in Vielem späteren deutschen Revolutionären; sie verloren sich in Träume von der Zukunft und erwarteten die glückliche Erfüllung derselben nicht von sich selbst, von der eigenen Kraft und That, sondern von Außen her, von günstigen Ereignissen und Wendungen. Besonders glichen die Münzer'schen den neuzeitigen Communisten und Sozialisten mit ihrer leicht entzündlichen Einbildungskraft und ihrem Nichtsthun. Was Münzern und den Seinen fehlte, das hatten später Cromwell und seine Heiligen. Diese folgten auch dem, was der Geist, der nach ihrem Glauben von Oben erleuchtete Verstand, die innere Offenbarung, ihnen eingab, sie beteten und sangen und schwärmten, Cromwell betete und predigte; aber er und die Seinen hatten dabei die durchschlagende Kraft, Eifer, in den Waffen sich zu üben, militärischen Gehorsam Und militärischen Muth; sie waren Krieger Gottes, wie einst die Makkabäer. Münzer war, wie er selbst sagte, sein Leben lang nie ein Krieger gewesen. Aber auch Cromwell war nie Soldat gewesen, und doch war wie über Nacht das militärische Genie in ihm hervorgebrochen, der Augenblick, den er erfaßte, schuf aus ihm den trefflichen Kriegsführer; er hatte nicht nur Innen die Begeisterung, sondern auch eine eiserne Faust, und ein Auge für das, was die Wirklichkeit erforderte, während Münzers Blick, der für die Wirklichkeit niemals Schärfe genug hatte, im Augenbliche der Gefahr sich verwirrte und irrte. Im Feldlager war er Nichts, er vermochte nicht einmal seinen Haufen in Zucht und Ordnung zu halten; seine Leute thaten, was er nicht wollte, und er vermochte Nichts wider den Willen und das Geschrei der Masse im Lager.

Grausam ist weder Pfeifer noch Münzer gewesen; habsüchtig war keiner von beiden. Beide sind, urkundlich, arm gestorben Kein Blut ist geflossen durch sie, weder durch Pfeifer, noch durch Münzer, so lange sie in und um Mühlhausen die Oberhand hatten.

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Zu allen Zeiten ist die Reaktion grausamer gewesen als die Revolution; und selbst, wenn die Mitschuld Münzers an einigen Hinrichtungen erwiesen wäre, wie sie es nicht ist, so wäre das gegenüber der Rache der Fürsten ein Tropfen neben einem Eimer voll Blut.

Durch die Verurtheilung Mühlhausens zu dem schweren Schadengeld und Strafgeld und Erbschutzgeld wurden gerade diejenigen getroffen, welche der Volksbewegung entgegen gewesen waren, die reichsten Bürger der Stadt. Der Syndikus von Ottera aber erhielt zum Lohn für seine Thaten von den Fürsten eine Erhöhung: er wurde als fürstlicher Schultheiß über die Stadt und über die Dörfer gesetzt.

Der altgläubige Herzog Georg von Sachsen hatte das erste Jahr Schirmherr über die Stadt zu sein. Der neue Rath, welcher aus den Häuptern des alten Stadtadels sich wieder zusammensetzte, hatte nur die Aenderung, daß fortan nur noch Jahresweise drei Rathscollegien wechselten, aber wie früher war es wieder der abtretende Rath, welcher allein den nachfolgenden Rath zu wählen hatte. Alles in der Stadt wurde wieder altgläubig, strenger altkirchlich, als zuvor, hergestellt. Der Einzelne mußte sich fügen, wollte er nicht dem Arme der härtesten weltlichen Obrigkeit verfallen; und in den Augen des streng katholischen Herzogs Georg war, wie in den Augen der Bayerfürsten und ihres Kanzlers Eck, Lutherthum und Bauernkrieg, lutherisch und revolutionär, ganz eins und dasselbe, und das Eine sollte, wie das Andere, ausgerottet werden.

Der Rath hatte mit dem Verlust des Gerichts und der Dörfer sein Haupteinkommen verloren, und dabei lagen nun auf ihm nicht nur die althergebrachten Schulden der Reichsstadt, sondern auch die Forderungen des Reiches, die auf den Sühnebrief gestützten Forderungen der Fürsten und des Adels weit umher. Diese äußerste Geldbedrängniß trug dazu bei, daß der neue Rath, an und für sich schon und vorn herein feindlich gegen die bei der Revolution Betheiligten, noch feindlicher und schärfer gegen sie vorging. Ein Schreckensregiment mit Schwert und Folter, in der Hand fiskalischer Habsucht, kam an die Tagesordnung. So viel, als dazu nöthig war, hatte auch unter dem Fürstenregimente der Rath noch an Gewalt; im Gerichte war ihm der Rechtsspruch, und außerhalb des Gerichtes das grausame mittelalterliche Recht des Gebots und Verbots geblieben. Alle, 451 die beim Einzug der Fürsten sich nicht in der Stadt befanden, wurden als Aufrührer behandelt, welche Gut und Blut verwirkt haben. Viele waren nur, weil sie Luther und seiner Lehre anhingen, geflüchtet, als der zurückgekehrte altgläubige Stadtadel mit dem streng altgläubigen Herzog Georg siegreich in die Stadt kam. Weil lutherisch, wurden sie als aufrührerisch behandelt, ohne alle Rücksicht darauf, daß der Kurfürst von Sachsen und der Landgraf von Hessen ja selbst der neuen Lehre offen zugethan waren.

So wenig Schutz hatten selbst die, welche gleichen Glaubens mit diesen beiden neuen Schirmherren der Stadt waren, von den Letzteren. Die Art, wie sie die evangelische Stadt Mühlhausen, um sich in die Siegesbeute zu theilen, dem andersglaubigen Herzog Georg preisgegeben hatten, überließ ihre Glaubensgenossen den Maßregeln zum Opfer, welche der katholische Rath, gehetzt von dem übrigen Stadtadel, durchführte, und für welche er den Herzog Georg zum Vorwand und zum Beistand hatte.

Durch die schreienden Thatsachen von der großen Härte dieser Maßregeln, die sie wenigstens mittelbar mit herbeigeführt hatten, augenscheinlich überzeugt, konnten diese Fürsten es kaum vom katholischen Rath erlangen, daß er wider die Flüchtigen, welche nur um des Glaubens willen geflohen waren, die persönliche Verfolgung aufgebe um den Preis der Hingabe ihres ganzen oder ihres halben Vermögens an die Stadtkasse. Gegen die, welche bei der Volksbewegung vorn daran waren, behielt sich aber der Rath dennoch die persönliche Verfolgung vor. Mit dem Verkauf des Eigenthums wurde so geeilt, daß kleine Häuser für ein paar Gulden ausgeboten wurden; aber die Stimmung war so, daß große und kleine Häuser zum Theil keinen Käufer fanden, so niedrig sie auch der Versteigerer aufthat. Fr. Stephan aus dem Mühlhäuser Archiv.



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