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Einundzwanzigstes Kapitel.

Ausgang in den Alpen.

. Die Regierung zu Innsbruck hatte schon am 1. Oktober 1525 einen offenen Befehl erlassen gegen die »vielen unnützen, ungeschickten, erdichteten und unwahrhaftigen Worte und Reden, als werde des Fürsten Durchlaucht die Begnadigung nicht halten, die Sonderbeschwerden nicht mäßigen und Derlei; seien doch mehrere bereits erledigt, die anderen werden erledigt werden; auch sei gegen Niemand eine Strafe vorgenommen worden, als gegen die, welche den Landtagsabschied gar nicht angenommen, oder auch seit der Begnadigung und trotz der Annahme des Abschieds neuer Uebertretungen sich schuldig gemacht haben.«

Aber das, was geschehen war und noch geschah, sprach laut gegen diese Worte.

Wie die erzherzogliche Partei in Innsbruck, trieb die erzbischöfliche es in Salzburg. Auf den 30. Januar 1526 hatte der Erzbischof einen Landtag einberufen, wie er ihm genehm war. Durch diesen Reaktions- und Angstmännerlandtag ließ sich der Kardinal 575eine Ehrenrettung schriftlich ausstellen, Ende Februars 1526. Darin sagten die Herren dieses Landtags, sie »befinden freiwillig und einhellig Seine fürstliche Gnaden und deren Räthe und Diener unschuldig; Seine fürstliche Gnaden haben nicht dermaßen tyrannisch und ungebührlich regiert, sondern ehrlich und löblich. Die Fürsten des Reiches bitten sie, jenen sträflichen Schmähschriften, Schandliedern, Sprüchen und bösen Nachreden auf den Erzbischof, den peinlichen Fragen und Bekenntnissen keinen Glauben schenken zu wollen, sondern sie zu vertilgen, und gegen die, welche solche Schmähschriften und Schandlieder, Sprüche und andere böse Nachreden auf Seine Gnaden ferner auszubreiten, zu singen und unter die Leute zu bringen sich unterstehen, nach der Gebühr zu handeln, damit Solches gänzlich abgestellt werde.«

Jedermann wußte im Reiche, was von dieser Ehrenerklärung zu halten war, und es war damals Niemand so dumm, diese Gegenerklärung der Landschaft von 1526 gegen das Rundschreiben der Landschaft von 1525 für feierliche Wahrheit, und die Seite, von der sie kam, für die »competenteste Seite« ausgeben oder gar nehmen zu wollen.

Von der salzburgischen Landschaft des Jahres 1525, mit welcher und deren Ausschüssen der Fürstbischof so lange Verhandlungen gepflogen hatte, sprach er jetzt als von »hergelaufenen, unruhigen und aufrührerischen Leuten,« und der Landtag von 1526 sprach ihm das nach. Auch behauptete der Kardinal auf diesem Landtage, »der Aufstand im vorigen Jahre sei mehreren Theils durch muthwillige und lügenhafte Possen auferweckt worden.« Der Gold »sei eine fromme Person, wie alle seine Räthe,« und der Landtag gab es ihm schriftlich, daß die Städte, die Prälaten und andere Herren, welche die Wahrheit des Rundschreibens von 1525 besiegelt hatten, dazu » gedrungen« worden seien. In Betreff seiner übeln Finanzwirthschaft, namentlich der letzten Auflage durch das Umgeld, von welcher alle Geistlichen frei blieben, weil diese kein Umgeld zahlten, sagte der Erzbischof auf dem Landtag, er wisse wohl, daß das Umgeld viel Geschrei gemacht habe, aber der Landtag von 1523 habe es ihm ja bewilligt, und andere Punkte, über die man sich beschwert habe, selbst ihm an die Hand gegeben; auch seine Mandate gegen 576» die lutherische Sekte« angenommen. Dann beklagte er sich: »Es werde vielen Schladmingern und anderen bösen Buben, namentlich aufrührigen Rädelsführern und lutherischen Predigern, in mehr als einem salzburgischen Gerichte im Gebirg Aufenthalt gegeben, den fürstlichen Erlassen zuwider. Es haben sich Etliche unterstanden, zu wehren, daß die vierzehntausend Gulden vertragsmäßiger Kriegskosten dem Erzbischofe bezahlt und die Stift- und Herrenforderungen gereicht werden. An etlichen Orten seien die fürstlichen Amtleute, die ihnen fürstliche Befehle eröffneten, geschmäht und bedroht, einer sei sogar todtgeschlagen worden. In etlichen Gerichten seien während des gegenwärtigen Landtags Versammlungen und Besprechungen gehalten worden, ohne Erlaubniß der Obrigkeit; sie haben Hauptleute gewählt, den Glockenstreich bestellt, eine Buße, nämlich einen Monat Sold, darauf gesetzt für Jeden, welcher zu dem Glockenstreich mit seiner Wehre nicht zulaufe, und etliche gehorsame Gerichte verhindert, den Landtag zu beschicken, ja sie zu neuem Aufstande zu bewegen sich unterstanden. Die abmahnenden fürstlichen Boten haben sie spöttlich gehalten, und sich gerühmt, sobald die Stauden grün werden, wollen sie sich Recht holen, und allen Adel und alle Herrschaft vertilgen. Sie wollen es diesmal mit anderem Ernst angreifen als fernd (d. h. als vorm Jahr).

Zu Daxenbach unter der Rauriß hielten die Pinzgauer während des Landtags zu Salzburg einen eigenen Landtag, einen Gegenlandtag. Hier wurde erklärt, daß der vom Erzbischof zusammengesetzte Salzburger Landtag nicht anerkannt und darum nicht beschickt werden könne. Die Salzburger Landschaft verordnete eine »treffliche Botschaft« an die Bauerntagsatzung zu Daxenbach, »sie von ihrem bösen Fürnehmen gütlich abzuweisen.« Sie wurde spöttlich abgefertigt.

Die »gehorsame Landschaft« zu Salzburg bewilligte dem Erzbischof hunderttausend Gulden Schadloshaltung und zweitausend Knechte auf Landeskosten, um die dem Vertrag Ungehorsamen zum Gehorsam und zur Strafe zu bringen. Die verheißene neue Landesordnung wurde nicht verabschiedet; die Hauptbeschwerden, deren Erledigung zugesagt gewesen war, waren unerledigt, als der Erzbischof den Landtag schloß, um mit einem Ausschuß weiter zu verhandeln. 577 Riebeisen warb in München und beim schwäbischen Bund um Hülfe: wie die Stauden grünten, stand das Pinzgau, stand das Pongau in den Waffen. Aus den Briefen niedergeworfener fürstlicher Boten hatten die Bauern ersehen, daß der Erzbischof fremde Kriegsvölker ins Land rufe. Das stimmte Viele, die sonst treu und ruhig geblieben wären, gegen den Fürsten.

Dieser hatte seinen Hofmarschall, Wigelius von Thurn, um Ostern mit einem Haufen Geworbener und anderer Knechte ins Pinzgau geschickt, »die Strafmäßigen abzuholen, welches sie nicht verstehen, sondern sich lieber um ihre Haut wehren wollten.« Eigene Worte Dückhers, des salzburgischen Hofraths, S. 239. Ein Brief war dem Marschall vorausgegangen, worin die Bauern verwarnt wurden, der Marschall wolle sie auf die Fleischbank liefern. Der Kardinal sagte nachher, der Empfänger des Briefes, der zwei große Siegel gehabt, habe die Bauern beredet, das Schreiben komme von den baierischen Herzogen.

Bei Zell sah der Marschall Mittersiller und Niedersiller, Brucker, Daxenbacher, Puesendorfer und Zeller gegen sich kommen, und er zweifelte nicht, daß sie ihm zu Hülf und Beistand da seien. Aber sie zogen ihm mit gewehrter Hand und aufrechten Fähnlein zwischen Zell und Saalfelden unter die Augen, zwangen ihn zum Rückzug aus dem Gebirge, und während sie ihn mit Verlust vor sich her jagten, brachten sie durch Briefe und durch Gewalt einzelne Flecken und ganze Gerichte in ihren Bund. Glemb, Leugang, Saalfelden, Lofen und Unken, das ganze Land bis an die baierische Gränze hatten sie mit Blitzesschnelle an sich gebracht. Jammernd schrieb der Kardinal am 7. April an die Reichsstände: »man solle doch nichts sparen, solchem neuen Aufstand und solchen neuen Bündnissen zu begegnen, es sei denn, daß man dieses Orts ein neu Schweizerland entstehen und einwurzeln lassen wollte, das sich bald so weit aus den engen Gebirgen ausbreiten würde, daß es nicht allein ihm, dem Kardinal, sondern allen seinen Nachbarn und allen Ständen des schwäbischen Bundes überlegen und beschwerlich wäre.«

Der Erzbischof ließ sich vom Gesandten des Herzogs Ludwig von Baiern und des schwäbischen Bundes die Erklärung ausstellen, 578daß er keinen Grund zu den vorjährigen und den neuen Unruhen gegeben habe; hatten sie ihn doch sogar in den schwäbischen Bund aufgenommen. Es war umsonst, daß Nürnberg durch seinen Gesandten auf dem Bundestag erklärte, »der Bund wäre mehr pflichtig, den armen Unterthanen in Salzburg zu helfen, als dem Erzbischof, der durch Hülfe des Bundes sich nur bei seiner offenbaren Tyrannei erhalten wolle. Der Geistlichen und besonders der Bischöfe Gemüth sei allein dahin gerichtet, wie sie durch Hülfe des Bundes sich bei ihrer Pracht, ihren offenbaren Tyranneien und Mißbräuchen, bei ihrem Brennen, Schinden und Schaben der armen Leute handhaben, und allerlei Abgötterei wieder aufrichten, die evangelische Lehre aber mit Gewalt austilgen möchten, unter dem Schein, als ob sie zum Aufruhr diene. Man habe von glaubhaften Handelsleuten gewisse Nachricht, daß der armen Pinzgauer Meinung gar nicht sei, ihren Herrn zu überziehen, sondern nur, daß der Vertrag gehalten werde.« Der Erzherzog und die Aristokratie besorgten, das ganze Gebirgsland dürfte mit Hülfe Venedigs und der Schweiz sich frei machen, und das deutsche Land aufs Neue sich aus diesen Gauen herüber entzünden. –

Es schlief im deutschen Lande nur unter der Asche, das Feuer; es knisterte schon da und dort; es drohte aufzuflackern. Die Plackereien der Sieger, die unersättlichen Brandschatzungen, welche Unschuldige wie Schuldige ohne Rücksicht trafen, und zwei, drei, ja wohl achtmal eingefordert wurden, vom schwäbischen Bund, vom Landesherrn, vom Grundherrn, Man sehe den Prozeß Berlichingens mit dem Mainzer. Auch viele Urkunden im Stuttgarter Staatsarchiv. brachten das Volk der Verzweiflung nahe; ebenso die Entschädigungsklagen: Die Grafen von Hohenlohe z. B. forderten bloß von Rotenburg, weil Rotenburger bei der Zerstörung von Schillingsfürst gewesen, nicht weniger als 20,000 Gulden; von Hans Schikner die Zahlung ihres ganzen Geschützes, weil er den Brief, darin die Bauern es forderten, mit unterschrieben habe. Zerrissen wurden nicht nur die von den Herren beschworenen, hinterlegten, besiegelten letzten Vertragsbriefe, zerrissen auch die Jahrhunderte alten Freiheits- und Rechtsbriefe, statt der im Aufstand verbrannten Steuerurkunden neue verfaßt und aufgedrungen, mit aufs Höchste gesteigerten Leistungen. Dazu kamen theils 579barbarische, theils durch das Seltsame ihrer Art schwer kränkende Strafen: Neben den Verboten, Waffen zu tragen, die Verbote der Zusammenkünfte, der Volksversammlungen, der Kirchweihen, des Wirthshausbesuchs, Verurtheilungen, einen halben Bart zu tragen, Brandmarkungen auf Stirne und Wangen u. s. w. Zu Raunau, bei Ulm, wurden die Bauern verurtheilt, 6 Wochen Schleier zu tragen in und außer dem Hause, zu Leipheim und Langenau manche Frauen, auf die Kleider gemalte Schwerter und Schilde; auch ein Hauptschmuck jener Gegend, »Gukelhäuser und Hoyerles,« wurden allen dasigen Weibern untersagt. An der Stelle der Häuser der besten Volksfreunde sah man Schandpfähle oder die bloßen Säulen stehen ohne Dach und Wände. Ulmer Rathsprotokoll. Holzwart. Niklas Thomann. Zehntausend waren im Gebiete des schwäbischen Bundes hingerichtet worden, 1200 richtete Berthold Aichelin bis Ende 1526 mit eigener Hand; zudem hatte er bereits ein neues Verzeichniß solcher, die übersehen worden, und deren Hinrichtung nachgeholt werden sollte. Bundesakten. Die Waisen und Wittwen der Hingerichteten bewegten zu Mitleid und Rache: »denn die Henker verdienten viel Geld: es war fast kein Herr, der nicht etliche hinrichten ließ.« Holzwart, Handschrift. »Nach dem Sieg ging ein Spiel an, das gab Gut, Geld und Blut: Adel, Prälaten und Fürsten straften ihre Bauern.« Niklas Thomann, Handschrift. Auf den Straßen, in den Wäldern, bei den abgebrannten Dörfern fand man Weiber und Kinder, die Hungers starben. Niklas Thomann. Insgeheim gingen viele Leute und Schriften im Lande um, mit Rath und Wort, man solle sich den vorigen Verlust nicht abschrecken lassen, man solle sich wieder sammeln und fechten wider Gottes Feinde und den Landschaden: seien auch die Gottlosen jetzt obgelegen, der Sieg werde ihnen nicht lange gedeihen, denn ihre Bosheit sei groß gewachsen, durch Vergießen unschuldigen Blutes und durch Erneuerung des Reiches des Antichrists.« Das Alles wurde mit Belegen aus der Schrift verstärkt. (Richter 16. 20. Judith 5. Matth. 7). Wohl warnten Andere dagegen, dieser unruhigen Leute Odem sei glühende Kohle, und aus ihrem 580Munde fahren Fackeln und feurige Brände. Eberlins getreue Warnung an die Burgauer. Der Gewissens- und Glaubenszwang, die Verfolgung des Evangeliums, griff den Meisten fast noch tiefer als Anderes an's Herz. Schon hörte man viele Stimmen aus den Bauern, man müsse wieder aufstehen. Kaufbeurer Archiv. Auf der großen Haide bei Königshofen, auf den Gräbern der Tausende dort erschlagener Brüder, sah man heimlich Gruppen von Landleuten sich sammeln und sich besprechen. Die Bauern hatten eine eigene Losung, woran sie unter sich Sinn und Farbe erkannten. Kam einer mit einem andern irgendwo zusammen, so fragte er: »Was liegt dir an?« und antwortete der Gefragte: »Was dir anliegt, liegt mir auch an,« so vertrauten sie einander ihre Heimlichkeiten und Plane. Eingefangene gestanden auf der Folter, »es werde bald wieder recht zugehen.« Lutz Taschenmachers Urgicht. Bundesakten Fasc 99 a. Nr. 31. Drohend saß im Hegau der Mann von Twiel, Herzog Ulrich; er hatte viele der bekanntesten Ausgetretenen an sich und um sich, zumal aus dem Neckarthal: Da sah man Endres Remy von Zimmern bei dem Herzog; da Gabriel, den Fähndrich Jäcklein Rohrbachs; da den starken Bauer von Großgartach. Zu Straßburg, zu Bockenheim lagen vom Bund verabschiedete Landsknechte; sie warteten, bis der Herzog losschlage; und im Lande hieß es, er werde wieder kommen. Unter den Flüchtlingen zu Straßburg war namentlich Bernhard, Schultheiß Weldners Sohn; der hatte sogar »einen Druck,« und vertheidigte seine Partei, vor Allen Jakob Rohrbach. Bundesakten Fasc. 99 a. Nr. 31.

Das Bergwerk zu Bramberg, Michael Grubers Heimath, schloß sich nicht an die Aufständischen an, sondern die Bergleute ließen Weib und Kind, Hab und Gut zurück und entwichen. Zu Radstadt wurde der erzbischöfliche Pfleger, Christoph Graff, von den Bauern eingeschlossen, nachdem sie ihn sammt seinem Haufen mit Verlust vor sich her gejagt hatten. Von denen, die ihn einschlossen, schrieb er am 15. April, »es sei ein Abschaum von allen bösen Buben, die überall her verlaufen seien, höchstens zwölfhundert.«

Daß es gute Kriegsleute waren, welche diesmal operirten, das 581zeigte sich an ihren Erfolgen. Sie blieben nicht, wie im vorigen Jahre, vor diesem oder jenem Schloß liegen, sie ließen sich durch keine Stadt aufhalten, sondern sie rollten das Land vor sich auf, brachten den gemeinen Mann überall auf ihrem Wege in ihr Bündniß, und zogen vorwärts auf die Entscheidungspunkte zu. Sie waren trefflich mit Handrohren versehen und mit guten Schützen. Man sah in Allem, es waren nicht nur sehr viele gediente Kriegsleute unter den Bauern, sondern sie waren auch gut geführt; Tag und Nacht feierten sie nicht, wie der Kardinal am 11. April an Herzog Wilhelm schrieb.

Wie bei allen feindlichen Ueberzügen, wie in allen Aufständen es sich zeigte, so war es auch jetzt im Salzburgischen: Es waren viele Solche da, welche unter allen Umständen es gerne mit ihrem bisherigen Herrn gehalten hätten, weil ihnen der Frieden über Alles ging; auch viele Solche, welche die rauhe Erfahrung des vorigen Jahres abgekühlt hatte. Es gab im Salzburgischen Bauern und Bürger, welche dachten wie manche Riesbauern, die sich im Mai 1525 schon hatten hören lassen, »ehe sie mehr hinaus ins Schlachtfeld wollten, ehe wollten sie ihre Häuser über sich anzünden lassen und bei ihren Kindlein sterben.« Schreiben des Pfersfelders vom 12. Mai 1525. Es gab in jeder Gemeinde von diesen beiden Arten; und nicht die Gemeinden im Ganzen, wofür sie fälschlich von den Regierungen genommen wurden, sondern nur solche Einzelne waren es, welche ihre Treue zusagten, aber auch um Schutz anriefen gegen die Aufständischen, welche sie nöthigen wollen, in ihr Bündniß zu treten. Aber der Schutz kam nicht, und so wurden auch diese von der Bewegung überfluthet: und die Zagern und Friedlichen selbst mußten sich willenlos mit fortreißen lassen.

Nur langsam bekam der Erzbischof Knechte für sein Geld, frühe von Außen die Zusagen der Hülfe, aber spät und langsam zogen die Hülfsvölker daher, die der schwäbische Bund schickte. Am 9. April hatte er noch nicht mehr als zwischen vier und fünftausend zu Fuß und zu Roß beisammen, und nicht einmal auf Einem Punkte. Am 20. April überfielen die Bauern den größten Theil des erzbischöflichen Heeres bei Golling in der Nacht so unversehens und glücklich, daß dasselbe furchtbare Verluste erlitt und mit genauer Noth der 582Vernichtung entrann. Es verlor alle seine Stellungen, die Zazerbrücke und den wichtigen Paß Lueg, zwischen Golling und Werfen.

Seit den ältesten Zeiten war dieser Paß einer der militärisch wichtigsten Punkte, nicht sowohl durch das Felsenschloß, aus dem später ein Vlockhaus wurde, und das auf einem 100 Fuß hohen Felsenstück stand, das über den die Salza einengenden Abgrund senkrecht hinausragt, als durch seine Enge. Kaum ein Frachtwagen kann hier durchpassiren, und rechts und links ragen, über tausend Fuß hohe, schroffe Felsenwände, auf denen kein Gräschen Wurzel fassen kann; und den engen Raum von 25 Fuß Breite zwischen diesen Felswänden füllt die Straße und der Waldstrom. Denn neben der schmalen Straße tobt, hart am Straßenrande, die Salza mit ihren gepreßten wüthenden Wogen hindurch. Darum war in allen Kriegen in diesen Landen der Besitz des Luegpasses von der höchsten Wichtigkeit.

Nach dem Verluste desselben hatten sich die Erzbischöflichen bis auf Kuchel zurückziehen müssen, und am 27. April waren im Lager des Kardinals bei Kuchel trotz neuer Verstärkungen noch nicht über dritthalbtausend Knechte und hundert Pferde wieder beisammen. Während die Herren von der Feder am Bundestage zu Augsburg sich unwillig hören ließen, daß der Kardinal »immer nur um Hülfe schreie und gar nicht handle gegen die liederlichen, unwehrlichen, kropfeten Bauern;« während Kanzler Eck, in alter Kenntnißlosigkeit über die Verhältnisse des Kriegs und des Feindes, mit Anderen schwur, er wollte mit fünfzehnhundert Knechten sich mitten unter diese Bauern wagen und sie strafen; während über diese bundesräthlichen Schreiben die bündischen Kriegshauptleute an Ort und Stelle im Gebirge, wo sie besser wußten, mit wem sie zu thun hatten, über die »Federfuchser zu Augsburg« wüthend waren: war Gaißmayer, man weiß nicht, auf welchem Wege, mit drei Fähnlein best bewaffneter Kriegsknechte, theils deutschen Flüchtlingen, meist aber Tyrolern, bis vor Radstadt vorgedrungen. Bei ihm waren seine alten Freunde und Kriegsleute Peter Päßler und Sebastian, oder nach Tyroler Mundart, Wastel-Mayer. Beide waren Tyroler aus dem Etschland. Er verstärkte nicht nur den Haufen, welcher Radstatt bisher einschloß, sondern er übernahm in den ersten Maitagen die oberste Leitung der Belagerung Radstadts, das an der Gränze von Salzburg, 583Oesterreich, Steyer und Kärnthen gelegen, und mehr durch diese Lage, als durch seine Ringmauern und Stadtgräben wichtig war. Ueberdies lag in Radstadt noch das gute Geschütz des Erzherzogs. Vertheidigt wurde das Städtchen von jenem Christoph Graff von Schemberg. Der war, wie Burkhard von Embs, der auch einen Theil der bündischen Knechte ins Gebirg hereingeführt hatte, ein alter Lanzknechts-Hauptmann; Beide waren vieljährige Kriegsgesellen des wahrhaft edeln und wackern Jörgs von Freundsberg.

Aber wie bei Golling, wurden diese von verschiedenen Seiten herbeiziehenden Bundestruppen und ihre alterprobten Befehlshaber von den Bauern geschlagen bei Kitzbüchel, bei Mautherndorf, bei Kuchel. Das kam nach der Reihe also.

Die von Rauris, Pongau, Gastein stürmten und verbrannten die Alpenschlösser Mittersill, Kaprun, Fischern, Daxenbach, Lichtenberg, Engelberg, Ittern. Es gelang dem Erzbischof, die Erzknappen ruhig zu erhalten, ja Michael Gruber und Praßler führten selbst im Sold des Erzbischofs zwei Fähnlein Handwerker und Grubenleute gegen das Pinzgau. Gegen sie zog Max Neufang, fiel mit 800 Bauern über sie, und schlug sie bei Kitzbüchel und Kirchberg. Der Erzherzog schickte dem erzbischöflichen Hauptmann Franz von Thanhausen einige Verstärkung ins Lungau, das noch ruhig war, um Radstadt zu entsetzen oder zu verproviantiren. Zugleich kamen schwäbische Bundeshauptleute mit Kriegsvolk nach Steyermark, um die Bauern von da durch die Maindling anzugreifen; sie fanden sich aber gegen sie zu schwach; und den Thanhausen abzuhalten, hatten 1000 Bauern die Radstädter Tauern besetzt und die Straße verhauen. Thanhausen vertrieb die Posten aus Tamsweg und Moßheim und kam nach Mautherndorf.

Das Gebirgsthal Lungau nämlich, diese schöne wenig gekannte salzburgische Landschaft, hat im eigentlichsten Sinne des Wortes nur eine Straße. Diese führt aus dem Salzburgischen über den Radstädter Tauern nach Tweng, und dann mitten durch den Markt Mautherndorf, wo sie sich in zwei Aeste theilt, von denen einer durch das Michaelthal über St. Michael und über den Kaßberg nach Kärnthen führt, der andere von Mautherndorf nach Tamsweg und von da nach dem salzburgischen Paß Seethal. Auf die höheren 584 Hochalpen kann der Auftrieb des Viehes erst um die Mitte des Juni geschehen, so lange hindert hier der Schnee, und das Vieh muß oft wieder auf die Frühalpen, die tiefstliegenden Alpentheile, zurückgetrieben werden, weil es beinahe in jedem Monate schneit. Dabei hat die Gegend sehr viele Gewässer, welche bei lang anhaltendem Regen oder beim plötzlichen Aufthauen des Schnees große Verheerungen machen. Die Nebel sind hier zu Hause. Beschwerlich und gefahrvoll sind die Gebirgswege im Herbst, im Winter und in dem spät eintretenden Frühling, wegen des Schneegestöbers und der Gefahr, durch Schneelawinen den Tod zu finden, lebendig verschüttet zu werden, zu Fuß oder mit Roß und Wagen, durch plötzlich herabstürzende Schneelawinen.

Dieses schauerliche Gebirg mit seinen wildabstürzenden Waldwassern, seinen Abgründen und Schlünden und seinen hart daran hinschwindelnden Steigen und Wegen – das war für den größten Theil der bündischen Knechte und Herren ein unwirthbares und ungewohntes Terrain zum Marschiren und Leben, geschweige zum Kriegführen und Schlagen.

Weil vor dem Thanhausen die Bauernposten von Tamsweg und Moßheim zurückgewichen waren, getraute er sich der Bauern überhaupt und des Gebirges leicht mächtig zu werden. Das Lungauer Thal lag angenehm vor Mautherndorf da, und die Tauernach floß so schön vorbei. Warum sollte es jenseits Mautherndorfs, dieser Pforte zu den wolkenstrebenden Bergen, den Radstädter Tauern, nicht auch so leicht gehen?

Seine Kundschafter nahmen den Grünwaldwirth auf den Radstädter Tauern gefangen, brachten ihn zu Thanhausen, und gefragt, wie man zu dem Feind auf den Tauern kommen möchte, zeigte er an, die rechten Straßen seien alle verhauen, aber um sein Haus, ob es schon weiter sei, komme man am leichtesten zu den Bauern. Sie folgten ihm nicht, sondern stiegen über die Verhaue; es regnete und schneite des Tages; halb erfroren, sahen sie sich von den Bauern angegriffen: von 1000 kamen keine 200 aus dem Gebirge zurück, mancher Edle ließ da seine goldene Kette und sein Leben: einzelne Edle, lebendig gefangen, wurden enthauptet. Zugleich siegten die Bauern auf einer andern Seite.

585

Von Salzburg her zog das Kriegsvolk des schwäbischen Bundes, 8 Fähnlein besten Volkes. Bei Kuchel an der Salzach stieß Gaißmayer auf sie, machte einen verstellten Rückzug nach der Abtenau, griff sie dann an und schlug sie, während von den Bergen herab große Steine auf sie fielen, daß sie mit Verlust von mehreren Hunderten zurückflohen, und er sie bis gegen Salzburg verfolgte (14. Juni). Gleich großen Verlust erlitten sie bei einem Sturm auf den Paß Lueg am 17. Juni.

Ehe Gaißmayer zu den Salzburgern gekommen war, hatte Christoph Setzenwein den obersten Befehl in den Bergen geführt, mit Kenntniß und Glück. Vielleicht aus Eifersucht auf Gaißmayer, vielleicht verführt durch die ihm eröffneten Aussichten, eine Laufbahn im Staats- oder Hofdienst, wie seine Vorgänger Praßler und Gruber, zu machen, hatte er sich mit dem Kardinal in Unterhandlung eingelassen; denn dieser versuchte Alles, des Aufstandes bei solchen Erfolgen los zu werden, und hatte am 16. Juni, gerade am Tage vor dem Sturm auf den Luegpaß, Kundgaben und Aufforderungen zur Unterwerfung unter den schwäbischen Bund verbreiten lassen.

Setzenwein und sein Profos wurden vor ein Kriegsgericht der Bauern gestellt, und, als der Verrätherei überwiesen, am Luegpaß von den Bauern durch die Spieße gejagt. Von da an war Gaißmayer, wie er thatsächlich bisher die erste Rolle gespielt hatte, auch dem Namen und der Stellung nach der oberste Hauptmann des Aufstandes. Neben Neufang zeichnete sich unter den salzburgischen Hauptleuten Hans Unbild aus; sonst waren Etschländer die vorzüglichen Führer.

Die Siege der Bauern wirkten so auf die Bevölkerung und auf den Erzbischof, daß dieser aus Salzburg mit vielem Gut sich auf die Flucht machte, weil er »verzweifelte, des Aufstandes Meister zu werden; denn es war dem schwäbischen Bunde viel Volks erschlagen worden.« Er war auf dem Wege, seine Person und sein Gut nach Augsburg zu flüchten, »hätten ihn die Fürsten von Baiern nicht wieder heimgeschafft mit Ernst.«

Es war daran, daß die Stadt Salzburg abermals in die Hände der Bauern gefallen wäre. Sie hatten von Anfang an sicher darauf gerechnet, und das, auf was sie hofften, als etwas bereits in 586Erfüllung Gegangenes durch ihre ins deutsche Reich ausgesendeten geheimen Boten verbreiten lassen. Schon in den ersten Tagen des Mai 1526 wurde ein solcher zu Kirchheim unter Teck im Württembergischen von der österreichischen Regierung aufgegriffen, Hans Wirsing aus Ingeringen bei Sigmaringen. Der gestand, er sei den Salzburger Bauern zugelaufen, wie Andere aus Schwaben, und zehn Tage bei ihnen im Lager zu Langenstaufen gelegen. Dann sei er mit anderen Schwaben, selb zwölf, von den Bauernräthen ausgesandt worden ins Reich herüber, den Bauern anzuzeigen, die Salzburger Bauern haben Salzburg erobert, sie wollen Alle frei und zu Selbstherren machen, und die Bauern sollen aller Orten her zu ihnen ins Gebirge ziehen. Damit sollen sie, so viel sie können, allenthalben Bauern auf- und zusammenbringen, weil sie, die Salzburgischen, für jetzt noch zu schwach seien, vor die Stadt Salzburg sich zu legen. Urgicht Hans Wirsings vom 5. Mai 1526.

Jeder dieser zwölf Sendlinge hatte zwei Gulden Handgeld sogleich erhalten, und weiteres zu erwarten. Aber ihre Bemühungen hatten keinen rechtzeitigen Erfolg. Nicht einmal der Schwarzwald und die Bodenseegegend kamen in rechtzeitige Bewegung, nicht die Allgäuer; die Führer waren es, woran es fehlte. Nur in Tyrol hatte, wie Kanzler Eck am 1. Mai 1526 an Herzog Wilhelm schrieb, »sich eine große Meuterei angefangen« Im Allgäu aber und am Bodensee hatte der schwäbische Bund, weil es allda so böse aussah, viele Reiter in Sold genommen und in die Städte gelegt, die fortwährend streiften, und die Bauern nicht zusammen kommen ließen; ja er hatte diese Streifschaaren auf Anzeigen noch sehr verstärkt.

Jetzt erst hatten die Bundesräthe zu Augsburg erkannt, daß es ein Unterschied sei, auf dem Flachfeld Krieg führen oder im Gebirgsland, und was es heiße, auf dem Terrain fremd sein, und einen Feind vor sich haben, verwachsen mit der Alpennatur seines Heimathlandes und eingeübt in alle örtlichen Vortheile derselben. Der salzburgische Aufstand erschien ihnen jetzt als »eine Gefahr für die ganze deutsche Nation.« Die Kriegsobersten des Bundes, die im Lager des Kardinals waren, hatten schon am 10. Mai im Kriegsrathe den Plan entworfen, daß die schwäbischen Verstärkungen, die eilig kommen müssen, durch das Graßer Thal, von Oberbaiern, 587und zwar von Rosenheim am Inn her, und über den Jochberg gegen das Pinzgau, und zu gleicher Zeit die Verstärkungen aus Oesterreich her auf Radstadt vorbringen sollen, weil die Stellung der Aufständischen vor Kuchel unangreifbar sei. Die Bundesräthe zu Augsburg, die nicht im Gebirg, sondern auf dem Rathhause saßen, verwarfen damals diesen Plan. Im Salzburger Lager aber beharrte man zuletzt doch dabei.

Jörg Freundsberg zog von Rosenheim her mit gutem Kriegsvolk, der alte Graf Niklas Salm von Osten her mit Kriegsvolk aus den österreichischen Herzogthümern, und mit vielen theils welschen, theils barbarischen Söldnern, Tschechen, Stratioten, Albanesen.

Am 31. Juni schlug sich Freundsberg bei dem Markte Zell im Pinzgau mit dem dortigen Haufen der Pinzgauer, und gewann demselben sechs Falkonete und sechs Fähnlein ab. Die geschlagenen Pinzgauer, welche sechshundert der Ihren auf der Wahlstatt gelassen, warfen hinter sich die Brücke über die Salzach ab – so geordnet und fest war noch ihr Rückzug – und das rettete sie vor gänzlicher Niederlage. Sie suchten die Vereinigung mit dem östlichen Haufen unter Gaißmayer vor Radstadt.

Gaißmayer hatte indessen Radstadt fort und fort bedrängt, die Mauern untergraben, Feuer in die Stadt hineinwerfen lassen; drei Stürme waren versucht worden; aber Kunst und Tapferkeit hatten sich gebrochen an den Werken und ihrem Vertheidigungsgeschütz, da die Belagerer gar kein Belagerungsgeschütz hatten, und ihre hölzernen mit Eisenreifen beschlagenen Stücke wenig wirkten.

Am Empach bei Daxenbach kamen Päßler, welcher die Pinzgauer geführt hatte, und Gaißmayer Nachts zu einer Besprechung zusammen, und nach gehaltener Berathung erklärten diese zwei obersten Hauptleute den mit ihnen zum Kriegsrath gekommenen Bauern, ihre Kräfte an Leuten und Geschütz seien nicht im Stande, der Kriegsmacht des schwäbischen Bundes das Vordringen zu wehren; »deßhalb solle für jetzt ein Jeder sehen, was er zu schaffen habe.«

Am 4. Juli hob Gaißmayer die Belagerung von Radstadt auf, und das ganze Heer der Bauern zog sich in ihr altes Lager, in das nahe Altenmarkt.

Gaißmayer sah von drei Seiten zugleich sich mit Angriffen 588bedroht: von Kuchel her über Abtenau vorn, durch einen reisigen Zeug und dreizehn Fähnlein Knechte des schwäbischen Bundes; rechts von Graf Niklas Salm, der durch die Maindling mit einer Zahl Pferden und vier Fähnlein Knechte auf Radstadt zog, und zu dem hinter dem Thorstein her acht von jenen dreizehn schwäbischen Fähnlein im Zuzug waren. Salms gewaltiges Geschütz hatte bald den dortigen Vorposten die Räumung des Maindlingpasses abgezwungen. Und jetzt wurde Gaißmayer auch noch von Freundsberg siegreich in der Linken vom Pinzgau her bedroht.

Da war sein Entschluß gefaßt. Er nahm Alles zusammen, fremde Kriegsknechte, Flüchtlinge aus dem Reich und von den Salzburgischen diejenigen, welche am meisten für sich zu fürchten hatten. Es war eine Schaar, mit welcher Alles zu unternehmen war, lauter treffliche Kriegsleute oder Verzweifelte. Thiere und Wagen wurden bepackt mit der gemachten Beute, dem Lohne zweimonatlicher Siege.

Er wollte versuchen, den Kampf auf den Boden und in die Gebirge Tyrols zu versetzen, alles dortige Volk unter seine Fahne zu sammeln, und so sich wieder zu stärken. Er ließ Jedem frei, ihm zu folgen oder zu bleiben.

Die Feinde, die sich bei Radstadt gesammelt hatten, erwarteten von ihm einen Kampf der Verzweiflung, und sahen ihn, von allen Seiten umzogen, verloren und in ihrer Hand. Die vielen Feuer, welche in Gaißmayers Lager in der Nacht vom Montag auf Dienstag nach Petri und Pauli (vom 4. auf den 5. Juli) brannten, hielten die Bündischen die ganze Nacht wach und in der Vermuthung, er rüste sich zu einem Angriff in der Frühe, zur morgigen Schlacht. Am Tage, da Alles ruhig blieb, sahen sie, daß das Lager verlassen und ganz leer war.

Während die Anderen aus dem Bauernheer in dieser Nacht sich in ihre Thäler zerstreuten, waren Gaißmayer und Päßler mit aller Beute und mit sechshundert Männern hinweggezogen. Zornig jagten ihnen die Bündischen nach bis auf St. Johann, und da sie Niemand fanden, plünderten sie diesen Ort, kehrten um und verbrannten Altenmarkt. Gaißmayer und seine Schaar waren mit der Morgensonne schon ins Gebirg hinauf gestiegen, ganz ungestört. Sie eilten aus dem Pinzgau über die Raurißer Tauern, kamen glücklich 589durch Kirchheim nach Linz in Tyrol, von da nach Innichen, und warfen sich auf Brunecken, eine Residenz des Bischofs von Brixen im Pusterthale.

Ein »wundergroßer Schrecken« ging vor ihm her. Die Regierung zu Innsbruck »gerieth in Entsetzen.« Das Unerhörte des Wagnisses ließ sie fürchten, Gaißmayer müsse weit verbreitete Einverständnisse im Land, einen mächtigen Anhang haben.

Aber wegen der Besorgnisse Ende Aprils waren Brunecken und die Mühlbacher Klause noch jetzt stark besetzt. Es mißlang Gaißmayern die Ueberrumpelung des einen wie des andern Punktes. Ritter Künigk sammelte Kriegsvolk und brachte selbst die Pusterthaler nicht nur zum Ruhigbleiben, sondern in die Waffen gegen Gaißmayers Schaar. Während er noch vor Brunecken lag, zog Freundsberg mit dreitausend Mann wider ihn heran. Zu einer Schlacht zwischen ihm und seinen Feinden bei solcher Uebermacht derselben ließ er es nicht kommen. Er führte seine Schaar ungeschlagen bei Vintel über den Fluß Rienz und den Hachelstein durch Rodenegg nach Lüsen, endlich über Enneberg vor die Abtei Buchenstein, und von da, nach guter Rast und Labung auf den Weg, weiter nach Agord, glücklich in das venetianische Gebiet.

Bis Buchenstein folgten ihm die Schaaren Künigks und Freundsbergs, und sahen mit Bewunderung dem kühnen Kriegshauptmann nach. »Gaißmayer ist der Erste gewesen, der mit Gewalt so weit durch das Land gezogen ist; man wollte sagen, er habe mit den Gerichten ein Einverständniß gehabt,« sagt ein Zeitgenosse. Kirchmayer, Chronik von Brixen, bei Sinnacher, VII., 246, 250—255.

Das Gelingen des verwegenen Zuges ließ Gaißmayers Namen und seine Talente in hohem Glanz erscheinen, selbst außerhalb Tyrols, namentlich bei der venetianischen Regierung und bei der schweizerischen Eidgenossenschaft.

Furchtbar erschien er jetzt erst der österreichischen Regierung, dem Salzburger Kardinal und den Baierfürsten. Jetzt erst ging er vor ihren Augen auf als der Mann, »welchem kein Anschlag und keine Arbeit zu überlegen und zu schwer sei;« Schreiben des Kardinals vom 10. Oktober 1527 an die Baierfürsten. jetzt erst dem Volke als derjenige, »welcher sich unterstanden, Wunder zu treiben.« Kirchmayer bei Sinnacher. 590Jetzt erst erinnerte man sich und sprach davon, wie vielseitig er war, wie groß als Volksführer, mit der Feder, mit der Volksrede, mit dem politischen Verstand auf den Landtagen; wie geschickt und gewandt, eine Bewegung anzuregen, sie zu organisiren und sie zu leiten; wie begabt als Kriegsoberster, im Angriff, in der Vertheidigung, im Rückzug; mit wenigen und geringen Mitteln lange siegreich, weil er alle Vortheile des Terrains und alle Nachtheile der Gegend zu benützen verstand; und wie er zuletzt zwar zum Weichen gebracht, aber nicht überwunden worden war. Das Alles leuchtete um so mehr ein, je größer die Ehre war, welche ihm von der Republik Venedig öffentlich angethan wurde. Die Signoria musterte sein Kriegsvolk, und dieses gefiel so, daß es »lieb und schön gehalten wurde.« Ihm, dem Hauptmann selbst, wies sie zu seinem Unterhalte jährlich vierhundert Dukaten und einen Palast in Padua zur Wohnung an. Da lebte er, wie man sich von ihm in dem Gebirg erzählte, »glänzend wie ein Kardinal.« Er war mit seinem Kriegsvolke nicht sowohl in die Dienste Venedigs getreten, sondern mit ihnen mehr als Gast gehalten, weil dessen Plane in den Augen der Signoria eines Tags der Republik reichlich ersetzen konnten und sollten, was jetzt diese Gäste sie kosteten.

Denn Gaißmayer gab seine früheren Gedanken nicht auf; und wenn er mit Hülfe Venedigs und der Schweiz, wie mit Hülfe des gemeinen Mannes im deutschen Reiche, der Freiheit des Glaubens und des Lebens, dem, was ihm heilige Ueberzeugung war, für die er Alles eingesetzt hatte, Raum in den Alpenlanden und im ganzen deutschen Reiche schaffen wollte, so kann er weder vom Standpunkte der sittlich-religiösen Anschauungen seiner Zeit, noch von dem der politischen Praxis der Fürsten seiner und der späteren Zeit, das genannt werden, was man von einer Seite her ihn zu nennen versucht hat, nämlich wegen Annahme fremder Hülfe zur Durchführung seiner Gedanken – ein Vaterlandsverräther.

Das deutsche Reich war schon damals so unglücklich geworden, daß das deutsche Vaterland nur noch ein abgezogener Begriff, aber nicht etwas Lebendiges und Wirkliches auf deutschem Boden mehr war. Für den Kaiser gab es nur Interessen des Hauses Habsburg, aber keine deutschen Vaterlandsinteressen. Für die Fürsten gab es 591diese auch nicht, nur fürstliche Hausinteressen. Die Städte hatten lange genug jede nur ihrem Sonderinteresse gelebt, und jetzt erst schrieen sie in der Noth und Bedrängniß durch die Fürsten wieder nach einem großen deutschen Vaterlande, das nicht da war, und wesentlich auch durch ihre Mitschuld abhanden gekommen war. Den Stämmen selbst und den Völkerschaften war der Gedanke eines deutschen Vaterlandes etwas ganz Fremdes geworden, und jede deutsche Völkerschaft, ja noch so kleine Landesherrlichkeit wußte nur von sich selbst, aber nichts von einem deutschen Vaterlande. Nur aus der Mitte des gemeinen Mannes hervor bricht durch die letzten Jahrhunderte des Mittelalters hin von Zeit zu Zeit ein Noth- und Hülfschrei nach einem deutschen Vaterlande hervor, der aber stets rasch im Blut erstickt wurde.

Die fremde Hülfe, welche Gaißmayer suchte und annahm, führte er nicht gegen sein Vaterland, sondern gegen die, welche er für die ärgsten Feinde der Freiheit und des Glaubens, für Feinde seines Volkes hielt, gegen den Kaiser, gegen seinen Bruder Ferdinand und dessen Spanier, und namentlich gegen die geistlichen Fürsten. Er benützte Hülfe der Fremden, um seinem Volke religiöse und politische Freiheit, und auf deren Grundlage ein Vaterland zu schaffen; also nicht für sich, sondern für sein Volk. Die Fürsten von Oesterreich, die Herzoge von Baiern, die Landesherren anderer deutschen Staaten suchten und nahmen Hülfe der Fremden an, oft und viel, für sich und gegen das Ganze.

Noch vor wenigen Monaten war die Stimme Nürnbergs auf dem Bundestage verhallt, welche darauf hinwies, wie nach dem Siege über das Volk von den Siegern der evangelische Glaube bedroht sei. Damals stand Nürnberg mit seiner Stimme fast allein. Im August 1526 aber waren die evangelischen Stände bereits alle zur Einsicht gebracht worden, was nach dem Siege des Fürstenthums über die Volksbewegung nun ihnen selbst bereitet werden sollte: die Altgläubigen nannten jenen Sieg nur einen Sieg über »die Lutherei.« Jetzt waren alle Evangelischen dagegen, als die österreichischen Räthe am Bundestage den Antrag stellten auf längere Unterhaltung des bündischen Kriegsvolks und Beisammenbleiben der Bundesversammlung »bis man höre, wie sich die Handlung mit dem Gaißmayer schicken 592werde;« ja sie hatten sogar einen Antrag auf Vermehrung der Bundeshülfe in den Alpen und einen anderen Antrag auf ein Ersuchen an den Herzog zu Venedig daran gehängt, dem Gaißmayer im venetianischen Gebiet keinen Aufenthalt und dem Kriegsvolk der Bundesstände den Durchzug zu gewähren, um dem Gaißmayer nachzuziehen. Die Oesterreicher fielen mit allen diesen Anträgen durch. Ja, evangelische Stände des Reiches traten mit der Republik Venedig und mit den reformirten Kantonen der Schweiz in ein Bündniß gegen das Haus Habsburg und den Kaiser zur Wahrung ihres Glaubens. Der Haß des Despotismus gegen die Freiheitsbestrebungen des gemeinen Mannes war auf mehr als einer Seite ganz ohne Maske, offen und laut als Verfolgungswuth gegen die Freiheit des Gewissens aufgetreten, als Fanatismus wüster Bestialität. Nicht nur wurden von dem Bundesprofosen Berthold Aichelin und anderen Profosen und Henkern der altgläubigen Fürsten evangelische Prediger überfallen und hingerichtet, welche der Volksbewegung ganz fremd waren, hingerichtet bloß darum, weil sie » lutherisch« seien; sondern Herzog Wilhelm von Baiern gab, da ein als Wiedertäufer Eingezogener abläugnete und widerrief, geradezu die Erklärung: »Die Täufer kommen zu Niemand, als zu einem, der zuvor lutherisch sei; der Eingezogene müsse also zuvor lutherisch gewesen sein; darum müsse er sterben.« Schreiben Ecks an Herzog Georg von Sachsen vom 26. November 1527.

In die brennenden Häuser Altenmarkts warfen Oesterreichs welsche Söldner die Kinder der entwichenen Väter, die Kinder, wie sie sie nannten, »der lutherischen Hunde.«

Gleich nach Gaißmayers Abzug hatte sich das Pongau unterworfen; das Pinzgau hatte schon nach dem Gefecht bei Zell größtentheils neu gehuldigt. Das Volk des Erzbischofs hatte, als es über Zell und Salfelden zog, und den letzten Rest der Bauern, der die Waffen noch nicht niedergelegt hatte, vertrieb, den Gerichten im Pinzgau verkündet, auf Sonntag vor St. Ulrichstag, den 2. Juli, zu Daxenbach zu erscheinen, ein Jeder so, wie er im Kriege bewehrt gewesen. Zu Daxenbach war zwar etwas, aber, aus Furcht, nicht alles Volk des Pinzgaus erschienen. Denen hatte man nichts zu Leide gethan, als daß sie das Gewehr von sich legen und acht Gulden 593Brandschatzung für ein Haus geben und huldigen mußten. Denen, die das gethan, war ein rothes Kreuz aus Papier, das auch einen halben Gulden kostete als Sicherheitszeichen zum Annageln an die Hausthüre gegeben worden.

Ein zweiter Huldigungstag für die Nichterschienenen wurde auf Margarethentag den 13. Juli anberaumt. Die gelinde Behandlung derer zu Daxenbach führte die Pinzgauer in großer Zahl nach Radstadt. Vor der Stadt wurde ihnen alles Gewehr abgenommen. Dann zogen der Adel und die Reiterei und vier Fahnen Fußvolks aus der Stadt und umringten den unbewehrten Bauernhaufen. Herr Christoph Graff von Schernberg hielt ihnen ihre Empörung vor. Dann wurden aus dem Verzeichniß der Anwesenden siebenundzwanzig Namen verlesen und aus dem Haufen herausgenommen. Vier Scharfrichter traten vor und enthaupteten alsbald die Siebenundzwanzig, die zu spät bereuten, daß sie sich hatten verlocken lassen, im Angesichte des eingeschüchterten Volkes. Das letztere mußte auf der blutigen Stätte neu huldigen und Urfehde schwören, dann entließ man es nach Hause. Auch zu Kuchel, Zell und an anderen Orten wurde Blutgericht gehalten. Die Häuser der Gerichteten, wie die derer, »welche dem Spiel nicht getrauet und sich mit dem Gaißmayer davon gethan hatten,« wurden niedergerissen, Städtchen und Flecken in die Reihe der Dörfer und Weiler zurückgesetzt, und, um dem Sturmläuten vorzubeugen, die Glocken von den Thürmen geworfen. Da lagen sie, viele Jahre, stumm an der Erde.

Radstadt aber und Zell, welche dem Bischofe treu geblieben waren, wurden belohnt. Die Radstädter und Zeller hießen von nun an die »getreuen Knechte St. Ruprechts.« Die Radstädter und Zeller durften von da an am Pfingstmontage bei der alljährigen Wallfahrt in den hohen Dom St. Ruprechts zu Salzburg während der Vesper feierlich um den Hochaltar herumziehen und ihre ländlichen Lieder singen. Des Abends wurden sie dann aus des Erzbischofs Keller und Küche reich bewirthet, und Stiftsherren und Adelige vom Hofe warteten den Pinzgauern von Radstadt und Zell mit dem Weine und den Speisen auf. Am Dienstage nach St. Veit durften die Radstädter eine Siegesfahne aus dem Rathhaus aushängen, und an jenem Tage sich aus der nahen Enns so viele Fische fangen, als sie zum 594festlichen Schmause bedurften; das Weingeschenk dazu lieferte ihnen der erzbischöfliche Keller. Die Siegesfahne durften sie auch bei Jahrmärkten und anderen feierlichen Gelegenheiten aushängen, zum Gedächtniß daran, daß Radstadt unbewegt geblieben und den letzten Sturm abgeschlagen, auch da noch, als die wenige Tage zuvor von den Bauern erfochtenen Siege Alles mit fortrissen und die Sache des Erzbischofs verloren schien.

Im übrigen Salzburgerland aber und in Tyrol blieb es so, wie es in Deutschland war: es konnte jeden Augenblick neu aufgähren, »so vergiftet war der Bauersmann in seinem Herzen.«

In Schwaben hatte das Volk die Vorfälle im Salzburgischen mit Spannung, mit Hoffnung und mit Freude verfolgt: wie mögen die Herzen geschlagen haben, als sich das Gerücht im Frühlinge 1526 verbreitete, das Schloß Salzburg sei mit der Stadt von den Bauern erobert, und Alles darin, was über 7 Jahre alt gewesen, erstochen! Da und dort machten die Arme der Bauern zuckende Bewegungen nach dem Schwerte, das ihnen genommen war, und der schwäbische Bund sah sich veranlaßt, die Unwahrheit des Gerüchtes amtlich zu erklären und die gewaltsamen Hoffnungen niederzuschlagen, um so mehr, da zu derselben Zeit eine Bande von 9 Köpfen, als Bettler umherziehende Geächtete des vorjährigen Aufstandes, im Lande hin und her ging, da und dort an den Häusern der Aristokratie Feuer anlegte, und an Wahrzeichen, die sie unter sich verabredet hatten, ihre Spur sich kund that. Die Regierung machte Jagd auf sie, als auf Aufrührer. Ausschreiben des Bundes im Stuttgarter Staatsarchiv. Im Gebiete des Bischofs von Straßburg trieb sich der Sundgauer Hauptmann, Hans von der Matten, um; er versammelte um Allerheiligen viele Bauern und versprach, wenn sie Herren, Edle und Pfaffen todtschlagen wollen, sie zu einem Obersten (zu Gaißmayer ?) zu führen und jedem anderthalb Gulden Handgeld zu geben. Akten des Biberacher Archivs.

Wenn der gemeine Mann in Schwaben und Franken und im fernen Sachsen des unglücklichen Ausgangs des Jahres 1525 gedachte, so sah er mit Hoffnung hin nach den Alpenlanden, von deren Höhen zuerst die Freiheit niedergestiegen war ins lang unterdrückte deutsche 595Land, mit Hoffnung auf den Mann, der zu Padua im Venediger Lande saß, und von dessen Hin- und Herreisen man hörte und sprach, und der eben, weil er, der einzelne Mann, noch immer der Schrecken der Fürsten war, die Bewunderung, der Trost und die Freude der Unterlegenen und der Unterdrückten im Reiche blieb.

Die heimgekehrten Lanzknechte redeten in Franken und Schwaben ebenso von dem großen und glücklichen Bauernhauptmann aus Etschland, der sie so oft geschlagen, und der ihnen überall entkommen, wie die Landleute in Salzburg und Tyrol in ihren einsamen Hütten im Thal und auf den Almen von ihm sich erzählten.

Den ganzen Frühling und Sommer über waren die Herren im Jahre 1527 in Furcht eines neuen Einfalls Gaißmayers in die Alpenlande. Und selbst, als es schon einzuwintern begann, am 10. Oktober 1527, schrieb der Erzbischof von Salzburg an die Baierfürsten, es seien ihm in diesen Tagen von mehreren Orten glaubliche Warnungen zugekommen, Gaißmayer gedenke mit seinem Anhang und den Ausgetretenen des Stifts, wie zu vermuthen, nicht ohne Hülfe und Vorschub Venedigs, die Grafschaft Tyrol noch dieses Jahr anzugreifen und den gemeinen Mann an sich zu bringen. Da sein Anzug oben heraus auf Tyrol nicht wohl thunlich sei, so wolle er durch die unteren Pässe auf Villach und Oberkärnthen, und von da ins Salzburgische ziehen, das er auf mehreren Punkten in Einer Nacht und Einem Tage erreichen könne. Habe er dann das Gebirg Salzburg an sich gebracht, so gedenke er dann von da aus die Grafschaft Tyrol auch aufwiegig zu machen. Zwar sei der Winter so nahe, daß die Gebirge bald eingeschneit und die ungewöhnlichen Pässe dann nicht mehr gangbar sein werden; dennoch achte er den Anschlag Gaißmayers nicht als ein grundloses Gerücht; denn gerade jetzt gegen den Winter könne er hoffen, leichter durchzukommen, da er um diese Zeit weniger Besorgniß seines Einfalls voraussetzen dürfe, als zu anderer Jahreszeit, und da auch sonst er und seine Anhänger vor keinem Anschlag und keiner Anstrengung zurückschrecken, und, gelinge es ihm, vor dem Winter im Salzburger Gebirg unterzukommen, so könne er darauf rechnen, den Winter hinum leicht sich darin zu halten bis zu den angehenden Wettertagen.

Andere Nachrichten gingen dahin, Gaißmayer wolle über den 596Nons und über Trient zugleich in die Thäler Tyrols eindringen und das Volk in die Waffen bringen, um der Republik Venedig und deren Verbündeten dadurch freie Hand gegen den Kaiser zu schaffen. Aber Sommer und Winter gingen vorüber ohne Einfall.

Dagegen hörte man im Frühjahr 1528, Gaißmayer sei in der Schweiz, und zwar zu Zürich. Dieser Kanton habe ihm das Bürgerrecht gegeben, und er tage daselbst, zugleich als Bevollmächtigter Venedigs, mit dem Kanzler Herzog Ulrichs von Württemberg, dem Fuchssteiner, mit den reformirten Kantonen und einer Zahl evangelischer Stände des Reiches; sie wollen einen Bund gegen den Kaiser abschließen. Gaißmayer mache große Werbungen, besonders in Graubündten. Bald darauf, nach der Mitte des Juni, lief das Gerücht ein, etliche tausend Schweizer seien ganz in der Stille auf dem Marsch, und der Gaißmayer warte ihrer am Gebirg, um mit ihnen ins Etschland zu fallen.

Zwar nicht das letztere Gerücht, aber die ersteren Nachrichten hatten Grund. Gaißmayer war Schweizer Bürger geworden und der Mittelpunkt eines geheimen Angriffs- und Schutzbündnisses vieler Evangelischen, namentlich etlicher Reichsstädte und Fürsten, die von Oesterreich die Unterdrückung des Glaubens und der bisherigen Reichsverfassung fürchteten; der Kaiser machte unverholen Miene, die evangelischen Stände mit Gewalt zu unterwerfen, und diese verbanden sich mit den Schweizerkantonen und mit Venedig; ja die Reichsstädte dachten daran, »den gemeinen Mann zu bewegen« für den Glauben. Als sich ein großer Volksführer emporgearbeitet hatte, war die Wehrkraft des deutschen Volkes bei Weitem dem größten Theile nach niedergedrückt oder vernichtet. Noch einmal that sich jetzt dem Volke eine Aussicht auf: die geordneten Gewalten waren daran, die Bewegung an die Hand und jenen Führer an die Spitze zu nehmen; aber des Kaisers Sieg bei Neapel am 19. August 1528 wirkte auf dieses geheime Bündniß und dessen Anschläge so zurück, daß die letzteren unterblieben; und bald verbreitete sich die Nachricht von dem an Gaißmayer begangenen Meuchelmord.

Der Bischof von Brixen hatte sich hören lassen, »wäre er in einem niederern Stand, er würde die Regierung des Lasts von dem Gaißmayer längst entledigt haben.« Die erzherzogliche Regierung zu 597Innsbruck setzte einen Preis auf Gaißmayers Kopf. Ja ein Trabant Gaißmayers wurde mit Gold bestochen, seinen Hauptmann zu ermorden; er empfing das Geld; aber er ermordete ihn nicht. Trotz der bischöflichen Aeußerung und dem Ausschreiben der Regierung, fand sich in ganz Tyrol, wo man christlicher war als im Bischofsdom zu Brixen, Keiner, der Hand anlegen wollte an den Mann, der in den Augen der Einen ein frommer Hauptmann des Volkes, in den Augen der Anderen wenigstens ein kluger, verschlagener, vielgewandter Kopf und tapferer Degen war, für den gemeinen Mann in den Bergen allenthalben ein Volksheld, dessen Thaten man bewunderte.

Zwei Spanier ließen sich durch Fanatismus und Gold verführen, in Gaißmayers Wohnung zu Padua sich einzuschleichen und ihn im Schlaf zu ermorden, nicht auf österreichischem, sondern auf venetianischem Gebiet, also als Mörder im vollen rechtlichen Sinne des Wortes. Sie hieben ihm sein Haupt ab, bargen es und flohen damit nach Innsbruck.

Das war der Ausgang Michael Gaißmayers, durch hispanische Dolche; aber deutsche Prälaten und eine deutsche Regierung hatten die Meuchelmörder gedungen; ohne zu wissen oder ohne sich darum zu kümmern, wie kenntlich sie dadurch sich, und den Werth des Todten zeichneten.

Sein Freund und Mithauptmann, der tapfere und kluge Päßler, hielt sich noch eine Zeitlang als Hauptmann der deutschen Schaar im Solde Venedigs. Auch auf seinen Kopf wurde ein Preis gesetzt, zweihundert Dukaten. Einer seiner eigenen Leute, Lukas Wyser von Werfen, also kein Tyroler, ließ sich durch dies Gold verlocken, seinen Hauptmann meuchlings zu erschießen, ebenfalls auf dem Boden Venedigs, nämlich bei Peischeldorf in Friaul; fahnenflüchtig trug der Meuchelmörder Päßlers Kopf nach Innsbruck, und empfing dafür das Geld und Gnade von der österreichischen Regierung. Quellen dieses Abschnittes außer den schon angeführten: Berichte und Urkunden aus dem österreichischen Staatsarchiv bei Bucholz. Vier Berichte von Hauptleuten des schwäbischen Bundes im Stuttgarter Staatsarchiv. Alte Handschrift bei Megiser. Metzger, historia Salisburgensis. Sebastian Frank. Anshelm. Hausitz, Germania sacra. Clemens Sender, historica relatio de ortu et progressu haeresium in Germania. Ingolstadii 1654. Besonders auch eine Reihe von Jörg gegebener Schreiben, Berichte und Urgichten aus den baierischen Staatsarchiven.



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