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Viertes Kapitel.

Gefangennahme des Salzburgischen Geheimraths Gold.

Im Salzburgischen hatte sich indessen die Lage des Erzbischofs sehr verschlimmert. Die Bauern der verschiedenen Gerichte hatten sich in ein Lager zu Golling versammelt, einem Dorfe drei Meilen von Salzburg. Was bei feindlichen Einfällen sonst Brauch war, namentlich gegen die Türken, das sah man jetzt gegen die einheimischen Herren in den Salzburger Bergen. Von Höhe zu Höhe leuchteten die Kreitfeuer, die Sturmglocke, »der Glockenstreich,« erscholl von Dorf zu Dorf, die Nothschüsse pflanzten sich fort von einem Punkt zum andern, Alles, wie zur Kriegszeit, wo jeder durch diese 249Zeichen zur Hülfe aufgemahnt wurde. Mit Gabeln, Stangen, Keulen, Sicheln, einzelne auch mit einer alten Pickelhaube, mit einem verrosteten Schwert und Spieß, in ledernen Rücken, und kurzen Lederhosen, hie und da einer darüber ein rostiges Vorder- oder Hintertheil von Harnisch – so sah man die Bauern herabsteigen von ihren Bergen, hervorkommen aus ihren Thälern, aus Pinzgau und Brixenthal. Sie waren die ersten, die ihres Bruders und Freundes Tod zu rächen hatten. Die Erzbischöflichen waren überrascht: es war zu spät, daß Hans Schenk sich rühmte, hätte er eher der Knechte, die durch den Lueg herausgezogen, Botschaft gehabt, so wollte er mit seinen Knechten alle daselbst erlegt haben; Urgicht des Gold. er hatte versäumt, den wichtigen Gebirgspaß zu besetzen.

Der Erzbischof nahm allerlei Mittel und Wege vor, das Gewitter im Anzug zu beschwören. Er schickte Gesandte nach Golling in's Bauernlager, er nahm jetzt einen ganz freundlichen väterlichen Ton an, als er sie zur Heimkehr ermahnen ließ: hätten sie einigerlei Beschwer wider S. fürstliche Gnaden, oder wider irgend eine Obrigkeit, Probst, Pfleger oder Richter, so möchten sie einen Ausschuß wählen und demselben Gewalt und Befehl geben, ihre Beschwer vorzubringen, darinnen dann S. fürstliche Gnaden ein gnädigstes und väterliches Einsehen, auch gebührliche Wendung thun wolle. Die Bauern wußten diese Sprache zu würdigen, sie verwarfen diesen diplomatischen Kunstgriff, und die Bürger von Salzburg bestärkten sie darin; sie sandten ihnen heimliche Botschaft, schnell auf die Hauptstadt loszugehen, und versprachen ihnen ihren Beistand. Hauptleute waren damals im Bauernlager Weitmooser, Melchior Späth, Michael Gruber, Ludwig Alt und Caspar Praßler; der letztere war oberster Hauptmann des Haufens. Praßler wird in einigen Chroniken und Handschriften auch Prosler oder Proschler geschrieben: dies mag Einige verführt haben, auch einen Froschler als obersten Hauptmann zu nennen, von dem ich nichts finden konnte. Ueberall wird in den Quellen Praßler als der auch der Zeit nach erste Oberst genannt.

In der Stadt Salzburg äußerte sich die Stimmung der Bürger, wie es zu erwarten war: der Erzbischof hielt sich in seinem Palast in dem Rinderholz an dem Markt nicht mehr sicher, und zog sich 250mit seinen Domherren und Räthen in das feste Schloß hinauf. Auf dieser Feste fühlte er sich wie ein Adler auf seinem Felsenhort. Ein enger Pfad führte aus der Hauptstadt hinauf zu dem mit zwei Mauern eingefaßten Schlosse; die innere mit vielen Thürmen versehene Mauer ruhte auf Felsen, hatte vier Cisternen und einen Radbrunnen, in den Fels eingehauene Stiegentreppen; und auch die äußere Mauer war auf Felsen gegründet, mit vielen Thürmen bewahrt; das Fundament auf der südlichen Seite, in einer Höhe von 440 Fuß, senkrecht abgeschnitten und unersteiglich. So sah der Fürst sich nicht nur gegen einen Ueberfall gesichert, sondern er beherrschte die unten gegen Westen liegende Stadt und die Gegend. In der Stadt selbst ließ er ein Fähnlein fremder Knechte unter Hans Schenk und Sigmund von Thurn zurück. Seine Räthe gingen vom Schloß ab und zu, und versuchten mit der Bürgerschaft und mit dem Rath gütlich zu handeln. Der Bischof von Chiemsee, ein edler volksfreundlicher Mann, war allein von den geistlichen Herren in der Stadt zurückgeblieben: auch er arbeitete, die Gemüther der Bürger zu beruhigen, daß sie gegen die Bauern bei ihrem Herrn ständen.

Die Bauern blieben in beständigem Verkehr mit der Hauptstadt. Sie rückten von Golling auf Hallein vor, das altberühmte Salzwerk, dessen ehrenfeste Bürgerschaft sich an sie anschloß. Die Bürger der Hauptstadt wollten sich wenigstens der immer vom Schloß auf- und abgehenden Räthe des Erzbischofs versichern. Der Stadtrichter Gold besonders wurde von dem Erzbischof zum Unterhandeln gebraucht, er ging unaufhörlich zwischen Schloß und Stadt ab und zu. Dabei stellte er sich, als hielte er ganz auf Seiten der Bürgerschaft. Er sagte dem kleinen und großen Rath und dem Ausschuß der Stadt zu, Treu, Ehr, Leib und Gut bei ihnen zu lassen, und seine geheimen Aufträge von dem Fürsten, »Alles das er zu laufen habe« dem Rath mittheilen zu wollen, und wenn er etwas flüchte oder sich selbst von hinnen thun wolle, so solle man ihn durch die Spieße laufen lassen. Urgicht des Stadtrichters Gold. Unvorsichtiges Schelten und Drohen des Hans von Schenk reizte die Bürger noch mehr; von der Treulosigkeit des Stadtrichters verlautete auch unter dem Volke; die Gährung stieg so, daß Gold sich rüstete, aus der Stadt hinweg zu reiten. 251Er that sich mit Panzer und Harnisch wohl an, aber versteckt unter einem gewöhnlichen Kleide, und sein Knecht saß schon mit ihm zu Pferde. Es war ein heiterer Tag, Freitags vor Pfingsten, Vormittags zwischen 9 und 10 Uhr. Da hielt die Bürgerschaft eine Gemeinde auf freiem Markt. Herr Hans Schenk und Herr Sigmund von Thurn handelten wegen des Erzbischofs mit der Gemeinde, sie zu beruhigen, Hans Gold, statt zum Thore hinaus zu reiten, ritt auch an den Markt heran, hielt aber außerhalb des Rings auf seinem Pferd, »um zu sehen und zu hören, was man da vornehme und betrachte.« Ihn ersah ein Mezger Georg Radler, welchem Gold noch nicht lange ein unbilliges Gericht gehalten hatte, und zog ihn mit dem Haken seiner Hellebarde vom Roß, er wollte ihn entleiben; ein anderer Bürger, der Bierbrauer Pichler in der Gugel, ersah es, unterlief ihn und fiel nach der Länge mit seinem Leib über den Stadtrichter, ihn zu retten. Es gelang ihnen derweil, den wüthenden Radler zu stillen. Die ganze Bürgerschaft kam in Bewegung. Die erzbischöflichen Räthe, Hans Schenk und Sigmund von Thurn, als sie diese That ersahen, wischten eilend, allein, ohne Diener, aus dem Ring, so schnell sie konnten, durch den Dom dem Schlosse zu. Auch des Bischofs Leibschneider und Spion, der Gilghäuser, entwischte ihnen nach; »mit großem Schnaufen, ganz erschrocken und kleinmüthig kamen sie auf das Schloß, ob welchem auch der Erzbischof zum Theil ein Entsetzen gehabt.« Hans Gold wurde vom Boden, darauf er niedergeschlagen war, aufgehoben, in einen Sessel gesetzt, von etlichen gelabt, von etlichen aber ins Angesicht geschlagen und bei den Haaren gezogen, mit den Worten: »Da und da hast du mir unrecht Gericht gehalten.« Sein Knecht sprengte mit den Pferden zum Thore hinaus. Den Mißhandlungen des Volks ihn zu entziehen, wurde Gold gefänglich in das Amthaus abgeführt und in den Thurm gelegt, daselbst nebst einem Gerichtsdiener mit der strengen Frage gefragt, und er bekannte, auf der Folter und ohne dieselbe, Dinge, welche die Gemüther gegen den Erzbischof nur noch mehr aufbringen mußten.

Als der Auflauf auf dem Markt sich erhob, waren die fremden Knechte dem Quartier ihres Hauptmanns und dem Fähnlein zugelaufen. Wie sie aber vernahmen, daß der Hauptmann nicht 252vorhanden, sondern von ihnen flüchtig auf das Schloß entwichen sei, »wurden sie ganz ungeduldig und unwirsch.« Gerne ließ darum dieses Fähnlein Knechte sich von der Stadt in Sold nehmen, und schon nahten sich die Bauern, von Hallein her, den Thoren.

Am Pfingstmontag kam der erste Bauer in die Stadt herein. Es war der Bruder des hingerichteten Stökl, der seit dessen Tod ruhelos Tag und Nacht hin und her im Gebirg die Herzen der Bergleute erregt hatte, sich zur Rache zu erheben. »Wie ein unrichtiger Mensch« lief er in der Hauptstadt herum, bei allen Häusern der Domherren und der Hofräthe, und schlug an ein jedes Haus einen Zettel an, des Inhalts: »dies Haus ist mein, so lang und so viel, bis der unschuldige Tod meines Bruders wird gerochen sein.«

Gegen Abend desselbigen Tages kamen die bündischen Bauern über Buech herab auf Salzburg gezogen, durch das Steinthor herein; Thür und Thor standen ihnen offen. Morgens in der Frühe fielen sie in den erzbischöflichen Hof in der Stadt. Was sie auf der Kammer fanden, nahmen sie zu sich. Auf der Kammer und in der Kanzlei thaten sie auch großen Schaden an brieflichen Urkunden, Verschreibungen, Raitbüchern und Registern; dieselben wurden zerrissen und verwüstet, daß man bis über die Kniee darin umging: der Erzbischof hatte sich nicht versehen, daß es dazu kommen sollte, und weder Papiere noch Anderes aus der Stadt in das Schloß hinauf geflüchtet; jetzt war zum Flüchten die Zeit zu kurz. Die Hofdiener, als da waren, Kellner, Kastner, Küchenmeister und Andere wurden von den Bauern ihrer Aemter entsetzt, die Schlüssel ihnen abgenommen; die Bauern besetzten diese Aemter aus sich selbst. Das Haus der fürstlichen Herrlichkeit in der Stadt stand öde: in eben dem Rinderholz, darin der Erzbischof seine Wohnung gehabt hatte, sah man die Weiber ihre Schleierwäsche an den Stangen zu den Fenstern ausrecken und trocknen.

Kurz darauf kamen auch die Knappen aus Rauris, Gastein, Kitzbühl und aus andern Werkstätten herein nach Salzburg. Sie führte Erasmus Weitmooser. Sie hatten alle das Ansehen wohlgerüsteter Kriegsleute. Ein Theil der Bauern zog auf dieses wieder heim zu seiner Feldarbeit, und die Knappen wurden von ihnen versoldet. Alte Handschrift bei Megiser und Salig.

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Hans Gold hatte selbst der salzburgischen Landschaft – so nannten sich jetzt Bürger und Bauern – den Rath gegeben, den Erzbischof nicht mehr zum Regiment kommen zu lassen, auch vorsichtig zu sein, ihn oben im Schloß wohl zu hüten und alle Ausgänge zu besetzen, damit er nicht davon komme; denn er sei alles Schalks voll. Urgicht des Hans Gold. Die Landschaft belagerte nun auch den Erzbischof mit vielen andern Herren von Adel im Schlosse Hohensalzburg. Sie hüteten ihn mit täglicher und nächtlicher Wacht, daß Niemand weder auf noch abkommen mochte. Zuvor aber, noch ehe die Bauern in die Stadt kamen, war des Erzbischofs Rath Riebeisen hinweggeritten, um bei den Höfen von Bayern und Oesterreich Hülfe zu suchen. Erzherzog Ferdinand aber war noch mehr als in den fünf Herzogthümern an einem andern Orte bedrängt, in dem Lieblingsaufenthalt seines Hauses, in der Grafschaft Tyrol.



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