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Achtes Kapitel.

Die Ostfranken an der obern Tauber.

Die Rotenburger Bauerschaft, das heißt, der Theil, der nicht mit Florian Geyer hinwegzog, war damals im Lager zu Neusitz zurückgeblieben, drei Viertelstunden von der Stadt Rotenburg; sie lagerte bei dem Kirchhof, der mauerfest und hoch gelegen war. Wie ein Beobachtungsheer saß dieser Haufe hier, im Angesichte der Stadt und beherrschte die Straße nach Anspach. Am 29. März Nachmittags ritten zweiunddreißig Hauptleute und Räthe der Bauern 300zur gütlichen Handlung in Rotenburg ein: sie hatten es den Botschaftern des Stadtausschusses zugesagt. Sie sprachen mit den Bürgern als mit Brüdern. Da aber die Bürger ungeachtet des äußern Scheins gleicher Gesinnung andere, sehr verschiedene Interessen hatten, so ritten die Hauptleute wieder weg, und bestanden darauf, daß ferner Alles schriftlich verhandelt werden müsse. Botschafter der Stadt Dinkelsbühl, Hall, Nürnberg, die zwischen der Gemeinde und dem Rath vermitteln wollten, wurden nicht gehört: fast wäre ihr Dank ein warmes Blei gewesen. Schießt auf sie! hatte Christian Heinz, der im Ausschuß saß, in der Wuth gerufen. Lorenz Knobloch, ein anderer im Ausschuß, ging geradezu aus der Stadt zu den Bauern hinaus, und wurde ihr Hauptmann. Er blieb es nicht lange; zu Creglingen wollte er eines Biedermanns Hausfrau Gewalt anthun, und die Bauern schlugen ihn in die Eisen. Als sie ihn später laufen ließen, wollte er aus Rache dem schwäbischen Bunde, was er wußte, verrathen. Zu Oestheim aber in der Herberg ergriffen ihn die Bauern, unter Geschrei, als wollte er wieder nothzüchtigen, und hieben ihn auf der Wiese wörtlich in Stücke.

Am 30. März verlangten die Bauern draußen die Klageartikel, welche die Gemeinde von Rotenburg gegen den Rath habe, einzusehen. Alles, sagten sie, was dem Worte Gottes entgegen wäre, müsse todt und ab sein; alle Pflanzung, die Gott, der himmlische Vater, nicht gepflanzt habe, müsse ausgereutet werden. Die Klageartikel wurden den Bauern nicht ausgeliefert, ihr Begehren, daß alles ungöttliche Wesen ab sein solle, nicht bewilligt, und sie ließen nun im Lager ausrufen, aus diesen Gründen bleiben sie bei einander, und sie wollen überall her Niemand abweisen, der's mit ihnen halten wolle. Es galt dies zunächst den Bauern der Markgrafschaft Anspach, schon fanden sich solche im Lager des rotenburgischen Haufens, und man kümmerte sich nichts darum, daß Stephan von Menzingen herausschrieb, wie es der Gemeinde in Rotenburg höchlichst mißfalle, daß sie Markgräfische bei sich aufgenommen haben. Sie hatten indessen auf eine Botschaft aus dem Odenwald, auf eine Weisung Georg Meisters hin, ihre Stellung bei Neusitz am Tag zuvor verlassen, und sich auf dem Sandhof, einem reichen Hof des Rotenburger Hospitals auf der linken Seite der Tauber, gelagert. 301Den Bürgerausschuß in der Stadt ließen sie wissen, sie rücken auf einige Tage weiter, um die Sachen ihrer Bundesbrüder beenden zu helfen. Am 2. April, dem Sonntag Judica, es war der zum allgemeinen Aufstand, wie wir sahen, festgesetzte Tag, zogen sie auf Oberstetten, und die dasigen Getreidevorräthe der Stadt Rotenburg, die sie nicht verzehrten, verkauften sie an die Hohenloher. Es folgten ihnen hieher Valentin Ickelsheimer und andere Botschafter des Ausschusses, und der Haufe verband sich eidlich, die Entscheidung ihrer Sache mit dem Rathe dem Ausschuß anheimstellen zu wollen; die Botschafter schwuren dagegen im Namen des Ausschusses und der Gemeinde den Bauern zu, Leib und Gut zu ihnen zu setzen, wenn Jemand etwas gegen sie unternehme. Der Haufe aber bedang sich einige Frist aus, ihren anderweitigen christlichen Brüdern zu helfen, die mit ihnen im Bunde wären. Zunächst galt die Hülfe denen in der Herrschaft Rosenberg. Sie schwuren unter freiem Himmel, nach der Vertragung der Rosenbergischen heimziehen zu wollen. Zeysolf von Rosenberg, dessen Bauern sich zu den Rotenburgern geschlagen, hatte zur Strafe ihre Häuser und Güter geplündert; dagegen sah er am 4. April seine und Rotenburgs Bauern vereinigt vor seinem festen Schloß Halttenbergstetten. Das war ein Raubnest, seit lange berüchtigt bei Bürgern und Bauern; daß es nicht ausgebrannt wurde, das dankte es nur der Fürsprache einiger mit den Bauern auf gutem Fuß stehender Herren, und sechs Fuder Tauberweins, welche der Raubritter Zeysolf dem Haufen abreichte, als Bruder den Brüdern, mit denen er in Vertrag trat. Seinem Vorgang folgte Philipp von Finsterlohe zu Lautenbach. Beide nahmen an, daß, was dem Wort Gottes entgegen wäre, todt und ab sein solle; und verstärkt mit den Rosenbergischen und Finsterlohischen zogen die Bauern hinab in den Taubergrund und lagerten sich in und bei dem Nonnenkloster Scheftersheim. Während sie hier lagerten, war der Aufstand im Mainzischen, auf dem Odenwald, im Hallischen, im Oehringischen, im Neckarthal vor sich gegangen. In der Deutschherrischen Landschaft Mergentheim, wo die lieblichen Weine wachsen, entschied sich der Aufstand, als die Bauern der Rotenburger Landwehr im Kloster Scheftersheim, also nahe an den Mauern der Stadt Mergentheim, wo der deutsche Orden jetzt seinen Hauptsitz hatte, sich lagerten.

302

In der Stadt Mergentheim waren die Bürger schon am Sonntag Lätare, den 26. März, beweglich. In der Stadt hatte das Kloster Schönthal einen Hof, da lag des guten Weines viel. In diesen brachen die Bürger, schmausten und tranken zwei Tage und zwei Nächte aus den Vorräthen der geistlichen Schönthaler Herren; es war ihnen wohl, als finge das tausendjährige Reich an. Wolfgang von Bibra, der Landcommenthur, hatte nur wenige Knechte bei sich, er konnte nichts dagegen thun. So ließ er sie trinken und schmausen. Am Dienstag berief er die Viertel der Bürgerschaft auf ihre Stube, und sprach zu ihnen mit den freundlichsten Worten. Würde, sagte er, im Reich eine neue Ordnung angenommen, so werde weder er noch der Deutschmeister dagegen sein; sie möchten sich nur halten wie fromme Bürger, sich nicht mit den heranziehenden Aufrührern vereinigen, und ihm sagen, wessen er sich zu versehen habe. Er ging, ihre Antwort zu erwarten. Es war keine Berathung, es war die heftigste Reibung der Parteien. Nur ein paar Stunden von der Stadt, im Schüpfergrund, lag Georg Metzler mit den Odenwäldern; von da aus hatte bereits die Erhitzung alle jungen Leute der Stadt ergriffen. Diese wollten nur von den Bauern, nichts mehr von den Deutschordensrittern wissen. »Ich wollte, daß sie Gottes Leiden schände, die Kreuzbuben, und St. Veltens Siechthum an sie käme!« hörte man sie sagen. »Liebe Gesellen; sprachen Vetter Hans und Fritz Büttner, thut das nicht; wollen wir also anfangen, so wird es ein böses Ende nehmen.« – »Was liegt daran? entgegnete ein Anderer, schlüge der Teufel zu unter die Kreuzbuben; sie können doch sonst nichts, als daß sie Hurerei treiben.« – »Und, sagte einer, werden wir von den Bauern überfallen, so wird der Commenthur zum andern Thore hinausfliehen, und wir sind der Rache der Bauern preis. Besser, wir ziehen vorher zu ihnen hinaus.« Aber die Mehrheit siegte dahin, daß dem Landcommenthur die Antwort wurde, sie werden sich als fromme Bürger und treu zu ihm halten; seien auch ungeschickte Leute unter ihnen, so möge er es die ganze Bürgerschaft nicht entgelten lassen. Die Pause dauerte ein paar Tage. Am Sonntag Judica trat nicht in der Stadt, aber in der Nähe, im Amt Neuhaus, Bedenkliches hervor. Auf dem Schloß Neuhaus war eigentlich sonst die Residenz des Deutschmeisters. Die Bauern 303dieses Amts verlangten von dem Landcommenthur eine Urkunde darüber, daß ihre Beschwerden erleichtert, sie nicht vom Evangelium abgedrängt werden würden. Wolfgang von Bibra stellte die Urkunde aus. Trotz dem erhob sich der Schultheiß von Igersheim mit seinen Bauern, sobald die Rotenburger Landwehr auf das benachbarte Scheftersheim zog, und schloß sich an sie an; wer bei der Herrschaft bleibe, erklärte er, dem werde man Haus und Gut nehmen. In der Stadt schlug auf die Ankunft der Bauern zu Scheftersheim die Stimmung plötzlich um. Ein Theil wollte Sturm läuten; der Rath hatte vorsichtig die Glockenseile hinaufziehen lassen. Jörg Neber steckte eine Fahne auf den Marktbrunnen: »Wer gut bäurisch ist, rief er, komm hieher; wem sind die Pfaffen was nütz?« Fröschlin schrie: »Wer dem Evangelium einen Beistand thun will, strecke die Hand in die Höhe!« Man hörte rufen: Mergentheim müsse eine freie Reichsstadt, der Deutschorden zum Teufel gejagt werden; Andere sagten, man müsse sich mit den Bauern verbrüdern und die Ordensgüter für sich einnehmen, ehe sie die Bauern nehmen.

Der Rath der Stadt, im Gedräng, fragte den Landcommenthur, was er rathe? Ob man dem Bauernhaufen widerstehen könne, oder ob man sich mit ihm vertragen solle. Der Landcommenthur meinte, vor Allem müsse man die Stärke des Haufens kennen lernen. Einer vom Rath und Einer von der Gemeinde wurden nun auf Kundschaft ausgeschickt. Sie gingen mit verschiedener Gesinnung hinaus, und kamen mit verschiedener Botschaft wieder herein. »So schöne Kriegsleut', sagte der eine, hab' ich mein Leben nie gesehen; sie sitzen da in seidenen Wämsern und mit goldenen Ketten.« Der andere, der Stadtschreiber, berichtete: »Es ist ein elend Volk, und gemahnte mich, wie der Zigeuner.« Darin aber, daß es ein großer Haufen sei, stimmten Beide überein. Die Gemeinde folgte auf dieses hin der Aufforderung der Bauern und ließ ein Fähnlein von hundert Mann zu ihnen stoßen. Bei diesem Fähnlein war als Hauptmann Michael Hasenbart, als Unterhauptmann der edelgeborne Hans Morstatt, als Waibel Hans Keßler, als Räthe Vetterhans und Fritz Büttner. Man hatte im Bauernlager eine solche Freude über ihre Ankunft, daß sie auch im Haufen als Hauptleute und Räthe anerkannt und noch andere Fähnlein unter sie gestellt wurden, 304alle Zuzüge aus der Mergentheimischen Umgegend. Denn von allen Seiten sah man sie heranziehen, von Grünfeld, Lauda, Weikersheim, Markelsheim, selbst aus den würzburgischen Aemtern Bütthart und Markt Bibart, jeder mit einem, oft mit zwei und drei Fähnlein, fast jedes Fähnlein mit anderem Wappen.

Sie sind bemerkenswerth, diese Fähnlein und ihre Wappen. Da war unter den Franken das Fähnlein aus dem Rotenburgerlandhag; das zeigte eine dreizinkige Gabel und einen Dreschflegel, in Form eines Andreaskreuzes übereinander gelegt, als Herzschild eine Pflugschaar, unter der ein Bundschuh hervorragte; die Fahne des Weinsberger Thales zeigte dasselbe Wappen, nur statt drei zwei Zinken an der Gabel. Da war das Fähnlein derer von Sodenberg, im Schild ein aufrechtes Kreuz, das in der Mitte die drei griechischen Anfangsbuchstaben des Namens Jesu hatte, und an das Jesus-Christus-Fähnlein im Oberelsaß erinnerte. Auch im Fähnlein der Bildhäuser war ein aufgerichtetes Kreuz zu sehen, das auf dem mittleren dreier Hügel stand; auf den zwei andern Hügeln standen Blumen, oben am Kreuz herum waren Verzierungen, am Rande zwei Bundschuhe. Im Hennebergischen ließen sie jenes Fähnlein fliegen, darein, um anzudeuten, daß sie das Evangelium handhaben wollen, ein Crucifix gemalt war, und dabei ein Vogel, ein Hirsch, ein Fisch und ein Wald, zum Zeichen dessen, was sie gemein und frei haben wollen. Müllers Relation, Handschrift. Georgii, uffenheimische Rebenstunden. Falkenstein, nordgauische Alterthümer. Journal von und für Franken. III. VI. 664.

Im Lager zu Scheftersheim schwuren die neuen und älteren Zuzüge sich zu einem Haufen zusammen, und für jetzt wurden zu Obersten über alle Fähnlein dieses vereinigten Haufens »der große Lienhart aus Schwarzenbronn« (bei Rotenburg) und Fritz Büttner aus Mergentheim erwählt. Des Haufens oberster Profos wurde Stierlen aus Zimmern. Neben ihnen wurden unter Andern als Hauptleute genannt Leonhard Denner, bekannter unter dem Namen: »das Pfäfflein von Leuzenbronn;« der Burch aus dem Amt Schillingsfürst; Cunz Bayer aus Ottelfingen, und Adam Hoffmann aus Schüpf.

305

Wir haben bei den Oberschwaben, zunächst Schwarzwäldern, bei den Breisgauern und den Elsaßern gesehen, wie sie nur einen Herrn haben wollten, den Kaiser. Der Eid der schwäbischen Bauern lautete: »Ihr werdet schwören einen Eid zu Gott und den Heiligen, einen einigen Gott, Schöpfer Himmels und der Erden, zu haben, die evangelische Wahrheit, göttliche Gerechtigkeit und brüderliche Liebe zu handhaben, und einen Herrn, nämlich römische kaiserliche Majestät, und keinen andern zu haben.« Aus dem Archiv zu Kassel, Rommel II, 72. Der Bundeseid der Franken lautete: »Ich soll und will, indem ich in die Versammlung der Bauerschaft mich begeben habe, weder geistlichen noch weltlichen Fürsten Zoll, Zins, Steuer oder Zehnt geben, bis zu Austrag und End dieser Sache, und einen Gott, einen Herrn haben; das helfe mir Gott und das heilige Evangelium. Im Namen des Allmächtigen!« Bensen, Bauernkrieg in Ostfranken S. 111.

Wie dieser fränkische Bundeseid mit dem schwarzwäldisch-schwäbischen, so stimmten auch die Artikel der Franken ganz genau mit dem Artikelbrief vom Schwarzwald.

Die sieben »Artikel der versammelten Bauerschaft im Land zu Franken« lauteten also:

»Erstlich will gemeine Versammlung das heilige Wort Gottes, die evangelische Lehre, aufrichten, und daß solches hinfür rein und lauter gepredigt werden soll, ohne Vermischung mit menschlicher Lehre und Zusatz.

»Und was das heilige Evangelium aufrichtet, soll aufgerichtet sein; was das niederlegt, soll niedergelegt sein und bleiben.

»Und mittlerweil soll man keinem Herrn weder Zins, Zehnt, Gült, Handlohn, Hauptrecht oder dergleichen Nichts geben, solang, bis durch die Hochgelehrten der heiligen, göttlichen, wahren Schrift eine Reformation aufgerichtet wird, was man geistlicher oder weltlicher Obrigkeit schuldig sei zu leisten oder nicht.

»Es sollen auch schädliche Schlösser, Wasserhäuser und Befestigungen, daraus gemeinem Mann bisher hohe merkliche Beschwerungen zugestanden seien, eingebrochen oder ausgebrannt werden: doch was darinnen von fahrender Habe ist, soll den Besitzern, 306sofern sie Brüder sein wollen, und wider gemeine Versammlung nichts gethan haben, verabfolgt werden.

»Und was von Geschütz in solchen Häusern vorhanden, soll gemeiner Versammlung zugestellt werden.

»Es sollen auch alle Geistlichen und Weltlichen, Edle und Unedle, hinfür sich des gemeinen Bürger- und Bauernrechts halten, und nicht mehr sein, denn ein anderer Gemeinsmann, und thun, was dieser thun soll.

»Auch sollen die Edelleute alle geflüchteten Güter der Geistlichen und Anderer, sonderlich derer von Adel, die wider den Haufen gethan hätten, der Versammlung zustellen, bei Verlust Leibs und Guts.

»Und beschließlich, was die Reformation und Ordnung, so von den Hochgelehrten der heiligen Schrift, wie obsteht, beschlossen wird, ausweist, dessen soll sich ein Jeder, Geistlich und Weltlich, hinfür gehorsamlich halten.« Aus dem Anspacher Archiv, Handschrift in der Sammlung des Prälaten von Schmid. Ganz gleich lauten die Artikel, von Rottenburg an Hall eingeschickt, in Hoffmanns Handschrift.

Im Kriegsrath des Tauberhaufens – so hieß jetzt die Vereinigung dieser Bauerschaften nach der Mehrheit derer, die ihn bildeten – wurde, sobald die Mergentheimer im Lager erschienen waren, der gerade Zug auf Würzburg zur Sprache gebracht. Der Edle, Hans Morstatt, unterrichtete sie darüber, wie es eigentlich zu Mergentheim stehe, und suchte sie zu überzeugen, wie nöthig es sei, diesen Hauptsitz der Deutschherren nicht so hinter sich liegen zu lassen. »Wohl, riefen die Hohenloheschen, wir wollen die Deutschherren über die Köpfe schlagen, daß sie weidlich bluten müssen.«

Aber dem Fähnlein der Mergentheimer folgte noch an demselben Tage, am 5. April, der Landcommenthur Wolfgang von Bibra persönlich ins Lager der Bauern, um von den deutschordenschen Schlössern in Mergentheim und Neuhaus die Gefahr zu wenden. Gegen seine Zusagen einer starken Summe Geldes und der nöthigsten Lieferungen, versprachen ihm Räthe und Hauptleute, daß sie nur neben der Stadt hinziehen und »nicht einmal einem Hühnlein etwas Leids thun wollen.« Aber schon am 6. April, wahrscheinlich weil der Commenthur mit Futter, Wein und Brod, oder mit dem Geld, 307oder mit Allem zugleich, nicht einhielt, holten sich die Bauern selbst zu trinken in dem wohlberufenen Markelsheim, wo der Orden seine größten Lager edler Weine hatte. Zu Scheftersheim war der Haufe fertig, und er verließ die Nonnen und ihr Kloster, leerte unterwegs die Keller von Markelsheim rein aus, und lagerte sich auf den schönen, freien Wiesen vor Mergentheim, an der kühlenden Tauber, wohl in die fünftausend, mit allem kecken Muth, den ihnen der köstliche Wein und die Predigt der sie erhitzenden Prädikanten einflösten, welchen sie es glaubten, daß ihnen keine Kugel was schaden und Niemand ihnen widerstehen könne, weil Gott mit ihnen sei. Zu gleicher Zeit zwangen die Bürger innen in der Stadt den Commenthur zu einer am 11. April auch von dem fernen Deutschmeister bestätigten Verschreibung, er wolle nichts vorenthalten, was das Wort Gottes ihnen als Recht zugestehe, und sie fortan mit nichts beschweren, was dagegen sei; doch so, daß auch sie, des Ordens Unterthanen, gegen ihn, ihre Obrigkeit, thun, was sie nach dem Evangelium schuldig seien. Die Bürger öffneten den Bauern die Thore, diese verproviantirten sich aus den Kellern und Kästen des Ordens, besetzten das Schloß, nahmen, was von Pulver, Geschütz und Vorräthen darin war, gestatteten den Knechten, ob sie gleich den Eid, nicht gegen Bauern zu fechten, verweigerten, freien Abzug, thaten dem Commenthur nicht den mindesten Zwang an; aber das Schloß, wohl auf das Drängen der armen Leute zu Mergentheim selbst, wurde zerstört. Denn auch hier arbeiteten die deutschordenschen Unterthanen am eifrigsten an der Zerstörung ihres festen Herrenhauses. So gut bäurisch, als Einer, war der Schloßverwalter selbst. Er hatte, was außer den geflüchteten Kostbarkeiten an Silber und Vorräthen noch vorhanden war, den Bauern angezeigt, und als es ans Abbrechen ging, ermunterte er sie, lustig einzuschlagen; jedem, der einen Pfosten einstieß, gab er eine Flasche, und denen, welche die Basteien abtrugen, trug er selbst fleißig Wein zu, um sie zu ihrem Werk zu stärken. Ein Bürger stellte ihn darüber zu Rede. Ich merke, fuhr der Keller gegen ihn heraus, Du hast den Commenthur und drei Deutschherren im Bauch; ich will sie mit dem Degen suchen.

Zu gleicher Zeit zog eine Abtheilung unter Hans Morstatt und 308Hans Keßler hinaus nach dem nahen Schloß Neuhaus, das, im Augenblick weder durch seine Werke noch durch seine Besatzung stark, sich ohne Widerstand ergab: das Geschütz und die reichen Vorräthe wurden weggeführt, die Schloßgebäude nachher durch die Mergentheimer ausgebrannt. Auch die Mergentheimer Akten liegen im Stuttgarter Staatsarchiv: es sind die einzigen, von denen ich nicht mit eigenen Augen Einsicht nahm, weil ich Oechsle's Genauigkeit, wie ich ihn kenne, ohne Anstand vertraute, und er mich versichert, daß ihm bis jetzt Nichts aufgestoßen, was er an seiner Darstellung zu ändern wisse. In Betreff des Details der Mergentheimischen und Hohenloheschen Vorfälle verweise ich darum auf Oechsle, Geschichte des Bauernkriegs in den schwäbisch-fränkischen Grenzlanden.

Von Mergentheim aus, vielleicht schon beim Aufbruch aus Scheftersheim, wandte sich der größere Theil der Wehrmänner aus dem Rotenburger Landhag unter dem Hauptfähnlein von Brettheim wieder nach Haus. Nur der oberste Hauptmann, der große Lienhard aus Schwarzenbronn, und das Pfäfflein von Leuzenbronn blieben im Hauptquartier. So konnte von Brettheim aus der Rath zu Rotenburg im Schach gehalten, die Bürgerschaft vollends in den Bauernbund gezogen, die Straße nach Anspach gegen einen Ueberfall des Markgrafen Casimir bewacht, und dem Tauberhaufen der Rücken gedeckt werden, während er die Umgegend zwang und sich verstärkte. Da auch ein Theil derer vom Orenbacher Fähnlein von Schönthal wieder in den Taubergrund zurückkehrte, und namentlich aus den hohenloheschen Aemtern von Bartenstein, Langenburg, Schillingsfürst, Jaxtberg, Dörzbach und aus dem Würzburgischen zahlreicher Zuspruch im Lager sich einfand; so wuchs der Haufe schnell auf Achttausend an. Am 13. April mahnte derselbe auch die Rotenburger Landwehr wieder zum Zuzug auf, vorerst nur den vierten Theil der Mannschaft; und auch von der Stadt Rotenburg verlangte er Geschütz und Leute.

Diese Stadt hatte die entschiedene Farbe der Volkssache noch immer nicht an sich genommen. Besonderer Privatstreit der Gemeinde mit der Ehrbarkeit, nicht der große Volksstreit, nicht die allgemeine Volkssache, war es, was diese Stadt im Innern bewegte. Es war freilich wahr, was Menzingen sagte, der Rath hatte sich seit den letzten zwanzig Jahren ungebührlich genug gehalten. Eine 309Klage, darin der Rath zum Nachtheil, das höhere kaiserliche Kammergericht zu Gunsten des Klägers entschieden, hatte der Rath ohne Weiteres zweiundzwanzig Jahre liegen lassen, ohne das Urtheil zu vollziehen, da dasselbe für einen niedern Bürger gegen einen höheren lautete. Bei Umlage und Einzug der Steuern hatte der Steurer niemals die einzelnen Posten aufgezeichnet, sondern es war bei der Rechnungsablage immer nur die ganze Summe auf Treu und Glauben – in Bausch und Bogen – angesetzt und anerkannt worden. Diese zwei Thatsachen sprechen für viele: das ganze Rechnungswesen, das der Ausschuß untersuchte, war so, daß »schwer daraus zu kommen war.« Als der Ausschuß darum einen der Rathsherren um den andern, zuerst den Bürgermeister Erasmus von Murlohe, einen eingefleischten Aristokraten und Eiferer für das Alte im Weltlichen und Geistlichen, Lehmus, Auszüge aus Th. Zweifels Handschrift in der Sammlung des Prälaten v. Schmid. in seinen Sitzungssaal rief, und keiner mehr herauskam, glaubten die noch nicht Berufenen, man habe den Erstern die Köpfe drinnen abgeschlagen, und zitterten für ihr eigenes Haupt.

Auch die Klosterfrauen lebten diese Tage durch in Furcht und Zittern. Sie hatten gehört, daß man an die Plünderung ihres Klosters denke; daß es mit ihrer Herrschaft draußen in der Landschaft vorerst zu Ende sei, davon brachte jeder Tag ihnen bitterere Erfahrungen. Die Bauern trieben ohne alle Scheu, auf ihre Artikel sich stützend, ihr Vieh in die jungen Schläge des Gotteshauses; ganz wie in Heilbronn im St. Clarenkloster, mit denselben Worten hörte man sie im Rotenburgischen sprechen: »der Rath ist nicht mehr Herr, wir sind Herren.« Ja Mölkner von Nortenberg sagte dem Klosterförster: »Treff' ich Dich noch einmal im Wald, will ich Dich an einen Baum hängen.« Man wollte gehört haben, die Bauern gedenken das Frauenkloster heimzusuchen, wenn's die Bürgergemeinde bis Osterdienstag nicht thue, und mehrere Bürger haben sich auf das hin schon dazu vereinigt. Man sagte sogar, die Bauern wollen sich der Stadt bemächtigen, die Reichen plündern, den Rath über die Mauern hinaushängen, und künftig selbst regieren. Der Ausschuß aber hielt Alles in guter Hut, und ließ nie zu viele Bauern herein.

310

Indem kamen am 11. April zwei kaiserliche Räthe, Graf Ruprecht von Manderscheid und Friedrich von Lidwach, im Namen des Reichsstatthalters, die Ruhe in der Reichsstadt herzustellen. Da faßte die Ehrbarkeit wieder Muth, da erhob sie Haupt und Zunge, und wußte des Bittersten über Ausschuß und Gemeinde sich nicht satt zu klagen. Die kaiserlichen Räthe selbst sprachen in hohem Tone. Menzingen verstand es, diesen herabzustimmen und jenen den Mund zu stopfen. Im Namen des Ausschusses ließ er am Mittwoch nach dem Palmtag durch die große Glocke das Zeichen geben zur Versammlung der Gemeinde in der St. Jakobskirche. Er bestieg die Emporkirche und sprach da herab frei und treffend über die Bedrückungen und Gebrechen im bisherigen Stadthaushalt, sowie über die nothwendigen Besserungen und die Mittel dazu, billig, gemäßigt, höchst einleuchtend und praktisch; in mehreren Punkten, wie z. B. in dem, daß alle jüngeren Priester ein Handwerk lernen und sich verehelichen sollen, in welchem Fall ihnen die sonst einzuziehende Pfründe auf zwei Jahre ungeschmälert zu belassen wäre, war Karlstadts Einfluß unverkennbar; sie erinnerten zu sehr an das, was durch ihn in Wittenberg veranlaßt worden war. Die kaiserlichen Bevollmächtigten wollten auch zur Gemeinde drohend sprechen, daß sie von ihrem Aufruhr abstehe. Da stieg es im Volk vom Gemurmel schnell zum Getümmel. »Man habe den Teufel nach den Commissarien geschickt,« rief Hans Styber. Ein Anderer schrie überlaut dem Ausschuß zu, seine Meinung wäre, man sollte den Commissarien die Köpfe abschlagen, so würde man ihrer am ehesten los. Diese sahen Ausschuß und Gemeinde an und riethen dem Rath, die Artikel des Ausschusses, mit Ausnahme dessen über die geistlichen Güter, alle unverändert und ungeweigert anzunehmen. Aber auch Menzingens Privatstreit mit dem Rath erklärten sie als todt und ab auf beiden Seiten. Da zeigte sich, daß Menzingen auch Privatinteressen bei seinem Thun hatte; er hatte eine Entschädigung von fünfthalbtausend Gulden vom Rath gefordert und erwartet. Aber selbst der Ausschuß meinte, daß er alles dieses dem allgemeinen Besten zum Opfer bringen solle. »Das soll euch der Teufel danken!« rief der Junker und ging voll Wuth hinweg. Nur, um nicht allen Einfluß zu verlieren, gab er, am andern Tag erst, nach. So ward eine Art Frieden zwischen 311dem Rath und der Gemeinde, am 16. April, am Ostertag, und die kaiserlichen Commissäre ritten ab.

Zwischen hinein fielen die Schreiben des Tauberhaufens an Stadt und Landschaft. Da gemahnte der Ausschuß die Landwehr ernstlich an ihren Eid, den sie ihm zu Oberstetten geschworen, sie sollen demselben treu sein und daheimbleiben; in Kurzem werde ihre Sache gegen den Rath auf's Günstigste für sie entschieden werden. An die Hauptleute des Haufens zu Mergentheim schrieb der Ausschuß die Bitte, ihre Landwehr in Ruhe und bei ihrer eidlichen Zusage zu belassen. Von den zwei Feldschlangen, Büchsen, Spießen, Pulver, Steinen und Leuten, welche der Haufe verlangt hatte, war keine Rede. Die Landwehr aber glaubte durch ihre buchstäbliche Heimkehr dem Buchstaben ihres Eides ein volles Genüge gethan zu haben, und eingedenk des Eides, den sie früher und zuerst dem Bund ihrer Brüder gethan, entsendete sie schon am 15. April ein Fähnlein unter Hans Klingler von Bettenfeld die Tauber hinab, und die andern folgten ihm nach ins Hauptquartier.

Markgraf Casimir schrieb von Anspach herein, er und die Stadt wollen sich gegenseitig gegen die Bauern helfen. Der Rath sagte ihm schriftlich dieses zu, und meinte, man könne ja den Verlauf abwarten; und selbst im Ausschuß war man einverstanden, ihm heimlich, ohne Wissen des gemeinen Mannes, wenigstens Geldhülfe zu schicken. Auch die Gemeinde brachte er zu der Erklärung, daß keiner aus der Stadt zum Haufen ziehen solle, und die Vereinigung mit dem Markgrafen rechtfertigte Menzingen dadurch, komm' es wirklich dazu, daß man dem Markgrafen Hülfe schicken solle, könne man es ihm noch immer abschlagen; schlüge man sie jetzt gleich ab, so würde der Markgraf auch die Stadt stecken lassen, wenn sie zuerst in Noth käme.

So trennte sich der Ausschuß und durch ihn die Stadt, wegen ihres Sonderinteresses, von der allgemeinen Sache, und die Bewegungspartei schien ganz unterlegen, trotz der Aufregungen Peter Saylers, des »Knappleins« und des »Tippendaps,« und trotzdem, daß Deuschlin und der blinde Mönch in den Ostertagen schärfer als je gegen Fürsten und Herren, besonders die Geistlichen, predigten.

Aber die Ostergabe des Friedens hielt nicht lange. Die 312Bewegungsmänner setzten am 19. April einen Ausschußschub durch, sie brachten neun weitere Mitglieder hinein, alle aus ihrer Mitte; »unredliche Buben,« wie sie nachher von der Partei des Alten genannt wurden, in Wahrheit aber nur Freunde des Neuen und der Volkssache. Dadurch erhielten die von der Bewegung die Mehrheit im Ausschuß, und damit die Oberhand in der Stadt. Nach dem Gesetz war die neue Wahl des inneren Rathes vor der Thür. Somit änderte der Ausschuß als Erstes gleich den Rath: der Ausgang der Wahlen zeigte aber im Rath noch immer ein Gleichgewicht zwischen den Freunden des Alten, die man aus gewohnter Ehrfurcht vor ihrer Geschäftsgewandtheit zum Theil wieder wählte, und den Freunden des Neuen, und es schien, wenigstens den Rotenburgern schien es so, als ob die Männer nicht vorwärts kommen. Am 20. April war es ein Geschrei und Laufen auf den Gassen mit Hellebarden, Gabeln und Stangen, – lauter Weiber. Sie wollten reformiren, die Häuser der Geistlichen stürmen; sie nahmen kecklich einen Kornwagen vor dem Hause eines der Letztern weg; ihre Männer aber hielten sie von Weiterem ab.

Auf das eilten Weltpriester und Ordensgeistliche, den Bürgereid mit allen bürgerlichen Lasten zu leisten; auch die Klosterfrauen wurden Bürgerinnen, und gaben gegen Pensionen und Heirathsgut alles Besitzthum ihres Klosters an die Stadt, in welcher jetzt vier Volkstribunen unter dem Namen » Gemeindemeister« jeden Bürger und jede Bürgerin vor dem Rath vertraten. Wer die höchst interessanten Einzelnheiten dieser städtischen Bewegung ausführlich kennen lernen will, dem empfehle ich sie nachzulesen bei Bensen, Geschichte des Bauernkriegs in Ostfranken. S. 78—135. 220—232.

Daß die Ehrbarkeit noch so viele für sich hatte, das hatte einen sehr materiellen Grund. Die Bewegungspartei in der Stadt war gut bäurisch, die Bauern aber wollten keine Gülten, Zinse, Gefälle mehr reichen, und gerade diese letztere, auf die Bauerngüter begründet, machten das Hauptvermögen der Stadt aus. Wurde die Stadt ganz bäurisch, so that sie ebendamit selbst den Schritt, der sie um den schönsten Theil ihres Vermögens brachte: geistliche Güter, um sie für das, was sie aufgab, daraus zu entschädigen, waren zu wenige in ihrem Gebiet. An diesem finanziellen Hacken blieb der 313Ausschuß hängen, daß er nicht vorwärts zu den Bauern wollte und konnte.

Während dieser Vorgänge in Rotenburg hatte sich der Tauberhaufe am Charfreitag, den 14. April, von Mergentheim auf Lauda in Bewegung gesetzt, ein würzburgisches Städtchen, das sich sogleich ergab.

Lauda war längst durch seinen Pfarrer Leonhard Beys für die neue Lehre und zugleich für die Volkssache gewonnen, und schon am 2. April bei der ersten Erhebung des Bundschuhs im Odenwald hatten einige Knechte, die zu den Odenwäldern hinausliefen, bei ihrer Rückkunft das Städtchen in unruhige Bewegung gebracht. Das Schloß Oberlauda, worin nur etliche Edelleute, nämlich der Obervogt Philipp von Riedern, Sigmund Zobel und Erasmus von Fechenbach mit wenigen Knechten lagen, wollte sich nicht gleich auf die Aufforderung der Bauern ergeben, ob es gleich alt und schadhaft war. Sie zogen sich in einen starken Thurm zurück und schossen heraus, die Bauern hinein, ohne viel Schaden. Da zündeten die Letzteren das Schloß auf der einen Seite an; die Flamme ergriff das Holzwerk unter dem Dach jenes Thurmes, unlöschbar; fraß weiter und weiter, und die Männer stürzten hinab bis auf den Grund. Sie waren in der Tiefe, wie lebendig im Grab, über ihnen der Tod, der ihnen durch die Gluthitze der Schloß und Thurm ausbrennenden Flammen, und durch Einsturz der Mauerwände zugleich drohte. Des andern Tags, am Osterabend, als das Feuer verlöschen und keine Hülfe mehr zu erwarten war, da riefen die edeln Herren die Bauern an und baten um Gnade. Die Bauern waren ins ausgebrannte Schloß hereingekommen, um in den Ruinen noch nach Beute zu suchen. Jetzt sollte der Obervogt erfahren, wie sehr er sich verhaßt gemacht hatte. Seiner hochschwangern Frau selbst und ihren Kindern zogen die Bauern die Kleider vom Leib, und stießen sie so hinaus ins Elend. Ritter und Knechte wurden, wie sie aus dem Thurm hervorgezogen waren, mit auf den Rücken gebundenen Händen hinab ins Lager geführt. Die Edelfrau folgte mit ihren Kindern hintennach, und flehte die Bauern, die sich freuten, »mit diesen Herren wieder ein Spießjagen anzustellen,« jammernd um ihren Hausherrn. Auch die im Lager wollten die Gefangenen gespießt wissen. Die Hauptleute 314dachten menschlicher. Dem Hauptmann Kunz Bayer gelang es, den Haufen von ihrem wilden Entschluß abzuwenden. Die Edeln wurden, da zu befürchten stand, die rasenden Hintersassen des Schlosses möchten sie doch noch ermorden, auf Veranstaltung der Hauptleute des andern Morgens frühe auf der Straße nach Mergentheim abgeführt, zu Fuß, die Hände auf den Rücken gebunden. Lorenz Friese's, damaligen Sekretärs des Bischofs von Würzburg, Geschichte des Bauernkriegs im Würzburgischen, Handschrift. Unterwegs, bei Markelsheim, begegnete denen, welche die Gefangenen geleiteten, der Bauernhauptmann Lederle, der auf dem Wege zum Haufen war. Was bringt ihr da? fragte er sie. »Ich muß, antwortete einer der Bauern, die Hunde da gefangen führen.« Der Hauptmann verwies es ihm: »Sind es doch Edelleut', sagte er; man muß sie ehrlicher traktiren.« Lederle, Lederle, rief Riedern, das will ich dir gedenken. Der Bauernhauptmann sorgte, daß sie auf einem Wagen vollends nach Mergentheim gefahren wurden, wo man sie in einen festen Thurm legte. Handschriftlich in der Sammlung des Prälaten von Schmid.

Für die Mannschaften, die dem Haufen auf sein Aufgebot allenthalben rings umher zuzogen, war Röttingen als Sammelplatz bestimmt. Von da sollte der Zug auf Ochsenfurt und weiter auf Würzburg gehen. Auf dem Wege nach Ochsenfurt lag das würzburgische Städtchen Aub, darin der würzburgische Marschall Heinz Truchseß mit einem starken reisigen Zeug, und war nur eine Viertelstunde vom Städtchen; das gewaltige Bergschloß Raigelsberg dazu sperrte die Straße. Wollte der Tauberhaufe auch Aub umgehen, so war ihm jeder Zuzug abgeschnitten, so lang ihm im Rücken Aub, Raigelsberg und die Besatzung lagen. Je stärker der Bauernhaufen anschwoll, desto mehr sank den Bürgern von Aub der Muth, dem Marschall zu ihnen das Vertrauen; er glaubte sie schon treulos; bäuerlich gesinnte Bürger rathschlagten auch davon, ihn zu überfallen; davor von einem Vertrauten im Städtchen gewarnt, ließen er und all sein reisiger Zeug das Letztere und das Schloß hinter sich, und sie entritten nach Bütthart zu. So waren die zu Röttingen der Arbeit mit Aub überhoben.

Noch im Lager zu Mergentheim war der erste Entwurf zu einer 315Kriegsordnung für dieses Heer gemacht worden. Die wichtigsten Punkte dieser 14 Kriegsartikel waren die Wahl eines obersten Proviantmeisters, zu richtiger Vertheilung der Lebensmittel; die Aufstellung von Wachtmeistern; ebenso die eines Profoßen mit Stockknechten, und einem Nachrichter, zur Handhabung der Heereszucht, zur Bestrafung von Diebstählen und anderer Untreu, Raufhändeln und Unordnungen aller Art; es war Gebot, daß keiner aus dem Lager sich entferne ohne Wissen der Hauptleute, keiner aus dem Marsch aus der Ordnung gehe bei Strafe; verpönt waren auch das Zutrinken, die Gottesschwüre, die gemeinen Dirnen im Lager. Oechsle, S. 143.

Zu Röttingen schwur ein jeder des hellen Haufens darauf zu Gott und seinem Seligmacher. Das Schloß zu Röttingen, das noch widerstand, zu nehmen, blieben die Rotenburger zurück. Der große Haufen brach Freitags nach Ostern, am 21. April, auf, die Straße nach Würzburg zu gewinnen. Voraus eilten drei der besten Fähnlein; den Marschall, der noch mit 130 Pferden im Schloß Bütthart lag, zu umziehen und zu fangen. Es war in der Frühe vor Tag. Aber der Marschall hielt gute Wache, seine vorgeschobenen Posten meldeten den Anzug der Feinde, seine Reiter saßen auf, und es ging rasch mit den Geschützen dem Vortrab der Bauern entgegen. Dieser, der die Reisigen in tiefem Schlafe wähnte, zog in Sicherheit daher. Jetzt plötzlich mit Geschützsalven bewillkommt, obgleich nicht getroffen, erschrack, wich, floh er so schnell, daß die Reisigen kaum Etliche erreichten und niederstachen, gefangen auch nicht Einen bekamen, so sehr der Marschall darauf aus war, um die Ritter im Thurm zu Mergentheim auswechseln zu können; der Einzige, den sie umzingelten, ergab sich nicht und wehrte sich, bis er erstochen war. Und schon nahete der helle Haufen. Die Bischöflichen »entwichen säuberlich;« den wollten sie nicht erwarten. Sie brachten auch ihr Geschütz mit fort, bis Würzburg. Der Marktflecken Bütthart war längst im evangelischen Bund; sobald Georg Metzler im Schüpfergrund am 3. April die Trommel rühren ließ, waren ihm viele Büttharter zugelaufen; das Schloß über dem Flecken ward jetzt von dem Haufen leicht gewonnen, darin viel Hab und Gut erbeutet, und es dann mit Feuer zerstört.

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Während der Haufen den nächsten Weg nach Würzburg über Bütthart zog, wandten sich die Rotenburger Fähnlein rechts an der Gollach hinauf nach Aub. Die Auber traten, nachdem sie am 22. April Schloß Röttingen eingenommen und verbrannt hatten, in die Brüderschaft, der vor dem Städtchen gelegene Raigelsberg wurde erstürmt und zerstört, ebenso das unterhalb Aub gelegene Schloß Gehelsheim. Sie fanden an diesen drei Plätzen so reiche Vorräthe an Getreide auf den Speichern, daß jedes Fähnlein 150 Malter als Antheil empfing.

Das Heer war noch im Marsch, als zweierlei Nachrichten demselben eine andere Richtung, rückwärts, rechts seitab, zu geben schienen: Botschaften aus Rotenburg und aus dem Anspachischen, wo der Markgraf seine Unterthanen, die zum evangelischen Bunde gefallen waren, zu züchtigen drohte. Während dem kamen Bürger aus Ochsenfurt selbst, die entschieden für schnelles Vorrücken auf ihre Stadt. Am 24. April traf der große Haufe daselbst ein, und noch an demselben Tage vereinigten sich mit ihm, von der Straße von Aub her, die siegreichen Fähnlein mit der Beute von Raigelsberg. Lorenz Friese, Handschrift; verglichen mit der gleichzeitigen Handschrift: »des fränkischen Haufen Zug und Handlung,« in den Materialien, und mit der alten Handschrift bei Schunk.

Diese rotenburgischen Fähnlein hatten zuvor noch eine Verhandlung mit ihrer Stadt. Aub, wo sie lagerten, war nur vier Stunden von Rotenburg entfernt. Auf die Weigerung der letztern Stadt, Leute und Geschütz zu den Bauern abgehen zu lassen, war im Lager großer Unwillen, und die Stadt fürchtete einen Ueberzug. Aus dem Lager von Aub kamen am 22. und 23. April die Hauptleute Hans Hollenbach und Hans Klingler aus Bettenfeld mit Geleit des Ausschusses nach Rotenburg. Hans Hollenbach hatte zuvor schon das Ausschußglied Barthel Albrecht schriftlich dahin zu stimmen gesucht, die Gemeinde der Leitung des Ausschusses zu entziehen, und sie auf die Seite der Bauerschaft zu führen, was dieser ablehnte. Jetzt wollte Hollenbach selbst es versuchen, mit der Gemeinde unmittelbar zu verhandeln. So schwer es sie ankam, ließen Rath und Ausschuß die Gemeinde doch zusammenläuten. Der Bauernhauptmann ließ das Schreiben derer, die ihn abgesandt hatten, verlesen. Aus Gottes 317Verordnung, hieß es darin, hat sich die Empörung erhoben. Ausschuß und Bauerschaft haben sich gegenseitig Hülfe zugesagt; zugesagt hat der Ausschuß, mit uns die Gerechtigkeit Gottes handhaben zu wollen. Die Anforderung der Bauerschaft um 200 Mann und Geschütze habt ihr abgeschlagen. Das war nicht brüderlich. Darum vermahnen wir euch, um des wahren Worts Gottes willen, zu uns binnen zwei Tagen zu kommen, mit 200 Mann, gerüstet mit langen Spießen, zwei Hauptgeschützen und zwei Gezelten. Sonst würdet ihr uns erfinden, als Brüder, die euch nichts Gutes bringen werden. Schreiben der Hauptleute und Räthe, bei Bensen, Beilage XII.

Man hörte und berieth sich. Die vom Ausschuß, die zu Oberstetten jene Zusage gemacht hatten, wollten dieses jetzt nicht so geradezu zugestehen. Hollenbach betheuerte es. Die meisten Gewerbe wollten die Entscheidung, wie man sich gegen den Haufen zu halten habe, ganz dem Rath und Ausschuß überlassen; nur die Hutmacher und Leineweber waren ganz für die Bauern und ihr Begehren. So ritten die Bauernhauptleute wieder hinweg, ehe Etwas beschlossen war. Es hatte Eile, Ochsenfurt zu.



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