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Drittes Kapitel.

Die Heerordnung: Göz von Berlichingen, oberster Hauptmann.

Während das Hauptheer der Bauern in und bei Heilbronn lag, war »der schwarze Haufe« schon vorwärts geschäftig, Schlösser abzuthun, und Herren und Gemeinden in die Verbrüderung aufzunehmen. Der Hauptleute strengster in Ausführung dieser Beschlüsse 40war Florian Geyer, der mit seiner schwarzen Schaar auf eigene Faust vorwärts zog und handelte. Hinter ihm drein, links und rechts, streiften andere kleinere Corps, die Georg Metzler entsandte. So kam durch Gewalt oder freiwilligen Anschluß die ganze Gegend am Neckar, am Kocher, an der Jaxt hier herum in die Verbrüderung der Bauern. Eine solche Streifschaar Florian's ging wieder nach Neckarsulm hinaus, und holte das dortige Geschütz, vier Haken- und sieben Handbüchsen; sie glaubte es nöthig zu haben für das deutschherrische Schloß auf dem Scheuerberg. Man wußte schon lange, daß die Bauern auf dieses Schloß ein besonderes Absehen hatten; Heilbronn hatte wiederholt die Warnung an den Hauscommenthur ergehen lassen, der auf dem Scheuerberg saß. Auch hatte es ihm Pulver und Steine zugesagt. Den Boten aber, der dieses letztere Schreiben dahin bringen sollte, hatte Jäcklein aufgefangen und ihm zur Strafe sein Pferd abgenommen, daß er zu Fuß und unverrichteter Sache wieder nach Haus gehen mußte. Der Scheuerberg war eines der festesten Schlösser dieser Gegend, mit Besatzung und reichlich mit Geschütz versehen. Auf die Kunde von der Absicht der Bauern fragte der Commenthur die Besatzung, wessen er sich von ihnen zu versehen habe, und erhielt die Antwort, man könne das Schloß nicht halten, es seien ihr zu wenige. Bald nachher, am 19. April, sah man die Bauern den Berg heraufrücken, man wollte einige Schüsse auf sie wagen, die Büchsen gingen nicht los, auf das Pulver war Wasser geschüttet; es wurde den Ordensherren gemeldet, die just bei der Tafel saßen. Die Herren geriethen so in Angst, daß sie jählings vom Mahle davon liefen und auf dem Tische die silbernen Pokale stehen ließen. Die Bauern kamen so ohne Widerstand herein und fanden gute Beute, besonders viel Schießzeug, sechsundzwanzig Haken, neunundzwanzig Handbüchsen, eine elfschühige Schlange, eine vierschühige Bockbüchse, vier acht- bis zehnschühige Geschütze; die Bauern leerten das Schloß und brannten es dann aus.

Eine andere Abtheilung zog gegen das Schloß Horneck, bei Gundelsheim, am Neckar. Auf diesem Schlosse residirte damals, als seinem Lieblingssitz, der Deutschmeister Dietrich von Klee. Die Gundelsheimer sagten ihm zu, treulich zu ihm zu halten, wenn auch er Leib und Gut zu ihnen setze, und er versprach es. Gleich darauf, 41als die Bauern noch meilenweit entfernt standen, entfloh er nach Heidelberg; er wolle Hülfe für die Gundelsheimer suchen beim Pfalzgrafen, sagte er. Noch blieben die Ordensritter, sie ließen es nicht fehlen an Vermahnungen bei den Bürgern und an Zusagen, daß sie auf's Aeußerste bei ihnen aushalten wollen. Als die Bauern heran kamen, fanden sie an den Gundelsheimern gute Freunde; die Deutschherren hatten sie, wie der Deutschmeister, im Stich gelassen. Eines Morgens war den überraschten Bürgern angesagt worden, das Schloß oben stehe verlassen und leer; die tapfern Ritter hatten sich in der Nacht durch den geheimen Gang davon gemacht. Vom Deutschmeister war ein Brief gekommen, die Gundelsheimer möchten ihm doch das Seinige nachführen, und Kanzlei und Gewölbe wohl verwahren, damit keine Urkunden verloren gehen. Die Gundelsheimer aber meinten, das Schloß zu wahren, wäre eigentlich seine und seiner Ritter Sache gewesen, und ließen die Bauern ungestört im Schlosse aufräumen. Die Herren hatten Kleider, Briefe, selbst die Kleinodien zurückgelassen; und Vorräthe und Hausrath waren so groß, daß fünf Wagen mit Fahrniß beladen werden konnten, jedes Fähnlein 120 Malter Korn und von dem aus dem Verkauf des Weinlagers erlösten Gelde jede Rotte (es zählte eine dreizehn Mann) zehn Gulden empfing.

Am Samstag, den 22. April, brach der helle Haufe endlich aus dem Lager vor Heilbronn wieder auf, um den vorausgegangenen Abtheilungen zu folgen und sie wieder an sich zu ziehen. Als Hans Flux mit dem freien Fähnlein abschied, sagte er noch zu einem der Bürgermeister: Sobald ihr wollt, daß wir zurückkommen, thut es uns kund, so wollen wir heimziehen. Es ist recht, lieber Hans Müller, sprach dieser; Glück zu! Wilhelm Bräunlein ritt wieder dem aufbrechenden Haufen vor. Wolf Meng, ein angesehener Bürger, wurde als oberster Quartiermeister in den Rath des hellen Haufens aufgenommen; »des war das Wölflein sehr fröhlich.« Heilbronner und Heilbronnerinnen sahen zu, wie das freie Fähnlein vom Thore abzog. Lorenz Greßlin, der von Neckargartach herein geheirathet hatte, zog auch mit hinaus, einen neuen Spieß auf der Achsel. Einige spotteten sein, er habe ein so schönes junges Weib zu Hause, ob er doch hinaus wolle und ihrer nicht sorge. Zu küssen, wenn einer will, 42sagte der Gespottete, findet er wohl sonst draußen; wir werden in Städte fallen, metzeln und hübsche Freude haben. Auch Heilbronner Frauen sah man hinausziehen, in Wehr und Waffen: da zog namentlich Hans Moritz's Frau, in blankem Harnisch, eine Feldflasche an der Seite. Die Hessin trug einen Bundschuh. Bundesakten Fasc. 99 a. Nro. 2, 18, 19, 36, 20, 31. Fasc. 99 b. Nro. 9.

Beim Aufbruch des hellen lichten Haufens blieb Wagenhans von Lehren als Hauptmann im Weinsberger Thale zurück, Heilbronn selbst schloß viele Freunde des Haufens in seinen Mauern, die Böckinger, Neckargartacher und die andern Flecken waren genug zu seiner Beobachtung, und der Plan, der jetzt ausgeführt werden sollte, ging dahin, zuerst die Stifter Mainz und Würzburg, dann Trier und Köln zu unterwerfen. Schon hier trennte sich Jäcklein von dem hellen Haufen und wandte sich zuerst in den Kraichgau. Aber schon zu Großgartach kehrten viele Bauern aus Flein und Böckingen von seinem Fähnlein zu ihrem Herd zurück; sie sagten, er habe ihnen nicht gehalten, was er ihnen zugesagt. Bundesakten Fasc. 99 a. Nr. 31. Nachdem er den Kraichgau durchzogen, schloß er sich an den Württembergischen Haufen an, mit Endres Remy von Zimmern und den andern Schreckensmännern und ihrer Schaar. Es war eine bedeutende Mißstimmung zwischen ihnen und den andern Hauptleuten eingetreten. Bundesakten Fasc. 92. Nr. 27.

Zu Neckarsulm versah sich der helle Haufen hinlänglich mit Lebensmitteln, und zog sofort, gefolgt und umschwärmt von Juden, die ihnen die Beute abhandelten, am Neckar hinab nach Gundelsheim. Hier fanden sie in der Stadt jene deutschherrischen Vorräthe an Wein und Früchten, und die Gundelsheimer selbst bewirtheten sie gastlich. Auch oben im Schloß, in dem bereits von ihrem Vortrab geleerten Hornek, fanden sie noch immer viel zum Nach-Ausleeren. Zu Gundelsheim, dem Sammelplatz der auf der Seite entsendeten Streifschaaren, wurden die schon zu Weinsberg begonnenen, vor Heilbronn fortgesetzten Kriegsrathssitzungen zu Ende geführt.

Es waren vorzüglich drei Gegenstände, welche den Kriegsrath beschäftigten. Sie betrafen alle die militärische Verfassung des hellen 43Haufens. Diese war bisher sehr schlimm bestellt. Es war eine große Masse von Leuten, welche theils aufgemahnt, theils freiwillig eingetreten waren; aber diese Masse war kein Heer im militärischen Sinne; es war kein Ganzes, sondern eine buntscheckig zusammengewürfelte Vielheit von Fähnlein und Dorfschaften, die zwar miteinander marschirten, aber wovon jedes wieder in sich abgesondert war und für sich ein Ganzes bilden wollte. Es war nicht einmal eine Soldateska, geschweige, daß es einer geregelten Armee gleich gesehen hätte; es war nichts als ein großes Durcheinander von Bürgern und Bauern, das in einzelne Haufen sich theilte, welche wieder in die Auswahlen von fünf, zehn, zwanzig, fünfzig Ortschaften sich ausschieden. Da war viel Commando, wenig Subordination; es fehlte alle jene Kraft, welche darin liegt, daß ein überlegener Führer an der Spitze steht, alle Theile zusammenhält, durchdringt, mit sich verschmelzt und als Glieder eines eisernen Leibes bewegt. Auch die Bewaffnung war nicht nur ungleich, sondern großentheils schlecht. Geschütze hatten sie, aber keine Geschützmeister; selbst die Büchsenschützen fanden sich verhältnißmäßig in geringer Zahl; die meisten waren im Krieg ungeübt. Auch fehlte es beim hellen lichten Haufen bis jetzt an einer gemeinsamen Kriegskasse und an Anstalten zu gemeinsamem Unterhalt, gemeinsamer Verpflegung des Heeres; jeder mußte für seine Bedürfnisse selbst sorgen.

Dem Allem war abzuhelfen, wenn der rechte Mann sich fand, sich an die Spitze des Haufens zu stellen, und die auseinander laufenden Interessen der einzelnen Aemter und Thäler, die politische und religiöse Aufregung auf ein Ziel hinzulenken: Das hatte man an den Hussiten gesehen.

Wendel Hipler war kein Kriegsmann von Haus aus, aber er hatte Kenntnisse von dem, was zu einem Heer und zu einem Feldzug gehörte. Er durchschaute alle diese Blößen des Haufens. Um eine geübte Truppe, um des Felddienstes kundige Mannschaft zu erhalten, stellte er im Kriegsrath den Antrag, daß der zweckwidrige Wechsel, nach welchem bisher jeder Ausgewählte nur vier Wochen im Haufen zu dienen hatte, dann zu seiner Feldarbeit oder seinem Gewerk heimging und durch einen frischen Mann ersetzt wurde, künftig aufgehoben sein und der Dienst bis zu Ende des Feldzuges dauern 44sollte, weil sonst das Heer immer wieder seine Leute gerade dann verlöre, wenn sie einigermaßen in dem Felddienst eingeübt wären, und weil es so fast ununterbrochen meist aus Rekruten bestände.

Ein zweiter Vorschlag, den er machte, betraf die Landsknechte. Von diesen tüchtigen Kriegsleuten zogen gerade damals viele, ohne Herrn und Beschäftigung, dem Bauernheer zu und boten ihre Dienste an. Wendel Hipler rieth, alle ohne Anstand in Sold des Haufens zu nehmen, weil in ihnen selbst kriegsgeübte Leute gewonnen würden und durch ihren Vorgang und ihre Einübung die Bauern in den Kriegsdienst eingelernt werden könnten.

Diese beiden klugen Vorschläge gingen im Kriegsrath durch; aber als sie vor die Gemeinde des hellen Haufens gebracht wurden, konnte Wendel Hipler, trotz aller Beredsamkeit, mit ihnen nicht durchdringen: Die Mehrheit des Haufens wies die Landsknechte zurück, weil der Bauer fürchtete, beim Beuten gegen sie zu kurz zu kommen, oder auch nur mit ihnen theilen zu müssen; den andern Vorschlag verwarfen sie, weil die Meisten den begonnenen Volkskrieg gar nicht begriffen und nichts wollten, als nach einer fröhlichen Beutefahrt von vier Wochen mit vollen Taschen wieder zu Weib und Kind zu kommen. Die Fähnlein der Landsknechte zogen verdrossen hinweg, und der Pfalzgraf Ludwig zu Heidelberg nahm sie sogleich in seinen Sold, um sich ihrer gegen die Bauern zu bedienen.

Der dritte Vorschlag Wendel Hiplers nahm nur wieder auf, was er schon früher zu Weinsberg und weiter zu Heilbronn gerathen hatte, einen angesehenen, erfahrenen Kriegsmann als Feldhauptmann an die Spitze zu stellen, vor dessen Ruf und Persönlichkeit der ganze Haufen Respekt hätte. Wendel Hipler zielte auf Niemand anders, als auf seinen guten Freund, Herrn Göz von Berlichingen. Diesen nannte er auch jetzt wieder als den Tüchtigsten.

Wie weit Herr Göz vor der Begebenheit zu Weinsberg mit Herrn Wendel Hipler sich wegen der obersten Leitung des Haufens verabredete, und wie er selbst sich angetragen, ist erzählt worden. Die an so Vielen des Adels geübten Repressalien von Weinsberg änderten jedoch die Stellung dieser Sache sehr. Der fränkische Adel, mit dem sich Göz im Sinne des verstorbenen Sickingen zu der Volksbewegung hatte stellen wollen, war von Entsetzen ergriffen. Die 45allgemeine Adelsversammlung, die Göz ausgeschrieben hatte, war nun nicht zusammengetreten; in großer Furcht hatte sich eine Zahl fränkischer Edeln im Gehölz Hespach bei Boxberg am 21. April zusammen gefunden. Zu dem Volke zu treten und dasselbe mit eigener Hand gegen die geistlichen Fürsten zu führen, davon war jetzt keine Rede mehr. Die Edeln wollten sich vielmehr an die Fürsten anschließen. Auch Herr Göz hatte vielleicht einen Augenblick im Ernst den Gedanken, in die Dienste des Pfalzgrafen zu treten. Es war, wenn es wirklich sich so verhielt, ein Gedanke des ersten Schreckens.

Herr Göz erzählt, er habe, als die Ritter zu Weinsberg erstochen und diese und so manche Herrenburg in Flammen aufgegangen waren, seine Kleinodien und Urkunden zusammengesucht, und sei damit hinweggeritten, um sie in einer Reichsstadt unterzubringen. Da man sie aber nur so hinterlegen lassen wollte, daß er keinen Ersatz fordere, falls die Stadt von den Bauern eingenommen und das Hinterlegte geplündert würde, so ritt er wieder mit ihnen nach Hause. An den hellen Haufen schickte er einen Knecht, zu fragen, wessen er sich von den Bauern zu versehen hätte. Der Knecht blieb aus und Herr Göz ritt zu seinem Gevatter nach Mosbach, Wilhelm von Hadern, des Pfalzgrafen Marschall. Er bat, ihm seine Büchsen und Habe nach Heidelberg geleiten zu lassen, um sie vor den Bauern zu flüchten, da er dem Pfalzgrafen geschrieben, ohne Sold in seine Dienste treten zu wollen. Wilhelm von Habern kam auch mit seinen Reitern, sein Verlangen zu erfüllen; aber Berlichingens Schwiegermutter wollte durchaus nicht zugeben, daß die Vorräthe des festen Hauses Hornberg weggeführt würden; Gözens Hausfrau lag im Wochenbett. Der Marschall hatte nicht viel Zeit zu verlieren und ritt unverrichteter Dinge wieder von dannen. Göz selbst sah die Edelleute der ganzen Gegend, seine eigenen Brüder und Verwandten, in die Brüderschaft der Bauern treten: sie thaten es, um ihre Schlösser, um das Leben der Ihrigen vor den Bauern zu retten, sie hielten es für gerathener, für jetzt bäurisch, als pfalzgräfisch zu werden.

Der Pfalzgraf freute sich, den Berlichinger mit der eisernen Hand in seine Dienste zu bekommen, aber der Brief, worin er ihm dies schrieb, wurde während Gözens Abwesenheit von seiner 46Schwiegermutter eröffnet. Die ängstliche Frau sah, daß er Haus und Hof, Weib und Kind verlassen wollte; Hornberg lag dem Zug des hellen Haufens zunächst, hinter einander lagen über dem Neckar die Burgen Horneck, Selbach und Hornberg, und die Mutter beredete die Tochter, den Brief des Pfalzgrafen zu unterschlagen. Herr Göz hatte, wie er selbst sagt, kein wehrsames Volk in seinem Hause, er konnte Niemand bekommen, der sich zu ihm darein in Besatzung hätte geben wollen, die Bauern waren alle voll Teufel, und Knechte und Mägde wollten auch nicht gut thun. Schon war die schwarze Schaar nicht weit von seinem Schloß vorüber gerauscht, der geröthete Himmel zeigte da und dort die Nähe des den Artikelbrief vollstreckenden Florian Geyers, Florians, von dem er nicht viel Gutes sich versprechen durfte, und man hörte sagen, selbst der Pfalzgraf wolle mit den Bauern in Vertrag kommen. Göz selbst gedachte wohl am meisten seines Wortes, das er den Bauern noch zu Schönthal gegeben hatte, daß er nämlich zu ihnen kommen wolle, wenn sie nach Gundelsheim zu seinem Hause kommen. Er war seit Schönthal in Verbindung mit dem hellen Haufen, oder wenigstens mit dem Kanzler desselben, mit Wendel Hipler, geblieben. Vor Neckarsulm und vor Weinsberg, ehe es gestürmt wurde, will man einen seiner Diener und seinen trauten Gesellen, Hans von Massenbach, der Thalacker genannt, unter den Bauern gesehen haben. Schreiben des Obervogts von Schorndorf im Stuttg. Staatsarchiv. Ueber seinen zweiten Ritt zu den Bauern erzählt Herr Göz: »ich habe mich nichts wollen begeben, bis die Bauern Gundelsheim, das mir das nächste vor dem Thore liegt, eingenommen hatten. Da habe ich einen Rath gefunden: da Fürsten, Grafen, Herren, Ritter und Knechte, auch Städte des Reiches, sich in die Vereinigung der Bauern begeben haben, und zum Theil darum bitten und stehen, was ich mich denn zeihen wollte, wenn ich auch mich mit ihnen vertrüge? Solchem Rath habe ich gefolgt und einen Vertrag mit den Bauern angenommen, wie andere Ritter und Knechte; doch mein Verbündniß mit dem schwäbischen Bunde, wie vonnöthen, ausgenommen, habe auch ihnen über solchen Vertrag kein Gelübde, noch Verflichtung gethan.« Entschuldigungsschreiben Berlichingens an den fränkischen Kreis. Diese Entschuldigungsschreiben, deren mehrere sind, hat man wie die Selbstbiographie nur mit größter Vorsicht zu gebrauchen: es sind Prozeßakten in eigener Sache nach der Niederlage, Vertheidigungsschriften, in einem Fall, wo theils Hab und Gut, ja der Kopf auf dem Spiele stand, theils wenigstens der gute Ruf bei Seinesgleichen für ihn selbst und seine Familie.

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Es ist damit, daß Herr Göz bäurisch wurde, und mit seiner Erzählung, gerade so, wie mit der guten Stadt Heilbronn, ihren Entschuldigungen und Verläugnungen: wie diese, so war Herr Göz am 24. April mit dem gewöhnlichen Huldigungseid in die große evangelische Brüderschaft eingetreten, ohne alle Klausel; man hatte ihm nichts Besonderes gemacht. Die Akten des Stuttgarter Staatsarchivs bewahren noch das Original des Schirmbriefes auf, durch den er in die evangelische Brüderschaft aufgenommen wurde. Er heißt einfach: »Ich Jörg Metzler von Ballenberg, Hans Reiter von Bieringen, Schultheiß, und andere Hauptleute des christlichen Haufens der Bauern thun kund, daß wir den ehrenfesten Junker Göz von Berlichingen in unsere Vereinigung, Schirm und christliche Brüderschaft genommen haben.«

Herrn Gözens alte Freunde, Wendel Hipler und der im Bauernheer so mächtige Hans Reyter von Bieringen, drangen im Bauernrathe durch, daß er an die Spitze als Feldhauptmann gestellt werden solle. Wendel Hipler hatte es wieder und wieder beredt vorgetragen, wie das so gut wäre und ihrer Sache einen Schein gäbe, wenn ein so berühmter Kriegsmann voran stände, und wie dadurch mehr Subordination in den Haufen, in alle Bewegungen mehr Einheit und ein besserer Erfolg käme.

Als dem gemeinen Haufen diese Absicht und die weitere, des Adels Hülfe beizuziehen, vorgetragen wurden, hörte man sehr entgegengesetzte Aeußerungen. Da hieß es: »Wir haben einen Bauernkrieg, was bedürfen wir des Adels?« Dort hieß es: »Den Göz von Berlichingen? Was wollen wir seiner zum Hauptmann? Er gönnt uns nichts Gutes.« Wendel Hipler sprach davon, wie er ihnen nützen könnte, wenn er an der Spitze wäre, und wie es ihnen schaden müßte, wenn er seine Tapferkeit und seine Erfahrung von ihren Feinden gegen sie gebrauchen ließe. Da schrie es aus dem Haufen: »Warum hängt man ihn nicht an einen Baum?«

Jetzt sprachen auch Jörg Metzler und Hans Reyter zum Haufen, 48und dieser Bauern einfaches Wort fand beim gemeinen Mann mehr Eingang, als das kunstreiche des beredten Wendel Hiplers, des vornehmen Mannes. Die Mehrheit wurde für den Antrag gewonnen, Göz zum Feldhauptmann zu machen. Schickt Leute zu ihm, sagten Hipler und Reyter, er wird's annehmen. Da sandten sie zu ihm auf den Hornberg Conrad Schuhmacher und Thomas Gerber von Oehringen, Georg Maselbach von Heßlinsulz, Hans Schikner von Weißlensburg und Andere, über die Hauptmannschaft mit ihm zu reden. Der Ritter stellte sich, als ob er's nicht gern thue, und die Abgesandten kehrten in's Lager zurück.

Da hießen sie einen reiten, den Ritter von seinem Schloß herab ins Wirthshaus zu Gundelsheim zu bescheiden. Der diesmal hinauf ritt auf den Hornberg, war Berlichingens eigener Schultheiß. Seit Herr Göz die Unbändigkeit des Haufens mit Augen gesehen, und wie sich ein jedes Bäuerlein als einen Herrn fühlte, waren ihm Zweifel gekommen, ob es ihm auch möglich sein möchte, selbst mit seiner eisernen Hand diese Masse nach seinem Willen zu lenken. Es war ihm jetzt nicht ganz und ohne Nebenempfindungen wohl dabei, sich zum Feldhauptmann gewählt zu sehen, und doch stand er ja jetzt an dem Ziele, auf das er seit Wochen ein Auge gehabt hatte, und vielleicht länger schon; denn wer wüßte jetzt noch die geheimen Fäden aufzudecken, die Herrn Göz mit Hipler und Hans Reyter, »seinem alten guten Freund und Nachbar,« unsichtbar zusammen banden, und ihn vielleicht schon zum Ausbruch des Aufstandes in eine Beziehung brachten, die er später Ursache genug hatte, künstlich zu verdecken?

Auf der Treppe des Wirthshauses begegnete ihm sein Waffenbruder, Marx Stumpf von Schweinsberg, der im Herabsteigen begriffen war und sich auch seinen Schirmbrief von den Bauern geholt hatte. Stumpf gratulirte ihm zur Hauptmannschaft. Gott, mir nicht, sagte Göz, das thu' der Teufel; warum thust du es nicht? thue du es an meiner Statt. Marx Stumpf sprach ihm dringend zu und bat ihn, doch ja die Hauptmannschaft anzunehmen, allem Adel zu gut. Droben in der Wirthsstube fand er die vornehmsten Hauptleute und Räthe der Bauern beisammen. Es saßen damals, neben Hans Meister, Georg Metzler und Hipler, darin Jäcklein 49Wiesenbach, Conrad Schuhmacher und Thomas Gerber, alle drei aus Oehringen, Georg Maselbach von Heßlinsulz, Hans Schikner von Weißlensburg, Wolf Meng und Hans Flux, die zwei Heilbronner. Der innere Rath der Bauern war dies. Wie unredlich oder irrthümlich Göz von Berlichingen in seinen Schriften erzählt, sieht man auch wieder daraus, daß er unter den Räthen der Bauern zu Gundelsheim Jakob Rohrbach nennt. Mit diesem aber hatte er nicht zu Gundelsheim, sondern zu Schönthal unterhandelt, und um diese Zeit befand sich Herr Jäcklein Rohrbach längst zu Maulbronn. (Bundesakten Fasc. 92. Nr. 18.) Wohl aber saßen die Heilbronner Wolf Meng und Hans Flux darin, »der erste als der Fürnehmsten einer.« (Bundesakten Fasc. 99 a. Nr. 31.) Von diesen guten Freunden schweigt Herr Göz weislich. Er bestand außer dem obersten Hauptmann, dem Kanzler und dem Schultheißen aus sieben Mitgliedern, und man nannte ihn den Rath der Siebener. Derselbe wechselte oft seine Glieder, nicht immer aus Mißtrauen, sondern nach einer Regel; nach welcher, ist nicht bekannt. Als solche erscheinen mehrere Male, außer den Genannten, Christ Scheerer von Heilbronn, Adam Schuhmacher von Neuenstein, Hans Wittich von Ingelfingen, der Müller von Krautheim, Michael Hofmann von Nesselbach, Schweinheinrich von Krespach, Bach von Merkingen, Dionysius Schmid von Schwabach, der alte Hertlin an der Jaxt und Andere. Urgicht des Dionysius Schmid. Göz bat sie auf's »Hochbeweglichste und Freundlichste,« ihn mit der Uebernahme der Hauptmannschaft zu verschonen. Er habe, erzählt uns der Ritter, ihnen dagegen seine Verpflichtungen gegen den schwäbischen Bund, gegen Fürsten und Herren, vorgehalten, und wie die zwölf Artikel gegen sein Gewissen seien. Da trat Wendel Hipler mit ihm bei Seite und sprach mit ihm allein; es war außerhalb des Wirthshauses, bei dem Weingarten; auf einem Tische lagen die zwölf Artikel; Hipler habe sie ihm ausgelegt, wie ein Prediger, meinten die Bauern. Ebendaselbst. Hipler flüsterte wohl von ganz Anderem.

Zuletzt, sagt Göz, habe er ihnen eine große Summe Geldes angeboten, wenn sie ihm die Hauptmannschaft erlassen, und ihnen zugesagt, auf seine Kosten zum Bund, zu Fürsten und Herren zu reiten, und allda nach seinem Vermögen zum Frieden und zu aller 50Billigkeit für sie zu handeln; aber es habe nichts helfen wollen, es sei Alles umsonst gewesen. Die Bauernräthe haben ihn an die Hauptleute verwiesen, die draußen vor dem Thore, jeder bei seinem Fähnlein, hielten, und an den ganzen Haufen. Göz ritt hinaus, sprach eine Rotte um die andere an, und man schien da und dort auf seine Vorstellungen hören zu wollen. So ritt er weiter zu den hohenlohischen Fähnlein. Da sah er sich auf einmal umringt, sah Büchsen angeschlagen, Spieße und Hellebarden eingelegt. Diesen drohenden Bewegungen folgte das Geschrei, er müsse ihr Hauptmann werden, er möge wollen oder nicht. Sie haben mich, sagt er, gedrungen und gezwungen, ihr Narr und Hauptmann zu sein; hab' ich mein Leib und Leben wollen retten, hab' ich müssen thun, was sie wollten. Mit Mühe habe er erhalten, daß sie ihm, auf seinen Eid, am folgenden Tag im Lager bei Buchen, wohin sie eben aufbrachen, wieder bei ihnen zu sein, einen Tag Bedenkzeit zuließen. Uebrigens saß Göz schon zu Gundelsheim mit den andern Hauptleuten im Kriegsrathe, und er war der Meinung, sie sollen »dem Bischof zu Mainz ein Haus zwei oder drei herum rucken.« Werd' er sich ergeben, so kommen sie darnach desto stattlicher mit dem von Würzburg zu Handen. Die Bischöfe werden alle abgehen, sagte Herr Wendel Hipler. Urgicht des Dionysius Schmid von Schwabach, der selbst mehrmals im Bauernrath saß.

Räthe und Hauptleute waren bei sich eins, wenn Göz die Feldhauptmannschaft annehme, auf jeden seiner Schritte scharfe Acht zu haben, und was er rathschlage, wohl zu prüfen; er sollte ihnen nützlich sein, nicht ihr Herr. Würde er aber der Hauptmannschaft sich weigern, so müsse man ihn mit seinen Knechten gefangen nehmen und schwerlich gegen ihn handeln.

Herr Göz dachte selbst auch daran, daß im Weigerungsfall die Bauern wohl blutige Rache an ihm und allen den Seinigen nehmen, und seine Freunde im Rath, der Kanzler, der Schultheiß, die beiden Heilbronner nicht mächtig genug sein dürften. So ritt er des andern Tages mit zwei Knechten gen Buchen, das Bauernheer war inzwischen in's Schefflenzerthal herüber und auf letztern Ort vorgerückt. Es war dem ritterlichen Kämpen unterwegs, wie er sagt, traurig zu Muthe, er wünschte oft, lieber in dem bösesten 51Thurm zu liegen, der in der Türkei wäre. Er traf den hellen Haufen in allgemeiner Berathung, Räthe und Hauptleute hielten drinnen im Ring. Als er dem Haufen sich näherte, fiel ein Bauer seinem Pferd in die Zügel und gebot ihm fluchend, abzusteigen und sich gefangen zu geben. Es war ein Schneider von Pfedelbach. Herr Göz, der mächtige geistliche Fürsten bekriegt hatte und der gefürchtetste Rittersname im Reiche war, mußte es erleben, von einem Schneider aus Pfedelbach sich aufgefordert zu sehen, sich ihm gefangen zu geben. Du hast gut reden, sagte Herr Göz, so viele hast du um dich stehen; wenn du mich draußen im Feld allein fingest, wollt' ich dich loben; ich bin doch zuvor gefangen. Der Schneider sagte, er erkläre ihm in Aller Namen, er müsse ihr Hauptmann sein und sie gegen den Bischof von Würzburg führen. Herr Göz spottete des Schneiders und schlug das Letztere rund ab. Der Schneider fluchte abermals und nannte ihn einen Pfaffenfreund. Göz stieg ab, trat unter den Haufen, in den Ring. Da fand er mehrere mainzische Räthe. Man trug ihm von Seiten des Bauernraths aufs Neue die Feldhauptmannschaft an. Göz versuchte viel, um sie von sich abzuwälzen. Sie nahmen keine Entschuldigung an. Wenigstens, sagte er, werde ich niemals in eine so tyrannische Handlung willigen, wie die Ermordung zu Weinsberg war. Es ist geschehen, sagte man ihm dagegen; wo nicht, geschähe es vielleicht nimmer. Da Göz den Ernst bemerkte und die anwesenden Räthe des Erzbischofs von Mainz ihm selbst zuredeten, so sagte er: So ihr mich also zwinget und dringet, so sollt ihr wissen, daß ich nicht anders handeln will, sofern mir Gott die Gnade gibt, denn was ehrlich, redlich und christlich ist, und Ehrenthalb geziemt und gebührt; und wo ihr nicht ehrliche, christliche Handlungen vornähmet, wollt' ich ehe sterben, als mich zu euch bewilligen.

So wurde Ritter Göz von Berlichingen des hellen lichten Haufens Feldhauptmann.

Da er vernommen, daß der Zug nach Würzburg berathschlagt worden, rieth er ihnen davon ab; der Bischof sei nicht ihr Herr. Lasset uns den Feinden die Bäuche wenden, sagte er, und nicht die Rücken. Bedenket eure Weiber und Kinder. Wenn ihr dorthin ziehet, so zieht der schwäbische Bund daher, verderbt und verbrennt euch, 52und wenn ihr acht Tage aus seid, kommt ihr darnach heim wie die Zigeuner. Auch will Göz gesagt haben, sie sollen ihren Obrigkeiten wieder gehorsam sein und Zinse, Gülten und Frohnen leisten, so wie es herkömmlich sei. Wenn sie beschweret seien, sollen sie die Beschwerungen an ihre Herren bringen. Die Bauern lachten. Herr Göz berief sich aus Doktor Brenz, den frommen evangelischen Mann und auf sein Büchlein, das vom Gehorsam gegen die Obrigkeit handle. Er wolle es ihnen zu lesen geben, sagte er. Man hörte Stimmen aus dem Haufen, die über Brenz fluchten; Brenz sei wieder vom Evangelium abgefallen, hieß es.

Von den Räthen und Hauptleuten schlug es Göz heraus, daß sie ihm zusagten, keines Edelmanns Haus beschädigen, die Artikel mildern und bessere Kriegsordnung halten zu wollen. Unter diesen Bedingungen sagte er sich ihnen auf vier Wochen als Hauptmann zu, und versprach auf's Neue, den Adel in ihre Sache ziehen zu wollen. Die Bauern schenkten ihm zur Verehrung den Wildzug von Horneck.

Göz von Berlichingen war nie an der Spitze eines Heeres gestanden; er war der Mann der kecken Ritterstreiche, kein Feldherr, kein Taktiker: daß er aber nicht ohne ein kriegsverständiges Auge war, das zeigte er gleich dadurch, daß er es nicht für gut hielt, das Würzburger Schloß zu belagern. Als er sich als Feldhauptmann des evangelischen Heeres fühlte, hatte er nicht gerade Lust, gleich zum Anfang auf etwas wahrscheinlich Erfolgloses auszugehen. Fast außer aller Wahrscheinlichkeit aber war damals wenigstens die Eroberung des Frauenbergs. Herr Göz bemühte sich, die Bauern zu überzeugen, daß es für sie natürlicher sei, vorerst die Reichsstadt Hall zu überziehen. Es war dies ein leichteres Unternehmen, militärisch nicht unwichtig, weil auf diesem Wege die unmittelbare Vereinigung mit dem Gmünder-Gaildorfischen Haufen bewerkstelligt und etwas vermieden worden wäre, was, wie einmal die Sachen lagen, höchst nachtheilig werden mußte, nämlich die Vereinigung mit dem fränkischen Heere, mit welchem die Sympathie durch Florian Geyer bereits stark gestört war. Auch hatte Herr Göz, wie die meisten Herren seines Standes, eine so geringe Vorliebe für die Reichsstädte, als irgend für die geistlichen Fürsten, und zumal die seinen Stammgütern so nahe sitzenden und so wenig adelsfreundlichen Bürger von Hall zu 53demüthigen, wäre ihm nebenher noch besonders behaglich gewesen. Es war ihm recht Ernst mit dem Haller Zug. Er kannte seine Freunde, seine Genossen, den schwäbischen und den fränkischen Adel, alle die Herken, die in der Haller Bürger Nähe sich unbequem fühlten: Herr Göz sagte in diesem Wissen und Kennen den Bauern im Lager zu Buchen zu: wenn sie Hall überzögen, stehe er dafür, ihnen Reisige zuzuführen; er wisse jetzt in die zweihundert Pferde, die sie, wenn sie vor Hall ziehen wollen, nur beschreiben dürfen. Urgicht des Dionysius Schmid. Göz von Berlichingen's eigene Schriften.

Es war nur natürlich, daß ein Kriegsmann, wie Göz von Berlichingen, welchem Reiten und Schlagen Luft und Leben war, nach so langem Stillesitzen, trotz seiner vorhergehenden Abneigung sich augenblicklich kriegerisch gestimmt fühlte, wenn er sich unter diesen Tausenden von Wehrhaften sah, unter dem Waffengelärm, von dem das Thal erbrauste; wenn er hinblickte über diesen Wald von Hellebarden und Spießen, die doch manchen nervigten Arm unter sich hatten, manchen geübten Kriegsmann, manchen Bauer, über den mit der Waffe und dem Freiheitsgefühl etwas vom alten kriegerischen Geist gekommen war. Da mußte ihn die Lust anwandeln, diese Macht gegen seine alten Feinde im schwäbischen Bund sich zu Nutz und Rache zu gebrauchen. Darum war es ihm auch gewiß ein Ernst, wenn er die Bauern aufforderte, dem schwäbischen Bund entgegenzurücken und den Frauenberg liegen zu lassen. Als ein tüchtiger Kriegsmann wollte er sich nicht viel mit Festungen abgehen, sondern alle Haufen an sich ziehen, und so mit ungeheurer Uebermacht seinen und der Bauern gemeinschaftlichen Feind, den schwäbischen Bund, im Freien aufsuchen. Nach einer oder zwei glücklichen Schlachten mußten dann Festungen, Schlösser, Städte von selber fallen. Er überzeugte jedoch für jetzt die Bauern nicht von der Richtigkeit seiner Gedanken; er mußte zuwarten, wie weit es ihm später gelänge. Gelang es ihm aber, wer will bestimmen, wie weit dann Göz geführt wurde? Es ist ein wahres Wort, die Menschen gehören von einem Tag zum andern nicht sich, sondern dem Schicksal an. Auf den Wogen vom Sturme fortgetragen, wer hat es noch in seiner Macht, die Segel, wann und wie er will, zurückzuziehen?

Zunächst vor ihnen lag jetzt das Mainzer Oberstift. Dieses 54hatte schon voraus Florian Geyer durchzogen, und wie er sich mit seiner schwarzen Schaar von dem lichten evangelischen Haufen getrennt hatte und wieder mit den indessen zum fränkischen Heere angewachsenen Haufen Frankenlands in Verbindung getreten war: so ließ er überall, wo er durchkam, nicht zum hellen lichten Haufen, sondern zum fränkischen Heere huldigen. So hatte er namentlich die neun Städte auf dem Odenwald in eigener Person für den Bund mit dem fränkischen Heere beeidigt, und war dann weiter gezogen auf Bischofsheim, der Tauber zu.

Das verdroß den Haufen vom Odenwald und Neckarthal. Dieser anerkannte den Vertrag nicht, welchen die neun Städte mit dem Hauptmann der schwarzen Schaar geschlossen hatten; sie mußten aufs Neue geloben in die Brüderschaft des hellen lichten Haufens. Dadurch wurde die Spannung zwischen den Odenwald-Neckarthälern und den Franken fast zur Spaltung.

Von Buchen zog der Haufen auf Amorbach. Herr Göz, der Ritter, und Georg Metzler, die beiden obersten Hauptleute, führten die Spitze des Zugs, hoch zu Roß; hinter ihnen ritt der oberste Quartiermeister Wolf Meng von Heilbronn, und die Räthe; vor jedem Fähnlein sein Hauptmann. In der Nähe vor Amorbach ritten die obersten Hauptleute mit den Räthen voraus, und stiegen in der mainzischen Kellerei ab.

Amorbach, das seinen Namen von dem heiligen Amor, seinem ersten Abte, führte, war schon zu Anfang des achten Jahrhunderts gestiftet und das mächtigste Kloster im Odenwald. Es war ein Benediktinerstift. Die obersten Hauptleute schickten an den Abt ihren Befehl, sogleich alle Brüder des Klosters im Refektorium zu versammeln; sie haben mit ihnen zu reden, wegen einer Reformation des Gotteshauses. Die Mönche liefen zusammen und Reinhard Leubinger, jener tapfere Doktor, trat auf und setzte auseinander, wie sie gekommen seien, eine Reformation zu machen, und wie ihnen alles Eigenthum des Klosters an Geld, Silber und Gold zugestellt werden müsse. Die Brüder mußten seit fast achthundert Jahren hübsche Kleinodien angesammelt haben, viele goldene und silberne Kirchengefäße, viel Geld baar und in Kapitalien. Geld zu haben, läugneten sie, und Wahrheit war es, daß sie einige Zeit viel zum Bauen verwendet hatten; 55sie haben nichts Eigenes, sagten sie, als einundzwanzig silberne Becher, welche unter sie zum Gebrauche vertheilt seien. Jeder hatte einen solchen Becher in der Hand, und sie überreichten sie den Hauptleuten und Räthen zum Geschenk, mit der Bitte, sie gegen den Haufen zu schützen; denn schon hörte man das nachgekommene Kriegsvolk des hellen Haufens vor und in den Mauern des Gotteshauses lärmen.

Das Kloster hatte das Schicksal Schönthals und der Häuser des Deutschordens; ja ein schlimmeres. Was da war, Gewande, Geräthe, kostbar mit Silber und Gold beschlagene Bücher, Früchte, Wein, Vieh, Hausrath wurde als gute Beute erklärt. Selbst der Altar wurde rein ausgeplündert, selbst die Reliquien der Heiligen; und der brutale Uebermuth und Raubmuth zerriß sogar das herrliche Musikwerk, die Orgel, und legte die herausgenommenen Pfeifen zum Haufen der andern Beute. Die Beutemeister zu Amorbach waren Jörg von Hall und Martin Neumann. Nachdem der helle Haufe geplündert hatte, kamen die Amorbacher selbst und die benachbarten Bauern, trugen vollends fort, was die Andern noch übrig gelassen hatten, Alles, sogar bis auf die Bretter, die Dachziegel und die vorräthig liegenden Backsteine. Man brach überall das Pflaster auf, um verborgene Schätze zu finden. Schon hatten die Hauptleute geboten, dem wilden Geschrei des Haufens zu lieb, die Brandmeister sollen das Kloster anzünden. Da kamen sechs Abgeordnete des Raths von Amorbach und baten, das Gotteshaus nicht zu verbrennen, es stoße zu nahe an ihre eigenen Häuser, und diese möchten mit ihm, ja ganz Amorbach zuletzt in Flammen aufgehen. Auf das nahmen die Hauptleute den Brandbefehl zurück und befahlen den bloßen Abbruch. Nur die Zinsbücher des Stifts gingen in Flammen auf. Die Beute wurde verkauft und jeder Rotte ihr Theil davon. Auch Herr Göz erkaufte, außer seinem Theil, davon für 150 Gulden Kleinodien, darunter auch die schöne blaue Inful, welche seine Hausfrau zertrennte, und die Perlen und Edelsteine daraus zu einem Halsschmuck sich nahm. Die Bauern waren mit Herrn Göz Anfangs zu Amorbach noch so wohl zufrieden, daß sie ihm fünfzig Gulden an dem Kaufpreis für die Kleinodien nachließen. Urgicht des Dionysius Schmid. Das Einzelne weitläufig bei Oechslin. S. 350-387.

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Herr Göz, der die geistlichen Herren nie wohl leiden mochte, und dem das neue Evangelium sehr gelegen gekommen war, um sich darauf zu berufen, fühlte sich zu Amorbach recht in seinem faustritterlichen Element, dem unglücklichen Abt Jakob gegenüber, einem alten, wie es scheint, schwachsinnigen Manne. Er war geflohen, aber von den Bauern noch auf der Flucht ergriffen worden, und eine wilde Rotte hatte auch den hochwürdigen Herrn ausgeplündert, ihn fast rein ausgezogen, daß er es als eine Gabe des Mitleids ansah, als ihm ein Bäuerlein einen leinenen Kittel gab, sich darein zu hüllen. Drüben in der Kellerei saßen und tranken die Hauptleute. Sie ließen ihn holen, er kam in seinem leinenen Kittel, stand da, er der alleinige alte Mann unter den siegesübermüthigen Obersten, und wurde scharf ausgefragt, wo das baare Geld des Klosters verborgen liege. Einen silbernen Becher hatte er noch bei sich versteckt. Göz, dem dies verrathen wurde, verlangte auch diesen. Der alte Herr bat mit guten Worten, diesen ihm zum Gebrauche zu lassen. Da bedeutete ihn Berlichingen und berührte ihn mit seiner eisernen Hand auf eine Art, daß der Abt meinte, er habe ihn mit der Eisenfaust auf die Brust gestoßen: Lieber Abt, ihr habt lang aus silbernen Bechern getrunken, trinket auch wohl einmal aus den Krausen. Doch ließen sie ihn an ihrer Mahlzeit Theil nehmen, bei der lustig aus den sechzehn silbernen Bechern getrunken wurde. Als man die gemachte Beute vor die Augen der Obersten herbeibrachte, seufzte der Abt beim Anblick derselben, besonders als drei schöne Becher vorgewiesen wurden. Lieber Abt, sagte Herr Göz, seid wohlgemuth, bekümmert euch nicht; ich bin dreimal verdorben gewesen, aber dennoch hie; ihr seid's eben ungewohnt. Des Abts Angabe, obgleich er sie nachher, weil er, da er allein war, keine Zeugen hatte, nicht beweisen konnte, hat schon psychologisch viel mehr Wahrscheinlichkeit für sich, als die Berlichingens, der geradezu behauptet, er habe den Becher dem Abt nur in der Absicht genommen, um ihn unbemerkt ihm wieder zurückzugeben!

Der helle lichte Haufen war am 30. April zu Amorbach angelangt und lag mehrere Tage daselbst, während einzelne Abtheilungen zur Seite zogen, um Edelleute in die Brüderschaft aufzunehmen und auf die zwölf Artikel zu beeidigen, auch Gotteshäuser und Geistliche 57zu brandschatzen und zu plündern. Die Hauptleute des lichten Haufens, und die Verständigeren im Haufen selbst waren schon ganz dafür gewonnen, den Adel eher in ihre Sache zu ziehen, als ihn zu befehden. So sah man jetzt Rotten in Burgen einkehren und nichts nehmen und thun, als einen Trunk. Christ Scheerer z. B. kam so in ein Schlößlein, unweit Amorbach, mit seinen Genossen, der Edelmann darinnen aß mit ihnen und sie mit ihm, und er erfuhr nichts Unangenehmes von ihnen. Bundesakten Fasc. 99 b. Nro. 53. Nicht so gut hatten es die geistlichen Häuser von Christ Scheerer und Andern. Das Kloster auf dem Gotthardsberge half er mit verbrennen, er selbst stieß einen Stall an. Christ Scheerers Urgicht.



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