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Siebentes Kapitel.

Münzer in Thüringen, Hessen, Sachsen.

Thomas Münzers Aussprüche galten seinen Anhängern als heilig, als von Gott selbst eingegeben. Diese fesselte er noch mehr dadurch, 276daß er, was er früher als Lehre aufgestellt, nun bis auf einen gewissen Grad einzuführen begann. Hatte er früher gelehrt, wenn man Gott gefallen wolle, müsse man in den ursprünglichen Stand der Gleichheit zurücktreten, so drang er jetzt auf die Gemeinschaft der Güter im urchristlichen Sinne. »Wer nun nichts hatte, der suchte, wo er das Nöthige für sich fand, und Mancher theilte mit dem Andern ungebeten, indem es hieß, Christus habe befohlen, man solle mit den Dürftigen theilen,« so sagten Münzers Feinde. Er aber dehnte diese Gütergemeinschaft nicht weiter aus, als, wie es unstreitig im Zeitalter der Apostel unter den ersten Christen war, daß die Reichen die Armen speiseten, die Nackten kleideten; er beschränkte sich einfach auf Mittheilung von Korn, andern Lebensmitteln, einem Stück Tuch zur Kleidung. Seine eigene Kleidung war ein einfacher, pelzverbrämter Rock, oder ein weiter Prophetenmantel, und seinem jugendlichen Gesichte gab er durch einen starken Bartwuchs etwas Alttestamentliches, etwas Erzväterliches. Es war ein großer sittlicher Ernst in ihm, und auf dieser sittlichen Strenge gegen sich selber ruhte nicht wenig von der Macht, die dem Volke so unbedingten Gehorsam gebot. Vor ihm, dem Jüngling, beugte sich, ihm, dem Fremdling, folgte die sonst so stolze Bürgerschaft einer großen freien Stadt des Reichs. Ein wahrhafter Zeuge, der es mit Augen gesehen, rühmt von ihm, daß er sein Volk so im Zaume gehalten habe, daß sie noch lange nach seinem Tode meinten, er stehe ihnen oft im Rücken, hinter ihnen, als auf sie sehender, sie strafender Geist. Mit diesen Worten zeugt von ihm der gleichzeitige Sebastian Frank. Münzer war unläugbar eine mächtige Persönlichkeit, ein außerordentlicher Charakter. Es ist ein gewichtiges Zeugniß, das selbst die Todfeinde ohne Wissen und Willen einem ausstellen. Melanchthon, gewiß ein ausgezeichneter Sprachkenner und ein »treffliches Organon Lutheri,« unentbehrlich für die Reformation, aber zum Geschichtschreiber Münzers und seines Werks weniger als irgend einer berufen; Melanchthon und selbst Luther geben dem imposanten, dem gewaltig auftretenden Geist Münzers unwillkürlich und mit widerstrebendem Gemüth das günstigste Attestat. Man fühlt es heraus, man sieht es ihnen an, wo sie seinen Namen schreiben, ist es ihnen, als ob er herein, als ob er vor sie treten könnte, während sie ihn nennen, während sie 277von ihm schreiben. Der längst Todte, sein Schatten noch übt eine Nachwirkung auf sie, wie sie lebend nur irgend eine gewaltige Persönlichkeit zu üben vermag. Auf fast allen Zeilen und Reden Beider über Münzer liegt es unverkennbar wie eine Belastung, wie ein Alp, wie ein innerlicher Schauer, ob man's reden oder schreiben dürfe, ohne daß der »an die Wand gemalte« Geist erscheine. Die uneigennützigen, die strengen, die selbstvergessenen Freiheitsmänner des vorigen Jahrhunderts hat die Verläumdung vielfach beflecken wollen: jetzt hat ihnen selbst die Wissenschaft königlicher Philosophen das öffentliche Lob römischer Tugend nicht versagt. So hat es auch Thomas Münzer erfahren müssen, daß die klatschende Sage seinen Privatcharakter herabzuwürdigen, die Leiche des Gefallenen im Staube umher zu ziehen versuchte. Streng, wie seine Lehre, war auch sein Leben, er aß und trank wenig, und liebte das Weib seiner Jugend so, daß er unter den Schmerzen der Folter und im Angesichte eines schmählichen Todes mit sorgender Liebe nur ihrer und ihres Fortkommens gedachte. Dennoch nagte die Nachrede auch an dieser seiner Tugend, und wollte selbst Ausschweifungen aberwitziger schweizerischer Wiedertäufer, besonders eine in St. Gallen vorgekommene Geschichte auf ihn übertragen. Man gefiel sich auch, in den Kreisen der Wittenberger Theologen sich zu erzählen, Münzer habe, wenn er eine glänzende Volksrede halten wollte, zuvor allemal einen kleinen Kreis der schönsten Damen der Stadt um sich versammelt; in ihrer Nähe werde er wie mit göttlichem Anhauch erfüllt, habe er gesagt. So viel und nicht weiter wagten die nur zu sehr klatschenden Wittenberger Zirkel ihm nachzusagen. Anderweitige Bosheit spann schon weiter die Lüge daraus, er habe vor jeder Predigt eine Schönheit fleischlich genossen. Von Sokrates, von Mahomed, von manchem großen Geiste wird Aehnliches erzählt; ja selbst von dem reinsten Geiste, von dem Stifter des Christenthums, weiß man, daß er Martha lieb hatte und ihre Schwester Maria, und daß ein Kreis von Frauen um ihn war. War bei Münzer dem so, so dient auch hier die Nachrede, die ihn beschatten wollte, unwillkürlich dazu, seine Gestalt zu beleuchten. Wie Luther im Augustinerkloster, so nahm Münzer mit seinen Vertrauten seine Wohnung im Johanniterhof.

Die Johanniter hatten weichen müssen. Alle geistlichen Häuser 278der Stadt wurden gesäubert. Selbst Weiber und Mädchen waren fleißig daran, dieselben zu reformiren, und sich aus den Meßgewändern und Caselen schöne Kleidungsstücke zu machen, wie auch Münzer selbst seiner Frau daraus Gewande und Koller machen ließ. Er zog Tausende des Landvolks herein in die Stadt, die der Predigt seines neuen Gottesreiches begierig lauschten, ergriffen von seiner Lehre, Mancher auch verlockt durch die Aussicht auf Beute und auf arbeitslosen Genuß, weil, ehe sie die Güter der Adeligen, der Fürsten und der Klöster aufgezehrt hätten, Gott schon mehr geben werde. Nach jeder Predigt Münzers, worin er meist seinem Freiheitsthema alttestamentliche Texte unterlegte, ließ Pfeifer durch Chöre von Jünglingen und Mädchen Jehova's Verheißung an die Söhne Judas absingen: »Morgen werdet ihr ausziehen, und der Herr wird mit euch sein!«

Schnell verbreitete sich von Mühlhausen aus die Aufregung nach allen Seiten hin in die Grafschaften Hohenstein, Stollberg, Mansfeld, Beuchlingen, in's Erfurtische, in's Schwarzburgische, in's Altenburgische, in's Meißnische, Koburgische, nach Schmalkalden, Eisenach, in die Gränzen der Landgrafschaft Hessen, in's Eichsfeld, Braunschweigische, rundum wie ein feuriger Kreis. Schon im April machte sich der Reformator Luther auf, um der Bewegung durch die Macht seiner Persönlichkeit und seines Wortes Einhalt zu thun. Er reiste in's Mansfeldische, sein Geburtsland, von da weiter über Stollberg, Nordhausen, Erfurt, Weimar, Orlamünde, Kala, Jena, predigte aller Orten mit seiner ganzen Kraft, die Unterthanen im Gehorsam zu halten, und sie vor der Verführung des »Mordpropheten« und seiner Sendboten zu bewahren. Denn allenthalben hin hatte Münzer seine Jünger ausgehen lassen, das Volk zur Aufrichtung des neuen Gottesreiches zu bewegen. Das Verzeichnis aller Eingeweihten des seit Jahren gestifteten Bundes führte Pfeifer. Wie mag es Luther wehe gethan haben, als er seiner Stimme frühere Allmacht jetzt an Ohr und Herz des Volkes nicht mehr bewährt fand! Münzers Lehre war mit der stündlich fühlbaren harten Wirklichkeit des gemeinen Mannes zu sehr im Einklang, als daß Luther mit seinem Lob der göttlichen Autorität der Obrigkeit und mit seiner Lehre von der Christlichkeit der Knechtschaft hätte dagegen Stand 279halten können. Während er noch unterwegs war, brach selbst da, wo seine Wiege stand, zu Eisleben, der Aufstand aus, und umzog ihn, ehe er ganz heim kam nach Wittenberg, bis fast in seine nächste Nähe; selbst im Weimarischen, in Leipzig und Torgau, im Erzgebirg und im Voigtland zündete Münzers Fackel.

Verhallte selbst Luthers Stimme in dem Sturm, der jetzt die deutschen Gauen durchbrauste, so mußte, was untergeordnete Männer versuchten, um den schwärmerischen Geist der Freiheit zu schlagen, die Gährung zu beruhigen, noch weit unmächtiger sein. Selbst jener Doktor Strauß, der im Innthal den Bergleuten gepredigt hatte, und der sich jetzt zu Eisenach als Pfarrer befand, stellte sich gegen Münzer, und er und der Bürgermeister von Eisenach bewogen den benachbarten volksbeliebten Prediger Wizel, in der ganzen Gegend mit zwei Eisenacher Bürgern umherzureisen, das Landvolk durch Predigt, durch seinen Einfluß und durch das Versprechen zu beruhigen, daß, wenn sie sich stille hielten, sie nach aller Billigkeit sollten erleichtert werden. Wizel hatte unterm 11. März ein Sendschreiben an Thomas Münzer ergehen lassen, worin er ihn beschwor, in sich zu gehen, zu erkennen, wie es der böse Geist sei, der ihn beherrsche. Dann solle er ihnen der theuerste Bruder sein, mit dem sie Alles gemein haben wollen, aber widerrufen müsse er den unläugbaren Geist des Aufruhrs, den unter dem Vorwand des Evangeliums gegen Alle, welche nicht seine Anhänger sein wollen, geschlossenen Bund; widerrufen seine Lehre, daß die Gottlosen nicht leben dürfen, seine Befehle, Kirchen, Bilder, Altäre gewaltsam zu zerstören; widerrufen, was er gegen die Autorität des Buchstabens der heiligen Schrift geschrieben; was er von gewissen Geistern rühme, von Visionen und Träumen. Da dieser Brief die gewünschte Wirkung auf Münzer natürlich nicht gemacht hatte, so suchte Wizel jetzt allerlei Bibelstellen zusammen und schrieb sie sich auf, um das Landvolk wenigstens Münzern dadurch zu entreißen. Allein die beiden Eisenacher Bürger, die mit ihm gehen sollten, verließ Lust und Muth dazu, und Wizel unterließ es auch.

Vermochte er doch nicht einmal seine eigene Gemeinde zu Wenigen-Lubeniz durch seine Predigten von dem Anschluß an die evangelische Einigung zurückzuhalten An demselben Tage noch, da er 280am stärksten gepredigt hatte, zog eine Schaar bewaffneter Bauern, die zur evangelischen Brüderschaft gehörte, in Wenigen-Lubeniz ein, um zum Beitritt aufzufordern, und sogleich ergriff es auch diese Gemeinde, und Alles lief zusammen, sie setzten ihre Beschwerden gegen ihren Gutsherrn, Dietrich von Farnrode, auf, und wollten selbst über ihn kommen. Wizel gab sich alle Mühe, einen Vergleich zwischen Herren und Unterthanen auszuwirken, und sie bei ihrer Feldarbeit zurückzuhalten, aber der Geist des Aufstandes war im Ort jetzt schon zu mächtig, eine ganze Schaar zog bewaffnet mit den andern hinweg, und um nicht zum Mitzug, wie so mancher andere Pfarrer, gezwungen zu werden, machte sich Wizel selbst auch aus seiner Gemeinde weg und anderswohin auf den Weg; auf der Straße begegneten ihm Bauern aus dem Dorf Groß-Lubeniz. Wohin eilt ihr? fragte er sie; ich komme, euch eine Predigt zu halten. Aber sie liefen weiter, ohne Antwort; nur einer rief ihm zu: Predigt indessen vor unsern Weibern. Gleich darauf begegnete ihm eine zweite Rotte Bauern. Was macht ihr, ihr guten Leute? rief er ihnen zu. Warum geht ihr nicht mit euren Gutsherren einen Vergleich auf billige Bedingungen ein? Pah, erwiderte ein Bauer, unsere Herren halten ihr Wort nicht. Zu Wangenheim am See an der Hardt schlugen sie ihr Lager, mehrere Tausend an der Zahl, aus allen umliegenden Dörfern, und kaum war Wizel auf seine Pfarre zurückgekehrt, als er von ihnen einen Brief mit der Aufforderung erhielt, zu ihnen zu kommen als ihr Prediger, und den christlichen Brüdern auf freiem Felde eine Predigt zu halten; wo nicht, würde er den christlichen Brüdern in Strafe fallen. Wizel antwortete, er bitte sie, nach ihrem Dorf zurückzukommen, so werde er ihnen in der Kirche predigen. Ein zweites Schreiben aus dem Bauernlager drohte ihm, er werde, wenn er nicht komme, nirgends in Thüringen sicher sein, auch andere Pfarrer haben sich zu ihrer Gemeinde begeben. Die Gefahr war unverkennbar, die verlassenen Weiber im Dorf baten und flehten ihn, er ritt hinaus in's Lager, um in seinem und ihrer Weiber Namen seine Bauern zu bitten, wieder heim zu kommen. Er richtete nichts, und um so mehr mißfiel ihm das Durcheinander im Lager der christlichen Brüder. Nachdem er einige Stunden mit ihnen gesprochen hatte, ritt er hinweg, aber am Abend 281des andern Tages sah er doch die meisten seiner Bauern mit ihren Knitteln und andern Instrumenten in's Dorf zurückkehren, nachdem sie vier Tage auswärts gewesen waren, und Krieg geführt hatten, mehr gegen Ochsen, Speck, Mehlsäcke und ungeheure Fässer, als gegen Menschen. Die kaum ruhig gewordenen Bauern wurden aufs Neue erregt durch einen Brief Münzers, worin er sie aufforderte, den christlichen Brüdern wieder zuzuziehen. Wizel that das Seine, so viel möglich sie in Ruhe zurückzuhalten. Beides wurde ihm schlecht gedankt, was er früher und was er jetzt vornahm. Während die Bauern ihn einen Fürstenheuchler nannten, verdächtigte ihn sein eigener Gutsherr als einen, der es mit den Bauern halte, und in den Zirkeln Luthers und seiner Freunde sagte man sich, Doktor Strauß habe Wizel als seinen Rath und lieben Getreuen unter die Bauern ausgeschickt, ihnen zu sagen, er wolle es schon dahin bringen, daß ihre zwölf Artikel angenommen würden Ganz nach den Briefen und Schriften Wizels und Justus Jonas, Neander: Kleine Gelegenheitsschriften biographischen Inhalts Seite 185 bis l94. Der wahrhaft christliche Neander hat schon dadurch ein großes Verdienst, daß er es wagte, das Anekdotenklatschen und das ganze gehässige kleinliche Treiben derer aufzudecken, welche Luthers Famuli und Augendiener zu Wittenberg machten.

Die berühmten zwölf Artikel der Oberschwaben waren vom Mainzischen und Fuldaischen aus herübergekommen.

Wie diesseits des Rhöngebirges frühzeitig die Fähnlein der Bauern sich sammelten, so waren auch jenseits desselben schon im April mehrere Haufen im Lager versammelt und brüderlich verbunden. Ihr Aufstand war eigentlich nur eine natürliche Fortsetzung der über das Mainzische hinfluthenden Odenwald-Neckarthaler Bewegung. Das Lager zu Aurach zwischen Kissingen und Hammelburg war auch eine Brücke. Bei dem Schloß Attenrode, im Steinbacher Forst, zeigte der Dreiherrenstein den Zusammenfluß der Grenzen von Hessen, Henneberg und Thüringen. Doch scheint der Einfluß von Thüringen und von Münzer her der größere und mächtigere gewesen zu sein. Als eine fränkische Rotte den Probst von Johannisberg bei Fulda, Melchior von Küchenmeister, der von Holzkirchen in Franken heimreiste, überfiel und ermordete, hatten die Hammelburger die Mörder verfolgt und das Schloß Reussenberg, wohin sich dieselben 282zurückzogen, zerstört, und so ihre Anhänglichkeit an ihren Abt bethätigt. Bald darauf waren die Hammelburger die ersten Unterthanen des Stiftes Fulda, welche dem Aufstand folgten, und die Landschaft in der Buchen, dem durch seine Buchen berühmten Theile des Harzwaldes, war wie durch einen Schlag in Bewegung. Das Regiment im Stift Fulda, dessen Abt Hartmann in Mainz lebte, führte der Coadjutor Johannes, Graf Wilhelms des alten Hennebergers Sohn. Innerhalb dreien Tagen waren die Unterthanen und Bauern, im Stifte Fulda, in der ganzen Buchen, und die hessischen Bauern um Bach, Heringen, Friedewald und Hersfeld zu Haufen versammelt, in die 10,000; brachen in viele Klöster, plünderten diese, plünderten und brachen Burgen und Schlösser, und wie Mönche und Nonnen, so sah man edle Herren und Frauen vertrieben, flüchtig im Elend irren. Die Stadt Bach an der Werra selber nahmen sie ein, ebenso Heringen, fast die ganze Ritterschaft in der Buchen trat in ihre Brüderschaft, und während eine Abtheilung das Schloß Friedewald belagerte, darin der Vogt wenige Kriegsleute, und sonst nur einfältige Bauern bei sich hatte, zog der andere Theil des Haufens vor die Stadt Hersfeld. Sie schrieben überall hin in die Umgegend um Zuzug und Beistand, und drohten die Säumigen an ihrer Feldfrucht, an Leib und Gut zu schädigen. Da liefen ihnen auch aus den Aemtern des Landgrafen von Hessen Viele zu, und wurden ihnen anhängig. Schreiben des Landgrafen Philipp an den schwäbischen Bund aus dem Casseler Archiv, bei Rommel. Das Schloß Attenrode ging in Flammen auf. Auch kleine Herren, doch wenige, wagten sich ihrer christlichen Brüderschaft zu weigern. Jakob Stückrad hatte ein Gut, unweit Rotenberg zwischen Gergershausen und Niedergude, und als die Bauern heranschwärmten, schickte er seine Frau mit zwei Kindern auf dem Arm nach dem festen Spangenberg; er selbst blieb, vertheidigte seinen Herd, und starb unter den Feuerbränden, die sie in seinen Hof warfen. Aus Familiennachrichten, Rommel II. 75. in den Anmerkungen. In der Stadt Fulda selbst hatten die Bürger in der Osterwoche vier Stiftskirchen verwüstet, und der Coadjutor war in die Brüderschaft der Bauern eingetreten. Derselbe hatte nur wenige Reisige; alle seine Mannschaft hatte er theils seinem Vater nach 283Henneberg, theils in's Mainzische zuvor geschickt. Er kam jedoch daneben noch in den Verdacht, daß er es nicht ungern mit den Bauern gehalten habe. Denn sie begrüßten ihn nicht bloß als ihren Bruder, sondern als Fürsten von der Buchen: sie wollen keinen Kuhhirten mehr, sagten sie mit spöttischer Verketzerung des Titels Coadjutor. Darum, und weil auch sein Vater, der alte Henneberger, zu den Bauern trat, hatte der Landgraf von Hessen lange Mißtrauen gegen ihn. Auf dem Rathhause zu Fulda hatte der Coadjutor die zwölf Artikel unterschrieben, doch mit ausdrücklichem Vorbehalt, so fern dieselben christlich und beständig erkannt und befunden würden; was übrigens ja im Schlußartikel schon selbst lag. Er that es jedoch erst, als 10,000 Bauern um die rauchenden Ruinen des von ihnen zerstörten Klosters auf dem Andreasberg (jetzt Neuenberg) im Münsterfeld sich gelagert hatten, und die Bürger von Fulda sich mit ihnen vereinigten. Auch die Klöster auf dem Petersberg und dem schönen Frauenberg wurden zerstört. Von den Flammen ergriffen verödete das uralte Heiligthum des letztern, in welchem seit fünf Jahrhunderten Mönche gesungen hatten. Selbst die Gräber wurden gestört von Händen, die nach Schätzen suchten, Pröbste und Mönche ausgetrieben.

Oberster Hauptmann des fuldaischen Haufens war Hans Dolhobt (Dolhofer), ein Uhrmacher; weitere Hauptleute waren Henne Wille, Hans Kugel und Hans von Rohm (Rone). Den Hauptleuten stand ein Ausschuß der buchischen Gemeinde zur Seite.

Es ist hier nicht wie anderswo eine scharfe Trennung der einzelnen Haufen möglich; wie die Grenzen, so fließen auch Schaaren vom Harz von der Rhone, vom Thüringer Wald in einander, und handeln bald gemeinschaftlich in Massen, bald getrennt in einzelnen Schwärmen.

Bald nach der Einnahme der Stadt Fulda war auch die Stadt Hersfeld nach längerer Einschließung von 5000 Bauern in die Brüderschaft eingetreten. Der Abt Crato von Hersfeld, von dem, wie von den meisten Mönchen des Klosters, Luthers Lehre sehr begünstigt und Luther selbst auf seiner Reise nach Worms auf's Freundlichste und Freisinnigste aufgenommen worden war, hatte zwar das Schloß zu den Eichen, den Peters- und Johannisberg befestigt, aber es 284waren der Bauern zu viel, und er hatte der Leute zu wenig; so unterschrieb er auch die zwölf Artikel, jedoch mit einem Vorbehalt, mit dem Vorbehalt einer christlichen Ordnung, welche etwa sein gnädiger Verspruchsherr würde ausgehen lassen. Dieser Verspruchsherr war der Landgraf von Hessen. Diese Fürsten waren erbliche Schirmvögte der Abtei Hersfeld. Der Landgraf schickte drei seiner Ritter, Udo Hund, seinen Amtmann zu Schönstein, den sie zuvor unglimpflich behandelt hatten, und Johann Riedesel zu Eisenbach nebst Heinze von Lüddern, in die Stadt Fulda. Diese erhielten die trotzige Antwort: der Coadjutor habe den weltlichen Stand angenommen; werde der Landgraf der christlichen brüderlichen Versammlung der Landschaft in der Buchen beitreten, so wolle sie Frieden mit ihm halten. Zu gleicher Zeit gingen von dem Lager zu Hersfeld Aufforderungen, zur Handhabung des göttlichen Worts, und zur Einnahme der geistlichen und weltlichen Herrschaften beizutreten, an die hessischen Städte Kassel, Treyssa, Rotenberg, Spangenberg, Homberg, Sontra, Ziegenhain, Neukirchen, Alsfeld, Melsungen, Witzenhausen. Die Bauern bewogen die beiden Bürgermeister von Hersfeld, Udo Süß und Heinz Reutz, ihnen diese Einladungen zu schreiben. Aber alle diese Städte schickten die Schreiben geradezu an ihren Landesherrn, versprachen Gut und Leben zu ihm zu setzen und baten um schleunigen Schutz. Die christliche Landschaft in der Buchen fuhr fort, das ganze Stift Hersfeld in ihren Bund zu bringen, durch Güte und Gewalt. Eine Abtheilung nahm die Stadt Hersfeld zu ihrem Hauptquartier, eine andere, die vom Thüringerwald, Vach an der Werra. Schanat. histor. Fuldens. III., 250. Buchonia, Zeitschrift für vaterl. Geschichte, v. Schneider I., 164—169. Rommel, Philipp, I. 106-111. II. Anmerkungen, S. 74.

Dieses Lager in und bei dem Landgräfischen Städtchen Vach zog seine Mannschaften vorzüglich auch aus dem sächsischen Gebiet aus Stadt und Amt Salzungen, Amt Breitenbach und Gerstungen, Stadt und Amt Kreuzburg, Amt Eisenach und aus den Besitzungen des dazwischen sitzenden Adels und der Geistlichkeit. Hier herum, so hart unter der Wartburg, Luthers zehnmonatlichem freiwilligen Pathmos, von wo aus er noch nicht lange das Werk der Reformation 285vorwärts geleitet und an der Bibel übersetzt hatte, stand fast Alles auf, und sie brachten in die achttausend Mann zusammen. Hauptleute dieses Haufens waren Michael Sachs, Melchior und Hans Schippel. Michael Hutter von Schmalkalden, ein Plattner, trug die Fahne mit Crucifix, Vogel, Hirsch, Fisch und Wald. Joh. Müllner, Relation, Handschrift. Sie zogen den Werragrund hinauf, zerbrachen und verbrannten die Nonnenklöster Frauensee und Frauenbreitungen, und plünderten die Frauenstifte Allendorf und Herrenbreitungen, vier Gotteshäuser nahe beisammen diesseits und jenseits der Werra. Sie scheinen bei Volk und Herren in üblem Ruf gestanden zu sein. Allendorf, das fast zweihundert Jahre lang Cisterzienserorden gewesen war, hatte man erst vor sieben Jahren nach der Benediktinerregel reformirt, und die Abtei Fulda ihnen einen Probst zur Haushaltung gesetzt. Aber Probst und Nonnen lebten gar ein ungeistlich und unzüchtig Leben. – Der sächsische Amtmann zu Salzungen that den Beichtvater der Klosterfrauen hinweg und mußte ihn hinwegthun. Die vor den Bauern entflohenen Nonnen retteten sich zu der Frau des Amtmanns von Salzungen, der sie auch schützte und standhaft ihre Herausgabe an die Bauern verweigerte. Darauf lagerten die Bauern auf der Beichlinger Wiese vor Salzungen, der Rath mußte zu ihnen geloben, und ihnen Bier und Brod herausschicken, im Werth von 47 ½ Schock Groschen. Weiter zogen sie dann auf Schmalkalden. Die Bürger dieser Stadt waren gut evangelisch; längst regte sich in ihnen ein Geist der Freiheit; sie hatten seit 1330 viele städtische Freiheiten von Kaiser Ludwig dem Baier, sie wollten reichsfrei werden. Das Domstift in der Stadt und das Georgenstift boten den Bauern reiche Kriegsmittel, und die Stadt that sich ihnen auf. Viele vom Adel mußten in die Brüderschaft geloben, und am Walpurgistag lagerte der Haufe bei dem unteren Thore von Meinungen.

Als sie hier hörten, daß diese Stadt bereits in der Verbrüderung der Oberfranken sei, die zu Bildhausen sich versammelt, und die Bildhäuser Hauptleute die Vereinigung des Haufens mit ihrem Lager höflich ablehnten, da zogen sie wieder den Werragrund zurück und auf Eisenach zu; und da sie diese Stadt weder durch Güte 286noch Gewalt in ihren Bund zu bringen vermochten, zogen sie weiter auf Mühlhausen zu. Spalatin, sächsische Historie, in Struve's Archiv. Th. 3. Seite 100. Glaser S. 284.

Der Schwarm, der sich auf der Hardt gesetzt hatte, und zu dem Wizel hinausgeritten war, stand unter Anführung Zickels, eines Bauern von Sonneborn. Er führte die Edeln von Wangenheim gefangen mit sich fort und schwärmte nun durch das Gothaische. Die Grafen von Gleichen, die in dieser Landschaft ihre Güter hatten, waren kurz vor Ausbruch des Aufstandes in einen Rechtsstreit mit ihrer Gemeinde zu Seebergen gerathen, wegen Weihers, Fischerei, ausgehobener Marksteine und derlei. Graf Günther von Schwarzburg hatte sich umsonst bemüht, diese Späne beizulegen. Jetzt, als die Bauern an den Gränzen umher aufstanden, eilten die Grafen von Gleichen, durch neue Huldigungen und Gelübde, sowie durch Vergleichung jenes Zwists ihrer Unterthanen sich zu versichern. Auf ihr Begehren einer neuen Huldigung, bei der die Grafen etwaige Beschwerden hören wollten, schrieben einige Gemeinden am 29. April, sie hätten wohl Beschwerden, können sich aber in so kurzer Zeit nicht unterreden. Doch wissen sie wohl, daß die Obrigkeit von Gott verordnet sei. Gestern aber sei ihnen von dem Haufen der Bauern angedeutet worden, sie sollen nicht in die Huldigung willigen, vielmehr die zwölf Artikel annehmen: wo nicht, so würden sie sie todtschlagen. Hierüber stehen sie in Sorgen; denn wenn die Artikel Fortgang gewinnen, so müßten sie sich auch daran halten; sie hoffen aber, es werde ein gutes Regiment, wie in Chursachsen und Thüringen, mit Gelaß, Renten und Zinsen, Gehölz und Wildbahn, Fischwasser und Waiden und mit Frohndiensten angeordnet werden. Graf Philipp von Gleichen scheint unter vier Brüdern der am meisten herrische gewesen zu sein. Er saß auf seinem Schloß zu Tonna, unweit der Unstrut. Der Haufe führte auch ihn gefangen mit hinweg, und von Paul Müller, einem Bauern aus Weingarten, mußte er sich ins Gesicht sagen lassen: »Sieh da, Philipp, bist Du uns jetzo auch gleich.«

In der Stadt Gotha und in den nächsten Dörfern umher hielten sich Bürger und Bauern ruhig. Das wirkten nicht sowohl 287die Abmahnungen und guten Worte des Raths zu Gotha, als die besänftigenden Predigten des in der Reformationsgeschichte wohlbekannten Mekum. Schon im Jahre zuvor war ein Bürgerauflauf in der Stadt gewesen, bewaffnete Bürger waren in das Domstift eingedrungen, und hatten den Domherren nicht nur ihre Mädchen, sondern auch anderes Eigenthum weggenommen, und der Rath hatte damals nichts dagegen zu thun gewagt oder vermocht. Mekum dagegen vermochte durch seine Beredsamkeit über diesen Bauernhaufen, der sich eine Zeitlang zu Ichtershausen lagerte, gegen viertausend Mann, daß er von seinem Vorhaben, die Schlösser Gleichen, Mühlberg und Wachsenburg zu zerstören, und die Familien der Edelherren darin zu ermorden, abstand. Sagittarii histor. Goth., S. 170. 171. 424. Sagittarii histor. der Grafschaft Gleichen S. 398, 399. Tenzelii Suppl. relig. histor. Goth. S. 733, 734. Dagegen kam über das alte Kloster Reinhardsborn die Zerstörung. Der Abt Heinrich war nach Weimar gegangen. Da erhob sich in der Woche nach Ostern ein Schwarm Bürger und Bauern aus Waltershausen und den benachbarten Orten, sie stürmten in die Abtei, trieben die Mönche daraus, und lagerten sich tagelang darein, bis sie das Beste darin verzehrt hatten. Der Prior hatte nichts zu retten gesucht, als die kostbaren Kirchenzierden, Stiftungsbriefe und Privilegien. Des uralten herrlichen Gotteshauses reiche Bibliothek mit allen Handschriften und Büchern blieb zurück. Das Vieh und alle Vorräthe führten die Bauern fort und theilten sich darein, die unersetzlichen Denkmale ältester Geschichte der Thüringer, die Handschriften, verbrannten oder zerrissen sie; ja selbst die Grabmale, die Steine und Inschriften in der hier befindlichen Erbgruft der Landgrafen von Thüringen verwüsteten sie, zerschlugen Altäre, Gemeinde, Bilder und Tafeln, schonten nicht der Glocken und Orgeln, und verbrannten zuletzt die altehrwürdige Klosterkirche. Thuringia sacra I. 173.

Vielleicht noch früher als zu Ichtershausen sammelte sich nur wenige Stunden davon bei Kloster Ilmen im Schwarzburgischen ein Lager, das bald zwischen acht und neuntausend Mann zählte, theils Bürger, theils Bauern. Denn die Bürger selbst in der Residenz der 288Grafen von Schwarzburg, in Arnstadt an der Gera, wollten nicht umsonst den schwarzen Adler im goldenen Feld, das Symbol der Freiheit, führen, und seit der Urzeit der alten Franken die Stadt der Aare heißen; sie traten in die Waffen, nahmen dem Grafen Günther XXXIX. und seinem Sohne Heinrich XXXVII. alle Einkünfte und alle Gewalt in der Stadt, auch allen in der Stadt wohnenden Edelleuten und Geistlichen ihre Privilegien. Ebenso kündigten die schwarzburgischen Bauern den Grafen alle Regalien und allen Gehorsam in einem Brief. Die Grafen sahen sich gezwungen, auf dem Rathhaus zu Arnstadt die zwölf Artikel anzunehmen und einen Revers auszustellen, daß sie niemals Ahndung darum suchen wollen. Diesem Vorgange folgten die Aemter in dem jetzigen Schwarzburg-Sondershausischen, Klingen, Greussen und Ehrich. Ein Prediger der schwarzburgischen Stadt Frankenhausen an der Wipper, Gangolf, war hier der Führer des schwarzburgischen Fähnleins. Am zweiten Sonntag nach Ostern plünderte dieses die Domherren zu Jechaburg, unweit Sondershausen, und zerstörte auch hier alle Papiere. Nachdem die Bauern das Domstift zu Jechaburg geplündert hatten, zogen sie noch selbigen Tages vor das Schloß zu Sondershausen. Der junge Graf Heinrich hatte sich zuvor nach Nordhausen geflüchtet. Sie drohten, wofern der Kanzler Hermann Rietmann nicht herauskommen würde, mit Sturm. Der wußte, daß das Volk am meisten ihm aufsätzig war. Er arbeitete gerade auf der Kanzlei. Vor solchen Vorständen seine Rechnungen zu verantworten, schien ihm nicht räthlich, er sattelte ein Pferd, und es gelang ihm, heimlich davon zu kommen, während sie noch vor dem Schlosse tobten. Als sie von seinem Entkommen sich überzeugten, fielen sie in sein Haus, plünderten es, und, was sie nicht mitnehmen konnten, schlugen sie in Stücke.

Die Bewegung sprang von selbst über die Gränze in das nächstgelegene Herzogthum Sachsen. Auch den altglaubigen Herzog Georg wollten seine Bauern, wie die Schwarzburger Grafen, zur Annahme der zwölf Artikel zwingen. Seine Dorfschaften Großen-Güttern, Schönstedt, Kirchheiligen, Sundhausen und Merrleben vereinigten sich mit den Schwarzburgischen und fielen in das einst berühmte Kloster Homburg an der Unstrut, zwischen Langensalza und Thomasbrück, und plünderten es, doch ohne es zu zerstören; der Abt Liborius 289entwich mit den Mönchen. Die Bürger der Stadt Langensalza waren großentheils münzerisch und zum Theil die Führer der Bewegung. Olearii Syntagma rer. Thuring. I. 8, 32, 228, 167, 196, 324. II. 87. Alte thüringische Chronika.

Hart daran besaß das Erzstift Mainz, so weit entlegen von seinen anderen Landen, die größte Stadt, die Hauptstadt Thüringens, Erfurt mit dem Stadtgebiet, und nicht weit davon, etwas tiefer hinab und nur durch einen schmalen Streifen des Herzogthums Sachsen davon getrennt, die beträchtliche Landschaft, das Eichsfeld. Gewöhnlich wurde zu dem letztern Erfurt selbst schon mitgezählt. Hier blühten die Wissenschaften, Erfurt hatte eine Universität seit fast anderthalb hundert Jahren. Auf seiner Durchreise nach Worms predigte hier auf vielfältiges Bitten Luther, der hier längst mit Begeisterung verehrte Bruder Martinus. In feierlichem Aufzuge hatten ihn Universität, Rath und Bürgerschaft eingeholt. Bald war fast die ganze Bürgerschaft der evangelischen Lehre zugethan. Kaum war Luther hinweg, noch im selben Jahre 1521, so entstand gegen die Stiftsherren, welche die bürgerliche Pflicht nicht thun wollten, ein Auflauf der Studenten, Bürger und Bürgerssöhne; beiden Stiftern wurde viel Gut genommen; selbst die Gitter, die Oefen und Fenster wurden zerrissen, die Thüren zerschlagen und von ihrem Wein manches Faß geleert. Da gaben sie dem Rathe 10,000 Gulden Schutzgeld, und sie hatten Frieden inzwischen.

In bürgerlichen Dingen hatte man zu Erfurt seit 1508 die Augen offen. In diesem Jahre schon stand die Gemeinde auf. Aerger als irgendwo hatte der Rath hier gewirthschaftet. Der Rath hatte sich immer nur einzig und allein aus den edeln Geschlechtern, aus den Patriziern, ergänzt. Da verlautete, der Bürgermeister Heinrich Kelner habe Schloß und Flecken Kappendorf um 8000 Gulden an das Haus Sachsen versetzt, und daß der Rath ungeheure Schulden angehäuft habe. Die Gemeinde verlangte Rechenschaft. Der Rath rief den Churfürsten von Sachsen zu Hülfe. Aber die Untersuchung konnte nicht hintertrieben, die Gemeinde nur durch das Recht beschwichtigt werden. Es stellte sich heraus, daß der oberste Rathsmeister Kelner thatsächlich ohne Wissen und Willen der Gemeinde die Stadtvogtei Kappendorf verpfändet, daß der Rath eine 290Stadtschuld von 600,000 Gulden angehäuft hatte, deren Interessen allein jährlich 30,000 Goldgulden betrugen, alles ohne Wissen der Gemeinde. Die Umwälzung war schnell entschieden, der ganze Rath wurde abgesetzt, die Patrizier entwichen großentheils aus der Stadt, mit ihnen auch des alten Raths Scharfrichter. Aus den fünf großen Gewerken wurde von der ganzen Bürgerschaft der Rath gewählt. Beim Anfang des Aufstandes war der Rath nur ergänzt worden aus den Gewerken, und selbst Heinrich Kelner war noch mit denen aus der Gemeinde im Rath gesessen. Als man ihn über Kappendorf zu Rede gestellt und im öffentlichen Rathe gefragt hatte: »Wer ist die Gemeinde?« und als die aus den Gewerken erwählten Räthe geantwortet: »Wir wissen nicht anders, denn daß es eine Versammlung sei aller Bürger in Erfurt:« da hatte der Patrizier die Dreistigkeit, aufzustehen und zu sagen: »Allhie steht eine Gemeinde!«

Er wurde durch Rechtsspruch zum Galgen verurtheilt. Keine Fürbitte der Fürsten von Sachsen vermochte ihn zu retten, er war seiner großen Sünden überwiesen und geständig. Da es am Henker fehlte, hängte ihn ein Dieb, den er als Taufpathe zuvor um sechsunddreißig Groschen vom Galgen zu Arnstatt losgekauft hatte, um dreizehn Gulden Handgeld. Der Streit zwischen Gemeinde und Patrizier dauerte noch neun Jahre lang, und zwischen hinein wurde der Syndikus der Stadt im Jahre 1514, Berthold Bobenzahn, als Verräther geviertheilt. Erfurter Stadtchronik vom Jahr 1036 bis 1544, Handschrift; abgedruckt in Paulus Sophronizon II. Bd. 3. Heft. Aus derselben Chronik enthält Bruchstücke: Hermanns Anecdota ad Historiam Erfurd. 1820. 8. Man vergleiche auch Gudeni Histor. Erfurd. S. 223—24.

Im Jahre 1524 war der bekannte Johann Eberlin von Günzburg nach Erfurt gekommen, und predigte ein ganzes Jahr daselbst, mit edler Freimüthigkeit gegen Obrigkeiten und Unterthanen. Als die Volksbewegung in Deutschland einen immer drohenderen Charakter annahm, ging er so weit, den Herren zwar zu sagen, sie sollen so handeln, daß sie vor Gott und vor frommen weisen Leuten bestehen möchten, aber auch sie sollen den losen, ärgerlichen und muthwilligen Pöbel strafen, oder Gott würde verhängen, daß sie von ihm würden gestraft werden. Der Eine lobte solches Predigen, der Andere fluchte. 291Das christliche Häuflein, das an ihm hing, ermahnte er, sich nicht unnütz zu machen durch Ungeduld gegen ihre Herren, von denen sie unbillig beschwert zu sein meinten. Als sie ihm die gedruckten zwölf Artikel der Bauerschaft in Schwaben brachten, da warnte er davor, und es ward ihm, wie er sagt, nicht von Jedermann zu gut gehalten, daß er solche Artikel tadelte. Neben Eberlin war in der Stadt Eoban Heß, ein in seiner Zeit namhafter Philologe und Poet, der sehr priesterfeindlich, nicht ohne Anflug von Freiheit, aber eitel und etwas rohrartig war, vom Winde hin und her bewegt. Eberlin verspürte noch nichts von irgend einer Gährung in Erfurt, als schon die Burgen auf dem Thüringer Wald den Himmel erleuchteten. An einem Freitag früh, es war der 28. April, war er gerade bei den Herren auf dem Rathhaus, einer besondern Sache wegen, und im Begriff, abzuscheiden. Da standen sie Alle auf, so viel ihrer da waren, und baten ihn kläglich und ernstlich, ihnen beiständig und räthlich zu sein. Eberlin fragte verwundert nach ihrem Anliegen. Da sagten sie ihm, wie draußen vor den Mauern 4000 4000 hat das Original von Eberlins Schrift: eine getreue Warnung. 11,000 hat die Handschrift der Erfurter Stadtchronik. 11,000 die Rektoratsmatrikel zu Erfurt von 1526: Excerpte in v. Schmid's Sammlung. Erfordia literata. III. S. 490—92. Eichsfelder-Bauern lagern, und wie eben Botschaft komme, daß sich auch das Stadtvolk auf der Augstbrücke rottire. O Herr, sprach Herr Hans Koch, der Rathmeister, thut an uns als ein Biedermann, ihr könnt wohl helfen. Wenn sich das Volk, antwortete Eberlin, wider einen ehrbaren Rath rotten will, so will ich Leib und Leben daran setzen, daß Friede werde. Doch, euer Oberster, Herr Adolar Hüttner, ist nicht da, wer weiß, was ihm gefällt? Da kam Herr Adolar und that dieselbe Bitte. Eberlin nahm etliche des Raths zu sich, und ging mit diesen, während die andern in großen Aengsten auf dem Rathhaus harrten, zum Augstthurm vor das Stadtvolk. Ich bin da als ein Freund, sprach er, laßt mich unter den Haufen. Da trat er mit den Rathsherren auf einen Mauerkranz und schrie dem Volke zu: Haltet ihr mich für einen Freund, so hört mich in Frieden. Als sie die wohlbekannte Stimme vernahmen, da war das Volk gestillt. Indem traten zwei andere Prediger Eberlin zur Seite. Da sprach er in Liebe und 292Ernst zu dem Stadtvolk, und mahnte sie ab, dem Evangelium also eine solche Schande, ihnen selbst Angst und Noth zu bringen. Ihr sollt nicht denken, schloß er, daß ich euren Herren heucheln wollte, weil sie jetzt neben mir stehen; nein, nein, ich habe ihnen bisher nicht geheuchelt, ich will's auch förder nicht thun. Seid ihr aber meine Freunde, und gefällt euch meine Lehre, so zollt mir jetzt ein Zeichen: leget das Fähnlein nieder!

Es war ein Augenblick, wo sich die geistige Macht eines volksbeliebten Predigers in dieser Zeit wieder einmal zeigte: bald legten sie das Fähnlein nieder. Da faßte Eberlin sich ein Herz und sprach: »So knieet Alle nieder und betet, so will ich euch mehr sagen.« Das thaten sie. Da fing Eberlin erst recht an, ihnen ins Gewissen zu reden, in einer langen merkwürdigen Predigt, und sprach am Ende: Wer es mit mir halten will, der hebe einen Finger auf! Alle Versammelten hoben die Finger auf und schrieen: Wir auch, wir auch. Da waren die Rathmeister freudig, und freudig sprach auch Eberlin: »Liebe Freunde, ich merke, daß euer Rottiren mehr ein teuflischer jäher Betrug gewesen ist, als ein schlimmer Muthwillen, weil ihr so bald euch durch Gottes Wort davon abreden lasset; ihr werdet's von Gott und euren Herren zu genießen haben.«

So war Friede in der Stadt. Bald ging Eberlin mit den Rathsherren und Predigern hinaus ins Lager der Bauern aufs Feld, und sprach zu ihnen dasselbe, wie er es vor dem Stadtvolk gethan, und vermochte, daß auch die Bauern niederknieeten und ihn hörten. Als er aber ein wenig geredet hatte, wurde er von etlichen angetreten. Man hätte Anderes auch zu schaffen, als Predigt hören, fielen sie ein; er möchte wohl gedenken, woher der Pfeil käme, nicht aus den Bauern.

Die Bauern schickten einen Brief mit ihren Artikeln herein und forderten Oeffnung. Sie mußten in die Stadt gelassen werden. Erfurtische Bürger reizten und beschieden sie selbst herein. Doch, heißt es, ließen wir nur solche Bauern ein, die unter unsern Herren wohnten, Ausländische nicht. Es gab abermals ein kleines Stückchen Revolution in der Stadt, doch ganz unblutig. Auch wurden noch am ersten Tag die erzbischöflichen Gerichtshäuser, das Zollhaus, überall das mainzische Wappen abgebrochen und zerstört; auch des 293Scharfrichters Haus wurde dem Boden gleich gemacht; Bürger und Bauern fielen in den mainzischen Hof, in die Häuser etlicher Geistlichen, machten aus Klosterkirchen Pfarrkirchen, und schloßen die Kirchen »der Papisterei wegen.« Nur im großen Spital hielt man Messe; da Doktor Conrad Klinge predigte, war Kirche und Kirchhof ganz voll. Den Mönchen in den Klöstern thaten sie große Plage; sie tranken ihren besten Wein aus Gölten, und speisten aus ihren Speisekammern alles Köstlichste weg. Omnia illorum nobiliora cum vina tum obsonia consumserunt, sagt mißmuthig der Rektor Rembert.

In der Stadt waren die Bauern so friedlich, daß einer, sagt Eberlin, sich darob verwundern möchte; keinem Bürger geschah Leid von ihnen. Auch Eoban Heß war in seiner Weise vergnügt über den Gang der Dinge. In Thüringen, schrieb er an einen seiner Freunde, sei Alles voll Unruhe, Zerstörung und Mord; in Erfurt aber könne man ganz sicher leben, noch sei kein Kind beleidigt worden; nur nach den Gütern der Mönche und des Erzbischofs habe man gegriffen. Er pflege den Bauern zu danken: denn durch sie habe man nun wieder die volle Eichmaß in Wein und Bier bekommen, und sei von der beschwerlichen Accise frei geworden. Und in der Begeisterung der genossenen, wieder zu Recht und Ordnung zurückgekehrten Weinflaschen übernimmt ihn sogar ein Freiheitsrausch: »Wir haben den Bischof von Mainz hinausgejagt, schreibt er kurz darauf; wir haben alle geistliche Regierung umgestürzt; Chorgesang und Messen haben aufgehört; das Wort Gottes wird eifrig gepredigt; wir haben, wie's scheint, die Freiheit errungen, aber es droht uns noch, ahndet's mir, ein Ungewitter.« Cobani Hessi epistolae (Marpurg 1543), p. 110 sq. p. 118.

Eberlin ging täglich von einem Quartier der Bauern, die sie sich in den Klöstern genommen, zum andern, und wie er das Stadtvolk zu Geduld und Gehorsam vermahnte, so predigte er auch den Bauern. Viele Hundert der letztern lagen in der Carthause. Da kam Eberlin in Müh und Sorge. Böse Buben mischten sich unter die einfältigen Bauern, und machten sie unruhig; lose Buben redeten dem einfältigen Völklein auf, sie sollen mit Gewalt vor das Rathhaus ziehen, die Herren seien untreu; und schon standen sie in der 294Ordnung in der Gasse vor der Carthaus. Da stillete Eberlin den Haufen »mit großer Gefährlichkeit seines Lebens,« wie des Lebens des mit ihm gekommenen Rathmeisters Hans Müller. Etliche Tage predigte er in der Frauenkirche vor allem Volk, vor Bürgern und Bauern, und Herr Adolar Hüttner wollte ihn damit erfreuen, daß ihn der Ausschuß von Rath, Gemeinde und Bauerschaft erwählt habe zum Prediger an der Frauenkirche und vier angehängten Pfarren. Aber Eberlin, Jakob Wehe's, des Märtyrers zu Leipheim, Freund und Vetter, nahm die Auszeichnung nicht an und betrat keinen Predigtstuhl mehr in Erfurt. Die andere Partei bekam schon die Oberhand, bald darauf wurde ein neuer Rath gewählt; Eberlin war dagegen. Der neue Rath wollte die Nonnen aus den Klöstern thun. Eberlin sagte: Ich meine, wir sollten also freundlich handeln mit den Papisten, daß man merken sollte, wir suchen nicht die Seckel, sondern die Seelen. Da wurden ihm Viele abhold. Die meisten Nonnenklöster blieben auch sicher: nur aus dem Andreaskloster ließen sie sich herausschrecken. So thaten die Bauern in der Stadt Niemand Leids und keinen Schaden, als den Klöstern. Selbst den Beamten des Erzbischofs erwarb Eberlin Ruhe und Sicherheit vor den Bauern, deren oberste Hauptleute Feyner und Dinger waren. Erfurter Stadtchronik, Handschrift. Eberlin, getreue Warnung 1526.

In ähnlichem Geiste lief die Volksbewegung durch alle benachbarten sächsischen Lande. Zu Roda und Lobda sollen sich in die 3000, zu Neuenstadt und Pesink ebenso viel, zu Saalfeld 2000, um Gera und Nonneberg 4000, im Voigtland um Plauen in die 8000 gesammelt haben. Sie haben, sagt Spalatin, der churfürstliche Kanzler, Grafen und Edelleuten vielerlei Bedrängniß erzeigt, ihre Häuser zum Theil geplündert, und sie zu den zwölf Artikeln und in ihr Bündniß gedrungen. Spalatini sächsische Historie bei Struve III. 102.

Die Zahlen mögen sehr übertrieben sein. Doch entwickelte Münzer eine fast unglaubliche Thätigkeit. Seine Sendboten erschienen und wirkten besonders auch hinter Plauen, im sächsischen Hochland, im Erzgebirg. Bergleute aus der Grafschaft Mannsfeld, so erzählen Nachrichten aus dem Erzgebirg, kamen in die Hochlande nach Zwickau, Schwarzenberg, Annaberg und Marienberg. Sie fanden als 295Bergleute leicht Arbeit und verbreiteten im Stillen unter ihren Mitgesellen die Lehre des neuen Gottesreiches, die münzerischen Artikel der Freiheit und Gleichheit. Bald sah man ein Lager von Bauern und Bergleuten, bis auf 1500, bei Elterlein, und auf den Gütern des Abts von Grünhain. Sie zogen auf Schlettau bei Annaberg, hieben die Thore ein, plünderten das Schloß, fielen ins Pfarrhaus und in mehrere Bürgerhäuser, und trieben ihren Muthwillen. In Annaberg suchte man sie durch die Nachricht zu schrecken, als sei Herzog Georg von Sachsen im Anzug. Sie zogen auch schnell auf Grünhain zurück. Der Abt hatte sich mit den Mönchen nach Annaberg in seinen dortigen Hof geflüchtet. Aber auch hier enthielt er sich nur ganz heimlich und wagte die Nächte nicht im eigenen Hof zuzubringen: denn der gemeine Mann, wie die Bergleute zu Annaberg gingen mit ihren Herzen und Gedanken dem Fähnlein der Bauern nach. Da stieß noch ein zweiter Haufe von Zwickau her zu dem ersten. Das Kloster in der Aue, sowie das große Gotteshaus Grünhain wurden geleert und verwüstet, die Kirche von Raschau niedergerissen. Edelleute und Geistliche flohen in die festen Städte. Die Richter von Königswalde, Mildenau, Schönbrunn, Arnsfeld bei Annaberg, die Rückerswalder und Lauterbacher um Marienberg, die Dörfer um Wolkenstein sammelten sich um ein Fähnlein, und vertrieben oder brandschatzten Geistliche und Edelleute, von denen wenige in gutem Vernehmen mit ihren Hintersaßen standen. Hering, Geschichte des sächsischen Hochlandes I. 203—205.

Die Bauern dieser Lande waren sehr gedrückt. Es gab zwar hin und wieder noch freie Leute, die für ihre Person keine Dienste zu leisten, aber doch auch für ihre Güter zu Abgaben verbunden waren; auch sie waren durch allerlei Mittel unterwürfig gemacht worden. Sonst waren es Eigenleute, Leibeigene, oder wenigstens unfreie Bauern, die »Nothbede geben, Bannwein trinken, und nach Gnaden der Herrschaft dienen« mußten. Die coburgischen Bauern waren außer den bestimmten Naturalabgaben und gewöhnlichen Beden (der rechten Gült) noch zur Nothbede verbunden, die der Landesherr ganz nach Willkür von Jedem fordern konnte. Wein oder Bier durfte er nur von seinem Herrn und sonst nirgends kaufen (Bannwein), in jedem Dorfe hatte nur der Herr das Schenkrecht. Dazu 296kamen angemessene Spann- und Handfrohnen. Klagen der Unterthanen über neue Auflagen als Gewalt und Unrecht wurden nicht beachtet, sondern auf die Landesbeschreibungen verwiesen, wo geschrieben stand: »Dies Dorf ist meines Herrn, er mag ihnen thun, was er will;« oder: »die Bauern müssen thun, was meinem Herrn lieb ist;« oder: »dem Gute mag man Gnade oder Gewalt thun.« Adolf v. Schultes, Coburgische Landesgeschichte aus Urkunden, S. 161 bis 164.

Solcher Druck war geeignet, den armen Mann, als die Pfeife des Aufstandes durch seine Berge gellte, schnell in die Waffen zu bringen; und seit mehr als einem halben Jahrhundert hatten die Bauern als Fußvolk in ihrer Herren Fehden mit Armbrust und Pfeil, mit Spieß und eisernem Dreschflegel, zuletzt wohl auch theilweise mit der Büchse gedient. Längst gab es bei ihnen eine Art Landsturm, und Jeder hatte seine bestimmte Rüstung und Waffe. Ebendaselbst S. 113.

Die coburgischen Bauern waren auch früh auf, ihre Zwinger zu brechen, die weltlichen wie die geistlichen. Der Abt zu Veilsdorf, der dem Evangelium und seinen Verkündigern besonders unhold sich gezeigt hatte, floh auf das Schloß Heldburg. Das Augustinerkloster zu Königsberg flüchtete Briefe, Kleinodien, all sein Silbergeschirr auf die Veste Coburg; eben dahin flüchteten sich die Edeln; und wie der Abt sein Veilsdorf und andere Klöster, so sahen sie ihre Burgen in Flammen aufgehen: mehr als 24 an der Zahl; nur die festesten Plätze retteten sich aus der allgemeinen Verwüstung. Selbst das uralte Bergschloß Struf, das seit dem achten Jahrhundert ins Thal herabtrotzte, fand durch die Bauern seinen Untergang. Hön, Coburg. Geschichte I. 254. II. 138. 139.

Weniger fürchterlich, obgleich in Münzers nächster Nähe, waren die Bauern in der Grafschaft Hohenstein, die Klettenbergischen und Schwarzfeldischen, ihren Herren. Gegen achthundert hatten sich gesammelt und schwärmten unter zwölf Hauptleuten. Ihr Hauptquartier nahmen sie in der Abtei Walkenried: die Mönche hatten sich zuvor entfernt mit ihrem Abte Paul. Um die große Glocke zu Geschützen herabzuholen, zerbrachen sie den schönen Thurm der Kirche. Die beiden Grafen von Hohenstein, Heinrich und Ernst, zwangen 297sie, in ihre Brüderschaft einzutreten; sie mußten mehrere Male bei ihnen im Stift erscheinen, um ihren Waffenübungen anzuwohnen, und mit zu exerciren. Die achthundert in Reih und Glied, jeder mit seiner Waffe, die Grafen voraus, in ihrer Mitte der oberste Hauptmann, Hans Arnold, ein Schafhirt aus Bartelsfelde, so ging's dem Geierberg zu, ihrem Uebungsplatz. Nach einigen Schwenkungen wandte sich der Schäfer zu dem Grafen. »Sieh, Bruder Ernst, sagte er, den Krieg kann Ich führen; was kannst Du?« – »Ei Hans, antwortete der Graf, sei zufrieden; das Bier ist noch nicht in dem Faß, darin es gähren soll.« Die Bauern lachten nicht, und nur Bitten retteten den Grafen vor schlimmen Folgen seiner Antwort. Ecstorm, Chron. Walkenried. p. 149.

Während es rings um ihn gährte, wogte und stürmte, während die Seinigen es waren, die das Feuer anfachten und schürten, schien Münzer ganz ruhig zu Mühlhausen zu sitzen. In der Stille ließ er Geschütze von schwerem Kaliber im dasigen Barfüßerkloster gießen, stärkte seinen Anhang um Mühlhausen her aus der Bauerschaft, die ihm zuschwor, wohin er sie führe, ihm zu folgen; Pfeifer übte sie; während draußen Münzers Verbündete den Kampf eröffneten, wollte er seine Kraft recht rüsten und zusammenhalten für den entscheidenden Augenblick; denn er hatte noch viel zu rüsten. Fortwährend gingen Botschaften zwischen ihm und Oberschwaben, Literariis commerciis agere von destitit, sagt Bullinger. Franken und dem Rhein. Er hatte unter dem Bergvolk im Mansfeldischen längst seine alten Mitverschworenen Barthel und Bischof, und er verstand es, das Eisen warm zu halten und röther zu glühen. Er schrieb ins Gebirg:

»Die reine Furcht Gottes zuvor. Lieben Brüder, wie lange schläft ihr? Wie lange seid ihr Gott seines Willens nicht geständig, darum, daß er euch nach eurem Ansehen verlassen hat? Wie oft habe ich euch gesagt, daß es das muß sein. Gott kann sich nicht länger offenbaren. Ihr müßt stehen; thut ihr's nicht, so ist das Opfer, ein herzbetrübtes Herzeleid, umsonst. Ihr müsset darnach wieder in Leiden kommen. Das sage ich euch, wollt ihr nicht um Gottes willen leiden, so müßt ihr des Teufels Märtyrer sein. Darum 298hütet euch. Seid nicht verzagt, nicht nachlässig; schmeichelt nicht länger den verkehrten Phantasten, den gottlosen Bösewichtern. Fahet an und streitet den Streit des Herrn. Es ist hohe Zeit. Haltet eure Brüder all dazu, daß sie göttliches Zeugniß nicht verspotten; sonst müssen sie alle verderben. Das ganze Deutsch-, Französisch- und Welschland ist erregt. Der Meister will ein Spiel machen, die Bösewichter müssen dran. Zu Fulda haben sie in der Osterwoche vier Stiftskirchen verwüstet. Die Bauern im Klettgau, im Hegau und Schwarzwald sind auf, als dreißigtausend stark, und wird der Haufe je länger je größer. Allein das ist meine Sorge, daß die närrischen Menschen sich verwilligen in einen falschen Vertrag, darum, daß sie den Schaden noch nicht erkennen. Wo eurer nur Drei sind, die in Gott gelassen, allein seinen Namen und seine Ehre suchen, werdet ihr Hunderttausende nicht fürchten. Nur dran, dran, dran! Es ist Zeit. Die Bösewichter sind verzagt wie die Hunde. Reget die Brüder an, daß sie zu Fried kommen, und ihr Gezeugniß halten. Es ist über die Maßen hoch, hoch vonnöthen: dran, dran, dran! Lasset euch nicht erbarmen, ob euch der Esau gute Worte vorschlägt. Sehet nicht an den Jammer der Gottlosen. Sie werden euch so freundlich bitten, greinen, flehen wie die Kinder. Laßt es euch nicht erbarmen, wie Gott durch Mosen befohlen hat, 5. Buch Mosis, 7. Uns, uns hat er auch offenbaret dasselbe. Reget an in Dörfern und Städten, und sonderlich die Berggesellen mit andern guten Burschen. Wir müssen nicht länger schlafen. Siehe, da ich die Worte schrieb, kam mir Botschaft von Salza, wie das Volk den Amtmann Herzog Georgens vom Schloß langen wollen, um deßwillen, daß er Drei habe wollen heimlich umbringen. Die Bauern vom Eichsfeld sind über ihre Junker fröhlich worden; kurz, sie wollen keine Gnade haben. Es ist des Wesens viel, euch zum Ebenbilde. Ihr müsset dran, dran, es ist Zeit! Balthaser und Barthel! Krumpf, Velten und Bischof, gehet seine an. Diesen Brief lasset den Berggesellen werden. Mein Drucker wird kommen in kurzen Tagen. Ich habe die Botschaft erhalten; ich kann es jetzt nicht anders machen. Selbst wollte ich den Brüdern Unterricht geben, daß ihnen das Herz viel größer sollte werden, denn alle Schlösser und Rüstung der gottlosen Bösewichter auf Erden. Dran, dran, 299dran! weil das Feuer heiß ist. Lasset euer Schwert nicht kalt werden von Blut; schmiedet Pinckepanck auf den Ambos Nimrods, werft ihm den Thurm zu Boden. Es ist nicht möglich, dieweil sie leben, daß ihr der menschlichen Furcht sollt loswerden. Man kann euch von Gott nicht sagen, dieweil sie über euch regieren. Dran, dran, dran! dieweil ihr Tag habt. Gott geht euch für, folget. Die Geschichte stehet beschrieben Matthäi 25. Darum lasset euch nicht abschrecken. Gott ist mit euch, wie geschrieben stehet 2. Chron. 2. Dies sagt Gott: Ihr sollt euch nicht fürchten, ihr sollt diese große Menge nicht scheuen. Es ist nicht euer, sondern des Herrn Streit; ihr seid's nicht, die ihr streitet. Stellet euch fürwahr männlich. Ihr werdet sehen die Hülfe des Herrn über euch. Da Josaphat diese Worte hörte, da fiel er nieder. Also thut auch durch Gott, der euch stärke ohne Furcht der Menschen im rechten Glauben. Amen.

Gegeben Mühlhausen im Jahre 1525. Thomas Münzer, ein Knecht Gottes wider die Gottlosen.

Auch an andere Bauerschaften schrieb er, auf zu sein; die Herren werden den christlichen Brüdern nicht widerstehen können; die Brüder im Land zu Franken werden nicht lange von ihnen sein, sondern bald über den Wald herein in Thüringen sich finden. Und er sagte recht; denn schon bildete sich vom Harz bis nach Würzburg eine lange Reihe von Bauernlagern.



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