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Drittes Buch

I

Seit Baron Pillnitz seine Bildersammlung mit so ungeahnter Leidenschaft und so unerwarteter Ausbreitung vermehrt hatte, war ihm auch der Gedanke oder vielmehr die Notwendigkeit gekommen, für seine Bilder ein eigenes Haus zu bauen. Anfangs hatte er sich durch einen Flügelbau geholfen, der rückwärts in den kleinen Garten hineinwuchs; bald genügte auch der nicht mehr, und mit »seinen Malern« beriet er monatelang einen größeren Plan, der ihn freilich zwang, sein altes, bequemes Heim zu verlassen. Im vierten Jahr »seiner Mäzenwerdung«, wie Erhart es nannte, kam dieser Plan zur Ausführung; nicht in der Brienner Straße, aber nicht weit von ihr, beim »Glaspalast«, entstand der etwas barocke Neubau, der die Wohnung und die Bilder des Barons vereinte, die sogleich von Erhart getaufte »Pillnitzothek«. Erhart, der seit jener großmütigen, freilich auch verlangten Schenkung dem Baron besonders angenehm und wert geworden war und mehr als je zu »seinen Malern« gehörte, mußte ihn bei der neuen Aufstellung seiner Galerie beraten, was soviel hieß, als sie von Anfang bis zu Ende leiten; und während das Jahr, das Ifinger in freiwilliger Verbannung verlebte, langsam zu Ende ging, hauste Erhart in dessen leerer Wohnung, mit einem gemieteten Aufwärter, und verbrachte einen großen Teil seiner Zeit in den neuen Kunsträumen, mit dem Mäzen und den Handwerkern. Es war Spätherbst geworden, bis die Sammlung, die nun schon hundertundfünfzig Nummern zählte (Nämlichs »gekreuzigten Ägypter« und andre wohlfeile »Ideen« mitgerechnet), sich in den gut erleuchteten Gemächern bequem, ohne jedes Zusammendrängen, zu wirklichem Genuß und Behagen des Beschauers ausgebreitet hatte. Ein anfangs geplantes Einweihungsfest unterließ der Baron, weil er sparen mußte; sein durch Erbschaft verdoppeltes Vermögen war durch diesen Bau doch etwas angegriffen worden, und über seine Eitelkeit siegte die Berechnung, daß er für die Kosten der Feier ein oder zwei »Meisterwerke« erwerben könne. So ging die Übersiedlung ganz geräuschlos vor sich; nur in den Zeitungen ward sie mit einigen Trompetenstößen verkündigt. Auch Brenzel und Kircher trompeteten mit, obwohl Kircher als Prophet der »Wahrheitsmalerei« und Brenzel als endlich von ihm Bekehrter diese »Sammlung bemalter Bilderbogen«, diesen »Vogelberg der Idealisten« eigentlich verdammten. Sie hofften aber den Mäzen noch zu bekehren, und zunächst einzelne Vorläufer, dann ganze Geschwader von der neuen Richtung in diesen Kunsttempel einzuschmuggeln, der dann ein gesundes Musterlager rücksichtsloser Natürlichkeiten werden sollte.

Auch das schönste Bild des Barons (wenn auch wohl nicht das größte), seine kleine Baronin, war mit übersiedelt und hatte sich in ihren großen und kleinen Räumen ohne besondere Freude, aber mit ihrer angeborenen Leichtigkeit eingelebt; der freie Blick auf den botanischen Garten hinter dem Glaspalast, aus ihren Zimmerfenstern im ersten Stock, war ihr das Liebste daran. Etwa eine Woche nach ihrem Einzug saß sie im Salon unter den Fächerpalmen und Gummibäumen, die ihr der Gärtner schickte und monatlich wechseln sollte; auf einem persischen Holzstühlchen saß Erhart ihr gegenüber, der sich zur Abreise rüstete. Das etwas herbstlich bleiche Abendlicht fiel in das tiefe Grün der hohen Pflanzen herein, die Donna Clara beschatteten. Erhart studierte das reizende Helldunkel, in dem die zierliche Gestalt dämmerte; das Abreisen gefiel ihm nicht, denn er war »ziemlich verliebt«. Er hatte sich nur allzusehr gewöhnt, von den Kunstgesprächen des Barons sich bei dem anmutigen, zuweilen noch allerliebst sprachverwelschenden Geplauder seiner Frau zu erholen; freilich ohne den Trost, daß er ihr ebenso gefährlich werde, wie sie leider ihm. Sie fand ihn drollig, er unterhielt sie; weiter war er ihr nichts. Ihre schönen Augen sahen ihn mit so himmlisch heiterer, ungetrübter Ruhe an ... Indem er sich das sagte und dabei das reizende Helldunkel studierte, dachte er mit innerlichem Seufzen nach, ob es denn wohl möglich sei, daß ein so »blumichtes« und »bagschierliches« Frauenzimmer so einen Nußknacker wie ihren Baron wirklich gern haben könne? So was man lieben nennt? So bis zum Wahnsinn der Treue?

»Es bleibt also dabei, daß Sie uns so bald verlassen?« fragte die Baronin, ein kurzes Schweigen und seine respektwidrigen Gedanken unterbrechend.

»Ich wollt's lieber nicht – aber ich will's doch«, antwortete er etwas unklar, mit geheimem Sinn, den die kluge Frau doch vielleicht verstand. »Ich brauch' von Zeit zu Zeit meine Einsamkeit, um so recht zu ›schanzen‹. Die hab' ich auf dem Mönchsberg; – oder vielleicht such' ich sie mir auch bald anderswo. Ja, wenn mich hier irgendwas – so recht von Herzen festhielte; aber das tut's halt nicht!«

»Uns werden Sie sehr fehlen; wirklich!« sagte die Baronin mit ihrer warmen, so herzlich streichelnden Stimme. »Besonders mein Mann, der immer von Ihnen spricht, wird Sie sehr vermissen!«

»Besonders mein Mann,« dachte Erhart; »wie das ermutigend ist; wie mich das beglückt. – Der Elende hat mich ihr wohl gar verleidet, weil er ›immer von mir spricht‹; – das ist eine Infamie!«

»Und Sie warten nicht einmal Ihren Freund ab, unsern armen Doktor?« fragte sie beinahe vorwurfsvoll.

»Hermann Ifinger? O ja, gewiß wart' ich den ab. Morgen oder übermorgen kommt er; selber schreibt er zwar so was nicht, er ist immer plötzlich da; aber die Christel hat mir's geschrieben – weil ich in der Wohnung bin. Solang bleib' ich noch; natürlich!«

Die Baronin, wehmütig den Kopf aufstützend, sah aus ihrer grünen Dämmerung in den Abend hinaus. »Armer, guter Freund!« sagte sie traurig. »Ich sehne mich so, ihn wiederzusehn – und doch fürcht' ich mich. Ist das schlecht von mir? – Ich denk' ihn mir so blaß, so abverhärmt – oder wie es heißt. Und daß wir Menschen so ohnmächtig sind, einer den andern zu trösten –«

»Sie werden ihn als Philosophen wiedersehn; fürchten Sie sich nicht. Daß wir so wenig von ihm wissen, daß er nicht schreiben mochte, das beweist bei Ifinger nichts; der macht's wie die Tiere im Wald, wenn sie wund sind: die verkriechen sich in irgendeinen stillen Busch, bis sie wieder heil sind, oder – – Er ist wieder heil; sonst käm' er nicht. Er ist ganz gesund!«

»Sie sind schon geschieden, nicht wahr?« fragte die Baronin.

»Ja; das ist ihm geglückt. Es sind ja die Kinder da – aber sie hat's ihm so leicht gemacht wie nur irgend möglich, hat alles auf sich genommen – ihr Bruder wenigstens, der Kircher, hat mir's so gesagt. Dann ist sie wieder untergetaucht; niemand weiß, wo sie ist. Auch der Bruder nicht; wenigstens sagt er so. Der arme Kerl, den hat's zu Boden gedrückt; er ist zwar mit der Phrase verheiratet, aber schlecht ist er nicht! – – Ja, so begeben sie sich immer wieder, diese uralten Geschichten ... Ich hab' nie heiraten mögen, aber seit dieser Geschichte bin ich vollends mit mir einig: wer heiratet, setzt sich in einen ›Seelenverkäufer‹ oder einen Skuller und fährt auf den Ozean!«

Die Baronin suchte zu lächeln, aber sie ward flüchtig rot. Der Maler bemerkte es; » santo diavolo!« rief er in plötzlicher Verlegenheit aus. »Ich bitte tausendmal um Entschuldigung!« setzte er noch verlegener hinzu; die Entschuldigung galt auch seinem Lieblinglingsfluch. »Ich hatte ganz vergessen, daß Sie auch – – Nehmen Sie's nicht übel; ich bin ›nur ein Maler‹!«

Eine Überraschung schnitt der Baronin jede Entgegnung ab: Pillnitz trat vom Vorzimmer ein, mit ihm Hermann Ifinger. Hermann blieb, offenbar mit seiner Bewegung kämpfend, nah' an der Schwelle stehn; der Baron aus Höflichkeit auch. Neben seiner rosenwangigen, strahlenden, aufrechten Erscheinung nahm sich die etwas vorgebeugte Gestalt Hermanns um so schlichter und fast unbeholfen aus; die Hände hingen herab, die Augen zwinkerten hinter der Brille und die Achseln zuckten; das Gesicht bemühte sich, ganz ausdruckslos zu sein, um keine Gemütsbewegung zu verraten oder hervorzurufen. Es war übrigens nicht blaß, sondern gesund gebräunt; auch trug er noch einen leichten Sommeranzug, trotz der herbstlichen Kühle. » Buona sera!« sagte er mit einer kurzen Verbeugung, als werde es ihm in einer fremden Sprache leichter, »wieder anzufangen« und die Last eines solchen Wiedersehns hinter sich zu werfen.

Die Baronin sprang auf und eilte ihm entgegen; » buona sera, carissimo amico!« rief sie aus, auf die Absicht eingehend. Er nahm ihre Hand, hielt sie und nickte ihr zu. Erhart kam nun auch heran, sie umarmten sich. »Unten, auf der Straße, hab' ich ihn aufgefangen«, sagte die etwas zu laute, heitere Stimme des Barons. »Ich war auf dem Heimweg, der Doktor kam aus der Arcisstrasse. Eine so ganz überraschende Erscheinung – ich hätte ihn fast für ein Gespenst gehalten, aber für ein Gespenst sieht er sehr blühend aus! sieht er sehr blühend aus!«

»Ich bin nämlich früher gekommen«, nahm Ifinger das Wort, »wir wollten noch in Innsbruck bleiben – plötzlich kriegte ich einen dieser kuriosen Anfälle, die man Heimweh nennt. Wenn ein solcher Zustand kommt, steigt man in den nächsten Zug, das haben wir denn auch getan. Hier in meiner Wohnung hör' ich, Erhart ist bei Ihnen, da kriegt ich den zweiten Anfall – und so bin ich hier!«

»Das ist sehr liebenswürdig, aber auch ganz natürlich«, sagte der Baron; »Sie finden hier wahre Freunde – wahre Freunde ... Dass ich's nicht vergesse, liebe Clara: in den nächsten Minuten kommt die Prinzessin Helene in die Galerie, wie ich eben hörte. Ich hab' sogleich Befehl gegeben, daß man mir ihre Ankunft meldet; und ich muß dich bitten, mit mir die Honneurs zu machen.«

Die Baronin nickte. – »Da wird sie nicht viel mehr sehn«, warf Erhart ein, »es will Abend werden.«

»Prinzessinnen sehen bekanntlich rasch«, bemerkte Ifinger.

»Ja, so ist es wohl«, entgegnete der Baron mit einem diplomatischen, aber freisinnigen Lächeln. »Übrigens die Prinzessin Helene ist nur auf der Durchreise, man hat ihr aber viel erzählt, wie wir hier die neueste Kunst – – A propos de Kunst: unser guter Doktor kommt aus dem Süden etwas altfränkisch zurück, etwas altfränkisch zurück. Draußen fragt er mich eben, wie die heurige Ernte von Ideen für meine Galerie ausgefallen ist. Ideen! Ideen! Wer spricht denn noch von Ideen!«

Er lachte, den Kopf hebend, herzlich zu Erhart hinüber, dieser lachte zurück.

»Entschuldigen Sie«, sagte Ifinger; »ich dachte –«

»Bei der Malerei handelt sich's bekanntlich ums Malen«, unterbrach ihn Pillnitz, immer heiterer; »das werden Sie nicht bestreiten, nicht wahr? – ›Ideen‹ ... O ja, › una certa idea‹ muß der Maler haben, wie Raffael so richtig in dem Brief an den Grafen Castiglione sagte; ›eine gewisse Idee, die in seinem Geist entsteht‹; aber das ist doch nur malerisch gemeint; nur die malerische Idee! Jede Landschaft, jede Gruppe, jedes badende Mädchen kann so eine ›Idee‹ sein: es kommt nur darauf an, wie der Maler mit dem inneren Aug' es sieht, und wie er's dann hinstreicht. Malerisch muß es sein, das ist das ganze Geheimnis! Das ist das ganze Geheimnis! Verstehn Sie: malerisch!«

»Ich glaube zu verstehn«, erwiderte Ifinger. »Nur ist mir, als ob in alten Zeiten –«

Der Baron hörte nicht oder wollte nicht hören. Er lachte wieder herzlich, etwas meckernd nach seiner Weise, so daß Ifinger unwillkürlich verstummte; dann spielte er mit den schlanken Fingern auf seiner großen, mit einer Kamee geschmückten Krawatte. »Ideen!« rief er wieder aus. »Mit so ausgedachten Ideen müssen Sie mir nicht kommen, die nehme ich nicht mehr an! Nur was ein Maler malerisch gemalt hat, das gehört zur Kunst; alles andre ist Krippenspiel; alles andre ist – – Was gibt's?«

Ein Diener in dunkler, vornehmer Livree war durch einen zweiten Salon gekommen; er meldete mit gedämpfter Stimme, daß Ihre Königliche Hoheit in die Galerie eingetreten sei. »Sie entschuldigen!« sagte Pillnitz mit einer leichten, artigen Verneigung; er setzte lächelnd hinzu: »Sie hören, es ruft die Pflicht!« – Er reichte der Baronin den Arm, und, dem voraufgehenden Diener folgend, führte er sie hinaus.

»Sie gehn mir aber nicht fort, lieber Freund!« rief die Baronin über die Schulter zurück.

Ifinger schüttelte den Kopf. – Mit dem Ausdruck eines völlig verblüfften Menschen wandte er sich dann zu Erhart: »Was geht hier denn vor? Die Welt steht ja auf dem Kopf? ›Mit Ideen müssen Sie mir nicht kommen‹ –«

Erhart schmunzelte. »Das kann ich dir erklären, Alter ...« Er unterbrach sich aber und ward wieder ernst: »Sag mir nur erst, wie du's – heute willst. Willst du diesen ersten Abend in deiner Wohnung allein sein oder liegt dir etwas an meiner Gesellschaft?«

»Ich will mit dir sein, Franz«, sagte Ifinger schlicht.

»Gut. Also abgemacht. – Ja, und dann noch eins: wenn du von – der Sache reden willst, dann tust du's; dazu bin ich da; tust du's nicht, so reden wir von was anderm. Es gibt ja, Gott sei Dank, doch noch allerlei Gutes und Famoses auf der Welt, worüber man sich ausschwatzen kann!«

Ifinger nickte nur. »Also – was ist mit diesem Ideenbaron?« fragte er dann.

»Hast du nichts gemerkt?« antwortete Erhart. »Das ist meine Arbeit; in diesen verpfuschten Monaten, wo ich ihm seine ›Pillnitzothek‹ einrichtete und aufstellte, hab' ich mir wenigstens das Vergnügen gemacht, ihm so nach und nach beizubringen, daß es sich in der Malerei nur ums Malerische handelt und alles andre Unsinn ist. Ich hab' ihm etwas Licht unter den Schädel gebracht; für das abgeluchste Bild ist das eine edle Rache; wie? Er spricht jetzt mit meinen Worten, daß es eine Lust ist ... Hast du gehört, wie er das vom ›Hinstreichen‹ sagte? und vom ›Krippenspiel‹? Ich hatte ihm auf bayrisch gesagt: ›alles andre ist Kripp'lg'spiel‹; das hat er verhochdeutscht. Eine Götterwurzel!«

»Das ist ja die dreizehnte Arbeit des Herkules«, sagte Ifinger. »Ihm seine Ideen ausreden –«

»Ja, eine ›Viechsarbeit‹ war's! Ich fing sachte an ... Jetzt ist's aber zum Sterben komisch, sag' ich dir, wenn ich mit diesem Saulus-Paulus in seiner Galerie bin und wir stehn vor irgendeiner von diesen Gedankenschwarten, mit denen er damals das Sammeln anfing, und ich red' so am Bild entlang und setz' ihm auseinander, was der Herr Maler als Maler für ein Esel war – und mein Paulus lacht, daß ihm die Tränen über die Backen laufen, und schmettert dazwischen: ›Ja, ja, denken kann er sich was, abstrakte Ideen, die hat er – nur das bißchen Hauptsache fehlt, malen kann er nicht, malen kann er nicht!‹ – Dann schließ' ich mich seiner Heiterkeit an, und wir lachen beide eine halbe Stunde ...«

»Ja, mein Junge, so steht's!« setzte er nach einer Weile ein wenig kleinlauter hinzu, da er sah, daß sein Zuhörer nur mechanisch lächelte und auf den Fußboden starrte.

»Und du willst also wieder fort, Franz?« sagte Ifinger dann taktmäßig an seinem Kinnbart zerrend.

»Ja, mein Junge; ich muß. Ich wär' schon heut' jählings abgereist: da bekam ich den Brief von Christel – die übrigens merkwürdig gebildet schreibt – daß du morgen oder übermorgen – – Nun bleib' ich noch ein paar Tage bei dir. – Ich kann dir übrigens auch gleich erzählen, was ich dir sonst heut' abend bei der Flasche Wein sage: auch wegen dieser kleinen Hexe aus dem Zitronenlanderl tut mir das Abreisen gut!«

»Was für eine Hexe?«

»Du bist kein solcher Kurierzug im Denken mehr wie sonst, alter Junge. Deine kleine Freundin, die wir hier besuchen! ›Zitronenlanderl‹ ... Eigentlich ist sie freilich mehr Amerikanerin als Spanierin; eine kuriose Mischung ... Ich bin stark behext, kann ich dir sagen; und die Sache wird auf die Dauer anstrengend, wenn man keine Gegenliebe findet. In solchem Fall bin ich immer fürs Abreisen; denn wo es hereingekommen ist, nämlich durch die Augen, da muß es auch wieder hinaus. Du siehst, ich seh' die Sach' noch ziemlich vernünftig an; diesmal brauchst du mich nicht zu retten.«

»Nein; desto besser«, murmelte Ifinger.

»Mir scheint, dir gefällt der Ton nicht, in dem ich von meiner Behexung durch deine Freundin – – Lieber Doktor, ich schätze sie hoch, bei Gott; ich hab' einen Respekt vor ihr – dreimal so groß wie sie selbst. Wollte dir nur andeuten: du kannst auf dein Herz auch ein bissel acht geben; die sogenannte ›Freundschaft‹ ist oft wie diese gemalten Figuren auf alten Tapeten: wenn man auf einen Knopf drückt, sind's geheime Türen. Durch die spaziert dann eine lebendige Figur, die sogenannte ›Liebe‹, herein ...«

»Es wird übrigens dunkel, Doktor«, fuhr der Maler fort, sich von Ifinger abwendend; »Ihre Königliche Hoheit kann ja nichts mehr sehn. – Was beschaust du denn da an der Wand? – So eine gewaltige Figur?«

Ifinger schüttelte den Kopf. Erhart trat hinzu. Es war ein Bildnis der Baronin; dasselbe, das Leo Falk in jenem Sommer vor vier Jahren gemalt hatte. Die Ähnlichkeit war nicht sehr groß, aber voll Reiz die Anordnung und das Kolorit.

Sie betrachteten es beide eine Weile stumm. – »Erkennst du, von wem das ist?« fragte Erhart endlich; um es zart zu sagen, sprach er im gedämpftesten, tiefsten Baß.

»O ja«, sagte Ifinger.

»Den feiern sie ja in Wien gewaltig; – na, ich gönn' es ihm. – – Soll ich dir was sagen, Bruder?«

»Warum nicht.«

»Schau, du hattest doch recht, daß du ihn damals nicht auf Säbel oder Pistolen – – Ich war zuerst andrer Meinung; aber du hattest recht. Du weißt, ich stell' seine Malereien nicht so hoch wie du; aber ein Zauberer, ein Mann für sich, ein Unikum ist er doch. Ein Husarenleutnant, der kann ihn ruhig über den Haufen schießen; dann ist einfach ein Zivilist weniger auf der Welt. Du kannst das nicht; du nach deiner Art nicht. Hätt'st du ihn erschossen, so würd'st du dir zeitlebens vorwerfen: ich hab' einen Kunstmord verübt – hab' was Edles vernichtet, weil auch was Unedles dran war – – oder wie du das sagen würdest. Schon darum war's besser –«

Er unterbrach sich und horchte. »Da kommen die Herrschaften zurück«, flüsterte er dann. »Du, ich mach' mich fort, ich muß mir noch etwas Handwerkszeug besorgen. Auf Wiedersehen bei dir!«


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