Christoph Martin Wieland
Der goldne Spiegel
Christoph Martin Wieland

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10.

»Die erfindsame Phantasie und die verschwenderische Gemütsart der schönen Alabanda« (fuhr Nurmahal fort) »würde allein schon hinlänglich gewesen sein, die Einkünfte des scheschianischen Reiches, so hoch sie sich auch beliefen, zu erschöpfen. Aber die obersten Staatsbedienten, die Finanzaufseher, und das ganze zahlreiche Geschlecht der Günstlinge (denn jeder Günstling hat wieder die seinigen) verschlangen zur nämlichen Zeit so beträchtliche Summen, daß selbst die Verdoppelung der ehmaligen Abgaben (welche von den Zeiten des Krieges her, gegen das königliche Wort, noch immer fortdauerte) zu Bestreitung eines so ungeheuern Aufwandes unzulänglich war. Man sah sich also gezwungen, unter allerlei Vorwand alle Jahre neue Auflagen zu machen. Und da die Regierung um nichts weniger besorgt war, als den arbeitsamen und nützlichen, das ist, den armen Teil der Nation, der dadurch am meisten gedrückt wurde, durch die nötige Aufmunterung und Unterstützung in den Stand zu setzen, so viel von seinem Erwerbe abzugeben: so mußten die Folgen einer so unweisen Staatswirtschaft in wenigen Jahren merklich genug sein, um jeden, der nur einiger Maßen das Ganze zu übersehen fähig war, mit schwermütigen Ahnungen von dem nahen Untergange des Staates zu erfüllen.

Was diejenigen, denen das gemeine Wohl zu Herzen ging, am empfindlichsten beleidigte, war die Gleichgültigkeit des Hofes bei solchen Zufällen, wodurch ganze Provinzen, in den kläglichsten Notstand gesetzt wurden. In einigen richtete, zum Exempel, das Austreten gewisser Flüsse von Zeit zu Zeit die schrecklichsten Verwüstungen an. In andern hatte der Mißwachs, aus Mangel gehöriger Vorsorge und Polizei, Hunger und Seuchen veranlaßt, wodurch ganze Gegenden zum Grabe ihrer elenden Bewohner wurden. Die Hälfte der Unkosten, welche man während dieser öffentlichen Not auf die gewöhnlichen und auf außerordentliche Hoflustbarkeiten verwendete, wäre hinlänglich gewesen, allem diesem Elende zuvorzukommen;Dieses Zuvorkommen ist ein Wort von wichtiger Bedeutung, welches wir den Großen zu gelegentlichem Nachdenken bestens empfehlen. »Wenn sie« (sagt unser göttlicher Konfucius) »solchen Übeln, die sich durch menschliche Klugheit nicht vorher sehen lassen, mit Hülfe entgegen eilen, so bald sie von dem Dasein derselben benachrichtiget sind: so ist dies in solchen Fällen alles was man von ihnen fodern kann. Aber es gibt eine Menge unglücklicher Zufälle, welche sich erraten lassen, und Übel, welche man mit Gewißheit vorher sagen kann, weil sie die notwendigen Folgen unsrer eigenen Begehungen oder Unterlassungen sind. Diesen erst alsdann abzuhelfen suchen, wenn sie den größten Teil ihrer schädlichen Wirkungen schon getan haben, ist das Betragen einer unweisen Obrigkeit. Es ist die Schuldigkeit unsrer Obern, solchen Übeln zuvorzukommen; und eben darin liegt eine von den wesentlichsten Ursachen, warum man Obrigkeiten vonnöten hat

Anmerk. des sines. Übersetzers

einem Elende, dessen bloßen Anblick die verzärtelten Sinne und die wollüstige Einbildungskraft des Sultans und seiner Gebieterin nicht eine Minute lang zu ertragen fähig gewesen wären. Aber weder Azor noch Alabanda wußten, daß diese hunderttausend Unzen Silbers, die an einem einzigen Feste in mutwilliger Üppigkeit verschwendet wurden, den Wert des Brotes ausmachten, welches an eben diesem Tage zweimal hunderttausend Familien hätte sättigen sollen, wenn es nicht mit einer unmenschlichen Hartherzigkeit diesen von Arbeit, Kummer und Dürftigkeit entkräfteten Menschen, und ihren vor Hunger weinenden Kindern, aus dem Munde gerissen worden wäre, um von demjenigen, der sich ihren allgemeinen Vater nennen ließ, in Sardanapalischen Gastmälern verzehrt, und unter die Genossen und Werkzeuge seiner tyrannischen Ausschweifungen verteilt zu werden.«

»Dies ist ein so abscheulicher Gedanke«, rief Schach-Gebal, »daß ich lieber heute noch in die Kutte eines Derwischen kriechen, oder, wie ein gewisser König, sieben Jahre lang ein Ochse sein und Gras fressen, als länger Sultan bleiben wollte, wenn ich Ursache hätte zu glauben, daß ich mich in diesem Falle befinden könnte.«

Nach einer so nachdrucksvollen Erklärung würde es nicht nur sehr unhöflich, sondern wirklich grausam gewesen sein, dem guten Sultan zu entdecken, daß er sich schon oft in diesem Falle befunden habe. Man versicherte ihn also einhellig des Gegenteils, mit dem gebührenden Dank für diese abermalige Probe seiner Menschlichkeit, und Nurmahal fuhr fort.

»Der gute König Azor war weit entfernt, den elenden Zustand seiner Provinzen auch nur von ferne zu argwohnen. Seine Visire hatten die sorgfältigsten Maßregeln genommen, daß die Klagen des Volkes nicht zu seinen Ohren dringen konnten. Er sah sich von lauter glücklichen oder glücklich scheinenden Leuten umgeben. Seine Hauptstadt stellte einen Inbegriff der Pracht und der Reichtümer der ganzen Welt, die umliegenden Gegenden ein Land der Bezauberungen, und selbst die Hütten des Landvolkes das Bild des Überflusses und der Freude dar. Ströme von Gold und Silber flossen aus allen Provinzen seines Reichs der Hauptstadt zu; aber, anstatt in tausend schlängelnden Bächen wieder zurückzukehren, und durch einen regelmäßigen Umlauf alle Gliedmaßen des großen Staatskörpers in lebhafter Munterkeit zu erhalten, verloren sie sich dort in einer unzähligen Menge kleiner durch einander laufender Kanäle, oder stürzten sich in bodenlose Schlünde, oder verdünsteten in die Luft. Der größte Teil von dem, was ehmals der Reichtum der Nation gewesen war, zirkulierte itzt unter einer kleinen Anzahl, bei welcher es so schnell im Kreise herum getrieben wurde, so oft und auf so mannigfaltige Art seine Form ändern mußte, daß die Masse selbst durch eine unmerkliche Abnahme sich zuletzt auf eine sehr merkliche Weise vermindert befand. Aber lange zuvor, ehe man sich entschließen konnte es gewahr zu werden, fiel der schlechte Zustand des Reichs einem jeden in die Augen, welcher Gelegenheit hatte es von einem Ende zum andern zu durchreisen. Die Größe des Elendes der Provinzen verhielt sich wie ihre Entfernung von der Hauptstadt. Hunger und Nacktheit nahm mit jeder Tagreise zu; mit jedem neuen Morgen zeigte sich das Land schlechter angebaut, weniger bevölkert, weniger gesittet, und mehr mit Zeichen des Mangels und der Unterdrückung angefüllt; bis man endlich nichts als ungeheure Wüsten vor sich sah, von welchen der Sultan keinen andern Vorteil bezog, als die Hoffnung, einen auswärtigen Feind durch ihren bloßen Anblick abzuschrecken, oder ihn wenigstens unfehlbar durch Hunger aufzureiben, eh es ihm möglich wäre ins Innere des Reichs einzudringen.

Um das Unglück von Scheschian vollständig zu machen, spielten die abgöttischen Priester dieses Landes zu Azors Zeiten eine Art von tragikomischem Possenspiele, welches einen äußerst nachteiligen Einfluß auf den Geist, die Sitten und die äußerlichen Umstände der Nation hatte.«

Bei diesen Worten wachte die Aufmerksamkeit des Sultans, welche beinahe eingeschlummert war, auf einmal auf; er stützte sich auf den linken Arm, und sah der schönen Nurmahal mit allen Zeichen der ungeduldigen Erwartung ins Gesicht.

»Ihre Hoheit werden Sich nicht betrogen finden«, sagte die Dame, »wenn Sie Begebenheiten erwarten, welche auch dann noch überraschen, wenn man sich auf das Außerordentlichste gefaßt gemacht hat.«

»Ich erwarte nichts andres«, sagte der Sultan: »und eben deswegen bin ich so begierig mehr davon zu wissen, daß ich voraus sehe, Eure Erzählung wird mich diesmal um den Schlaf bringen, den sie mir befördern sollte. Ich habe die blauen Bonzen nicht überhört, deren die Dame Alabanda in ihrer Unterredung mit dem guten Manne Azor erwähnte. Ich wollte Danischmenden nicht aus dem Zusammenhange bringen; aber itzt, da Ihr selbst auf diesen Gegenstand kommt, hoffe ich genauer mit diesen wackern Leuten bekannt zu werden.«

»Das einzige warum ich Ihre Hoheit vorher bitten muß«, versetzte Nurmahal, »ist, daß es mir erlaubt werde, mein Amt bei dieser Erzählung an Danischmenden zu überlassen, welchen die Stärke, die er in diesem Teile der alten Geschichte besitzt, fähig macht, Ihre Neubegierde auf die vollkommenste Weise zu befriedigen.«

»Von Herzen gern«, sagte der Sultan: »und, was noch mehr ist, er soll die Erlaubnis haben, so umständlich zu sein als es ihm beliebt; denn ich erwarte Begebenheiten, wovon auch die kleinsten Züge einem denkenden Kopfe nicht gleichgültig sind.«

Danischmend hatte keine Ursachen anzuführen, welche hinlänglich gewesen wären, die Ablehnung dieses Auftrags zu rechtfertigen. Er unterzog sich also demselben mit guter Art, und, nach einer kleinen Pause, fing er seine Erzählung folgender Maßen an.

»Wiewohl, nach meinem Begriffe, die schlechteste Regierungsform und die schlechteste Religion immer besser ist als gar keine: so gestehe ich doch so willig als irgend jemand, daß eine Nation, wie groß auch ihre Vorteile in andern Stücken sein möchten, unmöglich zu einem gewissen Grade von Vollkommenheit sich erheben könne, wenn sie das Unglück hat, einer ungereimten Verfassung oder einer unvernünftigen Religion unterworfen zu sein. Das letzte war der Fall, worin sich die Einwohner von Scheschian seit undenklichen Zeiten befanden. Die Verblendung dieses Volkes über eine Sache von solcher Wichtigkeit würde allen Glauben übersteigen, wenn uns die Geschichte der Welt, in ältern und neuern Zeiten, nicht so viele abgöttische Völker bekannt machte, welche sich eben so handgreiflich haben hintergehen lassen als die Scheschianer. Die alten Ägypter stellen uns hierin ein Beispiel dar, welches alle andere überflüssig macht. Das Erstaunen bindet uns die Zunge, und die Gedanken stehen still, wenn wir hören, daß ein so weises Volk fähig war, Affen, Katzen, Kälbern, Krokodillen und Meerzwiebeln, mit allen Verzückungen einer fanatischen Ehrfurcht, als göttlichen Wesen, oder wenigstens als sichtbaren Bildern göttlicher Wesen, zu begegnen.Der indische Verfasser spricht hier der herrschenden Meinung gemäß, nach welcher man sich ich weiß nicht welchen seltsamen Begriff von der Weisheit der Ägypter macht, weil dieses Volk (wenn man das sinesische ausnimmt) Hier betrügt vielleicht den ehrlichen Hiang-Fu-Tsee sein Patriotismus ein wenig. Die Sineser haben (wie uns ein großer Kenner der ägyptischen Altertümer bewiesen hat) eben sowohl wie die Griechen ihre Polizei und Wissenschaften ägyptischen Kolonien oder auf Abenteuer ausgehenden Wanderern dieser Nation zu danken gehabt.

Anmerk. des latein. Übersetzers

Die größten Kenner der ägyptischen Altertümer wissen, im Grunde, bei aller ihrer Belesenheit und Scharfsinnigkeit nicht viel mehr davon als andere. Ihre Hypothesen sind daher auch eben der Hinfälligkeit unterworfen, welche von jeher das Schicksal der wissenschaftlichen Hypothesen gewesen ist. Vor wenigen Jahren bewies man uns, daß die Sineser von den Ägyptern abstammeten: nun hat uns Herr v. P. bewiesen, »daß weder diese von jenen, noch jene von diesen abstammen«; und so gewinnen wir doch so viel dabei, zu wissen, daß wir nichts von der Sache wissen; und dies ist, nach dem Urteil des weisen Sokrates, immer viel gewonnen.

das erste war, welches Gesetze, Religion und Sitten hatte. In dieser Voraussetzung hat man freilich Ursache sich zu wundern, wie eine so weise Nation so unweise habe sein können. Aber würde es nicht einer natürlichern Art zu schließen gemäß sein, wenn wir sagten: ein Volk, welches fähig war, Kälber, Affen und Krokodille anzubeten usw. war kein weises, sondern ein sehr albernes Volk. Freilich hörte dann die Gelegenheit sich zu wundern auf; und viele Leute finden ein so großes Behagen daran, wenn sie den Mund aufreißen und sich wundern können.

Anmerk. des sines. Übersetzers

Ich weiß nicht, ob etwas demütigender für die Menschheit sein kann, als die Gewißheit worin wir sind, daß nichts so Unsinniges und Lächerliches erträumt werden kann, welches nicht zu irgend einer Zeit oder auf irgend einem Teile des Erdenrundes von einer beträchtlichen Anzahl von Menschen für wahr, ernsthaft und ehrwürdig wäre angesehen worden. Das schlimmste ist, daß wir selbst, bei aller Verachtung, womit wir fremde Torheiten anzusehen gewohnt sind, große Ursache haben zu glauben, daß wir an ihrem Platze nicht weiser gewesen sein würden. Erziehung, Beispiel, Gewohnheit und Nationalstolz würden sich bei uns so gut als bei jenen vereiniget haben, unsre Vernunft zu fesseln, und dasjenige was wir itzt, mit so gutem Grunde, Unsinn nennen, zum Gegenstand unsrer wärmsten Verehrung zu erheben. Gleich den Ägyptern würden wir das Unvermögen, uns irgend einen gesunden Begriff davon zu machen, ein heiliges Dunkel genannt haben, in welches sterblichen Augen nicht erlaubt sei einzudringen.Danischmend scheint hier die berühmte Inschrift vor Augen gehabt zu haben, welche zu Sais im Tempel der Isis gelesen wurde: »Ich bin alles was ist, was war und was sein wird; und meinen Schleier hat noch kein Sterblicher aufgedeckt.« In diesem Falle hat er unrecht gehabt, nicht zu empfinden, daß uns diese Inschrift von der unermeßlichen Größe und der majestätischen Unbegreiflichkeit der Natur das erhabenste Bild gibt, das jemals in der Seele eines Sterblichen entworfen worden ist. Kurz, in den Zeiten der alten Beherrscher des Nils, zu Memphis oder Pelusium geboren, würden wir, gern oder ungern, Katzen, Krokodille und Meerzwiebeln angebetet haben so gut als jene; und dies zu eben der Zeit, da uns nichts so widersinnig gedeucht hätte, als einen Mohren, in demutsvoller Stellung und mit allen Zeichen eines andächtigen Vertrauens in seinen Gesichtsmuskeln, einen Elefantenzahn oder das Horn eines Ziegenbocks in seiner Not anrufen zu sehen.Von der Wahrheit des seltsamen Aberglaubens, den die Mohren mit ihren Fetischen oder Schutzgöttern treiben, kann sich, wer daran zweifeln sollte, aus der Allgemeinen Geschichte der Reisen, und aus der gelehrten Abhandlung du Culte des Dieux fetiches, überzeugen. Übrigens können wir diese Reflexion des Philosophen Danischmend nicht ohne eine Anmerkung lassen. Der Satz, daß keine Nation an dem Platz und in den Umständen welches andern Volkes man will, viel klüger als dieses andere Volk sein würde, scheint seine unzweifelhafte Richtigkeit zu haben: und wenn man keinen andern Gebrauch davon macht, als den unbescheidenen Stolz einiger Völker auf Vorzüge, welche nichts weniger als das Werk ihrer eignen Weisheit sind, dadurch zu demütigen, und sie empfinden zu machen, wie sehr eine gegenseitige Duldung, auch aus diesem Gesichtspunkte betrachtet, in der natürlichen Billigkeit gegründet sei; so scheint er unter die Wahrheiten zu gehören, an welche es nützlich ist die Menschen zuweilen zu erinnern. Allein es ist in unsern Tagen gewöhnlich worden, von eben diesem Satze, mittelst gewisser Wendungen, einen sehr schlimmen Gebrauch zu machen. Man hat daraus folgern wollen, die verschiedenen Völker hätten keine andre als subjektive Gründe ihres verschiednen Glaubens, und alle Religionen könnten daher als gleichgültig angesehen werden, oder es schicke sich für keinen weisen Mann, sich für irgend eine Religion mehr zu interessieren, als in so weit es die Gesetze seines Landes und seine übrige Konvenienz erforderten. Diese verderblichen Grundsätze, welche beinahe zu allen Zeiten die Religion eines großen Teils der Weltleute ausgemacht haben, sind indessen nichts weniger als notwendige Folgen aus der Reflexion des weisen Danischmend. Eine Religion aus allen kann nichts desto weniger, aus innerlichen sowohl als äußerlichen überzeugenden Beweisgründen, die wahre sein, oder unbetrügliche Kennzeichen eines göttlichen Ursprungs haben: und da wir Christen mit dem größten Grade der Gewißheit behaupten können, daß unsre Religion wirklich die einzige sei, welche mit allen diesen Kennzeichen versehen ist; so sind wir nicht nur wohl berechtiget, sondern schlechterdings verbunden, alle übrigen, in so weit sie der unsrigen entgegen stehen, für irrig und verwerflich zu erklären. Die Betrachtung, daß wir, zum Beispiel in den Umständen der alten Ägypter, oder unsrer eigenen abgöttischen Vorfahren, eben so abgöttisch und abergläubisch als sie gewesen sein würden, kann und soll also, vernünftiger Weise, zu nichts anderm dienen, als eines Teils uns Mitleiden mit den Gebrechen der Menschheit und Nachsicht gegen die Irrenden und Verführten einzuflößen; andern Teils uns zu Gemüte zu führen, daß wir es nicht den Vorzügen unsers Verstandes, sondern bloß der göttlichen Güte beizumessen haben, daß wir so glücklich sind, eine reinere Erkenntnis des höchsten Wesens und (wie der Heil. Paul sagt) einen vernünftigen Gottesdienst vor so vielen andern Völkern des Erdkreises zu besitzen.

Anmerk. des latein. Übersetzers

Dieser kleine Eingang, Sire, hat mir nötig geschienen, unser Urteil über den Aberglauben der Scheschianer zu mildern, und, in Betrachtung der Schwachheiten der menschlichen Natur, uns zu einer Nachsicht zu vermögen, ohne welche wenige Erdbewohner ihren Anspruch auf den Titel vernünftiger Wesen behaupten könnten.«

»Herr Danischmend«, sagte der Sultan, »was geschehen ist, ist geschehen; wir wollen es dabei bewenden lassen; wiewohl ihr euch, alles wohl überlegt, diese Dissertation hättet ersparen können. Denn am Ende haben wir doch nichts weiter daraus gelernt, als daß alle Köpfe unter dem Monde zu Zeiten ein wenig mondsüchtig sind, und daß keine Krähe der andern die Augen aushacken soll, wie König Dagobert sagte. Also nichts mehr hiervon, und zur Sache!«

Diesem Befehl zu Folge fuhr der Doktor also fort – –


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