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Vierhunderttausend Kronen von den Mitteln der Bank waren vermöbelt. Da waren falsche Wechsel mit P.A.s Akzept. Und da war eine doppelte Buchführung: eine für den Chef und eine für die Revision.

Die Villa stand zum Verkauf angekündigt, und das Geschäft am Kirchenplatz wurde für Rechnung der Gläubiger von Prokurist Sörensen verwaltet.

Kein Band, keine Spitze hatte die Konsulin mitnehmen dürfen, als sie die hohen Zimmer des »Palais« verliess und mit ihrem kranken Sohn in ein paar kleine Hinterzimmer im Kaufmannshause zog. Die Solberg vergass fast die sämtlichen herrenlosen Hunde des Städtchens über all diesem Elend:

Da trippelte Frau Wäver bleich und vergrämt herum. Nicht einmal das Gerücht von Förster Treschaus Tode und Fräulein Michaelas Handschuh machte einen Eindruck auf sie.

Da lag Frejlif schlaff und zusammengekrochen in seinem Bett und konnte nach seinem letzten Anfall gar nicht wieder zu Kräften kommen. Er sprach nicht, rührte sich nicht. Die Nahrung musste man ihm löffelweise hineinzwingen. Kaum dass er zu schlucken vermochte.

Und da sass der Konsul selbst im Stadtgefängnis über seine verpfuschten Papiere gebeugt, und wartete auf seine Strafe ...

Fräulein Solberg machte ein Zeichen des Kreuzes und fror unter ihrer jungfräulichen Haut bei dem Gedanken an diese nervenerschütternden Dekorationsveränderungen des Lebens.

Der alte P.A. Birk hielt sich aufrecht, erstaunlich aufrecht!

Als man ihm die Wechsel des Schwiegersohns präsentierte (sechs an der Zahl), hielt er die Kanone vor das Auge, betrachtete sorgfältig die blauen Papierlappen und sagte nur das eine, allerdings sehr bedeutungsvolle Wort:

»Falsch!«

Worauf er seine Tochter rufen liess und noch ein Wort sagte, nämlich:

»Scheidung!«

Und dann endlich, nach einer Pause, noch ein drittes Wort:

»Namenveränderung!«

Und es geschah, wie er gesagt hatte. Die Konsulin liess sich scheiden und nahm ihren Mädchennamen wieder an.

Den Titel aber behielt sie.

 

Endlich ward das Urteil gesprochen.

Es lautete auf vier Jahre Zuchthaus für Betrügereien und Fälschungen, wie für strafbaren Umgang mit anvertrauten Mitteln ...

Und in einer frühen Morgenstunde rutschte Konsul Hagbart Wäver, das ehemalige Licht und die Fackel von Söby, mit der Eisenbahn nach einem der geräumigen Zuchthäuser Flachlands ab, um sich zu bessern ...

 

Am selben Abend in der Dämmerstunde pochte es an die Tür der Konsulin und Fräulein Solberg erschien: »Pastor Sörensen wollte die gnädige Frau gern begrüssen ...«

Frejlif war in eine Art dumpfen Schlafs versunken; die Lampe leuchtete hinter ihrem Schirm, und in der Sofaecke sass die Konsulin und dachte ...

Der Pastor glitt hinein. Die Solberg glitt hinaus.

Still und bereitwillig setzte sich der Pastor auf das Sofa an die Seite der Konsulin, ergriff eine ihrer kleinen, kalten Hände und sprach:

»Jagen Sie mich nicht fort,« sagte er. »Weisen Sie mich nicht von sich. Ich sitze hier als Gottes Gesandter ... Ein schwerer Sturm ist über Ihr Leben hingegangen. Den mit des Allmächtigen Beistand zu verscheuchen, bin ich gekommen. Werfen Sie alle Ihre Sorge auf den Herrn und auf ihn allein. Und die Sonne seiner Gnade wird wieder goldenen Frieden in Ihr Herz giessen ...«

Also sprach er.

Und während die Konsulin voller Dankbarkeit Sörensen ihre kleine, arme, geprüfte Hand behalten liess, lehnte sie ihren Kopf an seine Brust und weinte stille Tränen der Befreiung ...

So sassen sie wohl ungefähr dreiviertel Stunden unter gegenseitiger geistiger Beeinflussung.

Und als sich der Pfarrer endlich erhob, um zu gehen, bat sie ihn, bald wiederzukommen.

Was er auch versprach.

Und auch tat ...

Abend für Abend verbrachten sie nun zusammen auf dem Sofa, Hand in Hand, tief und ernsthaft über dieses Leben und über das auf der andern Seite redend.

Und es war, als flössen mit jedemmal immer mehr und mehr Kalorien Kraft von seiner Kraft in ihre Schwachheit über und füllten sie mit Kräften, der Zukunft leichter entgegenzusehen.

Und das ist es, worauf es ankommt.


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