Johann Karl Wezel
Lebensgeschichte Tobias Knauts
Johann Karl Wezel

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35.

Dieser Tag war für Selmanns Schwächlichkeit angreifend gewesen; die Heftigkeit der Empfindungen, unter welchen er ihn zugebracht hatte, untergrub vollends seine schon anbrüchige Gesundheit. Er kam entkräftet von Amalien zurück, wurde täglich schwächer, und nichts schien gewisser als sein Tod.

Er hatte dieser Bekümmerten ein Geschenk angeboten, das sie von der äußersten Dürftigkeit, welche ihre Wohnung ankündigte, befreien sollte. Sie schlug es aus; er drang in sie, und sie nahm es unter der Bedingung an, wenn er ihr erlauben wolle, einen freien Gebrauch davon zu machen. – »Und welchen?« fragte er. – »Mit der einen Hälfte«, antwortete sie und führte ihn dabei auf die Seite, »will ich dem abgebrannten Manne, dessen Brandstelle sie dort sehen, ein Haus bauen und mit der andern meinem Siegmunde ein Grabmal errichten lassen. Meinen Sie?«

»Zwei, drei soll er ihrer haben!« – Er nötigte sie nochmals, sein Geschenk für sich zu behalten und es ihm zu überlassen, ihre beiden Verlangen zu befriedigen. Sie tat es nicht anders, und so schieden sie voneinander, und in einer Woche war der rechtschaffne Selmann tot.

Er ließ seinen Freunden in den letzten Unterredungen mit ihnen die Versichrung zurück, daß sein Herz der einzige Schöpfer seiner Freuden und seiner Mißvergnügen gewesen sei. »Zweimal«, sprach er, »ist mir die Welt zum Ekel geworden; und wenn nichts auf dieser Erde mehr fähig war, mich zu sättigen, so waren menschenfreundliche Empfindungen die einzige Speise, die meinen Geschmack befriedigte. Ich zog mich in mein Herz zurück, um den Sophismen des Verstandes zu entgehn. Ein einziger Tag, wie ich ihn bei Amalien zubrachte, war mir eine Schadloshaltung für ein halbes Jahr Unmut. Solange die Freuden des Herzens noch meine Empfindung reizen, glaube ich zu leben; wenn ich zu diesen stumpf werde, dann bin ich tot. – O möchte ich diesen Zeitpunkt nicht eine Minute überleben!«

Der Himmel erfüllte diesen Wunsch: Sein letzter Tag war noch mit einer Freude der Wohltätigkeit bezeichnet.

Edler Mann! das schönste Denkmal setze ich dir, wenn ein Denkmal von meinen Händen dich ehren kann – ich setze es dir, nur hinterlaß mir dafür zur Erbschaft – dein Herz!


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