Johann Karl Wezel
Lebensgeschichte Tobias Knauts
Johann Karl Wezel

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27.

Wenn drei Leute zur Tür hinausgehen, so ist es wohl der Mühe wert, einen neuen Absatz zu machen – also noch einmal!

Der 27. Absatz.

»Ein sonderbarer Mann, der Herr B.! so sonderbar, als vielleicht keiner auf der Erde gewesen ist!«

»Ja, ich geb es zu! und doch könnte ich dieser Sonderbarheit ungeachtet den leibhaftigen Herrn B. jedem ungläubigen Leser – doch was tut das? Ein sonderbarer Mann ist er immer!«

»Ein sonderbarer Mann!« sagte das ganze Publikum der Gegend, in welcher er wohnte, und setzte noch verschiedene andre Züge zu diesem Charakter hinzu, die vielleicht meine Leser so wenig vermuten werden, als daß sie der Großherr noch vor ihrem Tode zum Veziere machen möchte.

»Ein sonderbarer Mann!« sagte man. »Ein Mann, der sehr klug tut und nichts als alberne Sachen anfängt.«

»Es mag, fing Fräulein Amande an, als man in einer Gesellschaft über ihn zu urteilen geruhte, »es mag«, fing sie an mit einer Miene von Wichtigkeit, die ihre ganze Weisheit zu empfinden gab – »es mag nicht richtig mit ihm im Kopfe sein.«

»Hm!« versetzte Frau von Czs++ mit witzig klugem Tone, »es geht ihm wie den Leuten, die überklug sein wollen; sie laufen, wenn andre sachte gehn, und stolpern eben darum am allerersten.«

»Ach«, brüllte der Herr Xrv., »mit seiner Klugheit! Vor Überklugheit tut er gewiß nichts Albernes, eher vor Dummheit. Er gibt seinen Bauern das gute Land und behält sich die steinichten Felder. Vor ein paar Jahren, bei der Teurung, gab er ihnen das gute Korn, und am Ende mußte er sich selbst alle Tage eine Mahlzeit abbrechen, damit er sich nur das Brot kaufen konnte. – Lächerlich!«

»Können Sie sich vorstellen?« unterbrach ihn sein Nachbar. »Sie wissen, ich grenze mit ihm; Sie wissen auch von dem Streite, den ich mit seinem Vorfahren wegen des Stückchen Wiese, das dort am Busche liegt, gehabt habe. Da er das Gut bekam, so gab er mir das Stückchen Wiese, ohne weiter eine Feder anzusetzen; und sein Vorfahre hatte neun Jahre mit mir darum prozessiert. Ich bin's gern zufrieden und lache noch darüber; aber man sieht doch die Einfalt!«

»Er hat gar keinen Begriff von Melioration«, fuhr ein andrer fort. »Er ist unwissender als mein Großknecht. Den ganzen Tag liegt er über den Büchern oder bei dem Gesindel, das er ins Haus nimmt –«

»Oder in der Schenke bei den Bauern –«

»Oder gar bei den Bettelleuten«, sagte ein Vierter.

»Gleich und gleich gesellt sich gern!« rief der Herr Hauptmann V++, in dessen Gesellschaft meine Leser schon gewesen sind, rief es und lachte; und die ganze Gesellschaft erscholl auf dieses Signal von einem lauten Gelächter.

»Er ist ein Atheist«, zischelte eine Dame im Zobelpalatine.

»Er ist ein Pietist«, sagte eine andre in einem où êtes – vous.

»Ein Verschwender, der bald betteln gehen wird.«

»Ein Knicker, der sich das Nötige abdarbt.«

»Für seine Pensionärinnen!« schrie eben derselbe Herr Hauptmann mit einem so zweideutigen Tone, daß der größte Teil der Gesellschaft sich an den schlimmen Verstand des Wortes hielt und ein jedes nach Verhältnis seines Charakters ausgelassen darüber lachte oder verschämt lächelte.


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