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3.

Über den neuen Kirchhof weit draußen im flachen Feld – man sah nur noch die letzten Häuserreihen von Schöneberg quer in die Öde hineingeschoben – wehte der Wintersturm mit ungeahnter Gewalt; er fand kein Hemmnis und sauste dahin, daß das Wasser in den Pfützen hoch aufspritzte und die kleinen Bäumchen längs des Eisenbahndamms sich wie schlanke Gerten bogen.

Sie waren erst im vorigen Jahre gepflanzt, ihre Kronen bestanden aus zwei, drei Ästchen; vor jedem Windstoß beugten sie sich und duckten sich wie furchtsame Kinder – er ließ sie stehen. Aber den einzigen großen Baum weithin, dort die hohe Silberpappel, die wollte er nicht leiden. Er blies gegen sie an mit ungestümer Wut, er zauste sie und verfing sich in ihren Ästen, er rüttelte an ihnen, stöhnend vor Anstrengung: fort, fort, du darfst nicht bleiben, alles Hohe muß weg! Krach! Der Stamm war gespalten bis ins Mark; bald würde er sich neigen.

Der Pfiff der Lokomotive tönte schriller als sonst über den Schienenstrang und klang wie ein gepreßter Angstschrei; ein schwarzes, fortreißendes und selbst fortgerissenes Ungetüm, so sauste der Zug dahin. Krächzend flogen Raben auf und zerteilten mit ihren Flügeln den niedergeschlagenen Dampf. Flogen sie? Sie schienen nur zu fliegen, denn sie wurden willenlos mit fortgefegt von dem unwiderstehlichen Luftstrom und flatterten angstvoll. –

Am offenen Grab stand ein Häuflein Menschen, in der großen Einsamkeit zusammengeweht. Mäntel und Röcke blähten sich wie Segel, in der nächsten Minute wurden sie an den Körper geklatscht, und das Wasser wurde aus den Augen gepreßt von dem furchtbar peitschenden Winde.

Erdmann wurde zu Grabe getragen.

Heider starrte tränenumflorten Blickes dem Freunde nach in das offene Grab; und dann wandte er sich zu den übrigen, er schlug unbewußt den feierlichen, getragenen Ton eines Predigers an:

»Wir gönnen ihm die Ruhe. Es gibt ein Märchen, darin steigt das schönste Weib aus dem Schoß des ewigen Meeres und küßt den am Ufer Harrenden aufs Herz. Nun kann er sie nicht mehr vergessen, sein Herz hat ihren Kuß verspürt, es schlägt nur für sie, er sehnt sich nach ihr zu Tode. Der …«, er deutete mit zitterndem Finger hinab in die Gruft, »der war von der Kunst aufs Herz geküßt. Sie hatte ihn ganz. Sie war seine Familie, seine Geliebte, sein Besitz, sein Glück, seine Religion. Sein Leben war ihr Tempel, in dem er sich selbst von heiliger Flamme verzehren ließ für sie.« Heider machte eine Pause; seine Stimme wurde noch feierlicher. »Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen Wort; dann aber werden wir von Angesicht zu Angesicht schauen. – Amen!«

Er weinte laut. »Erdmann, lieber alter Junge, leb' wohl!«

»Von Erde bist du genommen, zu Erde sollst du wieder werden«, sprach der Totengräber und präsentierte die Schippe voll Sand.

Elisabeth war die erste, die hineingriff, mechanisch tat sie es, mechanisch ließ ihre Hand die nassen Sandklumpen fallen. Weit beugte sie sich über und starrte mit brennenden, neiderfüllten Blicken in das gähnende Loch.

Der eiskalte Regen schlug ihr ins Gesicht, der Wind riß ihr fast die Kleider vom Leibe, sie zitterte, sie fror, und doch war ein unauslöschlicher Brand in ihr; sie stand und starrte und rührte sich nicht vom Fleck. Oh, der da unten! Sie dachte an seine Worte, als sie zum erstenmal mit ihm bei Marie Ritter zusammengewesen war. Damals war sie noch unbefangen, die Kunst war ihr ein Glück, eine Lebensfreude mehr gewesen. »Ich werde hungern und frieren, verlacht sein; wenn ich sterbe, werde ich allein sterben – aber ich werde der Kunst wahrhaftig dienen.« Deutlich hörte sie seine Stimme. Ja, ja – sie schauderte –, so mußte es sein! So dient man der Kunst!

Sie fühlte nicht, daß heiße Tränen ihr über die Wangen liefen.

Der Totengräber und seine Gehilfen arbeiteten rasch bei dem schlechten Wetter. Immer mehr füllte sich die Grube, schon war von dem Sarg und seinem Grün nichts mehr zu sehen. Elisabeth blieb, bis der letzte Spatenstich getan war. Vergebens zupfte sie ihr Mann am Ärmel. »Du wirst dich erkälten, komm!«

Heider flüsterte: »Ich bitte, gehen Sie nach Hause!«

Ihr war, als läge da unten ihr Kamerad, ihr zweites Ich, sie konnte sich nicht trennen. Die paar Leidtragenden hatten sich längst zerstreut, ein paar Kollegen, jüngere Leute mit unbekannten Namen, dann noch ein paar Nachbarn aus dem Hinterhaus. Die Totengräber buddelten mit immer größerer Hast. Nun warfen sie die Spaten hin, nun waren sie fertig, nun würden sie nach der nächsten Destille eilen, um sich aufzuwärmen.

Auch Elisabeth ging endlich am Arm ihres Mannes fort; er führte sie sorgsam und hielt den Schirm über sie. An ihrer anderen Seite ging Heider, aber sie sprachen kein Wort. In der im Kapellenstil erbauten Leichenhalle hatten Marie Ritter und Sörensen gewartet; noch ein Herr war bei ihnen, anständig in Schwarz gekleidet, der trug einen Zylinder. Er lüftete ihn und trat auf Heider zu.

»Habe ich die Ehre, mit Herrn Heider zu sprechen?«

Heider blickte verstört auf, man sah es ihm an, wie unangenehm es ihm war, jetzt einem Fremden Rede und Antwort stehen zu müssen.

»Einen Augenblick, Herr Heider! Gestatten Sie!« sagte der in Schwarz. Sie traten beiseite; man hörte den Fremden nur noch sagen: »Ich bin Berichterstatter; ich bin beauftragt, im Namen meiner Zeitung bei Ihnen anzufragen, ob Sie mir einige Notizen …«

Auf dem Wege zur nächsten Straßenbahnhaltestelle sprach man nur von dem Verstorbenen. Sörensen war gereizt und schalt auf Gott und die Welt. »Die Dichterei, ja alle Kunst ist ein verfluchtes Metier. Es ist am besten, man hängt's an den Nagel und sieht sich beizeiten nach was anderem um, das seinen Mann nährt und wobei man sich nicht die Seele aus dem Leibe schindet.« Er fuhr sich über die Augen. »Da möchte man doch lieber Steine kloppen! Armer Stackel!«

Marie Ritter mußte lächeln, trotz aller Betrübnis. »Und doch war Erdmann glücklich«, sagte sie sanft. »Er hat in seinen Träumen gelebt und ist in einem schönen Traum hinübergegangen. Er hatte Atemnot, Heider und ich unterstützten ihn. ›Höher, Kobes,‹ sagte er, ›so … ich fliege … ah, wie schön!‹ Wir hielten ihn noch in den Armen, als er schon längst tot war; wir ahnten es gar nicht, so friedlich war er entschlummert. Er lag da mit einem glücklichen Lächeln.« Marie Ritter reichte Ebel die Hand. »Sie haben ihm so viele Freundlichkeiten erwiesen in der letzten Zeit, Herr Ebel, ihm Wein geschickt und Früchte; das waren ihm immer große Erquickungen.«

Elisabeth sah ihren Mann von der Seite an – das wußte sie ja gar nicht!

Er war rot geworden. Oh, wie gut er war!

Sie hing sich fester in seinen Arm; ihr war sehr elend. Eine grenzenlose Trauer trug sie im Herzen.

Jetzt kam Heider hinter ihnen dreingelaufen, sehr erregt.

»Was sagt ihr?!« rief er ganz außer Atem. »Stellt mich da der Kerl! Ist ein Reporter für irgendeine Zeitung, steckt hier die Nase herein, bringt dann eine Notiz und bekommt seine paar Mark dafür. Muß hier bei dem Sauwetter herumpanschen, damit die guten Spießbürger sich morgen früh beim Kaffee bei der Beschreibung von eines Dichters Beerdigung – ohne Geistlichen, ohne all den gewohnten Klimbim – gruseln. Er war neugierig wie eine Wachtel. Fragte mich aus, ob da nicht irgendwelche nachgelassenen Schriften wären, und so weiter, und so weiter. Er fragte, da war das Ende von weg!«

»Du hast ihn doch 'rausgeschmissen?!« grollte Sörensen. »Ich meine«, verbesserte er sich, »stehenlassen?! Solange einer lebt, kümmern sie sich den Dreck um ihn, ist er aber tot, ja dann, jawoll, dann möchten sie das Geheimste aus seinem Schreibtisch herausschnuppern. Kobes, du wirst dich doch auf so was nicht einlassen?!«

»Doch!« nickte Heider. Sein blasses, verweintes Gesicht bekam einen getrösteten Ausdruck. »Wenn doch mehr Anfragen kämen! Erdmann würde sich darüber freuen. Er war ein Idealist, es würde ihm guttun, daß wenigstens nach seinem Tode nach ihm gefragt wird. Er hat der Mitwelt nie gezürnt, daß sie sich nicht um ihn kümmerte, er war nur böse auf die, welche die Kunst mißbrauchten. Ich sehe gar nicht ein, warum ich nicht alles, was ich kann, tun soll, um ihm die Freude zu machen.«

Sörensen brummte etwas Unverständliches, und dann sagte er: »Am Ende setzen sie ihm noch ein Denkmal auf irgendeiner Brücke oder sonstwo, wo es nicht hinpaßt.« Er lachte kurz und trocken.

Also tot, tot mußte man erst sein, um beachtet zu werden?! Elisabeths Herz krampfte sich zusammen, wie im Traum hörte sie die Reden der anderen; sie dachte an ihr eigenes Geschick.

Finster grollend sah der Himmel nieder, kein einziges Stückchen von klarer Farbe daran, alles wirr durcheinander, grau und schwarz; ringsum eine Einöde und Schmutz und Kälte. Eine trostlose Verlassenheit.

An der Straßenbahnhaltestelle trennte sie sich von ihrem Mann; es war schon über Mittag, und er mußte auf seine Bank eilen, er hatte sich nur mit Mühe freigemacht.

»Fahre rasch nach Hause«, sagte er besorgt zu ihr. »Du siehst angegriffen aus; ziehe trockene Schuhe an, ich bitte dich darum!«

Seine Blicke suchten in ihr Inneres einzudringen. »Mach' nicht so verzweifelte Augen!« stieß er plötzlich hervor.

Machte sie denn verzweifelte Augen? War es schon so weit mit ihr, daß man ihr die Verzweiflung vom Gesicht ablas? Sie zwang sich zu einem Lächeln und hielt es die ganze Zeit über während der Fahrt in der Straßenbahn fest. Sie wußte nicht, wie traurig dies Lächeln aussah. Augen, die wie erloschen immer vor sich hinblicken, eine vornüber geneigte Gestalt, herabgezogene Mundwinkel, die Gesichtsfarbe sehr bleich – und dann dieses Lächeln!

Was sollte sie zu Hause? Ihr Stück war fertig, aber sie hatte keinen Mut, es jemand einzureichen. Sie fühlte, wenn man ihr diese Arbeit tadelte, sie gar zurückwies, das würde sie nicht überleben – nein, das nicht! Es war ein Teil von ihr selbst, ein Stück ihres Herzens, Blut und Schmerzen; ihr Glaubensbekenntnis. Wenn man das zurückwiese, woran sie so gearbeitet hatte, Tag und Nacht, wenn man das mit einem kritischen Lächeln beschaute, was ihr heilig war, es gar verhöhnte – nein, das konnte sie nicht ertragen! Lieber hielt sie es verborgen in dem geheimsten Winkel ihres Schreibtisches, sagte keinem etwas davon, zog es nur bei verschlossenen Türen hervor und hielt dann Zwiesprache mit ihrem Werk, berauschte sich daran und wiegte sich in übertriebenen Hoffnungen. Nein, nein, es heimlich halten, es keinem verdammenden Urteil aussetzen! Dann würde sie selbst verdammt sein. Und doch, Ruhe hatte sie so auch nicht. Immer schwebte es ihr auf der Zunge, davon zu sprechen; sie hatte schon die Lippen geöffnet, da hielt eine Scheu sie im letzten Augenblick zurück. Es prickelte ihr in den Fingerspitzen, das Manuskript hervorzuholen. »Seht, das habe ich geschrieben!« Ach, es war eine Qual!

»Sie sehen sehr blaß aus«, sagte Heider. Er hatte sie begleitet; wie ehemals gingen sie miteinander über die Straße. »Sie sind doch nicht krank?«

Sie schüttelte den Kopf. »Nein, nicht körperlich krank, aber …« Und dann brach es plötzlich aus ihr heraus mit Sturmesgewalt: »Ich leide!«

Sie glaubte sich in jene erste Zeit fröhlicher Kameradschaft wieder zurückversetzt, in der sie ihm gegenüber mit ihrem Vertrauen nicht zurückgehalten hatte. Sie erzählte von ihrem Stück, von ihren Qualen, und sie schloß: »So habe ich denn kein Vertrauen mehr zu meiner Arbeit. Zu all dem, was ich gelitten habe – wer kann die tausend Qualen nennen! –, ist noch der Zweifel gekommen, und der ist schrecklicher als alles andere!« Sie riß den Schleier herunter, mit einem unterdrückten Schmerzenslaut hielt sie die Hand an die Stirn. »Manchmal glaube ich, ich werde verrückt.«

»Lassen Sie mich Ihr Stück lesen«, sagte er dringend.

»Und wenn Sie es tadeln?!« Sie sah ihn mit glühenden Augen an.

»Lassen Sie es mich nur lesen!«

»So kommen Sie gleich, gleich! Sie sollen es gleich lesen!« Sie faßte seine Hand und riß ihn mit sich über die Straße. »Wir dürfen keine Zeit verlieren, setzen Sie sich in mein Zimmer, lesen Sie es da. Ich will warten, bis Sie es gelesen haben, eine Stunde, zwei Stunden – ich habe schon so lange gewartet, rasch, rasch!«

Er folgte ihr willig; hier war keine Zeit zu verlieren, das sah er. Das Wasser ging ihr bis an die Kehle. –

Er saß an ihrem Schreibtisch und las, von der kleinen Lampe hell beleuchtet. Sie hockte in einem Winkel des Zimmers ganz im Dunkel, müßig die Hände im Schoß zusammengekrampft, und beobachtete ihn, belauerte seine Mienen; bei jedem Stirnrunzeln zuckte sie zusammen, bei jedem wohlgefälligen Nicken atmete sie auf. Es war ganz still im Zimmer; man hörte nur das Wenden der Blätter und leise, zitternde Atemzüge. Draußen wurde es ganz dunkel; hier innen stand die Zeit still.

Anfänglich war es Heider sehr schwer geworden, mit Aufmerksamkeit zu lesen, seine Gedanken wandelten einsame Wege zurück zum öden Kirchhof im sturmdurchbrausten Feld. Er hätte es nicht für möglich gehalten, aber bald waren all seine Gedanken, all seine Empfindungen hier bei diesen Worten. Er las und las, er war im Bann; eine große Leidenschaft schlug ihm aus diesen Blättern entgegen, ein helles Flammenmeer loderte, eine wilde Anklage reckte die Faust. Da war Kraft, da war Empfindung, da war ein verzweifeltes Ringen, und da war ein Sieg. Es wurde ihm kalt und es wurde ihm heiß, seine Seele wurde mitgerissen, er vergaß alle Kritik. Er atmete rasch und erregt, und dann sprang er auf – jetzt war es zu Ende.

»Frau Ebel! Elisabeth!«

Sie kam aus dem Winkel auf ihn zu, groß, schlank, die Füße mühsam voranschiebend. »Nun?« Alles, was an Spannung, Erwartung und angstvoller Hoffnung möglich ist, war in dieses Wort gepreßt. »Nun?!«

Er faßte stürmisch ihre Hände. »Famos!« All seine alte Frische war wieder da. »Ich freue mich, ich freue mich von Herzen!« Er schüttelte ihre Hände. »Das haben Sie gut gemacht, so wollte ich Sie haben, voll, groß, ganz! Ich …« Er bückte sich und – was er sonst nie getan hatte – küßte ihre Hand. »Alle Achtung! Bravo! Bravo!«

Was war das für ein wundervoller Klang?! Ein himmlischer Klang, der Kranke gesund macht und Tote wandeln heißt.

» Sie sagen das?!« Gierig sah sie ihn an, sie wollte sie noch einmal hören, diese seligmachenden Worte. »Sie tadeln mich nicht?!« Sie beugte sich vor und hing an seinen Lippen; auf einmal war sie wieder jung, schön und blühend.

»Jetzt wage ich es nicht mehr, Sie zu tadeln!« Er lächelte. »Sie sind mir zu groß geworden, Frau Elisabeth. Freuen Sie sich, ich freue mich mit Ihnen!«

Sie stand noch immer lauschend, mit vorgeneigtem Kopf, als könne sie nicht genug hören; man sah es ihren Lippen an, daß sie schlürften, Genesung tranken. Ihre Augen leuchteten.

»Oh, Sie!« Sie atmete, als sollte ihr die Brust springen. »Sie geben mir das Leben wieder, Leben, Glück, Gesundheit. Oh, Sie!« Sie trat plötzlich ganz dicht an ihn heran, ihre Augen streiften ihn strahlend. Nun fühlte er einen Kuß auf seiner Wange. »Ich danke Ihnen – danke Ihnen!« Sie lachte und weinte.

Draußen hatte es geklingelt. »Da kommt Wilhelm!« Sie stürzte nach der Tür, ihre Bewegungen waren rasch, mädchenhaft leicht. Schon war sie hinaus, schon hing sie dem Gatten am Halse. »Wilhelm! Wilhelm!« schluchzte sie.

»Was ist denn geschehen?!« Man sah es Ebel an, er war nicht gewohnt, mit einer Freudenbotschaft empfangen zu werden. »Warum weinst du, Elisabeth?«

»Vor Freude, nur vor Freude!« Was sie lange nicht getan hatte, sie küßte ihn und zog ihn in die Stube hinein. »Hier, frag' ihn! Wilhelm, ich bin wie erlöst! Es ist gut – oh, die Qual –, mein Stück!« Sie sprach mit fliegendem Atem und ließ ihren Mann nicht los; blindlings tastete ihre Hand nach Heider. »Sagen Sie's ihm – er wird sich ja so freuen! So sagen Sie's ihm doch!«

Heider war zurückgewichen; ein seltsames Gefühl zog sein Herz zusammen – er sah die Frau immer noch in den Armen des Mannes. »Ich gratuliere!« sagte er gepreßt.

»Hörst du's? Hörst du's nun?!« Elisabeth lachte, so voll, so sonor. »Nun bist du überrascht, ich habe ein Stück geschrieben, es ist gut, es wird aufgeführt werden, nun kommt der Erfolg, nun ist die böse Zeit vorbei! Freue dich!« Sie lachte wieder.

Ebel fühlte ein wehmütiges Entzücken; so hatte sie lange nicht gelacht, das war das alte, siegesfrohe Lachen. Er preßte sie fester an sich, und dann nahm er ihren blonden Kopf zwischen beide Hände und beugte ihn etwas zurück. Er sah ihr in die Augen. »Warum hast du mir denn nichts davon gesagt?«

Sie zwinkerte mit den Lidern und wurde purpurrot. »Ich … ich wollte …«, sagte sie unsicher, »ich wollte erst eine Gewißheit haben. Ich …«, ihre Miene wurde düster, »ich hätte ein Mißlingen nicht ertragen.« Wie ein plötzliches Erinnern zog's über ihr Gesicht. »Ich hätte mich vor dir geschämt«, flüsterte sie.

Sein Blick glitt fragend zu Heider. Dieser hatte sich mit dem Manuskript zu schaffen gemacht; als er Ebels Blick auf sich gerichtet fühlte, sagte er: »Das Stück deiner Frau ist ausgezeichnet. Der Erfolg ist sicher.« Er legte die Hand fest auf die Blätter. »Das muß wirken!«

Ebels Gesicht war von einer strahlenden Freude wie verklärt, er zog seine Frau wieder an sich. »Gott sei Dank, Elisabeth!« sagte er. Es kam ihm aus tiefster Seele. – –

Sie ließen den Freund heute nicht fort, er mußte mit an ihrem Tische sitzen. Es verlangte Heider, allein zu sein, und doch mochte er sich nicht trennen, er konnte den Blick nicht von Elisabeth lassen. Das war wieder das Mädchen, an das er heimlich viele Lieder gerichtet, die er niemand gezeigt hatte und die er niemals veröffentlichen würde.

Elisabeth trug noch das schwarze Kleid vom Begräbnis her; ihre durchglühten Wangen und ihre schimmernden Haare hoben sich reizvoll darüber. Wie sehr verschönt das Glück! Elisabeth sah das selbst im Spiegel. »Glück ist Erfolg«, dachte sie und nickte lächelnd ihrem Spiegelbild zu.

»Hast du keinen Wein mehr?« fragte sie ihren Mann. »Laß uns trinken; ich bin schon wie im Rausch.« Sie sprach aufgeregt. »Gib mir Wein, laß uns anstoßen. Es lebe der Erfolg!«

Ebel sah zögernd auf Heider. Würde es ihn nicht verletzen? Aber Heider nickte zustimmend.

So ging er und holte eine Flasche; es war alter Rheinwein, firn und feurig. »Ich hatte sie noch für Erdmann gekauft«, sagte er leise, als er sie entkorkte. »Das erste Glas zu seinem Gedächtnis!«

Heider stand auf und hob sein Glas mit einer gewissen Feierlichkeit, golden perlte der Wein.

»Auf den Erfolg der Lebenden und des Toten!« sprach er stark.


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