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21.

Wer den Müller-Hannes gehen sah, wunderte sich, daß der wieder so laufen konnte. Wahrhaftig, das hätte kein Mensch gedacht, als man ihn dazumal, vom Schlage gerührt, für tot aus der Mühle tragen und auf den Karren laden gesehen, daß der noch einmal seine Beine so würde gebrauchen können. Und dazu fast besser wie vorher. Das machte, er war nicht mehr gar so fett, denn fürs Saufen und Gutschmecken hatte er kein Geld.

Mehr als einmal die Woche konnte man ihn hinaufwandern sehen gen Manderscheid. Von der Tochter geführt, stieg er die mächtigen Kehren, die sich aufs Plateau winden, hinan.

Das war sein Lieblingsweg; den war er wohl vielhundertmal gefahren, und den trieb es ihn auch jetzt zu gehen. Die weißen Mühlen im Grund sah er nicht, aber den Mosenkopf, den sah er noch – in Gedanken. Wie immer und ewig stand der und sah mit seinem Kraterhaupt groß herunter aufs Gewirr all der niedrigeren Höhen, auf das grüne Vorland und die tiefen Wälder, und darüber hinaus auf die rotbedachten Dörfchen, weit verstreut übers Eifelplateau; und wieder weiter darüber hinaus auf die strichweisen Felder am Hunsrück und auf die Moselberge, verschwimmend im himmlischen Duft.

Der Blinde fühlte den starken Luftzug, den herben Hauch, der ihn wie ein Gruß von oben traf. Dann pflegte er die Mütze vom Kopf zu ziehen, das Gesicht gegen den Berg gekehrt, sich breitbeinig hinzustellen und die Luft frei mit seinen weißen Haaren spielen zu lassen. Ha, das tat gut!

»Fränz,« sagte er, »es dän Mosenkop hell?«

»Jao, Vadder!«

»Fränz,« fragte er dann rasch weiter, »Fränz, on lao bowen, siehste,« – er streckte den Arm aus und wies in die Luft, – »kuckste elao, wuh die großen Lavastein sein – no, esu kuck doch! Nä, e bißche mieh nao rechts! Esu gief doch Obacht, Dau siehst et jao gar net, domm Dingen! – Saog ehs, stieht lao schuns en Haus?«

»Nä, Vadder!«

Schmunzelnd rieb er sich die Hände. »Dat es gud, dat es gud! Dann haon ech noch Zeit, für eins zu bauen. Es et net heut, es et morjen. Ech waarten. Dän Mosenkop on ech, gel,« – er winkte dem Berge zu – »mir zwei sein dauerhaft!«

Während der Vater so nach dem Berge schaute, angestrengt, als müsse er jede Schrunde im Lavageklüft erkennen, jeden Vogel, der da rastete auf freier Höh', schaute die Tochter nach den Ackern der Manderscheider. Die waren besser als ihr Aeckerchen daheim. Was sie dem auch antat – und sie ließ sich's nicht verdrießen an Arbeit und Mühe – es wollte noch nichts Rechtes tragen. Mit der Zeit freilich würde sie es schon dazu zwingen: es mußte, es mußte fruchtbar werden! Sie preßte die Lippen aufeinander, und der trotzige Zug, der früher oft ihr hübsches Gesicht verunziert hatte, erschien wieder; aber jetzt war's mehr Willenskraft als Trotz.

Fränz wollte arbeiten, gern arbeiten. Arbeiten will gelernt sein, und sie hatte es jetzt gelernt. Wer ihr das früher gesagt hätte, daß sie einmal mit hochgeschürztem Rock, mit nackten Beinen in den Furchen knien und sich die Waden zerstechen lassen müßte von hungrigen Disteln! Sich das Gesicht verbrennen lassen müßte von unbarmherziger Sonnenglut, sich dann wieder die Hände erfrieren, daß sie rauh wurden wie eine Esaushaut!

Keine Schande war's! Sie warf die Lippen auf. Aber annehmen, was mildtätige Leute geben – und sie hatten es annehmen müssen, wollten sie nicht verhungern – das fraß ihr am Herzen. Gedanken, die sie schon einstmals gehegt, als sie zusammengebrochen war vor Entsetzen beim ersten Anblick der verfallenen Hütte im Abbau, regten sich wieder, wurden deutlicher und deutlicher in ihr, wurden jetzt zum Entschluß. Was schadete es ihr, wenn der Bauer trieb: »Gieh bei de Rummeln, maach, maach,« und wenn die Bäuerin schalt: »Wit, wit, faul Mensch, hol Waaßer, melk die Küh« –?! Das focht sie, die Fränz, weiter gar nicht an, das galt ja nur ihrem Mägdekleid. Darunter blieb sie doch, wer sie war; und wenn einmal der in der goldenen Kutsche kam, von dem sie früher geträumt hatte, dann war sie immer noch des Müller-Hannes stolze Tochter. Freilich, der in der Kutsche brauchte nur ein wackerer Ackersmann zu sein – der tat's auch!

Einen leisen Seufzer stieß die Fränz doch aus, als sie dies dachte; und dann sah sie wie im Licht eines Blitzes den Laufelds Joseph vor sich stehen, aber ebenso rasch wieder verschwinden. So ein Fürnehmer hätte auch ihr getaugt!

Sie sah ihn in seines Vaters Haustür stehen, rauchend und mit seiner Uhrkette spielend. Ob der denn nie etwas anderes tat?! Pah, er war im Grund doch nur ein Lungerer! Ihre Lippen kräuselten sich verächtlich. Sie dachte nicht daran, daß sie ihren eigenen Vater einstmals auch so und nicht anders hatte auf der Türschwelle stehen sehen, Wochen, Monate, Jahre. Die paar Jahre der Not zählen eben dreifach, ja zehnfach; was hinter denen lag, hatte sie vergessen.

Wenn die Großmutter nicht gewesen wäre, die immer jammerte und mit dem Vater grämelte, und wenn das Almosennehmen nicht wäre – aber das wenigstens mußte anders werden, das sollte bald aufhören – hätte Fränz sich nicht unglücklich gefühlt in dem Leben, so wie es jetzt war. Lange hatte sie keine Vaterliebe gekannt, jetzt fühlte sie die, täglich, stündlich. Er konnte sie ja gar nicht entbehren. War sie dem alten Mann nicht Auge und Stecken zugleich?

Wenn sie sich jetzt verdingen würde – ganz in Dienst nicht, nur in Tagelohn – würde sie sich dann nicht freuen, allabendlich ihr Häuschen wiederzusehen und den Vater auf der Bank davor? Würde es nicht wie ein Glück sein, ihm für ihren Tagelohn das Nötige zu kaufen, und nach Feierabend noch und am Sonntag das eigene Aeckerchen zu bestellen?! Würde es nicht ein großes Glück sein, endlich geben zu können, statt zu nehmen? Nichts Geschenktes und nichts Ererbtes, nur was Erarbeitetes macht froh!

Das Nehmen – ach! Fränz zuckte zusammen: Kam da nicht einer des Weges von Manderscheid herunter? Es war ein Wohlhabender, sie sah's am Gang. Hastig zupfte sie den Vater am Aermel: »Komm, komm,« und drängte ihn zur Seite, wo auf einer kleinen Ausbiegung der Kehre, dicht am Abhang, ein Bänkchen aufgeschlagen ist und zwischen den zwei Ebereschenbäumen rechts und links, wie eingerahmt, das mächtige Bild des Mosenberges steht. Dort setzte sie sich mit dem Vater. Ach, jetzt nur nichts nehmen müssen! Heut' nicht! Jetzt nicht! Ueberhaupt nicht mehr, nie, nie mehr!

Fränz kehrte der Straße den Rücken zu und guckte krampfhaft in ihren Schoß; den Vater stieß sie in die Seite, er solle auch vor sich sehen. Aber schon waren sie erkannt.

»Kucktelhei, dän Müller-Hannes?!« sprach eine Stimme hinter ihnen, halb neugierig-fragend, halb salbungsvoll, und eine runzlige, dürre Altmännerhand hielt der Fränz über die Schulter einen blanken runden Groschen unter die Nase. Sie rührte sich nicht.

»Dao, nehmt noren!«

Die reiche Spende fiel in ihren Schoß. Verdutzt saß sie: so viel gab ihnen selten ein Mensch in barem Geld auf einmal. Zugleich aber tat ihr die Art des Gebens weh. Ihre Lippen zuckten; gar nicht aufsehend, den Kopf noch tiefer senkend, daß ihr die spröden Haarringel unterm roten Kattuntuch in die Stirn fielen, murmelte sie nur ein Wort. Es sollte wohl »Danke« heißen.

Der Geber schien den unzulänglichen Dank nicht zu bemerken, er nickte nur, wie: »schon gut, schon gut!« Und dann setzte er sich, vorsichtig die Schöße seines langen Rockes, daß er sich nicht ruiniere, teilend und die heruntergerutschten Strümpfe über die Wädchen heraufziehend, auch auf das Bänkchen.

Fränz guckte verwundert: wer war der?! Er schien gern ein Gespräch anfangen zu wollen, aber nicht zu wissen, wie. Verstohlene Blicke warf er auf den Blinden, der, von seinem weißen Haar umweht, das Kinn erhoben, ohne zu blinzeln, hinüberstarrte in die helle Luft, die den Berg umfloß.

Jetzt stieß er ihn an:

»Gud Zeit! No, widder alert, Müller-Hannes!«

Das Mädchen ärgerte sich über den gönnerhaften Ton.

Hannes zuckte zusammen. »Die Stimm kennen ech doch,« murmelte er, lauschend das Ohr neigend. »Ech kennen die doch!« Fast schien es, als wolle er nun aufspringen, fliehen, aber dann rückte er sich wieder zurecht, und es klang gelassen:

»Gud Zeit, Laufeld! Wie Ihr seht, alleweil noch alert!«

Die schwarzen, glänzenden Augen der Fränz blitzten: ha, der Laufeld! Das also war der, der den Vater ins Unglück gebracht hatte?! Der Laufeld, der Halunk'! Sie hatte ihn nicht mehr gesehen seit ihrer Kindheit – freilich, das war ja noch nicht ewig lange her – aber wie hatte sich der Mann verändert! Als er zum Begräbnis der Mutter vor die Tür gefahren gekommen war, hatte er sie groß und stattlich gedünkt, mit frischem Rot im Gesicht. Groß war er noch, aber man sah's nicht mehr; er war geduckt, die ganze Stattlichkeit eingeschrumpft. Da sah ihr Vater doch ganz anders aus!

Mit einem gewissen Stolz schaute Fränz den Vater an, und dann warf sie dem anderen einen verächtlichen Blick zu. Und der riskierte es noch, sich hier neben sie zu setzen?!

Der Groschen in ihrer Tasche brannte sie. Der sollte seinen Bettel wiederkriegen, vor die Füße schmeißen wollte sie ihm den! Sie lauerte nur auf den Moment. In ihren sonnverbrannten Wangen pulste lebhaft das Blut, es zuckte ihr in der Hand: wenn der auch »griese Haor« hatte, das sollte sie nicht genieren!

Derweilen maßen sich die beiden Alten. Sie waren ein wenig voneinander abgerückt, hatten die Gesichter aber gegeneinander gekehrt und sahen sich nun gerade an. Sie trugen beide die gleichen Mützen mit dem Glanztuchschild, und die des Reichen war nicht minder verschabt und abgenützt als die des Armen.

Als ob der Müller-Hannes noch sehen könnte, so bohrten sich seine starren Blicke ein. Dem Laufeld waren sie schier unangenehm; er drehte seine Augen weg und steckte den Rosenkranz, an dem er auf dem Wege hieher gebetet und den er noch ums Handgelenk geschlungen hatte, in die Tasche.

»Also dän Laufeld,« sagte Müller-Hannes endlich und nickte mit dem Kopf. »Jao, eweil sein mir akkerat widder esu beisamm' wie derlätzt uf'm Kunowald. Awer't Wäder es schiener heut. Dazumal waor dän Himmel net esu blau, gel, Ihr?«

Jakob Laufeld räusperte sich.

»Et gieht Eich schlächt, wie ech siehn, Müller-Hannes,« sprach er. »Jao, jao, ech haon dat als lang gewußt: Hochmut kömmt für dem Fall. Euer Alder waor aach esu en Protz – Gott schenk em de ewige Ruh!« – Er schlug ein Kreuz. »Äwer Ihr waort noch en vill größern! Ech haon Eier Onglück komme siehn. Ech haon Eich aach immer gepredigt: Hannes, Hannes, bedenkt dat End, wän dän Groschen net ehrt, es dän Dahler net wert! Aewer nä, kein Hören uf en vernünftig Wort, wie taub on blind. Eweil sitzt Ihr im Dreck!«

»Ihr, Ihr hätt' mir gepredigt?« Dem Hannes stand der Mund offen vor Staunen. »Dat wär fürwaohr zom Laachen, wann et net esu frech gelogen wär!« Die alte Heftigkeit überkam ihn. »En schien Predigt,« schrie er, hob die schweren Hände und klatschte sie auf die Knie, »dem Deiwel sein Red! Ihr, Ihr, verschändt haott Ihr mech, de Leut widder mech gehetzt! Verflucht sei dän Naomittag, wuh Ihr in de Mühl kamt – dat Tina hat ons noch esu lecker Waffeln gebacken on en guden Kaffee gekocht – äwer Ihr – Ihr – oh, Ihr infamigt Luder, Ihr alden Kalmäuser, Ihr verdammt Lügemaul, Ihr –!« Die Erregung nahm ihm die Stimme.

»Wat, wat saot Ihr?« fragte der Laufeld und neigte das Ohr. »Ech sein schuns zweimaol von 'nem Professor operiert gäwen – dän haot en Gäld von mir gekrieht, ech saon Eich, en Gäld! – E bißche lauter, sprecht e bißche lauter, ech hören eweil noch net ganz gud!«

»Lügemaul, Ihr seid en Lügemaul,« brüllte Hannes.

»Merci!« Der Laufeld nickte. »Oh, sons sein ech esu weid ganz gesond – Gott sei gelowt! Aewer de Ohren – dat es fatal! Mer kann net jeden verstiehn.« Er seufzte und strich sich über die dünn gewordenen Haare, die unter der Mütze an den Schläfen glatt gekämmt waren. »Et es en Kreiz, wat ei'm auferlegt es. Aewer freilich –,« ein Blick, in dem Bedauern und Geringschätzung sich mischten, streifte den Blinden – »Ihr hatt jao noch en vill schwerer Kreiz!«

Des Müller-Hannes Aerger verflog, er mußte laut und herzlich lachen: »Haha, hoho!« Der taube Hesse tat sich auch noch dick?! Natürlich, das lag in seiner Art, aber jetzt war's doch, um sich bucklig zu lachen!

Der Laufeld sah das Lachen. »Ihr laacht? Ihr könnt laachen?« fragte er höchst verwundert.

»No, waorom dann net?« Müller-Hannes hätte um die Welt nicht dem Rivalen verraten, was ihm fehlte. Jawohl, er war arm, sehr arm, aber doch noch lange nicht so arm wie der da, der keinen Vogel mehr singen hören konnte, kein Blatt mehr rauschen, kein Mühlrad gehen! Er hörte das Rad seiner Mühle doch bei Tag und Nacht. Ein Gefühl der Ueberlegenheit ergriff ihn gegenüber dem Tauben. Wenn der auch ein Haus hatte mitten im Dorf, und er nur eins draußen, abseits in der Schlucht, er hatte doch noch weit mehr von der Welt als dieser hier!

Gutmütig tappte er dem Laufeld auf die Schulter:

»Ihr duht mer leid. Wat moß dat esu schreckelich sein, wann mer net mieh höre kann. Ech hören esu gud. Wann et owen vom Mosenkop »Hannes« rüft, selwst dat hören ech ganz fermost. Dat könnt Ihr glauwen. Paaßt ehs uf!«

Und er reckte sich und preßte die Brust heraus, klopfte sich prüfend darauf, ob sie auch noch gewölbt sei, und schrie dann aus Leibeskräften, beide hohlen Hände am Mund: »Müller –«

Das Echo antwortete: »Müller –!«

»Hä, Ihr, Laufeld, hört Ihr?! On nau: Hannes!«

Jetzt antwortete das Echo: »Hannes!«

Ganz glücklich zog der Blinde den Mund breit:

»Müller-Hannes! – Jao, dän Mosenkop kennt mech noch!«

Fränz stieß jetzt den Vater an: »Vadder, spaor Dein Müh!« Sie hielt sich die Schürze vor und kicherte: »Dän es jao stocktauw! Aewer hän haot mer en Groschen geschenkt, dao« – sie drückte dem Vater das Geldstück in die Hand – »gief hän ihm widder, ech will hän net!«

»Waorom dann net?« Müller-Hannes steckte ruhig den Groschen in die Tasche seiner zerschlissenen Hose. »Wän dän Groschen net ehrt, es dän Dahler net wert – Mädche, paß doch uf, haste dann dem Laufeld sein Predigt net gehört?« Das Lid über dem einen seiner starren Augen zwinkerte; um seinen Mund zuckte es schalkig.

Fränz war ganz verdutzt: so hatte sie den Vater lange nicht gesehen. Auch lange nicht vor dem Auszug aus der Mühle, nein, seit der Zeit vor der Mutter Tod nicht, nein, noch länger nicht – so guter Laune!

Jetzt drehte er sich wieder dem Laufeld zu und schrie kräftig:

»Ihr haot mir en Groschen gegewen, on ech – wißt Ihr't noch, uf Martini waor et, in der Stuw, wuh dat Klavierche stand? – on ech Eich vill dausend Dahler! Nä, Laufeld, ech haon et net nedig, ›danke‹ zu saon!«

Der Taube nickte trübselig. »Jao, de Könder, de Könder!« seufzte er und rieb sich das früher so glatt rasierte, jetzt ein wenig stopplige Kinn. »Ech haon zu vill Ambra. Dat ville Land – uf Knecht on Mägd es kein Verlaaß mieh heutzudag – on dann all de villen Hippetheken, all die Zönsen einzukassieren – jao, esu en Vermögen zu verwalten, es ken Könderspill – nä!«

Mit der Geschwätzigkeit eines, der lange hat schweigen müssen, fing der Taube jetzt an, alle seine Angelegenheiten auszukramen. Er babbelte und schnatterte mit der leisen, tonlosen Stimme desjenigen, der selbst keinen Laut mehr von dem hört, was er sagt. Es war noch viel vom Bewußtsein seines Reichtums in dem alten Bauern, aber das Alter und das Gehörleiden hatten der Protzigkeit doch einen Dämpfer aufgesetzt. Noch fühlte sich der Laufeld, besonders heut dem Bettelmann da gegenüber, aber des Blinden scharfes Ohr hörte mehr als einen verstohlenen Seufzer heraus zwischen all den großspurigen Worten.

Jakob Laufeld schloß:

»Mein Ammei, die Aeldest, es dod – duh sein woll Enkelcher, äwer ech will neist met dem Witmann zu duhn haon – immer Gäld, Gäld! Aewer hän krieht neist – niemand krieht ebbes, ehnder ech dod bin, nä!« Eigensinnig bekräftigend nickte er vier-, fünfmal hintereinander. »Mein Zweit, dat Maria, es im Kloster – jao, dat es en groß Glück, dat die esu fürnehm es – et haot äwer aach groß Gäld gekost, groß Gäld! Ech saon Eich, Müller-Hannes, wän en Plaatz newer onsem Hährgott gewinne will, dän haot dat net ummesons. O Jess'! Awer et es doch fatal, zu siehn kriehn ech mein Dochter fast gaor net mieh!«

Er schwieg und senkte den Kopf; all die Furchen seiner einst vollen, frischroten und jetzt doppelt verrunzelten und verblichenen Wangen schienen tiefer zu werden.

Fränz war ganz erstaunt: hatte der Laufeld denn nicht den Joseph, den Joseph? Das war doch recht einer zum Großtun. Warum sprach er denn von dem Joseph nicht?!

Neugierig reckte sie den Hals.

Müller-Hannes schien das auch zu vermissen. Mit aller Kraft seiner Lungen brüllte er dem Rivalen ins Ohr: »On Eier Josephche?«

»Wän?«

»Eier Josephche, Eier Sohn, no?«

»Ah su, dän Joseph! Hm, jao. Jao, jao, dän es en staatse Jong, jao!«

Weiter sprach sich der Laufeld nicht aus. Er stand plötzlich auf, als wäre die Bank unter ihm glühend geworden. »Adjes!« Dann, fast schon im Fortgehen wies er mit dem mageren Zeigefinger nach dem starken, braunen Mädchen hin, das aus klaren Augen entschlossen dreinsah. »Es die lao Eier?«

»Jao,« sagte Müller-Hannes schnell, und eine heimlich triumphierende Freude belebte seinen Ton. »Die es mein!« Er drehte den Kopf nach seiner Fränz und nickte ihr stolz und zufrieden zu:

»Noren en Dochter! Aewer, Laufeld, ech saon Eich, wat for ein'! Komm, Fränz, laoße mir eweil giehn!«

Er stützte sich rasch auf ihren dargebotenen Arm, und so flink schritt er aus, so beflügelten, fast ungeduldigen Trittes, als ginge er einer großen Freude entgegen.

Die Sonne schien hell. Vom Mosenkopf kam ein starkes Wehen, blies der Fränz das kattunene Kopftuch in den Nacken und dem Mann den Rock auseinander, daß er dahinschritt mit offener Brust. Im herben Eifelwind wehten die unbedeckten Haare, die dürftigen Kleider von Vater und Tochter.

Sie gingen dahin, rüstigen Schrittes, großragende Gestalten auf freier Eifelhöh.

 


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