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Liegen bleiben sollte die Tina, so lange es ihr gefiel – das hatte Hannes dazumal gewollt; nun lag sie schon sehr lange. Zu lange. Wenn sie auch nicht viel hatte schaffen können, geschafft hatte sie doch wenigstens nach Kräften; nun war keine ordnende Hand in der Mühle mehr. Die Magd war träge und gehörte nicht zu den Reinlichen; man schafft auch nicht gern, wenn einem nichts von allem zu eigen gehört. Alle paar Wochen wechselte jetzt der Knecht, denn der Herr war unwirsch, und schelten lassen will man sich doch nicht von einem, der selber nichts tut.
Der erste Sommer nach dem Tode der Frau war ein schwüler gewesen. Unerträgliche Hitze hatte über der engen Talschlucht gebrütet und das Maarbächlein ausgetrocknet. Fische waren nicht mehr darin, und unter den großen Steinen hatten garstige Kröten anstatt der schön getupften Forellen Unterschlupf gefunden. Auch die Kleine-Kyll war dürftig, und was noch an Wasser in ihr war, hielten die weißen Mühlen gestaut.
Dürr lagen die sonst stets feuchten Wiesen; von der ersten Mahd war kein Heu eingetan. Hannes hatte nur die junge, fuchsige Kuh behalten können, seine beiden anderen Kühe verkaufen müssen. Viel zu billig. Das Feilschen und Drücken war eben nicht seine Sache, und überdies, wer verkaufen muß, muß am Ende noch froh sein über jedes, was er bekommt.
Das für die Kühe erlöste Geld hatte zur ersten Anzahlung genügt für Frau Tinas Grabdenkmal. Solch ein prachtvoller Leichenstein war noch nie auf dem Kirchhof von Maarfelden gewesen; massig, aus Granitstein gehauen, hob er sich zwischen all den geringen Kreuzen und Kreuzchen. »Ruhe sanft!« stand in Goldschrift darauf zu lesen, und unter dem Namen und dem Geburts- und Todestag der Verstorbenen der Name dessen, der ihn hatte setzen lassen. Die Maarfeldener konnten nicht genug staunen über das prachtvolle Monument und nicht aufhören, sich zu wundern. Hannes aber war es eine gewisse Genugtuung: das war er doch der Frau schuldig gewesen. Nun, da der teure Leichenstein auf ihrem schmalen Grabe stand, fühlte er sich ruhiger; er hörte nicht mehr das mahnende, klagende, beschwörende »Rühr mich net an!« durch die dunklen Stuben zittern. In der ersten Zeit, als der Stein gesetzt worden, war er fast täglich hinaufgegangen und hatte denselben betrachtet; jetzt ging er nicht mehr so häufig hin. Am Allerseelentag hieß er Fränz das Grab schmücken; aber dann kam der lange Winter, und der Kirchhof ward zugeschneit und der Weg beschwerlich.
Und mit dem neuen Frühjahr kamen neue Sorgen. Jetzt ging es schon ums tägliche Brot; das heißt, des Brotes war noch immer genug da, aber die Zutat, die Butter, der Schinken, der Käse fehlte oft.
Die Fränz wirtschaftete. Sie war nun schon alt genug dazu, und verständig genug hätte sie auch sein können. Aber wenn sie den Rock auch schon lang trug, ihre Füße steckten noch in den Kinderschuhen. Sollte sie die Kuh weiden, so raffte sie, wenn's keiner sah, den Rock und sprang pfeifend die Halden empor, zog ihn dann, oben angelangt, überm Kopf zusammen und rollte sich so, lachend, pfeilgeschwind wieder zu Tal. Freilich, zuweilen saß sie auch, wie eine ganz Erwachsene, nachdenklich auf dem Schemel in der Küche und sah starren Auges in die verlodernde Glut des Herdloches. Dann dachte sie, sie wußte selbst nicht was. Die verlassene Stille umher quälte sie.
In der Mühle war gar nichts mehr zu tun. Nur die Mäuse trieben ihr Wesen in der leeren Mahlstube und huschten von da, weil sie nichts mehr fanden, langgeschwänzt durchs Haus. Der Müller machte einen Sport daraus, in den langen Nächten, in denen er ruhelos umherging, ihnen den Nero auf den Pelz zu hetzen. Diese Jagd zerstreute ihn. Sonst quälten ihn die Sorgen; die kamen immer wieder, zudringlicher noch wie die Mäuse, huschten durch seinen Kopf und nagten hier, nagten dort. Wieviel Schulden er jetzt eigentlich hatte, das wußte er selber nicht mehr. Da war kein Durchfinden. In Stunden, in denen die Sonne schien, konnte er wohl die Achseln zucken: ach was, es würde sich schon ein Ausweg finden! Aber in Stunden, in denen es finster war, stützte er schwer den Kopf. Dann suchte er sich Mut zu trinken.
Früher hatte er bei Wein und Bier gesessen, jetzt trank er den billigen Schnaps. Er schämte sich zwar des ersten Schnapsrausches, er dünkte ihn zu gemein; aber er schickte doch wieder die Fränz ins Dorf und ließ sich eine neue Flasche voll kaufen.
In Maarfelden wurde es bald ruchbar: nun soff der Müller-Hannes auch noch, nun war's bald alle mit ihm! Und in halb schadenfroher, halb bedauernder Neugier ließen die Mähder die Sensen rasten und gafften nach dem schweren Mann, wenn er, was selten genug geschah, einsam durch sein Wiesenland tappte, mit dem Stock fühlend, wo das Pfädchen führte.
Bald würde das schöne Wiesenland auch nicht mehr sein gehören. Die Aecker auf der Höhe waren schon gepfändet; wie lange noch, und die Wiese im Tal folgte denen nach?!
Kein Pferd stand mehr im Stall. Die beiden runden Braunen und der Fuchs waren verkauft, es war ja doch längst kein Mehl mehr zu den Kunden herumzufahren, und das Chaischen, mit dem der Herr sonst flott, bald hier, bald dort durchs Eifelland kutschiert, war in Trümmer gegangen an jenem Unglückstag. Es lag noch zerbrochen in einem Winkel des Schuppens, niemand dachte daran, es zusammenflicken zu lassen. Ein Knecht war auch nicht mehr da; kein Mensch sah auf dem Hof nach dem Rechten.
Des Hannes Augenlicht wurde immer schlechter. Wenn er sich noch so sehr anstrengte, die tiefen, blauen Fernen der Wälder ahnte sein Blick nicht mehr, und die Kraterköpfe auf dem Mosenkopf, schimmernd im purpurnen Abendlicht, konnte er nicht mehr finden. Aber er hätte sich's nicht anmerken lassen, daß er schlecht sah, selbst vor der Fränz nicht; vor seiner Mutter auch nicht, auch nicht vor seinem Alten. Es sollte ihn keiner bemitleiden. Pah, Mitleid schenkt man nur Armen – er war des nicht bedürftig, nein, nein!
Eine heftige Angst packte ihn bei dem Gedanken, daß einer ihm nachschauen möchte mit betrüblichem Kopfschütteln, daß einer einen Seufzer des Mitgefühls ihm nachsenden könnte. Das Blut schoß ihm heiß zu Kopf, stellte er sich das vor. Nein, niemand sollte ihn leiden sehen! Seine Augenschwäche erschien ihm als jämmerliches Gebrechen, dessen er sich zu schämen hatte. Unwirsch stieß er den Vater zurück, der das Fragen nicht lassen konnte. Wie es ihm ginge? Ei, zum Teufel noch mal, sehr gut! Sah's der Alte denn nicht, wie dick er war, so fett wie ein Hammel!
»Hahaha – hohoho!« –
Müller-Matthes zergrämte sich schier. Bis vor kurzem war er trotz des gebückten Rückens noch immer ein ansehnlicher Alter gewesen, jetzt ward er rasch ein Greis. Im Wind wehte sein schlohweißes Haar, und seine Backen waren durchschrumpelt, wie die eines welken, viel zu lange aufgehobenen Apfels. Mürrisch saß er daheim im dunkelsten Eck. Seit die schönen runden Braunen aus dem Mühlenstall abgeholt worden, seit das Dach der Mühle, das ein böser Wintersturm abgedeckt, nicht bloß teilweise ausgeflickt, sondern ganz und gar mit Stroh gedeckt worden war, seit fremde Leute Kartoffeln ernteten auf der Flur, die seit Jahren und Jahren immer Mühlenflur gewesen war, und fremde Mähder, voreilig sich bezahlt machend für geliehenes Geld, das Gras schnitten auf seines Hannes Wiesenland, seitdem traute er sich am Tage nicht mehr auf die Dorfgasse. Nur wenn es dunkelte, schlich er aus. Dann machte er seinen gewohnten Gang, den er nie unterließ, mochte ihn der Regen durchnässen oder der Wind schütteln. Er ging immer zur Mühle.
Dort saß sein Sohn ganz allein in der Stube, die Ellbogen auf den Tisch gestemmt, den Kopf in die Hande gestützt, und sagte kein Wort. Auch er sagte kein Wort – er hatte sich nun doch mit der Zeit das Fragen: »Wie gieht et dann eweil, Hannes?« abgewöhnt –, aber er setzte sich seinem Jungen gegenüber, tat, als ob er ihn gar nicht ansähe, und sah ihn doch unverwandt an. Früher hatte er dem Hannes immer seinen Kasten aufgetan, jetzt konnte er ihm nur noch sein Herz auftun.
Langsam schlichen die Stunden und doch zu rasch. Sie zuckten jedesmal beide zusammen, wenn der Kuckuck drüben an der Wand den Kopf aus der alten Uhr steckte und sein »Kuckuck, Kuckuck« schrie und – klapps – wieder das Türchen zuwarf. Schon wieder eine Stunde hin und wieder eine, wieder eine näher dem … dem … sie wagten es nicht auszudenken, geschweige denn auszusprechen. Aber der völlige Ruin stand ihnen so deutlich vor Augen, so nah, wie sie jetzt einander sahen mit den erschreckten Blicken, wenige Spannen, nur den Tisch breit, entfernt.
Der Greis hoffte zuvor auf das Grab; das war die einzige Rettung, die er sich denken konnte.
Der Mann aber gab sich nicht so willig drein. Wenn Hannes hätte sagen sollen, auf was er denn eigentlich hoffe, hätte er es nicht sagen können; aber da war so manches, auf das er sich noch verließ. War er denn nicht einer, dem die Sonne immer voll geschienen, wenn sie anderen nicht einmal ein Strählchen gezeigt hatte?! Ei, er war doch der Müller-Hannes, ja, noch war er's, bei Gott, er war's noch!
Und aufspringend reckte er die Arme zur Decke mit einem furchtbaren Gähnen, das seine starken Zähne zeigte, und schüttelte die riesigen Fäuste und streckte dann alle zehn Finger aus, als sollten sie nach etwas greifen. Noch war er nicht unter die Füße gekommen, wenn auch der Laufeld schon gedachte, auf ihm herumzutrampeln – den Buckel lang rutschen, ja, das konnte ihm der! Und das konnten ihm auch die Müller! Er mußte sich's eingestehen: eigentlich waren die zwei in den weißen Mühlen keine bösen Leute. Ein Halunke würde ihn nicht am Wegrand aufgelesen haben, dazumal, als er aus dem Wägelchen gestürzt, und ihn heimgeführt haben, als sei er ein leiblicher Bruder. Und hatte der andere ihm nicht letzthin zu wissen getan, er wolle ihm seine Mühle abkaufen, so gut, daß er sich mit der Wittlicher Sparbank abfinden könne und noch was übrig behalten? Das war ein Vorschlag! Aber nein – nein und wieder nein, seine Mühle gab er nicht her! Die gehörte ihm von Gott und Rechts wegen, ihm ganz allein, da durfte kein anderer dran rühren. Kam einer, wahrhaftig, dem schlug er lieber den Schädel ein!
»Nä, nä, nä!« Plötzlich laut herausschreiend, daß der Alte entsetzt auffuhr, stapfte Hannes mit großen Schritten in der Stube auf und ab. Bös kläffend folgte der auch aufgeschreckte Nero seinen Tritten.
Da wagte der Vater endlich ein Wörtchen: »Hannes, wat michste? Hannes, wat denkste dann?«
Aber ihm ward keine Antwort; nur herrisch, herrischer noch, als er einst die Frau angefahren, fuhr der Sohn ihn jetzt an: »Hal Dei Maul!«
Sich mit zitternden Fingern ein stärkendes Prischen in die Nase stopfend, verstummte der Greis. Die Tränen kamen ihm in die Augen – »Hazieh!« – nur vom Niesen!
»Gieh häm, laoß mech zofrieden,« schrie der Sohn.
Da trollte sich der Vater von dannen, um am anderen Abend, wenn's dunkelte, gewiß wieder zu kommen. Und ebenso gewiß wartete der Sohn auf ihn. – –
Die Fränz war viel allein. Kameradinnen hatte sie nicht: sollte sie denn noch mit den gewöhnlichen Bauerndirnen verkehren? Als Kind, in ihrer Dummheit, war sie freilich mit denen umhergesprungen, aber jetzt?! Die waren alle Mägde geworden oder schufteten hart auf dem elterlichen Acker, nur mit knielangen Zumpelröckchen angetan, die Beine ohne Strümpfe. Da rümpfte Fränz die Nase. Ehe sie sich mit denen gemein machte, blieb sie lieber für sich. Zur Großmutter trieb sie's auch nicht – was sollte sie mit der alten Frau schwätzen?! Die klagte nur, und sie wollte gern lachen; die sprach nur von Vergangenheit, und sie wollte Zukunft.
Oft besah sie sich in dem Spiegelscherben, der gleich beim Weihwasserkesselchen in ihrer Kammer hing: ihre Augen leuchtend, ihre Haut Milch und Blut, ihr Haar glänzende Wellen. Wie, war sie nicht schön, würde nicht dereinst einer in einer goldenen Kutsch' kommen und sie holen?
Heute hatte der Vater mit ihr gescholten, nein, nicht gescholten: geschimpft, ganz sackgrob! Warum denn? Ei, das wußte sie ja gar nicht, er war eben unwirsch, »knötterig« schon vom frühen Morgen an. Wenn er etwas Unangenehmes zu hören gekriegt hatte, etwas Aergerliches, was konnte sie denn dafür?! Aber als sie ihm das gesagt, hatte er mit dem Pantoffel nach ihr geschmissen – ja, geschmissen! Oh, die arme Mutter, der hatte er's auch so gemacht! Aber sie, nein, sie, die Fränz, ließ sich noch lange nicht gefallen, was die sich hatte gefallen lassen! Eher lief sie weg, weit weg!
In zornige Tränen ausbrechend, stürzte Fränz zur Mühle hinaus, warf die Tür unsanft hinter sich ins Schloß und rannte davon, wie besessen. Sie mußte rennen, sich austoben, der Unmut stieß ihr sonst das Herz ab. War's nicht schon schlimm genug, daß sie gar keine Freude hatte? Andere Mädchen aus ihrem Stand hatten Pläsier die Menge und bunte Bänder, viel neue Kleider und Bräutigams, die sie zu Tanz führten. Bräutigams?! Da zuckten ihre geraden Brauen, und sie zog die Mundwinkel verächtlich herab: Bräutigams konnte sie auch kriegen, Bauerntölpel aus Maarfelden! Aber nein, dazu war sie sich doch wahrhaftig zu schade, auf dem Acker zu arbeiten wie ein Pferd, alle Jahr ein greinendes Kind zu kriegen und noch den Buckel voll Schläge dazu!
Sie schüttelte sich, und dann stampfte sie mit dem Fuß: die Burschen sollten sie in Ruhe lassen! Aber wo wären die auch sonst so frech gewesen, hinter ihr drein »Pst« zu machen, daran war nur er schuld, an diesem Uebel und an vielem, ja an allem – der Müller-Hannes ganz allein!
Ein Groll gegen den Vater stieg in ihr auf; sie hätte ihn hassen können. Wenn's auch Sünde war – ja, hassen! Hatte er sich je um sie gekümmert? Und die Mutter – ach, die Mutter lebte gewiß noch, wäre er anders gegen die gewesen! Mit einem Schlag stand die Gestalt der Mutter, an die sie lange nicht gedacht hatte, vor ihr; sie sah deren verhärmtes Gesicht, deren schwarzes Kleid und sah ihr Zittern. Sie hörte das Winseln durch die Kammertür.
Tränen des Schmerzes und der Bitterkeit fingen an über des Mädchens Wangen zu fließen, es schluchzte laut. Immer weiter lief es in zorniger Hast, tiefe Seufzer ausstoßend, als sollte ihm das Herz brechen.
Und der, der wagte bei all dem noch zu schimpfen?! Aber wart, sie wollte ihm wohl Bescheid tun: »Dau, hab Dau nor net esu en groß Maul! Wän hat dann alles esu weit erunner gebraach – hä?! Dat mer kein anstännig Kleid mieh haot, für unner de Leut ze giehn, kein Kutsch mieh, für drin ze faohren? On dat mer – dat mer –«
Und wenn er dann mächtig schrie, wollte sie ganz patzig sagen: »Spaor Dei Red, ech haon et eweil saat in der Mühl – ech giehn!« Ganz verdutzt würde er dann gewiß drein sehn, aber sie – –
»Ha, ha!« Ein helles Lachen schreckte Fränz auf. Da war sie schon an dem Brückchen angelangt, das, unweit des Engsloches, über die Kleine-Kyll führt. Die Talwiesen, von unzähligen Herbstzeitlosen bestickt, breiteten sich, und am gemauerten Einfaß des Brückchens lehnte ein Bursche, lachte und schnippte mit einer langen Angelrute in den rasch fließenden Bach. Das war der Joseph vom Laufeld oben aus Manderscheid – sie kannte den noch ganz gut – wollte der etwa hier unten fischen in ihres Vaters Bach?! Zornig runzelte sie die Stirn. Schon wollte sie ihm einen Verweis erteilen, aber da besann sie sich: mit dem durfte sie nicht sprechen. Fest kniff sie die Lippen zusammen.
»'n Aowend, Fränz, wat bis Dau esu groß gäwen!« sagte der Joseph. Und dann nach einem musternden Blick: »On en schien Mädche, esu is kein annert hei! No, Fränz, wie gieht et Der dann eweil?«
Was, der wollte gar eine Unterhaltung mit ihr anfangen?! Stracks kehrte sie ihm den Rücken. Mit dem Laufeld seinem Sohn sprach sie nicht – nein! Alles Unglück kam von dem alten Duckmäuser oben, das hatte sie oft gehört.
Und auf einmal stürzte alles Leid, das sie mit angesehen und das sie täglich mit ansah, unter den musternden Blicken dieses wohlgekleideten Burschen über sie her. Heiße Röte stieg ihr bis in die Stirn, fest preßte sie die Lippen aufeinander, daß ihnen ja kein Wort entschlüpfe, warf den Kopf in den Nacken und schritt davon, nicht zu rasch, nicht zu langsam; sie tat sich Zwang an, gelassen und stolz zu scheinen, der da sollte es nicht merken, wie sehr erregt sie war. Verstohlen wischte sie hastig mit der Schürze – der hatte doch ihre Tränen nicht etwa gesehen?! – das durfte nicht sein; der sollte nur sehen, daß sie ihn, seinen Vater, seine ganze Sippschaft verachtete.
Ihr bescheidenes Kleid raffend, stieg sie hochgereckten Kopfes über eine nasse Stelle des Weges.
Es war schon abendlich; ein feuchtes Herbstdämmern breitete sich, aus den Gründen stiegen kalte, weiße Nebel und hüllten alles Ragende wie in Rauchsäulen. Als sie an der Felsenecke einmal verstohlen zurückblickte, war von dem Joseph nichts mehr zu sehen. Hatte er sich durchs Engsloch davongemacht? Ah, abgeblitzt!
Sie lachte hohnvoll, aller Schmerz ging in diesem Lachen unter.