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Müller-Hannes saß in seiner Stube, beide Ellenbogen aufgestützt und den Kopf zwischen die Fäuste gestemmt. Vor ihm lag der Hund, schob ihm ab und zu die Schnauze aufs Knie und leckte ihm die Hose; aber sein Herr war heute zu keinem Scherz aufgelegt. Ueber dem Kanapee saß der junge Hannes in der schmucken Uniform auf dem sich bäumenden Schecken, aber auch dahin warf der Herr heute keinen Blick. Er mußte denken – denken.
Nun war Martini ins Land geritten, draußen wirbelte der Schnee – er hatte die fälligen Hypothekenzinsen nicht zahlen können.
»Kreizdonnerwetterparaplei!« Einen Fluch stieß er aus und biß die Zähne aufeinander.
Daß ihn auch sein Freund, der Schmitz von Wittlich, so im Stich gelassen! Wer hätte das gedacht! Also man verspricht etwas, hoch und heilig, und dann denkt man gar nicht daran, es zu halten?! Hannes drückte sich die Fäuste gegen die Stirn: war das möglich?! Es wollte ihm nicht in den Sinn. Sie hatten doch miteinander getrunken, wie zwei Brüder, ein Herz und eine Seele; und der Schmitz hatte gesagt: »Ich leg' ein gut Wort ein – ich –,« und hatte sich dabei auf die Brust geschlagen, – »brauchst die Zinsen nicht zu zahlen, Bruderherz!«
Nicht zu zahlen – haha! Müller-Hannes stieß ein grimmiges Lachen aus. Nicht zu zahlen – ei jawohl, mit den Achseln hatte der Schmitz nur gezuckt, als er ihn jüngst an sein Versprechen gemahnt, und war verlegen gewesen und hatte von gar nichts mehr zu wissen vorgegeben.
Und heute, heute in aller Früh – der Grübelnde sprang auf und ging unruhig, mit schweren Schritten in der Stube auf und nieder – war ihm ein amtliches Schreiben ins Haus gekommen. Leichenblaß war die Tina geworden, als sie das Siegel gesehen – die Bank verlangte Sicherheit für die fehlenden Zinsen, sonst –
Er wagte es nicht auszudenken. Mit einem Satz war er am Fenster, legte die heiße Stirn an die Scheiben und starrte hinaus auf den Hof. Da stand sein Holz, Bretter, hoch aufgestapelt, ein rechter, hoher Haufen. Haushoch, das war immer sein Stolz gewesen. Verkauft waren sie noch nicht, nicht einmal bestellt. Auch die Bestellungen fingen ihm ja die Halunken oben am Bach ab, so gut, wie das Wasser! Und neben den geschnittenen Brettern lagerten, noch in den Ketten, wie die Gäule sie auf den Hof geschleppt hatten, die Stämme, die er auf der letzten Holzauktion im Kunowald gesteigert. Sie ruhten unterm Schnee wie tote Riesen. Dazumal war's ein herrlicher Sommertag – die beiden oben am Bach waren auch dabei gewesen – da hatte er sich verleiten lassen, eigentlich mehr zu steigern, als er gebrauchte. Was hatten die beiden für Gesichter geschnitten, als er sie mit seinem Steigern in die Höhe getrieben und dann doch noch ihr Angebot überboten! Noch jetzt mußte er darüber lachen.
»Haha, hohoho!«
Schönes Holz, teures Holz! Aber mochte es denn hingehen als Sicherheit für die nicht bezahlten Zinsen! Mit dem Verkauf anderswohin schien es ja doch nicht zu glücken. Wie verhext war's mit dem Wein, an der Mosel hatten sie schon seit Jahren keinen tüchtigen Fässerbedarf; da war es denn egal, wer die Hand auf das Holz legte. Mochte die Bank es immer nehmen, die beiden oben am Bach waren ja doch darum gepritscht! Das freute ihn.
Und hierüber fing er an zu vergessen, was ihn drückte. –
Am Mittag war Hannes wieder ganz guter Laune, närrte sich mit dem Hund und auch mit der Fränz; die gurrte wie eine Lachtaube. Weiß Gott, von ihrer Mutter hatte sie das Lachen nicht gelernt! Die saß da wie die reine Trübsal, stocherte im Essen und brachte keinen Bissen über die Lippen. Das boste den Mann. Warum war das Weib nur immer so – andere Weibsbilder waren doch wohlgemut?! Immer diese Miene, wie »Gott erbarm' Dich!« und heute wieder rotgeweinte Augen – warum denn?
»Wann't Wasser widder rar gieft in der Mühl, kannst Dau eweil aushelfen,« sagte er. Es klang noch wie gutmütiger Spott, aber schon grollte ein kommender Zorn darin.
Fränz prustete laut heraus. Tina erwiderte nichts, aber sie stand vom Tische auf, ganz grünlich-blaß; und als die Magd nachher in die Küche kam, stand die Frau am Schüttstein und stöhnte.
»Tina, Tina,« schrie der Herr innen. Sie schüttelte abwehrend den Kopf.
Da mußte die Magd hineingehen und melden, daß der Frau die Galle übergelaufen sei:
»Et es ihr onüwel gäwen!«
Hannes ließ anspannen, was sollte er zu Hause? Es litt ihn nicht. Er hieß das gute Silbergeschirr nehmen – nun gerade allen zum Trotz –, und als der Knecht Einwendungen machte: das saubere Wägelchen bei dem unsauberen Wetter?! fuhr er dem grob übers Maul. Das waren seine Chaise und seine Pferde und gingen keinen anderen Menschen was an!
Er fuhr im Galopp gen Manderscheid. Heute nicht auf Umwegen durch die Schluchten, sondern stracks das Tal entlang, an den beiden Mühlen vorbei, die breite, weithin sichtbare Serpentine hinauf. Wen brauchte er zu scheuen? Niemand!
Als er dicht bei den Mühlen vorbeikam, klatschte er recht auffällig mit der Peitsche; es zeigten sich denn auch einige Gesichter hinter den Fenstern, und das beruhigte ihn. Ja, gafft nur, gafft, das schönste Holz hab' ich doch! Er vergaß darüber, auf das sich flugs drehende geschäftige Mühlrad zu schauen, und überhörte das Rauschen und Brausen des Wehrs.
Müller-Hannes fuhr klagen hinauf gen Manderscheid. Jetzt war die Zeit gekommen, heute gerade der rechte Tag dazu, mit allem reinen Tisch zu machen. Das Gesicht, mit dem er nach dem Mosenkopf blickte, war trotzig. Der schaute heut auch finster mit seiner schwarzen Lavakuppe, über der ein düsterer Wolkenball hing. Schwer drückte der Berg das Tal und hing dräuend über den weißen Mühlen im Grund.
Ja, wartet nur, wartet Ihr da, Euch wird der Bürgermeister schon Mores lehren! Der alte Dallmer war ein braver Mann und liebte die Eifel und die darin geboren, der würde ihm schon guten Rat geben und ihm zu seinem Recht verhelfen, des war der Hannes gewiß.
So fuhr er rasselnd vor, schaute hocherhobenen Kopfes die Gasse zum Hause des Laufeld hinunter und schritt dann hallenden Trittes in die Bürgermeisterei von Manderscheid.
Der Bürgermeister war ihm immer wohlgesinnt gewesen – war er doch selber ein Eifelsohn, einer aus altem Bauernblut, groß wie ein Bauer, dazu breitschulterig, mit einem Stiernacken – heut, als er ihm am Pult gegenübersaß, dünkte den Hannes seine Miene nicht so freundlich. Aber der Herr mochte mißgestimmt sein, was hat auch so ein Bürgermeister nicht alles für Scherereien! Rasch entschlossen und ohne viel Umschweife brachte er sein Anliegen vor. Die zwei Müller, ober ihm, an der Kleinen-Kyll, der Herr Bürgermeister wußte schon, die zwei neuen, die mußten fort, die nahmen ihm das Wasser, die fingen ihm die Forellen, die – kurz und gut, das ging nicht an, weg mußten sie!
Hannes hatte sich in Eifer geredet, und seine Augen sprühten. Als er geendet, sah er erwartungsvoll drein. Der Dallmer mußte doch, gleich ihm, jetzt entrüstet aufspringen und mit der Hand aufs Pult schlagen: Fort müssen die! Der war doch ein Gerechter!
Aber nichts von dem. Ein gewisses Mitleid war in dem Blick, den der Bürgermeister auf dem Müller ruhen ließ.
»Gemach, gemach,« sagte er, »immer langsam! Erzählt mir noch ehs die Geschicht!«
Und der Hannes erzählte noch einmal. Er verhehlte es nicht: die andern mahlten alles Korn und schnitten alle Bretter, er hatte das Nachsehen. Und doch gehörte das Wasser ihm, ihm ganz allein!
»Un dat Wasser – wie is et damit – habt Ihr dat gepacht?«
Hannes lachte. »Nä!«
»Bezahlt?«
»Nä!« Hannes war ganz verblüfft. Wie komisch der Herr Bürgermeister fragte? So war es doch schon seit Lebzeiten gewesen, seit fünfzig Jahren, seit hundert, vielleicht seit tausend. Das Wasser gehört der Maarfeldener Mühle, wie dem Bauer die Eifel, um darauf zu leben, wie der Mücke die Luft, um darin zu tanzen.
»Ihr seid falsch bericht',« sprach der Bürgermeister und drückte den Auffahrenden auf den Stuhl nieder. »Et is mir leid, Müller-Hannes, aber ich zweiflen, wat Ihr da Euer Recht nennt, dat Ihr dat kriegt. Wat man so gemeinhin ›Recht‹ nennt, is net immer Recht, Ihr …«
»Ech werden doch noch dat Rächt uf mein Wasser haon,« brauste Hannes auf.
»Et is net Euer Wasser – versteht Ihr? Die Kleine-Kyll gehört dem Fiskus, und alle, die Steuer zahlen und die Erlaubnis nachholen …«
»Ae wat, Fiskus hin, Fiskus här, die Baach es mein! Ech wohnen dran, esu lang ech läwen, mein Voreltern haon dran gewohnt, esu lang se läwen dahten, folglich hört die Baach uns. Dao saon Se mer neist derwidder, Hähr Bürgemaster, ech glauwen et doch net. Dat wär ja akkerat esu, als wenn dän Hährgott uf einmal saon däht: erunner von der Erd, ihr hatt neist druf ze suchen! Nä, Hähr Bürgemaster, die Baach es mein, on die Kerls haon neist dran ze suchen!«
»O, Du Protz!« Der Bürgermeister schüttelte den Kopf. »Warum einigt Ihr Euch net gütlich, Ihr drei? Wann Ihr den Leut en gut Wort gebt, sperren se Euch sicher dat Wasser net ahf!«
»En gud Wort – dao sein ech sons nie derwidder, Hähr Bürgemaster, äwer ech werden doch net bitten, wuh ech ze fordern haon?!« Müller-Hannes reckte sich in seiner ganzen Massigkeit; das Blut, das ihm zu Kopf gewallt, füllte schwellend die Adern an seiner Stirn und färbte sie blau. Er fuhr mit der Hand nach den Augen; es war ihm plötzlich dunkel geworden vor dem Blick, schwarze Fliegen tanzten ihm vor der Pupille. Wie ein Schwindel erfaßte es ihn, und in seinen Ohren rauschte es. Mühsam stand er auf, die Stuhllehne umklammernd:
»Ech klaogen!«
»Wat is Euch?« Der Bürgermeister sah ihn ganz besorgt an. »Ihr fahrt alleweil im Chaischen, Müller, geht lieber per pedes, dat is Euch gesünder. Ihr seid zu dickflüssig!«
»Olau!« Nun lachte Hannes schon wieder, aber es war ein fremder Klang in seinem Lachen. »Wann mer faohre kann, wird mer doch net laufe!«
Ein paar Augenblicke stand er in Gedanken verloren. Dann fragte er noch einmal: »Also, Hähr Bürgemaster, Ihr dähtet net klaogen an meiner Stell?«
»Ne.«
»No – dann adjüs!« Hannes drehte sich kurz ab und ging zur Tür. Dort wendete er sich aber doch noch einmal, er hatte etwas vergessen. »On wann dän Laufeld uf mech schimpft, wann hän saot, ech wär en Schuldemaacher, einen, dän unner Kuratel gestellt müßt gänn – o su en Lauskerl, su en Lomp! – Hähr Bürgemaster, sollen ech dann aach net klaogen?«
Seine Stimme war nicht mehr laut, sie war heiser geworden; der starke Mann zitterte vor Erregung.
Wieder wurde der Blick des Bürgermeisters trüb – ein Mitleid war darin und ein Schmerz – ach, der da, der ließ sich nicht raten! Der war wie so mancher, wie so manches hierzulande, ungebändigt und roh, nicht unter richtiger Hand gewesen – schade drum! Bürgermeister Dallmer seufzte – gerade tönte die Glocke der Kirche drein – er schüttelte den Kopf: auch die schaffte es nicht, nein!
»Hannes,« rief er, »laßt Euch doch raten, laßt doch den Laufeld schwätzen! Wer weiß auch, ob et wahr is, wat se Euch zutragen. Und einigt Euch gütlich mit Euren Konkurrenten! Mann, hört auf mich!«
Da setzte sich Müller-Hannes die Mütze auf, die er bis dahin in der Hand gedreht:
»Ech danken. Ihr meint et villeicht ganz freindlich, Hähr Bürgemaster, äwer – ech klaogen doch!« Und damit ging er.
Hannes trat auf die Gasse mit einem finsteren Gesicht. Von der stolzen Zuversicht, mit der er die Bürgermeisterei betreten, lag nicht mehr viel darauf. Eine tiefe Niedergeschlagenheit, wie er sie kaum je gefühlt, drückte ihn. Also auch der, der da drinnen, auf den er vertraut, ließ ihn im Stich, war nicht viel besser wie sein falscher Freund, der Wittlicher Buchhalter?! Er sollte nicht klagen?! Sich gefallen lassen, was sie ihm auch antaten?! Ihm war zumut wie einem Knaben, der sich eben anschickt, einen Feind auf dem Schulhof zu verwamsen – er hat ihn schon bei der Kehle gepackt und kniet ihm auf der Brust – da kommt der Lehrer und spricht: »Hier wird nicht verwichst, aufgestanden, marsch, hinein in die Klass'!« Nein, nein, er war kein Schuljunge mehr, der einem Präzeptor gehorchen mußte, er war ein Mann, der da wußte, was ihm zukam. Schade, daß es heute schon zu spät geworden war, sonst führe er gleich noch nach Wittlich und suchte einen Advokaten auf. Was es auch kosten mochte, ganz egal, die Müller mußten 'ran, und der da – einen Blick voll tödlichen Hasses sandte er zum Laufeldschen Haus hinunter – der da erst recht! Der war an allem schuld! Seit dem Tag, an dem ihm der die Hypothek gekündigt, hatte es angefangen – nun, was denn angefangen? Das Malheur – dummer Unsinn, das war doch kein Malheur! Das kann wohl einem jeden einmal passieren, daß er in der Klemme sitzt. Nur nicht unterkriegen lassen!
Ein unbändiger Trotz breitete sich über des Mannes Gesicht, sprach aus jeder Bewegung – wie er aufsprang, die Zügel ergriff, auf die Pferde einhieb – atmete aus seiner ganzen Haltung. Fast hätte er das Josephchen überfahren, des Laufelds Sohn, der breitbeinig auf der Straße stand. Halb erschrocken, halb wütend schimpfte der Bube hinter dem Wägelchen drein.
Da drehte der Müller sich auf seinem Sitz um, schnippte mit der Peitsche und schrie laut:
»Platz gemaach! Kannste net aus'm Weg giehn, Dau Kropsack, wann dän Müller-Hannes passiert?«
Die Pferde waren schaumbedeckt, als der Müller auf seinen Hof rasselte. Das war eine tolle Fahrt gewesen. Die schneeglatten Kehren hinunter ging es wie ein böses Ungewitter; wie das Wodesheer mit Hussa und Peitschenknall vorbei an den weißen Mühlen.
Frau Tina war ihrem Mann nicht entgegengekommen; sie hatte bei der maulenden Fränz gesessen und darauf gehalten, daß die Widerwillige wenigstens notdürftig ihre Schularbeiten zusammenstoppelte. Nun ließ er sie darum an. Konnte er nicht erwarten, daß sich eins freute, wenn er nach Hause kam? Ein freundliches Gesicht zum mindesten verlangte er. Und was quälte sie das Mädel? Eine Gelehrte brauchte die Fränz nicht zu werden, das hatte sie nicht nötig.
»Klapp zu,« schrie er, schlug ihr das Lesebuch aus der Hand und warf Schreibheft und Federrohr in den Schubkasten. Dann pfiff er seinem Hund – der war doch der treueste! Und dann führte er so seltsame Reden, als wäre er betrunken, und lachte; aber das Lachen war bitter.
»Gel, dau Hünneschen, wann se ons aach en Maulkorb vorduhn wolle – haha, hohoho – gel, dau, mir zwei beißen doch. Olau, kß, kß, faß – krieh dän Laufeld beim Schlafittche – faß! Deiwel aach, ech könnten hän ahfmurksen, wann ech hän eweil ze packen kriehn!«
Die leidvollen Augen der aufhorchenden Frau wurden immer größer. Und als er nun anhub zu fluchen – wild, ganz gotteslästerlich – da nahm sie die Fränz still bei der Hand und führte sie hinaus und hielt ihr im Hinausführen die Ohren zu. Und sie blieb selbst auch draußen.
In einer bangen Unruhe trieb sie sich umher, aus der Küche in die Mahlstube, aus der Mahlstube in den Stall, aus dem Stall in den Schnee des Hofes, und wiederum von dort in den dunkelgähnenden Flur. Ach, überall eine Oede, eine Kälte, eine Unwirtlichkeit, die ihr das Herz beklemmte! Sie dachte nicht an ihre sonnige Moselheimat, auch nicht an ihre friedliche Jugendzeit bei den lieben Nönnchen, dazu war sie zu stumpf geworden; sie dachte nur immer an das, was kommen könnte, was kommen mußte: an ein Schicksal, das wie der Mühlstein jedes Körnchen zermalmt.
Sie ging nicht zurück in die Stube; gern hätte sie zwar ihren Mann gefragt: »Warum biste esu unwirsch?« Aber sie wußte, erst fuhr er sie an; und das konnte sie nun einmal nicht vertragen, das machte sie so scheu, daß sie sich zurückzog wie eine Schnecke in ihr Haus.
Hannes blieb den ganzen Abend allein mit dem Hund im Zimmer. Er hatte sich zu trinken bringen lassen, immer wieder mußte die Magd in den Keller hinabsteigen. Ob ihn die Einsamkeit ängstete? Die Magd wollte nicht im Zimmer bleiben – sie tat's nicht, der Frau zulieb – so klappte er zuletzt das Klavierchen auf und fing an, darauf zu schlagen. Er suchte nach einer Melodie, fand sie aber nicht und merkte auch nicht, daß ihm das Lämpchen darüber verlöschte. –
Ein Klimpern und Pauken dröhnte durch die nächtliche Stille und dazwischen langgezogenes Hundegeheul. Hinaus vors Haus drang es, durch die Einsamkeit weitergetragen; die engen Schluchthänge fingen die Mißtöne auf und gaben sie hallend wider. Kam irgendein Verspäteter vorüber, der eilends zum Dorf wollte, fing er an, noch mehr zu eilen. Horch, was war das für ein wüstes Getön! Woher kam das? Aus der Schlucht, von den Bergen, droben aus den schwarzen Wolken, drunten aus der schwarzen Mühle?! Dunkel lag die, wie ein unförmiger, finsterer Klumpen, nicht Fenster, nicht Tür waren erhellt. Das Mühlrad rauschte nicht. Niemand wachte mehr, und doch – horch, das Quinkelieren!
Abergläubische bekreuzten sich: »Maria, bitt für uns!« Hu, da drinnen war's nicht recht geheuer!