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Sommerfäden

Auf der Bahnstation Schlachtensee war es trotz der frühen Stunde schon recht belebt. Mädel und Jungen, den Schulranzen auf dem Rücken oder unter dem Arm, Männer und Frauen, die der Beruf nach Berlin hineinführte, gingen auf dem Bahnsteig auf und nieder.

Es war ein wonniger Septembermorgen. Tiefblau lag der Schlachtensee unter der in wolkenloser Bläue strahlenden Himmelskuppel. Kaum wahrnehmbar kam leiser Herbstduft von den schwarzen Kieferwaldungen herüber; weiche, schimmernde Sommerfäden zogen durch die klare Morgenluft.

Doktor Steffen, der mit seinen Zwillingen schon geraume Zeit auf dem Bahnsteig auf und ab marschierte, zog ungeduldig die Uhr.

»Wieder Verspätung – und gerade heute lag mir daran, möglichst früh im Gymnasium zu sein!«

»Mir auch,« sagten Lilli und Ludwig wie aus einem Munde.

Der Vater sah von seinem zierlichen Töchterchen zu seinem großen Jungen. Er zog die Augenbrauen hoch.

»Nanu – etwa nicht ordentlich zu Hause präpariert?«

»Ach wo, Vaterchen« – die jetzt dreizehnjährige Lilli schüttelte den Kopf, daß die blonden Zöpfe nur so flogen – »aber wir haben heute von acht bis neun Uhr Physik; da muß ich als Klassenerste alle notwendigen Apparate herbeitragen.«

»Na, und du, Ludwig, etwa auch Physik?« Dem Vater kam die Geschichte nicht recht geheuer vor.

»Nein,« sagte der Herr Tertianer und wurde etwas verlegen.

»Also was dann?«

Wenn Vater erst eine Sache untersuchte, kam man nicht so leichten Kaufes frei. Das wußte Ludwig.

»Ich möchte es nicht sagen,« stieß er schließlich rotwerdend hervor und sah dann unschlüssig auf Lilli.

»Es ist nichts Schlechtes, Vatchen, wirklich nicht,« beeilte sich die Schwester, schnell ihrem Bruder zu Hilfe zu kommen.

»Das nehme ich an, wenn ich jetzt nicht weiter forsche. Ich kenne dich, Lulu, als fleißigen, gewissenhaften Schüler, und ich habe so viel Vertrauen zu dir, daß du deinem Vater keine Unehre machen wirst,« sagte der Oberlehrer und sah seinem Großen in die Augen.

Was er da in den ehrlichen Blauaugen seines Jungen las, mußte wohl ein Vaterherz zufriedenstellen. Doktor Steffen fragte denn auch nicht weiter.

Ludwig hatte einen Schüler; das war sein Geheimnis. Lilli natürlich wußte es, denn Zwillinge dürfen keine Heimlichkeiten voreinander haben. Er hatte sich erboten, dem armen, etwas zurückgebliebenen Klassenletzten, der allenthalben von den Tertianern wegen seiner Denkfaulheit gefoppt wurde, in Mathematik Nachhilfestunde zu geben, jeden Tag vor Schulanfang eine Viertelstunde. Neulich hatte Lulu schon die Freude, daß Kurt Weber nicht mehr das allerschlechteste Extemporale schrieb. Da der Vater am selben Gymnasium unterrichtete, das auch Ludwig besuchte, wollte letzterer aus Bescheidenheit darüber strenges Stillschweigen bewahren. Das Lehrerkollegium brauchte nicht zu erfahren, daß Weber seine Erfolge ihm zu verdanken hatte.

Der Zug kam immer noch nicht. Allenthalben sah man ungeduldige Gesichter. Unweit von Doktor Steffen und seinen Kindern stand ein braunhaariges Mädchen im weißen Matrosenkleid. Unter dem breitrandigen Strohhut lugte es angelegentlich zu den Geschwistern hin. Ihm schien es ganz recht zu sein, daß der Zug noch auf sich warten ließ.

Auch Lilli warf öfters einen Blick zu der niedlichen Braunen hinüber. Sie mochte zwölf oder dreizehn Jahre zählen und war groß und kräftig gewachsen. Lilli hatte sie schon öfters des Morgens auf dem Bahnsteig beobachtet. Sie fuhr ebenfalls nach Berlin zur Schule, aber es war eine andere als die, welche Lilli besuchte. Zum Gruß war es Zwischen den beiden Mädchen nie gekommen; dazu waren sie beide zu schüchtern. Sie sahen sich nur stets aufmerksam an, und ihre Augen lächelten sich wohl auch kaum merklich zu. Besonders die Braunhaarige freute sich von einem Morgen auf den anderen, das Geschwisterpaar wieder zu sehen. So lieb war der große Bruder stets zu der kleineren Schwester; nie empfand es die dunkelhaarige Ilse trauriger, daß sie weder Schwester noch Bruder besaß, als in diesen Augenblicken.

Auch heute hatte die kaum zehn Schritte entfernt Stehende die Unterredung zwischen den fremden Kindern und ihrem Vater mitangehört. Die klare Herbstluft trug jedes Wort ihr zu. Ihre Zuneigung zu dem blonden allerliebsten Mädelchen, das so zierlich wie ein Püppchen ausschaute, wuchs dadurch noch. Wie getreulich sie sich des Bruders annahm! Ach, wenn sie selbst nur wenigstens solch eine Freundin hätte!

Immer noch ließ der Zug auf sich warten. Man versäumte sicherlich den Schulanfang. Wenn es auch bei den auswärts wohnenden Schülern, die von der Pünktlichkeit der Eisenbahn abhingen, nicht gerügt wurde, unangenehm war es doch für eine Klassenerste!

Wieder schritten Lilli und Ilse aneinander vorüber. Ein silbern flimmernder Sommerfaden hing sich an Ilses welliges Braunhaar und flatterte herüber zu Lillis blonden Zöpfen.

Beide sahen das zarte Gespinst, das sie aneinanderband; beide zögerten, weiterzugehen und den Sommerfaden zu zerreißen. Sie lächelten einander zu.

Da hörte man das Rollen des herannahenden Zuges. Wie ein Ruck ging es durch Lilli. Das luftige Fädchen, das die beiden Mädchen sekundenlang miteinander verbunden hatte, flog davon. Lilli sah nur noch, wie Ilse leichtfüßig in ein Abteil zweiter Klasse hineinsprang, während sie selbst dem Vater und Lulu in die dritte Wagenklasse folgte.

Zum erstenmal empfand es Lilli betrübend, daß sie nur eine Fahrkarte dritter Klasse hatte. Nicht etwa, daß sie eine falsche Scham vor dem fremden Mädchen gefühlt hätte; nein, dafür war sie zu verständig. Aber sie wäre so gern mit ihr zusammen gefahren. Vielleicht hätte sich heute eine Anknüpfung ergeben; hatte doch der Sommerfaden sie beide schon miteinander verknüpft!

Lilli saß in ihrer Ecke und träumte. Der zum Bahnfenster hereinflirrende Sonnenstrahl verwandelte sich vor ihren Blicken in eine goldene Brücke. Auf dieser schritt zur Erde eine gütige Fee hernieder, die in der Hand eine glänzende Spule hielt. Davon flatterten die Fädchen, zart und leichtbeschwingt, in die Welt der Menschen hinein, und an wem solch ein Sommerfaden haften blieb, dem wurde er zu einem Faden des Glücks. Wenn aber das Feenfädchen zwei Menschenkinder zu gleicher Zeit streifte, so wurden sie Freunde fürs Leben, und die gütige Fee schützte ihren Bund.

So träumte Lilli, während der Zug mit ihr den rußgeschwärzten Dächern Berlins entgegenrollte.

»Ei, Lilli, schläfst du mit offenen Augen?« scherzte der Vater, dem die ungewöhnliche Schweigsamkeit seines sonst so regen Töchterchens auffiel.

Lilli fuhr empor und strich sich über die Augen, als wolle sie das Märchenbild fortwischen, das sie noch immer zum Greifen deutlich vor sich sah.

»Wenn Lilli am Tage mit offenen Augen schläft, dann erzählt sie mir immer abends in der Dämmerstunde, was sie dabei geträumt hat,« berichtete Ludwig, von seinem Julius Cäsar aufblickend, in dem er das Tagespensum noch einmal durchflog.

»Nun, Lilli, was träumst du denn gewöhnlich?« Vater griff nach den blonden Zöpfen und zog Lillis sich verlegen abwendendes Gesicht zu sich herum.

Lilli faßte seine Hand und schwieg. Dabei sah sie den Vater bittend an. Unbewußte Scheu ließ sie über ihr Innenleben schweigen; bloß Ludwig gegenüber offenbarte es sich manchmal – aber auch nur in der Dämmerstunde, wenn der Abend seine Schattentücher ausbreitete.

»Von Feen und Zwergen träumt sie, von Gnomen und Elfen; Lilli kennt diese Herrschaften alle persönlich, und die Sprache der Blumen und Vögel versteht sie auch!«

Ein kräftiger Fußtritt ließ Ludwig plötzlich innehalten. Man hätte es Lillis kleinem Fuß gar nicht zugetraut, daß er so kräftig zu treten verstand. Erschreckt sah Ludwig seiner Schwester ärgerliche Miene. O je, nun würde sie ihm gewiß nichts wieder erzählen! Und böse war sie außerdem mit ihm, daß er ihre Märchenabende ausplauderte!

Lilli schielte in stummer Verlegenheit zum Vater hin. Der machte ein ganz merkwürdiges Gesicht. Ein versonnenes Lächeln spielte um seine Lippen, und die Augen suchten etwas, ganz in der Ferne.

Vaters Augen suchten seine eigene Jugend. Geradeso hatte auch er einst im Reiche der Phantasie gelebt, hatte davon geträumt, ein Dichter zu werden, bis die Sorge um das tägliche Brot ihn in die Wirklichkeit zurückzwang. Da hatte er den Lehrerberuf ergriffen, um wenigstens mit der Jugend sein Herz jung zu erhalten. Sollte seine Tochter seine dichterische Veranlagung geerbt haben? Phantastische Spiele hatte sie schon als Kind mit ihren Puppen aufgeführt, und jetzt fiel ihm auch ein, wie oft er sich früher darüber zu freuen pflegte, daß die Kleine mit jedem Gegenstand plauderte und ein lebendes Wesen in ihm zu erblicken schien. Vielleicht wurde seinem Liliputchen einst, was ihm selbst versagt geblieben war! Aber sie durfte sich nicht im Lande der Träume verlieren, durfte nicht die Wirklichkeit darüber vergessen. Na, dafür würde die Mutter daheim mit ihrer hauswirtschaftlichen Tüchtigkeit schon Sorge tragen.

Vorläufig schien Lilli selbst dafür zu sorgen, daß sie die Wirklichkeit nicht außer acht ließ, oder vielmehr ihr Magen tat es. Denn als des Vaters Blick jetzt wieder auf sie fiel, biß sie mit ihren weißen Zähnen hungrig in die große Schnitte ein, die eigentlich erst für die Schulpause bestimmt war.

Das Brot war aufgegessen und der Zug in die Bahnhofshalle eingefahren. Heute gab es nur einen flüchtigen Abschied. Vater machte lange Schritte, um zum Gymnasium zu kommen, und Ludwig sprang ihm mit noch längeren Sätzen voraus. Nach der anderen Seite aber lief Lilli, daß die Blondzöpfe hinter ihr herwehten. Sie nahm sich nicht mal mehr Zeit, einen Blick nach der ebenfalls zur Schule jagenden Braunhaarigen zurückzuwerfen.

Alles war still in dem großen Schulgebäude, der Hof mit seinen herbstfarbigen Kastanienbäumen wie ausgestorben. Ein Viertel nach acht wies der Zeiger auf der großen Turmuhr bereits. Es war der phantastischen Lilli, als ob er ihr mißbilligend drohe.

Herzklopfend huschte sie die Treppen hinauf. Aus den Klassenräumen hallten junge Stimmen. Nun stand sie endlich vor ihrer III&nbsp; M. Der dunkelblaue Hut flog an den ihr zugewiesenen Haken, und da klopfte sie auch schon mit schüchternem Finger an die Klassentür. Sie war so aufgeregt, als ob sie wirklich schuld an ihrem Zuspätkommen wäre.

Doktor Schuster erklärte gerade den elektrischen Akkumulator und hantierte mit allerlei Apparaten. Lillis leises Klopfen verhallte ungehört; sie mußte noch einmal weniger bescheiden anpochen.

Jetzt endlich vernahm sie, wie die Letzte, die nicht allzuviel Interesse für Physik hatte, glückselig über die willkommene Störung, meldete: »Herr Doktor – Herr Doktor, es hat geklopft.«

»Herein!« rief Doktor Schuster unter dem Surren seiner elektrischen Maschine und schaute über die goldene Brille auf die im Türrahmen erscheinende Lilli, die blutübergossen knickste.

»Ei, unsere Erste hat wohl heute nicht aus dem Bett finden können? Na, hast du jetzt wenigstens ausgeschlafen, Lilli Liliput?« empfing sie der liebenswürdige Herr.

Die Klasse lachte, und Lilli stimmte mit der ihr eigenen Unbefangenheit darin ein. Erst als sich die Wogen der Heiterkeit gelegt hatten, konnte sie hervorbringen: »Der Zug hatte starke Verspätung, Herr Doktor; bitte, entschuldigen Sie!«

»Nein, das kann ich wirklich nicht entschuldigen,« – Doktor Schuster setzte eine strenge Miene auf, die im merkwürdigen Gegensatz zu seinen lustigen Augen stand – »das finde ich ganz unerhört – ich meine natürlich, daß der Zug so unpünktlich gewesen ist,« setzte er lächelnd hinzu, als er Lillis erschrecktes Gesicht sah. »Daß unser Liliputchen pünktlich und gewissenhaft ist, das wissen wir ja,« setzte der beliebte Lehrer noch hinzu, als Lilli erleichtert ihren ersten Platz einnahm.

Wirklich, zu nett war Doktor Schuster! Die ganze Klasse hatte ihn gern; die meisten der III&nbsp; M schwärmten sogar für ihn. Lilli mit ihrem begeisterungsfähigen Herzen hätte sich sicherlich diesen Schusterschwärmerinnen angeschlossen, doch – die Sache hatte noch einen Haken. Er nannte sie nämlich fast immer Liliputchen, das fraß an ihrem Herzen und hinderte sie, in die allgemeine Verehrung mit einzustimmen. Ja, sie hatte sich sogar »gerächt«, indem sie seinen Namen in »Schusterchen« verwandelte, und jubelnd hatten die Mitschülerinnen von dem Spitznamen Besitz ergriffen. Da hätte Lilli es gern ungeschehen gemacht; es war ihr peinlich, die Veranlassung zu dieser Angehörigkeit gegeben zu haben.

Durch besondere Aufmerksamkeit beim Unterricht suchte sie heute ihre Verspätung wieder wettzumachen. Sie folgte den Ausführungen des Lehrers mit lebhafter Anteilnahme und klarem Verständnis. Das Netteste aber war, daß sie, trotzdem sie sich bei jeder Frage meldete, doch bescheiden und zurückhaltend wirkte.

Die Schülerinnen mußten jetzt zu einem Versuch nach vorn treten. Sie reichten sich die Hände zur langen Kette, und durch diese pflanzte sich der elektrische Strom von einer zur anderen fort. Lise Neubert und Anni Lehmann hatten Angst und wollten nicht mittun. Aber Doktor Schuster nahm sie bei den Ohren und sagte: »Ei, die Löffel von den beiden Angsthäschen sind doch gar nicht so lang!« Da schämten sie sich und traten mit an.

»Rrrrr«, surrte es – ein Ruck – und »au!« tönte es von den meisten Mädchenlippen. Dann lachten sie über den gelungenen Versuch.

Lilli aber ging verträumt auf ihren Platz zurück. Gerade solchen Ruck durch den ganzen Körper hatte sie heute morgen gefühlt, als das Sommerfädchen erschreckt davongeflattert war. Lilli dachte jetzt nicht mehr an positive und negative Pole, sondern an das braunhaarige fremde Mädchen im weißen Matrosenkleid. Ob sie heute mittag wohl wieder zusammentreffen würden?

Herrn Doktor Schuster entging die Unaufmerksamkeit der sonst so lebhaft am Unterricht teilnehmenden Ersten nicht.

»Ei, hat das Liliputchen wirklich heute noch nicht ausgeschlafen?« fragte er, als sie sich bereits bei der dritten Frage nicht gemeldet hatte.

Es lag, trotzdem er die wohlwollende Anrede wie sonst gebrauchte, Mißbilligung in seinem Ton. Lillis Gedanken machten denn auch einen erschreckten Satz in die III&nbsp; M zurück, und sie selbst sprang mit einem ebenso erschreckten Satz von ihrem Platz auf.

»Nun, kannst du meine Frage beantworten?« forschte der Lehrer weiter.

Lilli blickte verwirrt um sich. Sie hatte die Frage gar nicht gehört.

»Nee,« stieß sie plötzlich unter heißem Erröten als echte Berlinerin hervor.

»Na ja, es stimmt ja – nur immer weiter,« sagte Doktor Schuster wieder freundlicher. »Negativ wolltest du doch sagen, nicht wahr? Also der negative Pol ist es.«

Lilli kämpfte mit sich. Sie konnte Doktor Schuster nicht belügen; sie hatte ja gar nicht an den negativen Pol gedacht. Aber den Irrtum aufklären und sich auslachen lassen, das war gleichfalls recht schwer, besonders für eine Klassenerste, die den anderen sonst immer als Muster und gutes Beispiel hingestellt wurde.

Mit größter Aufmerksamkeit folgte sie jetzt einer jeden Frage, doch das häßliche Gefühl, unehrlich gehandelt zu haben, verließ sie nicht.

»Doktor Schuster weiß es ja nicht; der hat die Sache überhaupt schon längst vergessen,« beschwichtigte sie die unangenehme Stimme in ihrer Brust.

Die ließ sich indessen nicht zum Schweigen bringen. »Ob er's weiß oder nicht, das ändert nichts daran; vor dir selbst bist du unwahr gewesen!« Deutlich vernahm Lilli dies innere Mahnen.

Als das Klingelzeichen das Ende der Stunde anzeigte, trat die Erste an den Katheder. Doktor Schuster glaubte, sie wollte, wie sie das sonst immer zu tun pflegte, so auch jetzt die gebrauchten Apparate forträumen. Aber sie zögerte damit. Statt dessen stieß sie schnell, ehe es ihr wieder leid wurde, hervor: »Herr Doktor, ich habe vorhin, als ich ›nee‹ sagte, nicht den negativen Pol gemeint; ich wollte nur damit sagen, daß ich nicht aufgepaßt hatte.«

Ob Herr Doktor Schuster wohl sehr böse war? Ob er sie wohl nun nachträglich noch für ihre Unaufmerksamkeit bestrafen würde? Lilli hielt den Blondkopf tief gesenkt; sie wagte nicht, den Lehrer anzusehen.

Da fühlte sie seine Hand leicht über ihr Haar streichen.

»Brav, Lilli Liliput!« sagte Doktor Schuster und sah sie dabei freundlich an. »Deine Ehrlichkeit freut mich mehr, als mich deine Unaufmerksamkeit schmerzte. Letztere ist nur ein Fehler der Gedanken, erstere aber eine Eigenschaft des Herzens.«

Glücklich über das Lob des Lehrers, trug Lilli die physikalischen Geräte davon.


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