Else Ury
Dornröschen
Else Ury

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Landpomeränzchen

Die Ernte war in vollem Gange. Überall, wohin man blickte, frisch-fröhliche Geschäftigkeit. Die Sense blinkte wie lautres Silber im Sonnenlicht; die Augen der Knechte und Mägde blitzten mit dem Stahl um die Wette in freudigem Stolz. Das gab eine Staatsernte diesmal auf Nedderdorf! Da fühlt sich jeder Arbeiter als ein Glied des Ganzen. Wie das schaffte! Die neue Mähmaschine arbeitete für zehn; auf drei Äckern konnte zu gleicher Zeit mit dem Schneiden begonnen werden. In langen Schwaden sanken die schweren Halme; singende Mädchen rafften sie mit gebräunten Armen zusammen und banden sie zu kunstvollen Garben.

Vatings Fuchs hatte heiße Arbeit. Auf drei Stellen mußte er fast zu gleicher Zeit sein. Sein Herr vervielfältigte sich förmlich während dieser Augusttage. Überall tauchte er mit seinem breitkrempigen Hut hoch zu Roß auf, gerade dort, wo man ihn im Augenblick am wenigsten vermutete. Da gab es kein Feiern und kein Auf-der-Bärenhaut-liegen. Wohin der Verwalter sein scharfes, hellblaues Auge richtete, schien sich auch die Arbeitsfreudigkeit der Schnitter zu vervielfältigen.

»Na, Leute, der Ernteschmaus wird aber schmecken!« Mit solch fröhlichem Scherzwort spornte er sie stets von neuem an.

Es war Segen bei Hans von Staberows Arbeit. Was er in die Hand nahm, gedieh. Sogar mit Sankt Petrus schien er gut Freund zu sein, denn eines solch prächtigen Wetters während der Ernte konnte sich selbst Jürgens nicht erinnern.

Dem alten Knecht ward es bei dem frischen Schaffen ganz dösig in seinem grisigen Kopf. Er fand sich nicht mehr zurecht auf Nedderdorf. Dieser junge Herr Musjöh tat ja, als wollte er mit der ganzen Ernte in einem Tag fertig sein! Dem langsamen, umständlichen Jürgens wirbelte der Kopf von dem hitzigen Drauflos, von den vielen Befehlen, von den schwankenden Leiterwagen, die einer nach dem anderen hochbeladen in den Hof bogen, und für deren Abladung und Verstauung er Sorge zu tragen hatte.

Der Alte kam aus dem bedenklichen Kopfkratzen gar nicht mehr heraus. Verwirrt schaute er Cäsar an. Dem war dieses tolle Treiben, durch das ständig das aufmunternde und unternehmungslustige Gekläff seines Feindes Bubi klang, ebenfalls ein Greuel. Jetzt hatte man schon nicht einmal mehr seine wohlverdiente Ruhe auf Nedderdorf! Jedem lag man im Wege, jeder trat einem in eiligem Vorbeihasten auf das Fell. »Ja, ja, Alter, wir passen hier nich mehr mang (dazwischen),« so brummte Cäsar entsagend seinen Freund Jürgens an, und der nickte bedächtig mit dem Kopf dazu.

Wäre das Frölen Lening nicht gewesen, hätten die Erntewagen von Jürgens aus wohl bis auf den jüngsten Tag auf dem Nedderdorfer Hofe gestanden; aber Leni feuerte hinterdrein. Ihrem lebhaften, ungestümen Wesen entsprach dieses arbeitsfreudige Sich-dran-halten, Alle-Kraft-einsetzen so recht aus ganzer Seele. Mit heißen Wangen stand sie unter den abladenden Knechten, und mit heller Stimme gab sie ihre Anweisungen. Sie fühlte sich jetzt wieder als Königin in ihrem Reiche, und wenn sie auch manches falsch anordnete, der alte Jürgens hätte es sicher auch nicht richtiger gemacht.

Zum erstenmal fühlte Leni jetzt etwas wie Dankbarkeit gegen den neuen Hausgenossen. Sie konnte ihre Augen dem nicht verschließen, daß der Verwalter weit mehr als seine Pflicht tat. Wie hatte sie sonst selbst zur Erntezeit hinter den Inspektoren her sein müssen! Auf seinem eigenen Grund und Boden hätte sich der junge Staberow nicht mehr ins Zeug legen können. Wenn darum auch wohl einmal eine widerspenstige Stimme in Dornröschens Innern sich meldete: »Na ja, er arbeitet eben so, weil er am Reinertrag beteiligt ist,« hatte sie doch die Kraft, diese häßliche Stimme zur Ruhe zu weisen.

Nun war sie, seitdem die Erntezeit begonnen hatte, zum erstenmal wieder draußen auf den Feldern. Der Himmel war so blau, wie lange nicht. Die Feldlerche jubilierte in den Lüften; die Mägde sangen hell bei der Arbeit, und durch die goldenen Kornwogen ging ein Singen und Klingen. Da tat auch Dornröschen den Mund auf, und leise summte sie ein Liedchen vor sich hin, ganz unbewußt und selbstverständlich, als ob der Purpurmund nicht seit Jahren das Singen verlernt habe. Ihr war das Herz so leicht und froh. Der sichtbare Segen Gottes ringsum, der auf Monate die düsteren Sorgen scheuchte, das lang entbehrte Gefühl, keine Verantwortung zu tragen, nun endlich rang es sich in seiner ganzen Glückseligkeit durch all die Schlacken des Sich-zurückgesetzt-fühlens und Abgesetzt-seins hindurch.

Mit lachenden Augen blieb sie neben dem Weizen stehen, aus dem die Mägde, bunte Tücher über das Haar gebunden, die Garben schlangen. Das war eine lustige Arbeit. In Dornröschens Händen zuckte es, mitzutun. Sie hatte das Bedürfnis, ebenfalls die jungen Arme zu recken und sich einmal wieder so recht auszuarbeiten. Die zurückgedämmte Jugendkraft wollte sich nicht länger bändigen lassen.

Schon hatte Dornröschen ihr weißes Taschentuch dreizipflig über die braune Flechtenpracht geknüpft und die Ärmel ihres Kattunkleides aufgekrempelt. Mit beiden Armen umfing sie einen Getreideschwaden und richtete ihn tiefatmend auf. Die Mägde hielten in der Arbeit inne; sie freuten sich köstlich, daß das gnädige Frölen mittat wie ihresgleichen.

»Laßt euch nicht stören, Kinnings – mir macht das Spaß,« sagte das Frölen freundlich und bemühte sich vergebens, das Strohband kunstgerecht um die gerichtete Garbe zu schlingen. Die Halme fielen zu ihrem Verdruß immer wieder auseinander; Stining, die neben ihr arbeitete, griff hilfsbereit ein.

»Kieken S', gnädig Frölen, so will dat angefat sin (angefaßt sein), nu dat Stroh rümmer (herum).« Mit großem Stolz wies sie der jungen Gutsherrin den Kunstgriff.

Die Sache war gar nicht einfach. Aber gerade, was schwer war, reizte Leni. Sie wollte alles bezwingen. Was die Mägde konnten, das konnte sie doch noch alle Tage!

Die Mädchen hatten ihr Werk wieder aufgenommen, jetzt mit besonderem Eifer, denn jede wollte dem Frölen zeigen, was sie leistete. Dornröschen aber fand keine Zeit, auf die anderen zu achten; sie hatte genug mit sich selbst zu tun. Es wollte ihr nichts glücken. Die Arme begannen ihr von der ungewohnten Arbeit zu erlahmen; Schweißtropfen perlten ihr auf der Stirn, Aber sie biß die Zähne zusammen. Nein, nur ja nicht auslachen lassen!

Neidisch schielte sie von ihren eigenen zwerghaft schwächlichen Garben zu den stattlichen der anderen hinüber. Potz Wetter noch mal, das mußte sie doch auch lernen!

Hufschlag – Vatings Fuchs tauchte plötzlich auf und sprengte gerade auf den Weizenschlag los.

Die Mädchen hoben neugierig die bunten Kopftücher; sie mochten den stattlichen jungen Herrn Verwalter alle leiden. Nur das weiße Tuch senkte sich tief über die weißblonden Halme.

»Na, Dirns, schafft's?« Der Fuchs hielt.

Dornröschens Hoffnung, daß er vorüberreiten würde, erfüllte sich nicht. Der Verwalter ließ sich einige Halme emporreichen und prüfte die Körner. Er nickte befriedigt.

»Kinnings, sputet euch! Je fixer ihr jetzt die Arme schwingt, je fixer schwingt ihr euch dann auch beim Erntetanz!«

Damit schnalzte er mit der Zunge, um den Gaul wieder in Gang zu bringen.

Dornröschen atmete erleichtert auf, aber zu früh. Der Fuchs hielt plötzlich wieder, diesmal dicht neben ihr. Ob dem Verwalter das unentwegt weiter arbeitende Mädchen, das es nicht einmal der Mühe wert hielt, den Kopf zum Gruß zu heben, oder seine seltsamen Weizengebilde aufgefallen waren? Er sprach es plötzlich an.

»Je, Dirn, wat machst du denn hier vor nüdliche Püppkens (Puppen)? Sollen dat etwa Garben sein? Da is ja eine immer swindsüchtiger als die andere! Herrejeh, und die Schlinge – da soll doch dat Wetter reinslagen – wo hast denn du so binden gelernt, Dirn?«

Kichernd und lachend hoben sich die Mädchengesichter rings, während sich das eine womöglich noch tiefer senkte.

»Kiek mich an, wenn ich mit dir reden dau!«

Leni fühlte sich plötzlich beim Zipfel ihres Kopftuches gepackt und emporgezogen.

»Aber – gnädiges Fräulein, was machen Sie für Sachen? Wie kommt Saul unter die Propheten?«

»Gnädiges Fräulein, was machen Sie für Sachen.«

Der Verwalter blickte so entsetzt in Dornröschens Kornblumenaugen, daß die junge Herrin, die bereits mit der trotzigen Miene eines Kindes, das Schelte befürchtet, entgegnen wollte, hellauf lachen mußte.

Da stimmte auch der überraschte Hans von Staberow in das herzerquickende junge Lachen ein, so recht frisch und unbefangen, und die Dirns lachten und prusteten und versteckten die Gesichter in ihren Garben. Selbst Vatings Fuchs hob den Kopf stolzer, und über ihnen allen lachte der goldene, sonnige Sommertag.

Leni zog sich mit einem Ruck die Ärmel herunter und mit einem zweiten das Kopftuch.

»Puh,« sagte sie, die Luft wie nach einer Riesenanstrengung ausstoßend, »Dirns, ihr könnt mehr als ich! Das Ding ist nämlich gar nicht so vergnüglich für den, der's nicht versteht. Ich hatte Lust bekommen, selbst einmal anzupacken,« setzte sie, zum Verwalter gewendet, hinzu, denn irgendeine Erklärung mußte sie ihm doch schließlich geben.

»Warum nicht, gnädiges Fräulein?« Er war vom Pferd gestiegen und schritt jetzt, es am Zügel hinter sich her führend, neben ihr auf dem ausgefahrenen Karrenweg. »Wir Männer müssen ja auch von der Pike auf die praktische Landwirtschaft erlernen; das gleiche kann also den Frauen nur von Nutzen sein.«

»Hm,« – Dornröschen überlegte – »praktisch hab' ich das Ding eigentlich jetzt genügend kennen gelernt« – sie überhörte sein leises Räuspern, »aber Theorie würde ich gern noch ein wenig treiben. Gusting sagt, Sie hätten eine Menge landwirtschaftlicher Bücher; vielleicht leihen Sie mir einmal eines!«

Sie wurde rot, als sie das sagte, denn es fiel ihr plötzlich ein, daß sie ja nur in die Landwirtschaft tiefer eindringen wollte, um den Verwalter so schnell wie möglich wieder los zu werden.

»Gnädiges Fräulein, was wollen Sie mit landwirtschaftlichen Büchern! Sehen Sie, in meinem Zimmer steht der Bücherschrank Ihres Herrn Vaters, gefüllt mit dem Besten unserer Literatur. Solange ich jetzt hier bin, hat noch keines von Ihnen ein Buch herausgenommen. Schon daß man den Schrank in dem Zimmer stehen ließ, ist ein Zeichen dafür, daß er nicht allzuoft benutzt wird. Von Ihrer Frau Mutter will ich nicht sprechen; die muß erst wieder seelisch gesunden. Aber Sie, ein junges Menschenkind, das nach allem Schönen streben, das sich das Beste, was Kunst und Wissenschaft bietet, zu eigen machen müßte, Sie leben hier wie die Lilie auf dem Felde.«

»Oho,« fuhr Dornröschen auf, »ich habe eine Menge gelesen; freilich in den letzten Jahren bin ich nicht mehr dazu gekommen,« setzte sie in ehrlicher Betrübnis hinzu.

»Da haben wir's! Aber jetzt sind Sie doch in der Wirtschaft entlastet, liebes Fräulein; da könnten Sie doch wieder mehr an sich selbst denken. Soll ich Ihnen heute abend ein Buch mitbringen?« Onkel Hans sprach mit brüderlicher Herzlichkeit zu dem jungen Mädchen.

»Ja, bitte, aber kein langweiliges!«

»Langweilig? Was verstehen Sie denn darunter? Unsere Klassiker sind doch einer immer schöner als der andere! Haben Sie den Schiller gelesen?«

»Ja, natürlich,« versetzte Dornröschen sehr von oben herab; ›Wilhelm Tell‹ und ›Wallenstein‹ hatte sie sogar noch mit Karl Heinz zusammen studiert.

»Dann – wie ist's mit der ›Iphigenie‹?«

Leni schwieg.

»Hm – ›Hermann und Dorothea‹? Das auch nicht? Aber den ›Tasso‹, den haben Sie doch sicherlich gelesen?«

»Nee,« stieß Dornröschen wieder kratzbürstig hervor, weil er ihr so zusetzte, »der ›Tasso‹ ist mir zu mopsig!«

Onkel Hans lachte über diese uneingeschränkte Kritik.

»Heute werde ich Ihnen erst ›Hermann und Dorothea‹ bringen; das wird Sie in seiner ländlichen Einfachheit vorläufig am meisten ansprechen. An einem Regenabend nehmen wir uns dann mal, wenn erst die Ernte vorüber ist, gemeinsam den ›Tasso‹ vor. Ihrer Frau Mutter wird es sicherlich auch Freude machen. Kennen Sie auch den ›Nathan‹ nicht?« setzte er dann unbeirrt sein literarisches Examen fort.

Dornröschen antwortete nicht. In London, in dem einen Schuljahr, hatte man vorzugsweise englische Literatur getrieben, und nachher – du liebe Zeit – da gab es bald anderes für sie zu denken!

Aber als Onkel Hans jetzt die Augenbrauen, die genau die Farbe des reifen Weizens hatten, bedenklich emporzog, sagte sie ungeduldig: »Was hat denn der eigentlich alles geschrieben? Bringen Sie mich doch mal 'n bißchen drauf!«

»Ich meine ›Nathan den Weisen‹, von Lessing!«

Kopfschüttelnd schritt er neben ihr her. Hier lag mehr im Dornröschenschlaf, hier lag mehr brach, als er bisher geglaubt hatte. Hier mußte vor allem eine verständige Hand den Samen des Wissens, der Kunst und des Schönen in das dürre, unbebaute Brachfeld senken. Aber das Erdreich war hart und spröde; es war keine leichte Arbeit für den Sämann.

Wie sie so dahinschritt durch den blauenden Sommertag, mit trotzig aufgeworfenen Lippen, mit den vom Tuch zerzausten Haaren, das steifgestärkte Kattunkleid, von vorsintflutlichem Schnitt, bei jedem Schritt raschelnd, und mit den Äpfelkähnen gleichenden Kunstprodukten des braven Schusters Hannemann, da wurde es ihm klar, daß man auch in bezug auf das Äußere den Blick für das Schöne erst bei dem jungen Mädchen wieder wecken mußte. Schwere, sorgenvolle Arbeit hatte das, was andere Mädchen doppelt liebreizend macht, die Zierlichkeit und Anmut in Kleidung und Umgebung, vollständig bei ihr zurückgedrängt.

»Glauben Sie, daß ich meine Schwägerin Mieting auch für eine Hofdirn hätte halten können?« fragte er dann plötzlich aus seinem Gedankengang heraus.

Leni zuckte die Achseln. »Wenn sie, wie ich, Garben gebunden hätte, wahrscheinlich!«

»Nee, ausgeschlossen! Bei Mieting wäre diese Verwechslung unmöglich gewesen. Ihre Freundin trägt nicht solch plumpes Schuhwerk wie die Bauernmädchen; die schneidert sich ihre Kleider modern und geschmackvoll und –«

»Ich bin eben eine Bauerndirn – sprechen Sie es doch ruhig aus!« Dornröschen blies bereits wieder zum Angriff.

»So scharf möchte ich mich durchaus nicht ausgedrückt haben. Aber setzen wir dafür das weniger derbe Wort ›Landpomeränzchen‹, und es trifft den Nagel auf den Kopf.«

»Sie sollen nicht länger von der Gesellschaft einer Landpomeranze belästigt werden,« rief da Leni und eilte zornig querfeldein.

Der junge Mann sah ihr verdutzt nach. War er zu forsch drauflosgegangen?

Dornröschen raste in hellem Zorn dahin. Sie sah nicht mehr, wie blau der Himmel war und wie golden das Korn; Lachen und Singen war ihr wieder vergangen. Das Wort »Landpomeränzchen« hatte sie an der empfindlichsten Stelle ihrer stolzen Seele verwundet. Denn trotz aller Gleichgültigkeit und Geschmacklosigkeit wohnte doch in Leni ein wenig Eitelkeit; dafür war sie ja eine Evastochter.

Sie strich an dem geschmähten Kattunkleid hinunter. Nun ja, ein Dornröschen mochte man sich vielleicht ein wenig anders vorstellen. Ihr Kleid glich, wenn sie gegen sich selbst ehrlich sein wollte, mehr dem Gewande einer Gänsemagd als dem einer Königstochter. Oll Riebensams Lowising, die mal in Rostock ein Jahr lang die Schneiderei erlernt hatte und seitdem die Zwillichröcke für die gesamte Dorfbewohnerschaft, gleichviel ob Männer oder Frauen, kunstgemäß anfertigte, war auch ihre Hofschneiderin. Sie machte ihr im Sommer die Kattunkleider und im Winter die wollenen, alle nach dem gleichen Leisten. Dornröschen fiel es gar nicht ein, irgendwelche persönliche Wünsche über den Schnitt oder den Ausputz zu hegen. Höchstens in der Farbe wechselte sie einmal ab.

Und ihre Stiefel? Damals, als sie aus England zurückkam, da war sie in der ersten Zeit mit Vating nach Rostock gefahren, und der hatte seinem hübschen Töchterchen alles so nett gekauft, wie es nur irgend zu haben war. Aber seit Vatings Tod kümmerte sich kein Mensch mehr um sie und sie selbst am wenigsten. Da trug sie, was am billigsten war und am nützlichsten. Sie war froh, wenn das Kleid nur sauber gewaschen und die Stiefel in Ordnung waren. Kaum, daß sie morgens beim Frisieren in ihren kleinen Spiegel schaute. Da draußen in der Welt trugen die Damen bald den Haarknoten tief im Nacken, bald hoch auf dem Scheitel, bald Flechten, bald Löckchen und Puffen. Was kümmerte das Leni! Die steckte unentwegt ihre braune Flechtenkrone auf, ganz gleich, ob es zurzeit so beliebt war oder anders. Sie war und blieb eben ein Landpomeränzchen!

Dornröschen ballte die Fäuste. Warum war Mieting denn anders als sie? Ach was, die hatte in Hamburg, der Heimatstadt ihrer Mutter, die Schneiderei aus dem Eff-eff gelernt! Die hatte auch niemals so viel Last und Sorgen zu tragen gehabt wie sie selbst! Solche Bosheit – ihr Mieting noch als gutes Beispiel anzuführen! Sie derartig bloßzustellen – auch mit den dämlichen Werken von Lessing!

Sie war unterdessen in ihrem Turmzimmerchen angelangt und beguckte sich jetzt von vorn und von hinten in dem kleinen Spiegel. Das Bild, das er zurückwarf, war nur sehr unvollkommen, aber es genügte. Wahrhaftig, Stining sah nicht viel anders aus als sie!

Sie begann an ihrer fest in den Rock gezwängten Bluse zu zupfen; so sah es doch gleich »'n büschen eleganter« aus. Der glatte Stehkragen war viel zu niedrig und der Gürtel aus dem buntkarierten Kattun geradezu abscheulich. Überhaupt – sie sah aus wie ein wandelnder Leutebettbezug!

Dornröschen öffnete den Kleiderschrank aus Kienholz. Da hing eine Menge Kleider, aber eines war immer häßlicher als das andere. Leni hatte seit Jahren nicht über ihre Kleidung nachgedacht; es war, als ob ihr plötzlich die Augen geöffnet wären. Sollte sie das rosenrote mit den grünen Kringeln anziehen? Oder das himmelblaue mit den gelben Klötzen? Nein, wie hatte sie bisher nur so geschmackloses Zeug tragen mögen!

Ganz hinten im Schrank hing ja noch das schlichtweiße; das war am wenigsten häßlich. Aber sie war wohl daraus hinausgewachsen! Über Jahr und Tag hatte sie es nicht mehr angehabt, da es ihr immer unpraktisch erschien, weil es zu schnell schmutzte.

Jetzt schlüpfte sie geschwind hinein. Die Bluse knackte bedenklich in den Nähten; aber Dornröschen beachtete es nicht. Sie reckte die Arme – knacks – nun hatte sie Platz! Der Kragen schnürte ihr den Hals zusammen; sie kehrte ihn nach innen. Nein, mit dem kahlen Hals, das war rein unmöglich! Hilflos blickte Dornröschen ihr Spiegelbild an. Ja, sie hatte so sehr all ihren Schönheitssinn eingebüßt, daß es ihr gar nicht zum Bewußtsein kam, wie liebreizend sie mit dem schlanken freien Hals ausschaute, der so zierlich den braunen Kopf trug.

Wenn das Kleid nur nicht so verflixt kurz gewesen wäre! Es reichte nicht ganz bis zu den Knöcheln, und alles Ziehen und Zerren nützte nichts: es wuchs nicht. Ihre schönen Stiefel kamen darunter erst recht zur Geltung die hatten mit denen von Jürgens eine verzweifelte Ähnlichkeit. Aber noch einmal umkleiden? Lieber gar nicht zu Tisch gehen! Doch, schließlich – sie saß ja; da merkte man die fehlende Länge nicht.

Schnell wusch sie noch einmal die Hände, und wieder fiel ihr dabei etwas auf, woran sie bisher täglich achtlos vorübergegangen war. Die Seife, die sie benutzte, war gewöhnliche Küchenseife; denn Leni hatte bei sich selbst mit dem Sparen und Einschränken angefangen. Na, ein Stück Mandelseife für zwanzig Pfennige konnte sie sich schon einmal leisten! Wenn Butter- und Eiertag war, sollte Dörthe sie aus der Stadt mitbringen.

Als Dornröschen bei Tische erschien, waren die anderen bereits vollzählig versammelt; ihr Umkleiden hatte zuviel Zeit in Anspruch genommen.

»Püh!« machten die frechen Zwillinge und glotzten Dornröschen aus zusammengekniffenen Augen verwundert an.

»Heute siehste wie ein richtiges Dornröschen aus,« rief Suschen und hängte sich voll Bewunderung an die große Schwester.

Da knackste die weiße Taille zum zweitenmal.

»Das ist recht, mein Mädel, daß du wieder mehr auf dein Äußeres gibst,« ließ sich da auch Mutting anerkennend vernehmen.

Onkel Hans aber lächelte still in sich hinein, wie ein Sämann, der das erste Keimen seiner jungen Saat beobachtet.

Dornröschen hätte jetzt viel darum gegeben, wenn sie noch ihr gewöhnliches Leutebettbezugkleid angehabt hätte; es war ihr unerträglich, so aufzufallen.

»Du mußt noch Blumen vorstecken! Komm, Dornröschen, ich will dich schmücken! Dann bist du eine richtige Märchenprinzessin!« Lütt-Susing griff nach der Vase mit Korn- und Mohnblumen auf dem Eßtisch.

»Laß die Dummheiten!« Leni machte sich von den Kinderhänden frei. »Wie kommen denn die Blumen hierher?« Sie lenkte damit schnell von ihrer Persönlichkeit ab.

»Ja, sieh nur, wie nett von Herrn von Staberow! An mich alte Frau da draußen auf dem Felde trotz seiner vielen Arbeit zu denken!«

Leni hatte es in ihrer Empörung gar nicht beachtet, daß ihr Begleiter sich von Zeit zu Zeit bückte, um eine am Feldrand sprießende Blume zu brechen.

»Ihre Frau Mutter muß doch auch einen Erntegruß haben,« bemerkte der Verwalter jetzt ehrerbietig, »und der Tisch sieht durch ein paar Blümchen gleich viel hübscher aus!«

»Das kann ich nicht finden; das olle Unkraut nimmt nur Platz weg.«

Leni wollte mit diesen Worten die Blumenvase beiseite schieben, stieß sie aber in der Erregung ganz um. Eine große Sintflut ergoß sich über den Tisch.

»Willst du nicht ein neues Tuch auflegen, Kind,« mahnte die Mutter.

»Ach wo! Wir rücken zur Seite; da kommt ja schon Gusting mit der Suppe.« Leni mied Muttings mißbilligenden Blick.

Hans von Staberow saß mit ungemütlichem Gesicht vor seinem Teller. Auf seinem Platz hatte die Überschwemmung besonders arg gehaust. Gerade darum wehrte sich Dornröschen wohl auch gegen ein reines Tischtuch; das sollte die Strafe für das »Landpomeränzchen« sein!

»Die Vase hat ein Einsehen gehabt und dem Tischtuch die notwendige Wäsche angedeihen lassen,« scherzte schließlich der Verwalter mit Galgenhumor.

Leni wurde bis zum Scheitel rot. Wirklich, das Tischtuch glich einem bunten Gemüsegarten; überall hatten die Gören kleinere und größere Gemüsebeete und Obstgelände angelegt. Es zeigte den Speisenzettel der ganzen Woche. Wo hatte sie bloß ihre Augen gehabt? War es möglich, daß ihr diese Flecke und eingetrockneten Soßenteiche bisher entgangen waren?

Sie warf einen scheuen Blick zur Mutter hin. Aber die war mit ihren Gedanken schon wieder in vergangenen Zeiten; sie hatte die Bemerkung des Verwalters wahrscheinlich völlig überhört.

Dornröschen teilte die Suppe aus und reichte Gusting die Teller zum Herumreichen. Zum erstenmal fiel es ihr dabei auf, daß das Mädchen eine grobe dunkle Küchenschürze vorgebunden hatte und den breiten roten Daumen gleichmütig in jeden Teller tauchte.

»Dirn, paß Achtung! Wer soll denn das essen?« fuhr sie das erschrockene Mädchen an, das gar nicht wußte, was das Frölen mit einem Male wollte.

Ja, Leni bemerkte heute allerlei, was ihr sonst vollständig entgangen war.

»Jungens, schlürft eure Suppe nicht so unmanierlich, – Susing, Lüttes, du hast ja wieder vergessen, dir die Hände zu waschen! Und mit solchem Strubbelkopp kommst du mir nicht nochmal zu Tisch!«

Die Gören sahen einander verdutzt an. Warum regte sich denn Dornröschen heute über längst eingebürgerte Dinge auf?

Leni konnte gar nicht so viel aussetzen, wie sie plötzlich bemerkte. Herrje, der Franz steckte ja das Messer in den Mund, Susing leckte die Kompottsoße aus, und »Hans, Jung', wirst du woll nich als Mecklenburger Wappen hier so flegelhaft dasitzen?!«

Hänschen verblieb ruhig in seiner Lieblingsstellung.

»Ich sitze ja ümmer so,« brummte er widerhaarig. »Weißte was, Dornröschen? Leg dich man slafen; du hast heut' deinen slechten Tag.«

Lenis Arm der Gerechtigkeit reichte weit, aber doch nicht bis zu dem Platz des dreisten Schlingels. So mußte sie sich denn mit einem vernichtenden Blick begnügen.

»Hu,« machte der Frechdachs und hielt sich die Serviette vors Gesicht. Die hatte leider einen mächtigen Riß.

Mit einem knurrigen »Gesegnete Mahlzeit« hob Leni die ungemütliche Sitzung auf.

»Verflixt und zugeknöppt!« sagte da Suschen, an den verknoteten Bändern ihres Latzes zerrend.

»Aber Suschen!« riefen Onkel Hans und Leni wie aus einem Munde.

»Du sagst ja auch ümmer so, Dornröschen,« verteidigte sich die Kleine.

Leni schämte sich entsetzlich. Wahrhaftig, sie hatte heute ihren schlechten Tag und war dabei doch vormittags in den Feldern so sorglos heiter gewesen!

»Dornröschen, nee, was sühst du aber zerlumpt aus, wie 'n Plundermatz!« klang es zweistimmig aus der Brüder Mund hinter ihr her.

Ach, sie hatte die Nähte der weißen Bluse gesprengt! Wie kam sie jetzt bloß aus dem Zimmer? Es half nichts; sie mußte das peinlich errötende Gesicht den Anwesenden wieder zuwenden und rückwärts, Schritt für Schritt, wie ein Krebs, ihren Abgang nehmen.

Das kam von der Eitelkeit! Nie wieder wollte sie sich fein machen!

Am Abend prangte ein weißes, sauberes Tuch auf dem Eßtisch, und darauf stand eine Schale mit Kornblumen. Den roten Mohn hatte Leni auf Muttings Fensterplatz untergebracht. Sie freute sich selbst, wie hübsch das aussah. Sorgfältig stellte sie die Trinkgläser, die Gusting wie eine Schar wilder Krähen stets über den Tisch zu zerstreuen pflegte, hinter jedes Gedeck und rückte die Messerbänkchen gerade. Die Gören wurden zurückgeschickt, um sich erst menschlich zu machen, und Gusting erschien mit einer weißen Schürze.

Da konnte der junge Staberow die Bemerkung: »Nun? Es ist wohl Geburtstag heute!« doch nicht unterdrücken.

»Nee, ich wollt' Ihnen man bloß zeigen, daß wir doch nicht so ganz und gar verbauert sind. Ich weiß sehr wohl, was dazu gehört; es lohnt bloß nich!«

Gleich hatte er damit wieder einen Stich von Dornröschens scharfen Dornen weg.

Die Gören waren im Bett. Trotz der Tageswärme machte sich der August mit seinen kühleren Abenden bereits bemerkbar; man mußte im Zimmer bleiben. Leni hatte ihren langen, grauen Strickstrumpf hervorgeholt. Mutting blätterte in einem alten Geschichtenbuch, das die Jungen liegen gelassen hatten. Onkel Hans studierte die Berliner Zeitung, die er sich täglich durch die Post kommen ließ. »Der Strauß ist doch genial,« sagte er plötzlich aus seinen Musikberichten heraus.

Leni hob den Kopf und musterte den Kornblumenstrauß auf dem Tisch.

»Trotz allem ohrenbetäubenden Radau wird es ihnen doch nicht so leicht gelingen, den umzuwerfen,« verfolgte Johannes seinen Gedankengang weiter.

Auch Leni den ihren, aber in dem wurde »Ihnen« groß geschrieben. Sie war empört, daß er ihr die Ungeschicklichkeit vom Mittag wieder vorhielt.

»Herrjeh, Sie sind woll nervös? So groß war der Radau doch nicht! Ich habe den Strauß überhaupt nicht mit Willen umgeworfen.«

Hans von Staberow blickte von seinem Musikbericht verblüfft auf und bemerkte nun Lenis böse Blicke, die an den Kornblumen hafteten. Plötzlich dämmerte in ihm der Zusammenhang. Es zuckte und arbeitete in seinen Gesichtsmuskeln; dann brach er plötzlich in schallendes Gelächter aus.

Dornröschen sah ihn an, als ob sie zum erstenmal Zeichen von Geistesgestörtheit bei ihm wahrnehme. Auch Frau Lisabeth hob erstaunt den Kopf.

»Verzeihung, meine Damen, aber das Mißverständnis ist zu drollig! Ich sprach nämlich von dem Komponisten Strauß – kennen Sie den nicht, gnädiges Fräulein?« Der Mentor in ihm meldete sich bei Lenis verständnislosem Blick gleich wieder.

»Nee,« versetzte das gnädige Fräulein ungnädig, »in Nedderdorf werden keine Konzerte und Opern gegeben!«

»Aber aus der Zeitung – lesen Sie denn gar keine Tagesblätter?« Hans von Staberow zog wieder einmal seine Augenbrauen hoch.

Das Landpomeränzchen klapperte aufgeregt mit den Stricknadeln und antwortete nicht. Sollte es vielleicht eingestehen, daß es bei solchen Versuchen meistens eingeschlafen war?

»Mich trifft der Vorwurf und die Verantwortung – mich ganz allein,« mischte sich da Mutting in das Gespräch. »Ich trage die Schuld daran, daß du, seit unser Vating dahingegangen, keine Zeit und keinen Sinn für geistige Interessen mehr haben konntest, mein Dirn. Ich war selbstsüchtig in meinem Schmerz; ich habe mich zu wenig um meine Kinder gekümmert!« Sie deckte die Hand über ihre Augen.

»Nee, Mutting, nee!«

Der Strickstrumpf fiel zu Boden, Leni dachte nicht mehr an die Anwesenheit eines dritten; sie sah nur Muttings Schmerz. Liebevoll schlang sie die Arme um die Schulter der Gebeugten.

»Nee, Mutting, du kannst doch da nix für, wenn ich so 'n Döskopp bin, wenn ich von der Welt draußen nicht viel mehr weiß wie 'n Wickelkind! Da is doch meine eigene Dämlichkeit dran schuld!« Zärtlich streichelte sie der Mutter gebleichtes Haar.

»Nee, Mutting, du kannst doch da nix für, wenn ich von der Welt nich viel mehr weiß wie 'n Wickelkind.«

»Es ist ja noch immer nicht zu spät; Sie sind jung, gnädiges Fräulein,« begütigte Onkel Hans. Voll Staunen sah er, welch inniger, echt weiblicher Zärtlichkeit das herbe Dornröschen fähig war.

Erschrocken sah Leni auf. Den hatte sie ja vollständig vergessen! Sonst hätte sie sich ganz sicher nicht so offenherzig eingeschätzt.

»Du solltest nach Berlin, min Döchting – heraus aus unserem begrenzten Kreis,« ließ sich die Mutter wieder vernehmen.

Lenis Augen blitzten. Berlin? Das Ziel ihrer Sehnsucht, wo Karl Heinz seit Oktober studierte? Wo Lizzie hinging? Das Bild war zu verlockend!

Aber drüben auf dem Tisch lag ein anderes Bild: die Wirtschaftsbücher, die sie heute nachmittag durchgesehen hatte, und die erschreckend große Ausgaben aufwiesen. Sie lächelte gequält.

»Nee, Mutting, daran kann ich vorläufig nicht denken; es ist wichtiger, daß die Jungen erst in Pension kommen.« Sie nahm ihren Strickstrumpf leise seufzend wieder auf.

»Gnädiges Fräulein, Sie können doch auch in der Stille von Nedderdorf für sich arbeiten – hier sogar erst recht,« sagte Onkel Hans teilnehmend.

Leni antwortete nicht, aber Mutting ergriff jetzt das Wort.

»Ich wäre Ihnen sehr dankbar, lieber Staberow, wenn Sie sich meines Mädels ein wenig annähmen. Sie hat ja in London eine Menge gelernt, aber gerade in den Jahren, in denen ein junger Mensch selbst die letzten Steine zu dem Bildungsbau zusammentragen muß, war sie von dem Gut ganz und gar in Anspruch genommen. Was weiß mein Lening von den Tagesfragen! Kunst, Theater und Literatur stehen ihr so fern wie der Mond! Soweit ich dazu imstande bin, will ich mich gern an den Studien beteiligen. Auch die Küchenaufsicht werde ich dir abnehmen, mein Dirn, daß du mehr Zeit für dich gewinnst.«

War das noch die müde, gleichgültige Frau Lisabeth, die da wieder so entschieden sprach? Unsicher sah Leni ihr Mutting an.

Hans von Staberow aber rief: »Bravo, gnädige Frau, das sollen gemütliche Abende werden, und gleich heute fangen wir an! Eine Sitzung gehört den Klassikern, eine der neuen Literatur; die dritte ist der Kunst geweiht, die vierte allgemein bildender Unterhaltung an der Hand der Zeitung, die fünfte der Musik und –«

»Für den Musikabend können Sie sich man Bubi oder Cäsar statt meiner hierher setzen; das kommt auf eines raus, denn ich verstehe doch nichts davon,« warf Dornröschen etwas spitzig ein. »Was Sie auch von einem Landpomeränzchen alles verlangen!«

Aber sie zeigte an diesem Abend doch noch öfter, daß sie in der Tat eine ländliche Einfalt war. So las der Verwalter dann gleich aus der Zeitung vor, was nur irgendwie Interesse haben konnte. Als die Rede auf den Bismarck von Lenbach kam, rief Dornröschen, froh, endlich einmal etwas zu wissen: »Das stimmt nicht! Das muß 'n Druckfehler sein! Bismarck war von Friedrichsruh und nicht von Lenbach!«

Da lachten Mutting und der junge Staberow um die Wette. Dornröschen aber stürmte wütend zur Tür hinaus. So endigte Landpomeränzchens erster Bildungsabend.


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