Ulrich von Lichtenstein
Frauendienst
Ulrich von Lichtenstein

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Neunundzwanzigstes Capitel.

Ulrich wird gefangen.

Nach den Lieden geschah mir ein unbilliges Ungemach, denn ich ward gefangen. Einer von denen, die mich fingen, war der Pilgerin von Charsse, dem ich nie Leids gethan hatte, sondern ich war ihm hold, er diente mir so und so, und ich sah ihn oft bei mir: der andere war Weinolt genannt, dem ich auch freundlich war; der war ein sehr großer und ungestalter Mann, mit ihm beging ich viel Scherz, er konnte künstlich sprechen, aber heimlich trug er in seinem Herzen Untreue. Die beiden haben ihre Ehre an mir verloren.

Am dritten Tage nach Sanct Bartholomäus geschah es, als ich nach einem Bade in meiner Kammer lag, daß die zween nach Frauenburg geritten kamen: man ließ sie in mein Thor ein, und alles mein Gesinde sagte ihnen Willkommen, da sprach Pilgerin: was macht Euer Herr? Einer von den Meinen sprach: er hat sich schlafen gelegt. Ei, sprach jener, daß ist große Trägheit, Ihr sollt ihn von mir bitten, daß er aufsteht und mit mir spricht.

Es that es mir mein Kammerer bekannt, daß Weinolt und Pilgerin mich gern sehen wollen, ich stand auf und ging freundlich zu ihnen. Zwei Hosen hatte ich angelegt, linnene Kleid und Chürsen und Mantel; ich umarmte beide und sagte ihnen Willkommen, nahm jeden bei der Hand und führte sie in ein Fenster auf eine Bank, dann hieß ich Trinken bringen und fragte, ob sie essen wollten. Wer fragt, der will nicht geben, sprach Pilgerin. Ich ließ Meth, Speise und Wein bringen, wir aßen und waren froh. Nach dem Essen sprach Pilgerin: wollt ihr nicht paitzen? Nein, sagte ich, heute nicht, weil ich gebadet habe. Da sprach der Ungetreue: ei, paitzet um meinetwillen, wir hatten es uns vorgenommen und haben zwei Sperber mitgebracht. Da sprach ich: Freund, Herr Pilgerin, ich bin Euch gern mit dem Paitzen zu Dienste, ich reite gleich mit Euch. Da befahl ich den Meinen, daß sie Vogelhunde und Federspiel zu Felde brachten. Wenige von den Meinen blieben, denn ich sandte sie mit der Botschaft fort, und diejenigen, die noch da blieben, sandte er dahin und dorthin. Als ich nun allein bei ihnen saß, da winkte er seinen Knappen, die traten vor die Thür, und zugleich sprangen Weinolt und Pilgerin auf und zuckten zwei Messer, sie fielen auf mich und gaben mir gleich drei Wunden. Da wand mir der Pilgerin Chürsen und Mantel um den Hals und zog mich nach der Thür, ich schrie laut und bat um mein Leben. An meinem Thor hatten die beiden Männer ihre Knechte gelassen, die unterwanden es sich und trieben alle die Meinigen ans dem Hause, da lief meine Hausfrau zu mir und rief: Was soll dieß sein? Die Ungetreuen sprachen: Frau, geht sogleich vor das Thor, da findet ihr die Eurigen, gleich geht fort! Wir wollen ihn und alles haben, was er nur gewinnen mag, oder es ist sein Ende.

Da sah mich die Gute weinend an, ich sprach: geht nur, so lieb Euch Eure Ehre ist, bleibt nicht länger hier bei mir. Da ging sie mit meinen Kindern gegen das Thor. Frau! Euren Sohn müßt ihr uns auch hier lassen! rief Pilgerin. Da nahm er ihr das Kind von der Hand; auch alle Kleider, die er bei der Frauen finden mochte, nahm er, und alle Kleinod, dann trieb er sie aus dem Thor und mein Sohn blieb bei mir. Jämmerlich gingen mein Weib und mein Gesinde nach Lichtenstein. Da wurde schnell die Mähre bekannt, und wohl dritthalb hundert meiner Freunde kamen schnell nach Frauenburg, die mir aber fast den Tod gegeben hätten. Denn da sie für die Burg gerannt kamen, führte mich Herr Pilgerin zu einem Fenster und sprach: wenn Ihr noch wollt leben bleiben, so heißt sie alle zurück gehen! Er band mir ein Seil um den Hals und sprach: ich henke Euch sogleich über das Fenster hin, nach ihnen zu, wenn sie stürmen wollen. Da schrie ich jämmerlich meinen Freunden zu: was wollt Ihr thun? Wollt Ihr mich tödten? Wie haben ich das um Euch verdient? Ihr mögt mich so leicht nicht erlösen, denn wenn Ihr näher kommt, so bin ich todt, und Ihr könnt ihnen doch nicht schaden. Bald dräute ich, bald bat ich, und das so lange, bis sie von dannen fuhren und mich gefangen da ließen.

In der Nacht litt ich viel Noth, man drohte mir oft, daß ich mit dem Tage sterben müsse, davor konnte ich nicht ruhen. Als es Tag wurde, wurde ich des einig, daß, da ich doch sterben müsse, nachzusuchen, ob nicht irgend wo Brot läge, da wo ich gefangen lag. Ich suchte lange, endlich fand ich ein Brosamen, das ich weinend aufhub, damit kniete ich nieder und klagte meine Sünden dem, dem man nichts verhehlen mag, und der in alle Herzen sieht, dann nahm ich weinend seinen Leichnam und empfahl ihm meine Seele. Da kam Herr Pilgerin zu mir, um mich zu tödten, er sprach: was gebt Ihr uns, wenn ihr länger leben wollt? – »Alles, was ich habe und nur gewinnen kann.« – So feind er mir war, so half doch dieser Lohn, er dachte: er gibt mir so viel, und nachher kann ich doch meinen Muth an ihm kühlen und ihn nicht genesen lassen.

Er ließ mich in eine Kette verschmieden, darin ich viel Qual litt, so gefesselt wurde mir mancher Tag sehr lang. In dieser Noth rieth mir mein Herz, diese Lied zu singen:

 
49)
       

Nu hülf mir, Weibesgüte,
Mir ist noth die Hülfe dein,
Mir will hoch Gemüthe,
Sterben in dem Herzen mein,
Weibesgüte, du bist gut,
Hülf, daß nicht verderbe jämmerlich mein hoher Muth.

Wo man sagt das Mähre,
Daß ich Gefängniß dulde,
Das ist denn der Frau schwere,
Denn ich diene lang' um ihre Hulde,
Welche weibliche Güte hat,
Ich weiß wohl, mein Kummer der nahe zu Herzen gaht.

Und wann mich erlösen
Gute Weib, so glaube man fürwahr,
Die Schuld sie vergässen
Meinen Feinden endelichen gar,
Das ist Recht, es ist also,
Da ich bin ihres Leides traurig und ihrer Ehren froh.

Nur meiner Frauen Güte
Und ihr lieblich schöner Leib
Erhält mir hoch Gemüthe,
Um sie ehre ich alle Weib,
Das hat sie verschuldet wohl,
Daß ich um ihre Ehre allen Frauen dienen soll.

An dem viel werthen Weibe
Kann man hohe Tugenden spähen,
An ihrem süßen Leibe
Ward Unweibheit nie gesehen,
Sie ist schöne, sie ist gut,
Keusche, fröhlich, stete, züchtereich, weiblich gemuth.

Röther danne eine Rose
Ist ihr Mund, süße und heiß,
Sie ist mit Züchten lose,
Schöner Weib ich nirgend weiß,
Braun ihre Brauen, weiß ihr Leib,
Von Geburte eine Fraue ist sie und von Tugenden Weib.

Keuschlich lächeln, lachen,
Kann ihr kleiner rother Mund,
Sie kann süße machen
Ihre Geberde zu aller Stund,
Ihr Mund und ihrer Augen Licht
Wenn mich die anlachen hohes Muthes man mich sicht.

Es däuchte manchem wunderlich, daß ich mit solchen Nöthen rang und doch so minnigliche Lied dichtete, doch konnte ich die nicht vergessen, der ich immer als meiner Frauen dienen will.

Ich lag ein ganzes Jahr und drei Wochen gefangen, mir ward oft der Tod nahe, daß ich erschlagen werden sollte, den der geschwinde Mann lief oft mit Messern und Schwerten auf mich ein, und nur Gott im Himmel half mir in dieser starken Noth.


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