Ulrich von Lichtenstein
Frauendienst
Ulrich von Lichtenstein

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Achtzehntes Capitel.

Von dem Turney zu Neuenburg.

Die Ritter waren nun nach Wien gekommen, auch mein liebes Gesinde, worüber ich von Herzen froh war. Da forderte ich die Pferde, um in der Stadt den Thumvogt zu sehen, aber ehe die Pferde mir bereit waren, ritt der biedre höf'sche Mann schon in meine Herberge und sprach: Gott grüße Euch, Königin, Gott hat Wunder gethan, daß Ihr nun seid ein Mann geworden, da Ihr doch vor vier Tagen ein Weib ward; daß Ihr Euch so verwandeln könnt, ist zu verwundern. Da lachten viele Ritter, sie kamen alle in meine Herberge, mancher Schimpf ward gesprochen, auch trug man ihnen Wein zum Trinken her.

Den Thumvogt bat ich da heimlich und züchtiglich und sprach; viel lieber Herre, ich will es immer um Euch dienen, wenn Ihr es mir nicht versagt, daß Ihr zu diesem Turney meinen Schild tragt. Da sprach der Hochgeborne, wie ich Euch dienen kann, das wird Euch nie versagt, Euren Schild will ich zu diesem Turney tragen. Da dankte ich ihm freudig. Nun war keiner da, da der Thumvogt es mir gewährt hatte, der es mir versagte, wenn ich ihn darum bat, so gewann ich fünfzig Ritter, von Grafen, Freien, Dienstmann. Sie nahmen Urlaub und ritten in die Stadt, wo jeder Herberge fand.

Wir blieben vier Tage in Wien und sahen da manches schöne Weib. Als der Sonntag kam, zogen wir mit großem Schalle aus der Stadt nach Neuenburg, ich hatte ein Banner angebunden, das war von einem weißen Zendal, dadurch zwo Bar spannenbreit von schwarzem Zendal geschnitten waren, schief nach dem Schwert zu Thal, großen Schall machte man davor, meine Posauner bliesen eine hohe Reise-Note. Nach dem Banner führte man meinen Helm, so licht als ein Schwert, darauf war eine Wele von Gold mit guten seidenen Schnüren gebunden, die Wele war wohl gefalten, und jegliche Falte blättervoll, und jedes Blatt von Golde. Dabei führte man meinen Schild, der war weiß von Härmin, dadurch zwo Bar von schwarzem Zobel geschnitten, darauf ein köstlicher Buckel, dessen Riemen waren gute seidene Borten. Mein Roß ging mit Scharlach verdeckt, die Decke war lang und weit und mit reichen goldenen Borten gegattert, von Silber waren viele Rosen darauf geschlagen, die Decke war mit gelbem Zendal gefurret.

Dann zog man das Roß des Thumvogtes nach, seine Decke war von rothem Zendal, meiner Schilde war viel darauf gestreut, und mein Herz freute sich, daß er meinen Schild tragen sollte; sein Helm war schön geziemirt. Aller, deren Rosse, die meinen Schild trugen, zog man nach meinem Banner; alle so verdeckt, wie das Roß des Thumvogtes, jeder Ritter trug aber seinen sonderlichen Helm, doch Wappenkleid, Schild und Decke waren gleich.

So ritten wir nach Neuenburg. Die Chungringen warteten meiner da, sie ritten mir mit vielen Rittern entgegen und grüßten mich minniglich. Ich ritt in meine Herberge, so thaten alle die Ritter, da wurde mit züchtigen Sitten des Gutes viel verschwendet und auch des Wachses viel verbrannt, denn man sah da viel manche große Licht, sie gingen her und hin durch die Stadt mit Lichten, und wer auch selbst kein Licht in Händen hatte, sah doch hell genug. Manch Ritter kam auch in meine Herberge, und ich sah die Hochgemuthen wieder in ihren Herbergen, da gewann in dieser Nacht mancher Mann einen biedern Mann zum Freunde. Die andere halbe Nacht hatten wir Ruhe, und als der Tag anbrach, fuhren wir in die Kirche, wo Gott mancher bat, daß er es ihm gelingen ließe; und man soll mit Recht Gott bitten, denn ohne ihn hat Niemand Heil.

Da wir die Messe vernommen hatten, hieß man den Turney theilen, der wurde ganz gleich getheilt, denn dritt halb hundert Ritter waren' durch hohen Muth und um die reinen Weib dahin gekommen. Darauf schrie mancher Kroyer: nun wappnet Euch, ihr guten Ritter, und zieht mit Freuden auf das Feld, da soll man die Kraft der Ritter schauen!

Da wappnete sich mancher Mann, und auch ich legte Waffen an, ein Spaldenier und auch zwei eiserne Hosen: da kam mein Bote, den ich von Herzen gerne sah, ich bat alle Leute fortgehen, und darauf sprach ich: sei willkommen, herzelieber Bote! sag' an, welche Mähr bringst du?

Er seufzte von Herzen und schwieg, das Haupt sank ihm nieder, ich sprach: Was soll das sein? Sag' an, was meine Fraue mir entboten hat? Warum thust du also? So unfroh hab' ich dich niemahls noch gesehen, dein Schweigen behagt mir nicht. Er sprach: ich muß Euch solche Rede sagen, die ich lieber verschweigen möchte, Euch ist durch mich etwas entboten, daß Ihr immer klagen werdet, und solltet Ihr tausend Jahr alt werden: Eure Frau hat Euch entboten, daß sie Euch immer Haß trüge und nimmer hold würde, wegen Eurer Untreu, sie will Euch in kurzem ein Herzeleid zufügen, ihr Fingerlein will sie immer beklagen, das sie Euch gesandt hat, sie zürnt, daß Ihr es an Eurer Hand tragt, sie hat mir fleißig anbefohlen, daß ich es ihr zurückbringen soll; sie Euch deß wegen gehaß, weil sie für wahr vernommen habe, daß Ihr einer andern Frauen mit Dienste bereit seid; sie ist so ungemuth, wie ich es an Frauen niemals sah, sie sprach so heftig gegen mich, daß ich lieber das Land räumen wollte, ehe ich noch einmal zu ihr ritte.

Ich sprach: o weh der großen Noth, die ich nun endlos in meinen Herzen trage. die ich mir mit treuem Herzen zur Frauen erkohren habe, die thut so übel an mir! O, wollte Gott, ich wäre todt! Oder ich wäre nie geboren! O, ich unseliger Mann! Gott weiß, daß ich nie falschen Muth gegen sie trug, und wäre ich schuldig, so wollte ich es so an mir rächen, daß ich davon todt liegen müßte. O weh, o weh der großen Noth! Wozu soll mir Gut, wozu soll mir Leben? Wozu soll mir deine Tapferkeit, wozu noch mein Leib? O was soll ich nun thun? dazu bedürfte ich gutes Rathes; ich will zu Fuß vom Lande gehen, wie ein armer Mann, daß Niemand wissen soll, wo ich geblieben bin.

Ich saß und weinte wie ein Kind, meine Augen wurden mir von den Thränen geblendet, ich rang meine Hände, und mein Herz that mir weh, vor Jammer erkrachten meine Glieder so, als wenn man Spachen zerbricht. Da kam der Thumvogt zur Thür herein und sprach: was ist das? Er sagte zu meinem Boten: Geselle, geh hinaus. Er machte die Thür hinter ihm zu, darauf fragte mich der Hochgemuthe: sagt, wer hat Euch was gethan, daß ich Euch in solcher Klage finde? Wer Euch Leides gethan hat, der muß es Euch büßen, oder er duldet immer meinen Haß.

Da er so gütlich zu mir sprach, brach der Jammer wieder so durch, daß ich laut wie erst weinte, ich rief; o weh, o weh! ich kann mein Leid Niemand sagen, mein Leid ist so, daß ich es vor Jedermann verschweigen muß.

Da der getreue Mann mein Ungemach sah und hörte, so stimmte er so in meine Klage ein, daß er meine Noth mit mir beweinte, als wenn ihm sein Vater gestorben wäre, es war wunderlich, daß er gar nicht wußte, warum ich weinte. Da ich ihn weinen sah, that der Jammer meinem Herzen so herzlich weh, daß ich laut schrie und rief: O weh, daß ich lebe! O möge Gott mich tödten! So saßen wir beide jämmerlich da, indem ging Herr Heinrich von Wasserberg zur Thür herein, der hatte zum Gemahl meine Schwester! er sprach: was soll denn das sein, (so sprach im Zorne der biedre Mann,) sagt, wer hat Euch beiden was gethan? Das ist schwach, daß Ritter klagen; Ihr weint ja, wie die armen und verwaisten Kinder und wie kranke, blöde Weiber! Sollen Ritter also weinen? Nein, Ihr mögt Euch beide dessen schämen!

Da sprach der Thumvogt: Herr Heinrich, so jammervoll klagt Herr Ulrich, wie ich es nie gesehen habe, ich weiß nicht, was ihm geschehen ist, er will es mir nicht sagen. Der biedre Mann von Wasserberg sprach: Herr Thumvogt, ich rathe Euch, geht von uns, dann soll er mir gewiß sagen, welch Herzeleid er hat. Da ging der Thumvogt fort, und Herr Heinrich sperrte die Thür zu und ging zornig zu mir und sprach: Wie nun, Ihr böser Mann? Pfui, pfui, nun sollten wir froh sein von rechter Würde, deren Euer Leib viel erjagt hat; nun sagt mir, wer hat Euch was gethan, daß ihr solche Klagen führt? Wahrlich, ich sage Euch, erfahren das von Euch die Weib, so hassen sie Euch um solchen schwachen Muth.

Ich sah ihn an und sprach: Nein, ich werde nie froh, und sollte ich tausend Jahr leben, aber was es ist, sage ich Euch nicht. – »Wenn Ihr es mir nicht sagen wollt, so weiß ich es doch; und wollt Ihr es mir sagen, wenn ich es rathe?« Ich schwieg, da sprach der biedre Mann: ich weiß wohl, was Euch geschehen ist, die Frau, der Ihr Eure Tage gedient habt aus minniglichen Dank, die hat Euch jetzt ihre Huld versagt. Indem er die Rede sprach, brach mir das Blut aus dem Munde und der Nase, da sprach der höf'sche Mann: Viel süßer Gott, sei gedankt, daß du mich noch vor meinem Tode den Mann hast sehen lassen, von dem ich mit Wahrheit sprechen mag, daß er ein Weib so recht ohne Wanken liebt. Da kniete er auf seine beiden Knie und hob seine beiden Hände in die Höhe und sprach recht aus dem Herzen: O, wohl mir, daß ich das ersah! Wohl mir, daß ich das wissen soll! Deß will ich immer froh sein, so lange ich lebe!

Er stund auf und umpfing mich mit Armen und sprach: gehabe dich wohl, ich will dein reines Herze laben, denn bei meinen Treuen, in kürzlichen Tagen legt dich deine Fraue in ihre Arme, des sei meine Selde dein Pfand; mir sind ja die Sitten der Frauen wohl tausend Mal mehr kund, als dir, höre mich an, mein lieber Freund: sie will dich damit versuchen, ob du wohl auch treu sein könnest, hüte das nur, wie deine Augen, daß sie keine Untreue von dir erfahre, und wankest du ihr nicht, so wisse, daß dir in kurzem Liebe von ihr geschieht: darum sei froh und laß dein Trauern sein, dieß frommt dir am besten, sei hochgemuth, damit dienst du deiner Frauen, Trauern nehmen sie nie für einen Dienst; es wäre auch ja für ein schönes Weib eine Missethat, wenn sie es für Dienst annähme, daß ihr Dienstmann traurig wäre, nein, hoher Muth hilft dir besser; das ist ein schwacher Muth, wer es von ertrauern will, daß sie ihn minnen, froh muß man in ihrem Dienste sein, denn rechte Freude behagt ihnen. Wappne dich also, das ist mein Rath, denn es ziemt sich nicht, daß so mancher biedre Mann wartet, die um dich hergekommen sind, du weißt es wohl kaum, daß sie vor deiner Herberge halten.

Da brach mein Weinen abermals hervor, ich sprach jämmerlich: ich mag nicht geturniren, denn ich habe keinen hohen Muth, und die Ritterschaft geräth nicht, die man mit Trauern anhebt; was soll mir Leib und Gut, da hoher Muth mir fehlt? Traurig muß ich immer leben. Da lachte der biedre Mann meiner Rede, er sprach: du mußt deinen Harnisch an dich legen, es sei dir lieb oder leid. Ohne meinen Dank wappnete mich da der biedre Mann, er band mir mit seinen Händen den Helm fest auf und führte mich dahin, wo ich mein verdecket Roß fand, traurig saß ich darauf, er gab mir den Schild, und so kam ich traurig hinausgeritten, wo meiner die Hochgemuthen warteten. Sie hielten vor meiner Herberge, ihre Ziemir und ihre Wappenkleider glänzten. Ich ritt mit ihnen zu Felde, da hielt mit seiner schönen Schar Herr Hadmar von Chunringen und sein Bruder Herr Heinrich. Da scharten wir uns auch, und ich nahm ein starkes Speer in meine Hand, ich trieb den Puneis gegen Hadmars Schar, ich ritt in die Schar hinein und verstach meinen Speer, Speer und Schild ritt ich entzwei: da schrie aus Zucht Herr Hadmar, daß mich Niemand sollte angreifen, sondern mich reiten lassen. So geschah es, daß mich Niemand fing, denn durch seine Zucht wollte der ehrenbegierige Mann, daß mich keiner fangen sollte. Da gab man mir ein ander Speer, und ich sprengte auf die Schar, wo Herr Heinrich von Chunringen hielt, der war ein weiser, junger Mann und hatte bei seiner Zeit schon viele ritterliche Thaten gethan; da ich auf seiner Schar meinen Speer verstach, sprach der junge Weise: lasset diesen guten Ritter reiten, wer ihm von den Meinigen hier etwas thut, das geschieht ohne meinen Willen, laßt ihn seiner Frauen dienen, und wenn wir dasselbe thun, so ist es ritterlich.

So ritt ich dann zu meiner Schar und sprach: wir sollen den Turney anheben, ich wähne, sie geben mir Friede, wann ich auch dreißig Speer auf sie versteche, ich glaube, daß sie es durch ihre Zucht thun, daß sie mich nicht anrühren.

Da nahm ich wieder ein Speer in meine Hand; nun stapfte gegen uns die Schar des Herrn Hadmar, da kamen wir zusammen, wie gegen Feinde; ich nahm mein Roß mit den Sporen und trieb es auf Herrn Hadmars Schar, so, daß ich mein Speer wohl verstach, mit Hurt brach ich durch die Schar hindurch, und die Meinen ritten schöne nach mir, als wir die Schar durchritten hatten, er holte sich mannlich Herr Hadmar, beim Umschwung fing er mir ab drei gute Ritter, das war ritterlich gethan, doch umringten wir ihn, da sprengte ihm zu Hülfe sein Bruder Herr Heinrich herbei, sie ritten schöne in uns herein, da hörte man der Speere Krachen, und als wir wichen und von den Feinden Noth litten, kam uns zu Hülfe Herr Wolfker von Gors mit den Seinen, der Hochgemuthe befließ sich, daß sein Buneiz schön würde, er durchbrach mit Hurt den Turney, was Herrn Hadmar Ungemach gab.

Nun war der ganze Turney zusammen gekommen, zwei Scharen von jedweder Seite: nun thaten die Minnegehrenden an dem Tage so, daß man sie billig rühmen soll, denn mit großer Arbeit erwarben sie Preis. Der Thumvogt von Lengenbach und Herr Wolfker von Gors verstachen an dem Tage viele Speer, Herr Dietmar von Lichtenstein that ritterlich, der höfische Heinrich von Wasserberg that als ein tapfrer Mann, der starke Mann von Chiowe gewann viel Lob, Herr Ulrich von Steutz that es so, daß man ihn rühmen mußte, der biedre von Ottenstein that den Feinden vielen Schaden, Herr Engelschalk von Königesbrunne ritt so hurtiglich, daß man ihn preisen mußte, auch warb der Rebestock ritterlich um Preis. Ich kann nicht jeden nennen, der ritterlich durch den Haufen brach; ich verstach neun Speer.

Der Turney mußte ein Ende haben, wir zogen vom Felde, und jedermann in seine Herberge, so that auch ich. Die gefangenen Ritter wurden da durch Zucht und durch meinen Willen ledig gegeben, dafür mußte ich danken.


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