Ulrich von Lichtenstein
Frauendienst
Ulrich von Lichtenstein

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Siebzehntes Capitel.

Ulrich endigt seine Fahrt.

Am andern Tage zog ich gegen Mistelbach, da wurde auch viel tyostiret, ich verstach zehn Speer, und elf wurden auf mir zerbrochen. Da gab ich den elf guten Rittern elf Fingerlein und fuhr in mein Gemach.

Des andern Tages ritt ich von dannen und mir folgte mancher biedre Mann, wohl zweihundert Ritter. Ich zog die Straße gegen Jelsberg, wo mich der Wirth sehr wohl empfing, das war der Herr Cadolt von Felsberg, er ritt mir mit vierzig Rittern entgegen, ich wurde von ihnen schön und freundlich empfangen, der Wirth hieß mich züchtig bitten, daß ich mit ihm sein möchte, er spracht es soll die Königin durch Zucht hie mein Brot essen, denn so gern ist es Ihr noch nie geboten.

Ich hieß ihm sagen, daß er die Bitte lassen möchte, möchte ich von jemand die Herberge nehmen, so würde ich sie am liebsten von ihm nehmen, er solle es aber nicht übel haben, daß ich auf der Fahrt von Niemand etwas umsonst nehme. Er sprach: Fraue, das soll geschehen, aber ich will Euch hohe und klare Frauen sehen lassen, die Euch gerne schauen, und um sie, edle Königin, geruhet bei mir sein. Ich sprach: die Frauen will ich gerne sehen, wenn Ihr mich der Herberge erlaßt. Da ward der biedre Mann unfroh, daß ich es ihm sogar versagte, und ich ritt in meine Herberge.

Da fand ich gutes Gemach, und alsbald kam für meine Herberge Herr Dietmar von Lichtenstein in schönem Wappenkleid von leuchtender Farbe geziemirt, er hielt da mit aufgehobnem Speer; da kam mein Kammerer, Herr Wolfker von Gors zu ihm, schön geziemirt, und Herr Dietmar von Lichtenstein ritt gegen ihn, die Splittern flogen von ihrer beider Tyoste hoch, und manche schöne Fraue sah ihr Ritterspiel an. Da sie noch tyostirten, sprach ich: bringt mir meinen Harnisch, ich kann es nicht mehr mit ansehen, ich muß hier auch tyostiren.

Da hieß ich den Rittern kund thun, wer um Frauen tyostiren wolle, daß ich dem bereit sei. Sogleich wappnete sich mancher biedre Mann gegen mich, auch ich ward geziemirt, überall war großer Schall in der Stadt, und wir zogen auf das Feld. Da kam gegen mich ein Ritter, der schon manche ritterliche That gethan hatte und immer den Frauen wohl gedient und den Umfang von mancher genommen, Herr Sifrid Waise hieß der biedre Mann, der immer mit ritterlicher Arbeit nach hohem Preise gerungen hatte, der führte ein großes Speer in seiner Hand, und schnell rannten wir gegen einander, der Puneis war lang, Herr Sifrid hatte den Gedanken, daß er mich niederstechen wollte, eben so dachte auch ich, wir trafen beide so, daß Schild und Speere brachen, Schild und beide Knie rührten da einander, die Schild zerkluben sich, durch beide Koller ward gebohrt. Alle, die die Tyost sahen, priesen sie als ganz ritterlich. Nun rannte mich an Herr Berthold der Rebestock, sein Wappenrock, Schild und Decke war geschachet Blau und Gold, sein Speer zerbrach auf meinem Helm, daß er laut erklang, er führte meinen Speer in seinem Schilde von dannen, der hing, wo Schild und Helm zusammen gehen.

Darnach verstach ich noch einundzwanzig Speer; das letzte that in seiner schönen Tyost noch Schaden; ich hatte ein starkes Speer in meine Hand genommen, da kam Herr Ruprecht von Purstendorf gegen mich, ich stach ihm meine Lanze durch seinen Harnisch und Hals, daß er davon hinter das Roß fallen mußte, das Blut drang aus seiner Wunde, daß das Gras naß wurde; man wähnte, er wäre todt, und mit herzlichem Leide ritt ich deshalb vom Felde in meine Herberge. Doch genas der biedre Mann.

Am andern Morgen wollte ich gern fortgeritten sein, da bat ich züchtiglich den Wirth, mein Herr Cadolt von Felsberg, daß ich sein Weib und manche gute Fraue sehen möchte. Ich sprach: um ihn will ich die Frauen gerne sehen, ich will heute Messe bei ihm vernehmen. Da wurde der Bote von Herzen froh, er verkündigte es sogleich dem Wirthe, und die Frauen freuten sich.

Ich legte schöne Kleid an und ritt im hohen Muthe auf die Burg, wo man mich willig empfing; der Wirth und seine Hausfrau gingen mir entgegen, und viele Frauen folgten ihnen eine Stiege herab, deren Kleider fielen manchen Fall ab der Stiege nach dem Tritt, ihre gute Geberde, ihre sanften Sitten, ihr minniglicher Schein thaten meinem Herzen wohl. Da sie gegen mich kamen, wollte ich durch Zucht auch nicht länger stehen, ich ging ihnen entgegen, dessen lächelten alle Frauen, daß ich es so frei anfing und Weibeskleider trug und so schöne Zöpfe, darüber ward da viel gelacht. Der Hauswirth sprach: Frau Königin, seid mir willkommen. Ich neigte ihm mit Züchten; die Frauen grüßten mich auch, und ihrer einer bot ich meinen Kuß, darüber wurde sie rosenroth, dann ging ich zu einer andern, die auch vor Scham roth wurde.

Die Hausfrau nahm mich bei der Hand und führte mich in eine schöne Kirche, eine Messe sang man Gott zu Ehren, und bei mir standen viele Frauen; ich muß gestehen, daß Gott da nicht viel gedient ward. Fast hätte mich da das Netz der Minne und mancher süße Blick gefangen, der von lichten Augen ging, und nur meine Treue wandte es ab, daß ich da nicht von der Minne gefangen wurde, fast hätte es eine von den Frauen gethan, ihre gute Geberde und ihr lichter Schein brach durch meine Augen bis in den Grund meines Herzens und ihr rosenfarbner rother Mund, den ich gegen mich lachen sah und der so süß zu mir sprach: – ei, wäre mir da nicht meine Treue zu Hülfe gekommen, so hätte sie meine Sinne bezwungen. Da ich sie aber so von Herzen ansah, sprach meine Treue zu mir: Wie nun? Wie nun? Was soll denn das sein? Wem willst du denn deine Fraue lassen an der doch nach Gott dein Leben steht? Aendre deinen Muth, denn ich gestatte dir solche Dinge nicht! Da mich meine Treue so bestrafte, wurde mein Herz gar unfroh, daß mir dieser Wank geschehen war, ich dachte: ich will dieses wonnigliche Weib nicht mehr ansehen, sie ist so minnigliche, daß ich wohl Schaden leiden möchte, wenn ich sie länger betrachtete. So warf ich die Augen von ihr und gedachte herzlich: Hätte mich nun der lichte Schein, dieser Frauen in Zweifel gebracht gegen meine liebe Fraue so wäre mir die größte Unbilde widerfahren: nein! ich will sie nicht mehr ansehen! denn meine Augen sind Schuld als sie mich so gütlich ansah und ich ihren rothen Mund erblickte, da ließen meine Augen ihren lichten Schein gleich mitten in mein Herze, das laß ich nun nicht mehr geschehen, denn ich verstatte meinen Augen diese Freiheit nicht mehr; ich sehe, wenn mein Herze meinen Augen folgen wollte so riethen sie ihm wohl, wovon ich immer müßte Haß meinen beiden Augen tragen.

So stand ich in Gedanken, wie die wohl thun, die sich an Weib verdenken, ich wußte nicht mehr, wo ich war, bis man das Evangelium las, da das ein andrer Pfaffe anhub, da besann ich mich zuerst wieder. Da man zum Opfer gehen wollte, bat ich die Hausfrau voran zu gehen, die sprach: dessen sollt Ihr mich erlassen, wie litte doch meine Zucht, daß ich vor einer Königin ginge? Da ging ich zum Opfer und nach mir manche schöne Fraue, man lachte sehr darüber, daß ich so ganz in Frauen-Sitte ging und mich bewegte, mein Tritt war kaum händebreit: wie langsam und sanfte ich ging, so kam ich doch wieder an die Stelle, wo ich erst gestanden hatte, da trug man das Pace her in einem Buche, das nahm ich so wie die Frauen thun; da ich das Pace empfangen, bot ich es dort und hie, aber keine Fraue wollte es empfangen ich bot es der Schönen, aber die Tugendreiche sprach: Ihr sollt des Pace's mich erlassen, da man Euch für einen Mann hält.

Da endete sich die Messe, und ich nahm Urlaub. Der Wirth und seine Hausfrau baten mich, da zu imbissen, ich sprach: ich thäte es gern, nur habe ich es verlobt, und darum kann es nicht sein; ich habe diese Fahrt so gethan, ohne das mir Jemand etwas gegeben hat, außer der Eine, der ich zu Diensten bin, die hat mir hohen Muth gegeben. Mich segnete da mancher süße Mund, sie sprachen: Frau Königin, wohin ihr fahrt, lasse Euch Gott selig sein!

So schied ich als ein hochgemuther Mann von den Frauen und ritt in meine Herberge und sandte den Rittern Fingerlein, deren waren dreiundzwanzig, zweiundzwanzig Speer hatte ich da verstochen. Darnach ritt ich schöne von dann, mit einem neuen Mantel und einem neuen Röcklein; ich zog über die Thye in das Böheimland, da stand eine wunnigliche Aue, da wappnete ich mich bald, und mich bestund ein stolzer Ritter, Herr Otte von Schönenkirchen; die Splitter steckten in den Schilden, und der Tyost war ritterlich ergangen. Wohl hundert Ritter waren zu Felde gekommen, die ehrbegierig hin und her sprengten, da wurde viel Tyost getrieben, daß oft ihrer drei gegen mich ritten. Als ich fünfzehn Speer verstochen hatte, kam der Vogt von Lengenbach, der Thurmvogt genannt, und verstach ein Speer gegen mich, auch verfehlte ich sein nicht, dann band er den Helm ab und ritt zu mir und sprach: nun gestatte ich es Euch nicht mehr, wenn Ihr auch noch so stark seid, so habt Ihr doch genug gestochen.

Er nahm mein Roß beim Zaum, so sehr ich es ihn auch zu lassen bat. Nein, sprach er, ich lasse es nicht (und nahm mir das Speer aus der Hand), viel edle Königin, Ihr sollt jetzt mit Tyostiren aufhören, das bitte ich Euch um Eurer Frauen willen. Da ließ ich es mit sanfter Sitte. Ich gab ihm den Schild und band den Helm vom Haupte, den fliegenden Aermel von dem Röcklein warf ich über mein Antlitz, wodurch ich doch sehr gut sah. Auf dem Felde ward noch mancher schöne Tyost geritten, Speer, Schilde und Helme lagen da verstreut, auch etliche Tyostirer waren auf das grüne Gras gefallen.

Da sprach der Thumvogt zu mir: Fraue, viel edle Königin, Ihr sollt nicht länger bei uns sein, denn Eure Fahrt ist wohl vollbracht, nun laßt Euer Gesinde mit mir fahren. Ich that nach seinem Rath, und eh' ich schied gab ich noch neunzehn Fingerlein hin. Im Holze entwappnete ich mich und nahm minniglich von meinem Gesinde Urlaub, heimlich ritt ich mit einem einzigen Mann hinweg, der mir hold war, das war des Thumvogts Knecht, der hieß Chol von Brounhoven, der kannte alle Straßen gegen Wien durch das Land gar wohl.

Ich kam bald nach Wien und nahm heimlich eine Herberge, worinnen ich drei Tage war. In dieser Zeit wurden mir Wappenkleid für fünfzig Ritter bereitet und künstlich geschnitten. Als ich von meinem Gesinde fortgeritten war, nahm mein Kammerer meine drei Pferde, die Mäntel und die Röckelein, er legte alles, und was noch zu den Frauenskleidern gehörte, auf die Pferde, so führte er es aus der Aue, wo er die Ritter fand; da diese mich nicht mehr sahen, und wie mein Gewand auf den Pferden lag, sprachen sie: wo ist die Königin? Mein Kammerer sprach: meine Frau die Königin hat wahrlich übel an mir gethan, sie hat mich hie verlassen, daß ich nicht weiß, wohin sie gekommen ist, diese Pferde und diese Kleider sind zurück geblieben, rathet mir, was ich damit thu? Da sprach der Thumvogt: kluger Knappe, es dünkt mich gut, daß Ihr es hie den Fahrenden gebt, Euere Fraue ist wohl anders Gutes reich, daß ihr diese Gabe nicht schadet. Da sprach mein Kammerer: Herre, ich will Euch folgen. Da gab er alles den Fahrenden, und der Thumvogt unterwand sich meines Gesindes und führte es mit sich. Da ritten die Ritter wieder über die Tye nach Oesterreich, gen Felsberg, zu dem hochgelobten Wirth, Herrn Chadolt von Felsberg. Er empfing die Ritter alle wohl, sie mußten die Nacht bei ihm bleiben, und gute Speisen, Meth und Wein gab er ihnen völliglich. Am andern Tage ritten sie davon.

Da sprach der Thumvogt auf der Straße zu meinem Kammerer: Freund du sollt mir sagen, wie viel Speer hat deine Frau auf dieser Fahrt verstochen? Der sprach: ich will es Euch sagen, drei hundert und sieben hat sie auf dieser Fahrt verstochen, und Gott hat sie sonderbar bewahrt, daß es ihr nie mißlang, ich wähnte nicht, daß das geschehen könnte, als sie die Fahrt begann; sie hat zwei hundert ein und siebzig Fingerlein hingegeben, und so viele Speere sind auf ihr verstochen, und kein einziges Mahl hat sie sich nur geneigt, sie aber hat vier Ritter mit rechter Tyost auf das Land gestochen, Gott lasse sie immer selig sein.

Da sprach der Thumvogt: Gott weiß, mir ward nie eine so rechte ritterliche Fahrt bekannt, sie hat mit Recht hohe Ehre davon gewonnen. Die Ritter, die dabei ritten, sprachen: wer sie nicht preiset, der müsse immer unselig sein, was sie gethan hat, muß man immerdar, auch in künftigen Zeiten, rühmen. Da wurde viel von mir gesprochen, diese redeten so, die andern so, manche freuten sich meines Glückes, manchen war es ein Herzeleid. Wohl dem, der so beneidet wird!


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