Ulrich von Lichtenstein
Frauendienst
Ulrich von Lichtenstein

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Drittes Capitel.

Ulrich läßt sich um seiner Frauen willen den Mund schneiden.

So schied ich mit hohem Muthe von dann, weil ich ihr einen Boten gesandt hatte, der ihr meinen Willen kund thun sollte. Fünf Wochen ritt ich umher und sah Frauen; indeß war meine Niftel nach meinem Begehren zu meiner Frauen gefahren, was ich auch sogleich vernahm. Ich freute mich, und ritt sogleich zu meiner Niftel, sie empfing mich freundlich und sprach: ich habe um dich gethan, was ich billig gelassen hätte, und was dir dort auch wenig zu statten kommt. Nun sitze zu mir nieder, so sage ich dir, was meine Frau zu mir von dir geredet hat, und was ich gesprochen: ich habe ihr kund gethan, daß sie dir lieb sei, mehr als alle Weib, daß du Leib und Gut in ihre Gnade ergeben hättest, und daß dein Herze nie vom sehnlichen Band der Minne erlöst würde, wenn sie dir nicht ihre weibliche Güte erzeigte; ich sagte zu ihr: Frau, wenn er auch alle Reich besäße, die gäb' er um Euren Gruß.

Dann las ich ihr deine neuen Lied, eh' ich von ihr ging; da sprach die Reine: die Lied sind wahrlich gut, aber ich will mich ihrer annehmen, drum schweige still mit deiner Rede; wenn dein Neffe ein biederer Mann wird, das gönne ich ihm mit Recht, denn er ist sonst mein Knecht gewesen, aber solche Rede soll er lassen, denn ich will sie ihm nimmer gewähren, er soll die Dummheit lassen, denn ich werde seinen Dienst nie annehmen, es wäre ihm, weiß Gott, zu viel. Da sprach ich: zürnt nicht, Frau, es geschieht ja oft, daß ein junger Mann so hoch begehrt, wenn es ihm auch nimmer gelingt, sie werben nur um hohen Muth, so hoch Ihr geboren seid, hat er Euch doch zu seiner Frauen auserwählt. – »Nun schweig, kein Mann hat noch so hohes Lob getragen, der nicht noch dadurch getheuert wurde, wenn ich seine Dienste annehme, wozu ich doch nie keinen Willen getragen, ja, es war noch kein so biederer Mann, der mich verdienen möchte, darum soll er es sich auch versagen; wäre er aber auch in aller Würdigkeit ganz vollkommen, (wie ich von ihm doch noch nicht gehört habe) so müßte einem Weibe doch immer sein ungefüge stehender Mund leid sein, denn der steht ihm übel, erlaub' es mir zu sagen, wie du selbst wohl weißt.« – Nun wollte sie von dir nicht mehr reden, drum ist mein Freundes-Rath, daß du sie Dienstes frei lassest, da ihr Muth so hoch steht. –

Niftel, darinn folg' ich dir nicht, daß ich durch jemands Rath meine Frau sollte aufgeben, denn nur der grimme Tod kann mich aus ihrem Dienst vertreiben.« – »So will ich aber nicht mehr dein Bote sein.« – »Nein, liebe Niftel, du sollst nicht verzagen, ich will mir bald meinen Mund schneiden lassen, wie mir auch geschehen mag, da sie meint, daß er mir übel stehe; fürwahr, mein Mund muß ihr besser gefallen oder noch tausendmal schlimmer; denn weil ihn meine Fraue ungern sieht, so schneid' ich in kurzer Zeit ab, was daran misse steht.« – »Ich rathe dir in rechten Treuen, daß du dich nicht so verderbest, lebe, wie dich Gott geschaffen hat und nimm das, was er dir gegeben, für gut, denn das ist kein verständiger Sinn, wenn du anders willst, als er will.« – »Niftel, Gott behüthe dich, ich habe mich drein ergeben, und wie es mir gelinget, will ich dir nicht verschweigen, ich bitte dich, daß du es dann durch deine Treue meiner herzlieben Frauen entbietest.« – »Das versprech ich dir, Neffe, aber es ist mir leid, daß du nicht davon abstehen willst.« –

So ritt ich von ihr nach Grätz in Steierland, da thät ich dem besten Meister alsogleich meinen Willen kund. Der sprach: jetzt kann es nicht geschehen, vor dem Maien schneide ich Euch nicht, im Maien aber schwöre ich Euch, Euren Mund also zu machen, daß ihr dessen froh seid, denn ich bin des Dinges ein ganzer Meister.

Nun ritt ich im Winter wieder hin, Frauen zu sehen, bis der süße Sommer kam, und ich die Vöglein singen hörte, da dacht' ich: nun mag wohl die Zeit sein, daß ich nach Grätz hin muß. So ritt ich hin in Gottes Pflege, und unterwegs begegnete mir meiner Frauen Knecht, ich erkannte ihn und er mich, und er fragte mich, wo mein Sinn hin stände. – »Gesell, will dir nun fremde Mähre erzählen, wisse, daß ich gesund bin und mich doch selbst verwunden will, man soll mich zu Grätz schneiden.« – Der Knappe segnete sich und sprach: Nun, Herre, wo denn? Ich sprach: Geselle, sieh, von den Lefzen, deren ich dreie habe, will ich eine abschneiden. – »Wenn das wahr ist, so helfe Euch Gott, denn es ist eine wunderliche Geschichte; meiner Frauen, die es wohl nicht weiß, will ich es als ein großes Wunder sagen, Ihr seid wahrlich ohne Sinne, daß Ihr Euch so wagen und wohl gar todt liegen möget.« – »Nun sage es, wenn du willst, denn es muß auf dieser Fahrt geschehen.« – »So will ich es, wenn es mit Euren Hulden sein mag, mit anschauen, und will auch meiner Frauen sagen, daß Ihr mich mit habt haben wollen, anzusehen, wie Euch geschieht.« –

Ich ritt hin nach Grätz, wo ich auch meinen Meister fand. Eines Montags Morgens fing der mich zu schneiden an, er wollte mich binden, ich wollte aber nicht, und er sprach: es kann Euch Schaden geschehen, denn rührt ihr Euch nur um ein Haar, so nehmt ihr Schaden. Ich sprach: ich bin willig daher zu Euch geritten, und wenn ich auch todt liegen sollte, wie weh mir auch von Euch geschieht, so soll man mich doch nicht wanken seh'n.

Ich fürchtete mich doch sehr und saß vor ihm auf einer Bank er nahm ein Messer und schnitt mir den Mund ob den Zähnen durch, was ich so sänftlich erlitt, daß ich auch davon nicht wankte; er hatte meisterlich geschnitten, und ich hatte es meisterlich ausgehalten. Als es geschehen war, geschwoll mir mein Mund, und er that der Wunden ihr Recht. Der Gesell hatte es alles mit angesehen und sprach: wenn Ihr geneset, so bin ich gerne hier gewesen, als ich neulich von Euch ging, und meine Frau die Botschaft hörte, daß man Euch schneiden sollte, konnte sie es nicht glauben, sie sprach: er thut es gewiß nicht, denn es dünkt mich dummlich gethan: nun habe ich selbst gesehen, welch Wunder an Euch geschah, jetzt will ich fort reiten, der reiche Gott möge Euch bewahren und Euch bald gesund machen, ich will meiner Frauen kund thun, daß man Euch den Mund geschnitten, und wie mannlich Ihr es überstanden habt. – »Du sollst von mir deiner Frauen nichts als meine Dienste sagen, ich darf ihr nicht mehr entbieten; doch wenn du sonst willst, denn sage von mir: was hier mein Leib erlitten hat, das sei um ein Weib geschehen, die gesprochen hat, mein Mund stünde mir nicht wohl, was der an mir nicht behaget, das wird auch von mir gehaßt, und wenn sie sagte, meine rechte Hand gefiele ihr nicht, so schlüge ich sie ab, bei Gott! denn ich will nichts anderes, als was sie will.« –

Der Knappe ritt von mir, und ich mußte wohl sechstehalb Wochen als ein siecher Mann darnieder liegen, mir war wohl und weh; weh, denn mein Leib war wund, wohl, denn mein Herz war froh. Von Hunger und von Durst mußt' ich großen Ungemach leiden, ich konnte nichts in mich bringen, Zähne und Mund thaten mir weh, eine grüne stinkende Salbe wurde mir außerdem in den Mund gestrichen, wenn ich nun aus Noth essen oder trinken mußte, so ging die Salbe auch in mich, so daß mir Essen und Trinken widerstund, davor aß ich wenig, und mein Leib wurde sehr geschwächt. Ich blieb so lange in Grätz, bis mein Leib wieder genesen war.


 << zurück weiter >>