Ulrich von Lichtenstein
Frauendienst
Ulrich von Lichtenstein

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Viertes Capitel.

Wie Ulrich mit seiner Frauen zuerst sprach.

Ich ritt hierauf mit Freuden zu meiner Niftel, sie sah mich schon ans der Ferne und sprach zu mir: Niemand soll dir nun deinen Mund verweisen, denn er steht dir jetzund wohl, auch habe ich alles erfahren, was du so unverzagt erlitten hast, ich habe alles aufgeschrieben und will es dahin senden, wo deine Liebe um Gnade bittet, und daß du es um sie habest wagen wollen, um das eine Wort, das sie damals gesprochen, daß ihr dein Mund nicht gefiele. – »Lohne dir Gott, Niftel, süßes Weib, getreuer Bote, du thust mir so wohl, daß ich es um dich nie verdienen kann; ich habe auch wieder neue Lied gesungen, die sollst du ihr um meinetwillen senden, ich habe sie gedichtet, als ich zu Grätz siech lag.

 
2) Eine Tanz-Weise.
       

Alles Singen ich vermeide.
Von der Nacht, die gibt mir Freuden nicht,
All meine Freude
Liegt nur am Tage, denn der ist licht,
Auch ist sein Schein
Der Frauen mein
Viel gleich, drum muß er selig sein.

Der mag von Schulden
Loben die Nacht, dem selig Lager ist bereit,
So muß ich dulden
Sehnende Leid, darum trag ich ihr Neid
Und lobe den Tag,
Wenn ich sie mag
Sehen, die mir wohl heilet Sorgen-Schlag.

Den Tag ich ehre,
Da ich die viel Gute zuerst sach,
Denn immermehre
Gibt mir die Nacht nur Leid und Ungemach,
Sie ist mir gram,
Ich ihr alsam,
Wohl dir Tag, viel selig sei dein Nam!

Wann mich besessen
Nachtes haben die Sorgen mit großer Schaar,
Das wird vergessen,
Wann mir der Tag erscheinet klar,
So kommt ein Wahn,
Daß ich soll gahn
Die viel Schöne heimlich sehen an.

Viel gerne ich wollte
Loben die Nacht, erginge es jemals so,
Daß ich ihr sollte
Nahe liegen, die mich nun macht unfroh,
Wer wär' ich dann,
Ich selig Mann!
Weh! daß mir's die Güte nimmer gann!

»Lied und Brief sende ich ihr wahrlich hin und will ihr auch alles von dir entbieten, und daß ich dich gesehen habe, und daß dir der Mund recht steht, wie einem andern Mann; den Brief, den sie mir dann herwieder sendet, will ich dir schicken, denn es ist dir gut.« – »Ja, liebe Niftel, und dein Bote findet mich bei der Mur.« –

So schied ich von ihr und ritt hohen Muthes nach Lichtenstein. Meine Niftel nahm Lied und Brief und sandte sie meiner Frauen; als sie beides gelesen, schrieb sie gleich einen Brief. Als der Brief zu meiner Niftel kam, mußte sogleich ein Bote auf sein, der ihn mir brachte. Der Brief machte mein Herz freudenvoll, er sprach also:

Meine Huld und auch den Dienst mein entbiete ich dir vielwilliglichen und thu dir kund, daß ich mich hebe von dem nächsten Montage von dem Hause, da ich jetzo auf bin und fahre hin zu dem Hause, wo du wohl weist, und bin über Nacht in dem Markt, der bei dir liegt: Nun bitt' ich dich, laß es nicht, und komm zu mir dahin, so will ich dir alles das antworten, was du mir entboten hast, will auch dein Neffe dahin kommen, den sehe ich gerne, um seinen Mund, wie ihm der steh, und um anders nicht. –

Ich hub mich auf die Fahrt, als mir der Brief gelesen wurde, ich ritt freudig zu ihr, da war sie aber leider so behütet, daß ich sie den Abend nicht sah. Ich schlief die Nacht nicht vor Kummer, und als nun die Sonne aufging, da stund ich auf und ging hin, wo ich ihr Gesinde fand, Ritter und Knecht, die grüßte ich, und sie dankten mir als Freunde. Darnach sang ihr Caplan eine Messe, wo ich meine Frau sah, furchtsam ging ich zu der Tugendreichen, die mich mit einer Neigung empfing, mir aber mit Worten keinen Gruß sagte. Die Messe war mir gar zu kurz, was man aber sang oder las, davon vernahm ich nichts, ich sah nur immer das reine, süße Weib an. Als die Messe geendet, da hieß man mich und alle andre Mann hinausgehen, meine Frau stieg auf und ritt fort, ich ging hin, wo ich meine Niftel fand, die lachte und sprach freundlich: du bist ein seliger Mann, meine Frau hat dir erlaubt, daß du heut mit ihr reden sollst, was dir gut dünkt, du sollst auf dem Wege heut zu ihr reiten, rede mit ihr was du willst, jedoch nicht zu viel.

Da war ich froh. Ich ritt gleich nach der Werthen, wo ich sie vor mir reiten sah, mein Herz sprach in Freuden: Nun hin, nun sollst du mit ihr reden, alles was dir gefällt, unbehütet reitet sie vor dir, nun sprich mit ihr, was dich gut dünkt!

So ritt ich kühnlich zu ihr hin; als sie mich bei sich gewahr ward, kehrte sie sich von mir um, da ward mein Sinn so zaghaft, daß mir die Zunge alsbald verstummte, und mir das Haupt niedersank, also war ich jegliches Wortes beraubt. Ein andrer Ritter jagte zu ihr, da sah ich auf und blieb furchtsam und verzagt hinter ihnen, da sprach mein Herz wieder: nun, du verzagter Leib, du fürchtest eine so gute Frau? Weiß Gott, sie hätte dir nichts gethan, wenn du nur hättest sprechen können. Höre, Leib, willst du mit Worten verzagt sein, so kann dir nie Liebe geschehen, und scheidest du so von ihr, so wird sie dir nimmermehr hold, sondern muß dich für einen Zagen halten.

Wie mein Herz mich so bestrafte, ermannte ich mich wieder und ritt zu ihr; die reine Süße sah mich an, und von ihrem Ansehen erschrak mein Leib so, daß ich wieder schweigen mußte, die Kraft der Minne band mir meinen Mund zusammen, ich wußte wahrlich nicht, wo ich saß. Leib, sprach nun wieder mein Herz, unselig müssest du sein, denn du bist ein böser Mann, da sie dich so freundlich ansieht, hast du doch nicht mit ihr, recht als wärest du ein Wicht, gesprochen. – »Sieh, mein Herz, wenn ich gegen sie was sprechen soll, so weiß ich nicht, wovon es geschieht, daß ich kein Wort kann sagen, der Mund wird mir so versperrt, daß ich Unseliger kein Wort herfür bringen kann.« – »Leib, du sollst mir glauben, daß du dir selbst groß Unheil schaffst, ich und du erleiden Plagen, und keine Stunde ist uns wohl, aber wenn dein böser Mund nicht mit Worten meinen Willen kund thut, so muß es dein Ende sein; sieh doch, das werthe Weib reitet vor dir, ganz allein und unbehütet, wie bist du so furchtsam, daß du nicht zu ihr reitest und ihr all deinen Sinn sagst? Nur hin, das ist mein Rath, weil du sonst die Gelegenheit verlierst.« –

Nun ritt ich wieder zu ihr und fühlte, daß ich vor Furcht bleich war, meine Angst zu sprechen war groß, das Herz sprang mir in meiner Brust, es gelüstete ihm sehr, zu ordnen, es sagte; nun sprich! nun sprich! nun sprich! da dich Niemand hindert.

Wohl zehnmal that ich den Mund auf, zu ihr zu sprechen, da lag aber die Zunge nieder und wollte kein Wort sagen. So schied ich von ihr wieder wie erst, daß ich ihr kein Wort sagte, das geschah mir dieses Tages wohl fünfmal.

Die Tagereise nahm ein Ende, und die Reine, Süße, Gute kam an, wo sie in der Nacht sein sollte, da war mein Herz sehr traurig. Man hieß die Frauen von den Pferden heben, ich nahm das Hebeeisen und hob manche klare Fraue ab. Die Falschesfreie hielt noch immer auf ihrem Pferde, und viel Ritter und Knappen standen um sie, mit denen sie ihr Scherz und Spiel hatte, da ich mit dem Hebeeisen zu ihr kam, sprach sie: Ihr seid nicht stark genug, daß Ihr mich abheben möget, Ihr seid zu krank und schwach. Des Scherzes ward gelacht, und sie trat auf das Hebeeisen; als sie aus dem Sattel stieg, ergriff sie mich bei meinem Haar, und ohne daß es Jemand sah, brach die Gute mir heimlich eine Locke aus: »daß habt dafür, daß Ihr verzagt seid! Man hat mir von Euch nicht wahr gesprochen.«

So ging die Gute zu ihren Frauen, und ich stund in tiefen Gedanken; wie ist dir nun geschehen? Sie hat Recht, daß sie so bösen Mann nicht achtet, ich habe es gegen sie verschuldet. Indem kam ein Ritter zu mir und sagte, man sollte die Frauen nun in ihr Zimmer gehen lassen, und so ritt ich in die Herberge, in meiner Trauer bat ich Gott, daß er mir das Leben nehmen möchte. Ich ging allein in eine Kammer und sagte den Leuten, ich sei krank, so fühlte ich mich auch, denn mein Leib wandte sich nach allen Seiten, und ich klagte laut: O weh! o weh! Wie bin ich doch zum Unheil geboren! Nimmermehr werde ich wieder froh, und alles Unglück, das mir begegnen kann, hab' ich verdient. Wie war es möglich, daß ich zu ihr kein einzig Wort sprechen konnte? Darum muß immer meine Zunge und mein Mund unselig sein, und darum werde ich nie wieder froh, weil ich so durch eigne Bosheit meine Frau verloren habe.

So lag ich die Nacht in mancher Klage, bald saß ich, bald lag ich, jetzt ging ich, nun wand ich mich dort, nun wand ich mich hie, oft rang ich meine Hände. Einer meiner Mage kam am Morgen zu mir und fragte mich, was fehlt dir? Ich sprach, mir thut das Herz so weh, als ob es mir brechen wolle, und drum mag ich weder sitzen noch stehen. Er sprach, es ist ein Arzt hier; so bringe mir den, antwortete ich. Er ging sogleich nach dem Meister in die Stadt, ich aber ließ mir alsbald ein Pferd vorführen und rannte recht als ein rasender Mann nach der Stelle, wo ich gestern die Gute gelassen hatte. Als ich mich dem Orte näherte, sah ich, wie sie mir von dort in Frauen-Weise in einem Mantel entgegen ritt: als sie mich sah, neigte sie mir, und nun schwieg ich auch nicht länger: Gnade, sprach ich, meine Fraue, Ihr müßt mir gnädig sein, denn an Euch liegt alle meine Freude, Ihr sollt mir glauben, daß ich Euch seit meinen frühsten Jahren gedient habe, als ich Euch zuerst kennen lernte; laßt mich drum Euer Ritter sein und erlaubet mir um Eure Tugend diesen Dienst, denn nie kann ich jemals etwas so edles gewinnen, als Euren reinen süßen Leib, um Euch will ich mein Leben wagen in ritterlicher Arbeit und will Euch als Euer Ritter bis zu meinem Tode dienen. –

»Schweiget, denn Ihr seid ein Kind und so hoher Dinge unverständig, reitet gleich fort von mir, so lieb Euch meine Huld ist.« –

»Wohl habt Ihr Recht, meine liebe Fraue, daß ich noch zu dumm bin, um ganz auszusprechen, was mein Sinn meint, sonst bin ich weise genug, um in Eurem Dienst den Preis eines Ritters zu gewinnen.« –

»Fahrt jetzt von mir, das ist mein Rath, wenn Ihr noch Sinne habt; laßt Euer Flistern, denn Ihr wißt wohl, daß man mein hütet, hat Jemand Eure Rede gehört, so mag es Euch zu Schaden kommen; laßt mich! wahrlich, Ihr seid ein verdrüßlicher Mann.« –

Indem sah die Gute sich um, und sprach zu einem Ritter: reitet doch her zu mir, denn es ziemt sich nicht, daß nur ein einziger Ritter neben mir reite, sehet, daß das nicht wieder geschehe! Ich sprach, sie hat Recht, denn es ist eine Unhübschheit, daß Ihr sie selbander reiten laßt, heißt mehr herkommen. Indem kamen ihrer Sechs herzu, die nach Rittersitten mit ihr ritten. Ich nahm Urlaub und war von Herzen froh, daß ich meiner Frauen nun doch einen Theil meiner Gedanken gesagt hatte.


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