Ulrich von Lichtenstein
Frauendienst
Ulrich von Lichtenstein

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Neuntes Capitel.

Wie Ulrich seinen Finger abschlug, und sandte ihn seiner Frauen.

So schied mein Bote von ihr und kam zu mir zurück; da ich ihn kommen sah, sprach ich: nun, lieber Bote, sage mir endlich. was mir die Süße durch dich entbietet, vielleicht werde ich hochgemuth. – Nichts entbietet sie Euch und hat mir sehr verboten, daß ich ihr von Euch nichts mehr sage, sie spricht, daß sie mit Recht drum zürnen müsse, weil Ihr sprecht, Ihr hättet Euren Finger um sie verloren, und es sei doch nicht wahr, sie wisse daß Ihr den Finger noch habt, und daß Ihr nur ein wenig wund geworden; mit losen Worten hätte ich ihr von Euch gelogen, und darum haßt sie mich; zwar gönnt sie Euch den Finger wohl, nur ist sie über die Lüge erzürnt.«

Ich dachte: will mir meine Frau um meinen Finger gehaß sein, dann kann wohl Rath werden, da er mir doch etwas gekrümmt ist, ich schlage ihn ab und sendte ihn ihr, so müßt sie es doch wohl glauben, daß er verloren sei, wenn sie ihn selbst sieht.

Da ging ich von den Boten weg, wo ich einen biedern Mann fand, der Herr Ulrich von Hasendorf genannt war, der war mir immer zu Diensten bereit, den bat ich um seine Treue, daß er mir meinen Finger abschlüge.

Er sprach: Nein, Herr, so wäre ich wohl ohne Sinne, und thäte ich eine große Missethat, übereilt Euch nicht, Euch so zu verderben. Ich sprach: ich lasse es nicht, wie ich auch daran zu Schaden komme, bin ich Euch aber je lieb gewesen, so sollt Ihr es jetzt erzeigen und mir den Finger abschlagen, denn ich habe ihn ungern; thut es darum, denn es ist ein Freundes Dienst. – »Ich thu alles, was Ihr wollt, denn ich habe Euch mir zum Freund erwählt und bin Euch mit Diensten unterthan.«

Da nahm ich sein Messer und setzt' es auf meinen Finger und sprach: nun schlage zu, biedrer Mann! Er schlug, und der Finger sprang ab. Die Wunde blutete kräftig, da kam mein züchtereicher Bote zu mir und sprach: was thut Ihr? Ihr habt Euch den Finger abgeschlagen? O weh, so muß ich trauern, daß ich jemals ein Wort zu Euch gesprochen habe. – »Freund, zürne nicht und bringe ihr meinen Finger und sage ihr von mir, daß ich ihr alle meine Jahre mit rechten Treuen diene, und will sie mir es nicht danken, daß ich sie vor allen Frauen zur Liebe habe erkohren, so ist es eine Missethat.« – »Mir ist leid, daß Ihr es gethan habt, da es aber einmal geschehen ist, so richtet eine Botschaft mit süßen Worten und sendet sie ihr, und auch den Finger durch mich, ich gehe gern, und Gott gebe, daß es Euch wohl gerathe.« –

Alsbald begann ich zu dichten ein viel gefüges Büchlein, mit diesem sandt' ich den Finger hin, wo die Süße war, man band das Büchel in einen grasgrünen Sammt, dann ließ ich von einem Goldschmied zwei goldene Bretlein wirken, darin band man das Büchel, und was die Sperre sollte sein, das waren zwei kleine Hände gar löblich gemacht, und darein machten wir den Finger. Hierauf bat der Bote Urlaub, er ritt von mir, und als er zu der Guten kam, nahm er heimlich das Büchlein und ging mit großen Sorgen zu ihr hin.

Sie sprach: ich will dich doch grüßen, wie du mich auch erzürnt hast, und hast du etwas Neues zu sagen, so erlaube ich es dir. – Ja, Fraue, sprach der Bote, mein Herr hat Euch hier ein kleines Büchlein gesandt, das auch seinen Finger bringt.

Der Bote gab ihr das Büchlein, und da sie den Finger ersah, sprach die reine Gute: O weh, das ist eine große Geschicht! die Dummheit hätt' ich ihm nicht zugetraut, daß je ein verständiger Mann so was thun würde. Sie machte das Büchel auf und fand darin geschrieben, wie ich ihr immer mit Treue dienen wollte: Ihr sollt hören wie es sprach.

 
Das zweite Büchlein.
           

O weh, Minne, wo ist dein Rath?
Wie rechte nahe es mir gaht,
Daß du mir so lange Frist
Fremde und also ferne bist,
Mit tröstlicher Lehre
Und doch mit Herzens-Schwere
Mir also rechte nahe liegst,
Und mir nichts als Kummer gibst:
Des mag sich wohl deine Güte schamen,
Du kränkest deinen süßen Namen,
Da du doch Minne bist genannt,
Und doch gegen mir hast gewandt
So gar unminnigliche Sitte,
Da kränkest du deine Ehre mitte;
Du ehrest manchen falschen Mann,
Der dir nicht danken kann,
Und übersiehst an Ehren die,
Die von dir wankten nie:
Das ist an mir wohl worden Schein,
Ich war stets der Diener dein,
Und will halt, wie es mir ergeh,
Bei dir beleiben immermeh,
Nu bist du Lohnes gegen mir zu las,
Du möchtest einen Heiden bas
Besorgen und bedenken;
Wie lange willst du wenken
Deine tröstliche Hülfe an mir?
Nu hätt' ich doch empfohlen dir
Viel ferne auf die Genade dein
Den kleinen gefügen Boten mein,
Den ich zu Boten über Land
Der werthen Reinen hätte gesandt,
Der minniglichen Guten,
Der werthen Hochgemuthen,
Der Hohen, der Werthen,
Der werthesten auf Erden,
Ich meine die werthe Fraue mein,
Der Ritter ich soll immer sein,
Und immerdar viel unterthan,
Dieweil ich Leib und Leben han,
Demselben armen Boten mein
Solltest du Geleit gewesen sein,
Und ihn zu Hofe haben bracht,
Und daß er selber wär' unverdacht,
Des solltest du ihm durch deine Ehre
Beweiset haben deine Lehre,
Da ließest du ihn unterwegen,
Davon ist danieden gelegen
Die Botschaft und alle meine Ehre,
Verschmähet allzusehre
Und verführet in manchen Spott
Ward die Botschaft und der Bot,
Was aber er verwendet habe
Meiner langen Ungehabe
Und meiner Herzens-Schwere,
O weh, das ist ein' Märe,
Das ich wohl sanft entbehre.

War aber ihm dort gescheh'n
Leides und Schmäh 'n,
Das konnte ich erfinden hie
Mit keiner Frage nie,
Nur daß ich Leid und Ungemach
Wohl an seinen Geberden sach,
Und daß ich ihn seit nimmermeh
Mit keiner Bitte, keiner Fleh,
Mit süßem Wort, mit scharfer Droh
Weder so noch so
Erbitten noch erzwingen kunnte,
Daß er noch zu einer Stunde
Zu Hofe wäre wieder kommen,
Und das hätte allda vernommen
Wie man mein da gedächte,
Ob mich meine Fraue zu Aechte
Oder zu Banne hätte bracht,
Oder was ihr wäre gegen mir gedacht;
Da bracht' er mir ein' Märe,
Daß ein Zweifelere
Viel leichte möchte erschrocken sein,
Eine Rede die mir die Sinne mein
Hätte verirret und all den Muth,
Nur daß ihre Güte ist also gut,
Was sie gegen mich auch sprechen kann,
Da soll ich nimmer nicht an
Verdenken noch versinnen,
Als nur Gnade und Minnen:
Sollt' ich durch fremden Gruß verzagen,
Sollt' mich ein Wörtern verjagen
Von meiner hohen Hoffnung hin,
So hätte ich nicht Herze noch Sinn;
Sollt' ich also kehren
Von meinen besten Ehren,
Die ich zur Welt haben soll,
Wie könnte mir danne gelingen wohl,
Wie sollt' ich, Armer, dann leben?
Wollt' ihr mir solchen Rath geben,
Herzens-Meisterinne,
Ich meine Euch, Frau Minne.
Das vertraue ich Euern Gnaden nicht,
Daß ihr der werthen Zuversicht,
Die ich gegen meine liebe Fraue han,
Mich jemals heißet abe gestahn,
Wann das, so folg' ich eurer Lehre
Noch Eurem Rathe nicht mehre,
Denne einem sehr tobenden Mann
Der Rath und Sinne nie gewann,
Und bitt' mir also helfen Gott.
Daß mir mein selbes Bot
In meinem sehnenden Ringen
Je durfte bringen
Von meiner Frauen Märe
So gar untröstebere:
Er hätt' es so theuer
Gebüsset in dem Feuer,
Daß er wäre gar verbrannt,
Nur das er meiner Frauen Hand
Viel kürzlich hat gerühret,
Er wäre also zerführet
Recht wie die Läuber thut der Wind
Immer wenn sie gewalket sind,
Und daß er so wohl vor mir genas
(Wie nahe ihm der Tod was)
Das danke er nur der Frauen mein,
Hiemit soll sie geehret sein.
Wenn es mein Feind wäre,
Der mir Herzens-Schwere
Thät ohne alle Schulde,
Dem wollt' ich durch ihre Hulde
Erbieten Dienst und Ehre,
Geruhte sie's, die Here;
Nu geruhet sie aber, die Reine,
Leider allzukleine,
Treue und Dienste von mir,
Selge Minne, das klag' ich dir,
Und bitte dich, Fraue here,
Rathes und Lehre,
Der bedarf ich beider sehre. –

»Und könnte ich, wie dein Kummer staht,
Freundeslehre und Freundesrath
Auf ein so freies Leben
Nach meinem Willen wohl geben,
So helfe mir Gott, den gebe ich dir,
Und wolltest du's vertrauen mir
Ich weiß nicht Rath so gut
Als Treue und steten Muth
Gegen werthes Weibes Hulden,
Damit mag man verschulden
Ihren Freundesgruß, ihre Herzensgunst;
Beßre Lehre und beßre Kunst,
Bessern Rath und beßre Sinne
Zu werben werthe Minne,
Die waren stets unternommen,
Wie man soll bas zu Heile kommen,
Denne daß man werthen Weiben sei
Mit Treuen stetes Dienstes bei,
Und alles das viel unverzaget,
Damit man ihre Gunst erjaget,
Das ist wohl die viel werthe Ritterschaft,
Damit man mit der Tugende Kraft
Allen Schanden widersteh,
Ich weiß nichts so Gutes meh,
Dasselbe das war stets mein Rath,
Seit der Rath dein Herze hat
So komm des Rathes nimmer abe,
Und wie ich dir gerathen habe,
So habe in stetem Muthe
Den Rath in steter Huthe,
Daß du dem besten Weibe,
Ihrem Herzen und ihrem Leibe
Deine Zeit und deine Jahr
Lebest sonder Wanken gar,
Wird sie, die reine Gute,
Die minniglich Gemuthe,
Stetes Muthes an dir gewahr,
Kannst du's also bringen dar,
So kann sie, die Here,
Freude, Selde und Ehre
Dir fügen immermehre.

Nu klagest du aber den Boten dein,
Es soll ihm misseboten sein
Mit Schmähen also sehre,
Daß er seit nimmermehre
In keinen Stunden sider
Gewagt zu kommen wieder:
Das solltest du wohl nur mäßig klagen;
Um einen gar verzagten Zagen,
Laß dir's nicht wesen schwere,
Ich sage dir wohl eine Märe,
Daß derselben Boten sind
Brüder und Bruderkind
Wohl dreißig in dem Lande,
Daß man ohne Angest sandte
Ihr jeglichen über tausend Land,
Du hast ihn doch in deiner Hand,
Und mag er's selber hören wohl,
Ob ich's von ihm sprechen soll:
Der dir zu Boten rechte tog
Ist, der kein Wort noch log.
Noch auch lüget um ein Haar
Und sollt er leben tausend Jahr,
Denselben sollt du senden dar,
Und sage ihm deinen Willen gar,
Und doch nicht anders meh,
Denn wie dein Wille steh,
Ich meine den Willen in dem Herzen dein,
Dabei laß dir verboten sein
Lügen und Schmeichen,
Das pflegen die Muthes Weichen,
Damit sollt du nicht werben,
Du mußt fürwahr verderben,
Willt du der Guten lügen
Und sie mit Worten trügen.
Trügen? Warum sprichest du das?
Du weißt es wohl, und Niemand bas,
Wie sie mein Herze meinet
Und nach ihren Hulden weinet,
Wie nach Troste kleine Kind
Die dürftig und Waisen sind,
Wer die tröstet, der thut gut;
Nu bin auch ich mit sehnendem Muth
Und mit kümmerlicher Schwere,
Weiß Gott, viel waisenbere,
Und ist auch Niemand der mir sei
Mit Troste in meinen Schmerzen bei:
Vielleicht wär' es irgend wer,
Nur daß ich keinen Trost begehr
Von Niemand in der Welt meh
(Warum ich nimmer froh besteh)
Als nur von ihr, von ihrer einer Güte,
Sie eine mag mein Gemüthe
Trösten und enttrösten so,
Daß ich bin nimmermehre froh,
Oder immermehr an Freuden todt,
Erkennte aber sie die sehnende Noth,
(So recht erkenn' ich sie für gut)
Daß sie etwas aus süßem Muth
Mich tröstete in meiner Schwere,
Und wenn ich ein Heide wäre,
Sie müßte mich genießen la'n,
Daß ich sie aus all' der Welt han
Und auserwählt aus allen Frauen,
Daß ich ihr so ganz will vertrauen
Das Herze mein und all' den Leib
Sie reine Süße, selig Weib
Sie Fraue ob all' den Freuden mein,
Ließe sie mich ihren Waisen sein
Und tröstete mich an Waisen statt!
Weil mich aber Glückes Rad
Von hohem Muthe zucket
Und mich mit Sorgen drücket,
So bleibt nur dieses fort mein Los,
Es ist mein sehnender Kummer groß,
Waisen-Kummers Hausgenoß.

Also beraubt ihr, Minne, mich
Immerdar und so sorge ich
Wie ich ihr bewähre
Das rechte wahre Mähre,
Daß ich ihr ohne argen Sinn
So rechte gar einfältig bin,
Daß Wanken und Lügen
Schmeichen und Trügen,
Und was den Muth von Stete nimmt
Und gegen Frauen nicht geziemt,
Daß ich das nie gegen sie gewann:
Ich bin ihr treuer Dienstmann,
Des sende ich ihr ein treues Pfand,
Ich sende ihr aus meiner Hand
Meiner Finger einen,
(Und möcht' ich ihr bescheinen
Mein minnigliches Meinen bas,
So helfe mir Gott, ich thät das,
Der ist in ihrem Dienste verzehrt,
Mir ist der Wille viel unerwehrt,
Ich wolle ihr, weiß Gott, soll ich leben,
Viel mehre noch des Zinses geben,
Ich meine Gut, Herze und Leib,
Sie reine süße selig Weib,
Sie Frau ob all' den Freuden mein,
Sie müsse mir gnädig sein.
Der Finger, den ich habe gesandt
Aus meiner dienenden rechten Hand,
Der war zu Dienste ihr geboren,
Nu ist er in ihrem Dienste verloren,
Drum mag er sie wohl reuen,
Denn er hat ihr mit Treuen
Gedient bis an sein Ende,
Ich hab ihn aus meiner Hände
Ihr um anders nicht gesandt,
Denn daß er meiner Treue Pfand
Gegen sie immer mehr sei,
So daß ich alles Falsches frei
Gegen ihr sei dieweile ich lebe,
Und daß ich ihr die Jahre mein gebe
Zu Dienste immer sonder Wank,
Das ist mein Muth und mein Gedank
Mit Treuen immer sonder Krank.

Viel werthe Minne, nu bitt' ich dich
Um deine Tugend, daß du mich
Dir lassest wohl empfohlen sein
Gegen der viel lieben Frauen mein.
Nu fahr mit meinem Boten dar,
Und hilf ihm, daß er sich bewahr
Mit Fuge, mit Rede als er soll,
Du magst mir allda helfen wohl.
Wenn sie vernimmt den Boten mein,
So soll da so deine Hilfe sein,
Und soll aufschließen mir das Thor,
Da ich bin lange gewesen vor,
Und kann auch nimmer kommen drinn,
Mir helfe drinn dein gütlich Sinn,
Ich meine ihre Herze, das ist versparrt
Und vor mir mannichfalt bewahrt,
Da sollt du um mich kommen für,
Und schließ auf dir und mir die Thür,
Und hilfest du mir, Fraue, darinn,
Dein eigen ich da immer bin,
In dem Himmelreiche
Wäre ich gewißliche
So gerne nicht, das ist also,
Mein Muth müßte steigen immer hoch,
Sollte ich darinne Gesinde sein
In dem Herzen der Frauen mein,
So wär' ich alles des gewährt,
Das mir der Muth zu Freuden begehrt,
Ich wär' selig, ich wär' reich,
So lebte nicht Mannes mir geleich,
Ja ich will auf die Treue mein
Ihr immer darum dienend sein,
Daß sie mich in ihres Herzens Grund
Hause, mir ist fürwahr das kund,
Daß nie Herze so reines ward
Noch vor Wandel das bewahrt,
Denn ihr Herze wandelsfrei
Ihr ist so hohe Tugende bei,
Daß ich ihr Hulde immer begehr.
Nu hilf mir, Minne, daß sie mir gewähr
Ihre Hulde durch den Willen dein
Und auch durch den Dienst mein,
Der soll ihr immer stete sein. –

»Gut Ritter, Freund, glaube das,
Könnte ich dir wohl helfen bas
Als ich noch je half Rittersmann,
Der seine Dienste mir wandte an,
Das thät ich dir mit Treuen gar;
Da du mir dienest deine Jahr,
So will ich auf die Treue mein
Hinfahren mit dem Boten dein,
Zu deiner Frauen wandelsfrei,
Und will ihr nahe wesen bei,
Wenn dein Bot wirbet die Botschaft,
So will ich so mit meiner Kraft
Schließen auf ihr Herzensthor,
Du sollt nicht lange sein davor,
Wir wollen da Gesinde sein
In dem Herzen der Frauen dein.
Da finden wir Gesindes viel,
Des ich ein Theil dir nennen will,
Zucht und weiblich Güte,
Scham und gut Gemüthe,
Sanfte Sitt' weiblich Gelasse,
In allen Dingen rechte Maße,
Würdigkeit und Ehre,
Hoher Tugend Lehre,
Süße Grüße, göttliche Wort,
Liebliche Blicke, Freuden Hort,
Ich wäre an guten Witzen blind,
Wollte ich die Tugenden, die da sind,
Alle nennen sonderlich,
So wäre ich nicht wohl sinnenreich
Nicht mehr ich davon sprechen soll,
Ihr Herze ist aller Tugend voll,
Darinn soll'n wir Gesinde sein,
Ich und der Geselle mein,
Das kann sie nicht verweigern mir,
Ich helf uns drin dir und mir.« –
Viel süße Minne, nu lohn' dir Gott,
Daß du willst selber sein mein Bot,
Hin zu der lieben Frauen mein,
Das will ich immer dienend sein
Mit mannicherhand Ritterspiel,
Soll ich Euch beiden dienen viel,
Dir und meiner Frauen,
Man soll mich ofte schauen
In Euerm Dienst den Harnisch an,
Mit Treuen soll das sein gethan,
Was ich so minnegehrender Mann
Mit Leibe mit Gute dienen kann,
Den Dienst thu ich allezeit
Mit lauterlicher Stetigkeit,
Denn ich bin zu Dienste Euch geboren,
Und hab' zu Freuden Euch erkoren,
Das hat die Treue mein geschworen.

Da sie das Büchlein gelesen, sprach sie: Bote, was soll ich dir sagen? Mir thut das Sterben des Fingers weh, doch nicht aus Liebe zu deinem Herrn, sondern nur, weil er so spricht, er habe ihn durch meine Schuld verloren.« – »Als ich neulich von Euch schied, Frau, und ihm sagte, daß Ihr mir darum gehaß wäret, weil ich Euch gelogen, daß er um Euch seinen Finger verloren, da ging er alsbald von mir und bat einen Ritter. daß er ihm den Finger aus der Hand schlug.« – »Nun reite zurück und sage ihm, er möchte den Frauen nur noch das dienen, als da er den Finger noch hatte, den will ich hier in meiner Lade behalten, daß ich ihn alle Tage sehe; und sage ihm, höfischer Knabe, daß ich den Finger hier behalte, das thue ich nicht auf solchen Muth, als wenn ihm sein Dienst gegen mir auch nur um ein Haar helfen sollte, denn wenn er mir tausend Jahr diente, so wäre sein Dienst doch verloren.«

Mit dieser Rede kam er zu mir, und da ich diese Botschaft vernahm, hatte ich hohe Freude, daß sie meinen Finger dort behalten. Ich sprach zum Boten: ich muß darum von Herzen froh sein, denn wenn die Gute den Finger sieht, so muß sie doch an mich gedenken. Nun sollst du mir rathen, Bote, wie ich ihr wieder diene, daß es sie gut dünke, und gewiß thut sie mir aus ihrer Güte endlich noch Gnade. Ich sage dir, was ich erdacht habe. In der Weise einer Frauen will ich um sie nach Preis ringen, und so will ich mit Ritterschaft fahren von dem Meere bis nach Böheim, ich will mich aus dem Lande fortstehlen und meine Fahrt vor allen Leuten verbergen, und das soll in diesem Winter sein, als ein demüthiger Pilger will ich fahren, der um Gott nach Rom geht, dann zu Venedig so lange verborgen sein, bis des Maien Schein wieder kommt, und dort will ich mich bereiten, recht wie eine Königin soll, minnigliche Frauenkleid will ich anlegen, und nach St. Georgen Tage will ich mich am andern Morgen auf die Fahrt machen von dem Meer zu Meisters; welcher Ritter dann mit mir ein Speer versticht um seine Frauen, dem will ich ein Fingerlein von Gold geben, auf den Muth, daß er es der gebe, die ihm die Liebste sei. – »Herr, verendet Ihr die Fahrt an Leib und Gut glücklich, so wisset, daß nie Ritters Leib bas fuhr; es wird eine ritterliche Fahrt, nur sollt Ihr das wohl verhüten, daß Euch Niemand unterwegen kenne.« –

»Bote, ich will wohl die Fahrt so fahren, daß Niemand wissen soll, wer ich bin, ich will wie ein Weib gekleidet sein, und Niemand soll mich seh'n, denn ich will mich so verbinden, daß nimmer Jemand meinen bloßen Leib beschaut, mein Antlitz und meine Hände sollen ganz verborgen sein. Fahre du aber, Bote, zu meiner Frau und sage ihr, wie ich um sie fahren wolle, bitte sie, daß sie mir erlaube, ihr so zu dienen, wie ich den Willen habe.«

Der Bote fuhr zu meiner Frau, er erzählte ihr meine Fahrt und sprach: wenn Euch sein ritterlicher Dienst nicht behagt, so ist das groß Unbilde. Sie sprach: Bote, diese Fahrt ist ihm gut, er wird solchen Lohn d'rum haben, daß ihm die Biedern hold werden, wenn es ihm auch nicht gegen mich frommt, so ist es ihm doch löblich.

Der Bote kam mit Freuden zu mir zurück. Da fand er mich bei der Muhr zu Liechtenstein, ich freute mich als ich ihn sah und sprach: wohlgezogner Knabe, sage mir ob meine herzgeliebte Frau wohl ist, so bin ich fröhlich. Er sprach: sie ist schön und wohl und entbietet Euch, die Fahrt sei Euch gut, wenn sie Euch auch nicht gegen ihr zu statten kommt, sie ist Euch sonst löblich und ehrenreich. Ich war über diese Botschaft froh, daß ihr meine Fahrt gefiel. Ich war sehr bald bereitet zu der ritterlichen Fahrt, ich hub mich als ein Pilgrim vom Lande und nahm Tasche und Stab von einem Priester, als wenn ich wollte nach Rom fahren.


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