Ulrich von Lichtenstein
Frauendienst
Ulrich von Lichtenstein

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Neunzehntes Capitel.

Ulrich sendet wieder zu seiner Frauen.

Am andern Morgen zog im hohen Muthe mancher heim, ich ritt trauriglich von dannen. Da mein Bote mich so trauern sah, sprach der kluge, höf'sche, getreue: mich schmerzt es, daß ich Euch muß so trauern sehn. Ich sprach: viel lieber Freund, was soll sich mein Herze freuen? Meine Fraue hat mir durch dich so entboten, daß mein hoher Muth für immer nieder gelegen ist. Da sprach der Bote: Ihr sollt Euer Trauern sein lassen und an Freuden nicht verzagen, ich weiß nicht, ob Eure Fraue wahrlich auf Euch zürnt, oder ob sie Euch nur versuchen will, darum will ich Euch rathen, Ihr sollt es mich noch besser erforschen lassen, ob sie Euch haßt, oder ob es nur eine Verstellung sei, ich will es wiederum für Euch wagen. – »Bote, dir muß ich immer danken, du hast mir gerathen, um was ich dich nicht bitten dürfte; daß du dich über mich erbarmst, das lohne dir Gott. Du sollst der Guten sagen, daß, wenn sie mir gehaß ist, es ganz ohne meine Schuld sei, denn ich sei ohne Falsch gegen sie; wer Ihr anders gesagt hat, der hat mir Unrecht gethan, sage ihr recht meinen Muth, und wenn es dir gefiele so wollte ich wieder Lied von ihr singen.« – »Herr, es dünkt mich gut, wie Ihr ihr Eure Treue erzeigen könnt'«

Da hub ich von Herzen an, Lied von meiner Frauen zu dichten, daß ich ihr immer wollte mit Treue zugethan bleiben. Als ich die Lied gedichtet, schied mein Bote von mir und nahm die Lied geschrieben mit.

Ich ritt traurig von ihm nach einem Ort, wo mir viel Gemaches geschah, zu meinem lieben Gemahl, die mir nicht lieber sein konnte, wenn ich mir auch ein ander Weib zu meiner Frauen erwählt hatte. Zehn Tage blieb ich da und ritt dann nach Lichtenstein in sehnenden Kummer.

Als der Bote zu meiner Frauen kam, grüßte sie ihn und lachte ihn an und sprach: sage, wo ist dein Herr, hat er mich noch zu seiner Frauen erwählt? – »Ja, Frau, wie Ihr ihm auch thun mögt, er ist gegen Euch so treu und liebt Euch mehr als seinen eignen Leib, er ist ohne Falsch gegen Euch; als ich ihm Euern Zorn sagte, hat er so herzlich geklagt, wie ich es nimmermehr gesehen habe, er wollte zu Fuße als ein armer Mann aus dem Lande gehen und nimmermehr wieder froh werden, so sprach er mit Weinen, das Blut brach ihm von seiner Klage aus Mund und Nase, er wäre nie genesen, wenn ihm nicht Herr Heinrich von Wasserberg, der biedre Mann, mit seinem Troste geholfen hätte, sonst wäre er wahrlich todt.« – »Bote, du magst mir von seinem Sehnen und seiner Noth nichts sagen, denn mein Bote hat alles angesehen, was er that und was er sprach, den hatt' ich heimlich hingesendet, der stand draußen an der Wand und sah durch eine Luchen, was man that, auch des Thumvogtes Weinen und Klagen, und was der höf'sche Heinrich that, alles das weiß ich.« – »Da Ihr es, Fraue, alles wißt, so muß ich auch glauben, daß er Eure Huld hat, denn kein Mann hat niemals eine Frau so mit treuen Herzen geliebt, als er Euch thut.«

Sie sprach: er hat meine Huld, und ich bin ihm nicht gehaß, was er aber von mir zum Lohne haben will, dessen bleibt er ungewährt, das soll er nicht für übel haben, denn ich gewähre es nie einem Mann. – »Viel liebe Fraue, ich weiß, wenn ein Ritter von Euch Minnesold verdienen könnte, daß Herr Ulrich den mit ritterlicher Arbeit holte; er hat Euch Lied gesendet, die seinen Willen sagen, der Euch wohl bekannt ist, leset sie, Fraue, denn sie sind gut.«

Sie nahm den Brief, worin sie geschrieben waren, sie las ihn hier und dort, mit spielenden Augen, minniglich lächelte die Reine und war froh. So sprachen die Lied:

 
11) Eine Sing-Weise.
       

Viel sel'ge Minne hab' ich nur gethan,
Den Dienst, den deine Gewalt mir gebot,
So wende für mich deine Hülfe nun an,
Hülf, wenn du was könnest für sehnende Noth,
Daß die viel Süße noch tröste meinen Muth,
Die mich trauern thut,
Nun freut mich beide, ihr seid doch beide gut.

Ihr edeln Frauen, ihr viel reinen Weib,
Ich hab' geworben in meinen und Euren Dingen,
Daß Niemand meine mit Falsche Euren Leib
Das wünsche ich, und dabei ist mein Ringen,
Daß der viel Guten, der viel Werthen werde Schein
All' die Treue mein,
Das will ich immer besorgende sein.

Ich wünsche Euch Frauen, daß Ihr schöne lebt
Bei sehnender Liebe sonder schweren Muth,
Und mir zum Lohne den Wunsch wieder gebt,
Daß meine Hoffnung noch werde so gut,
Daß sie viel Liebe, die ich in dem Herzen trage,
Nach leichterlicher Klage
Mir fügen müsse viel fröhliche Tage.

Der Welt würde ich unwerthe, recht als ein Mann,
Der nie nach Ehren, noch Freuden rang,
Wenn ich jemalen wanke daran,
Daß ich ihr nicht bin schlicht und ohne Wank.
Mein Trost, meine Wonne, meiner Selden Kaiserein
Soll sie immer sein,
Das begehrt meine Treue und all das Herze mein.

Mich läßt nicht scheiden Ihr werth süßer Leib
Von meiner Treue, noch das Herze mein,
Mich kann untreue kein ander Weib
Ihr nimmer machen, drum muß sie mir sein
Vor allen Weiben, denn ihre Güte ist so gut,
Daß ich hohen Muth
Habe von ihrer Güte, wie sie mir auch thut.

Da sie die Lied gelesen, sprach die reine Süße: Geselle, du und dein Herr, ihr kennt beide der losen Worte viel; die Lied sind wahrlich gut, ich will sie behalten, nun reite zu deinem Herrn hin und sage ihm, daß ich ihn gerne sehe und wenn es sein möchte, so soll er sich und mich so bewahren, daß er auf der Hin- und Herreise nicht vermeldet werde; sage ihm meinen Rath, daß er als Aussätzer kann kommen Sonntags Morgens früh mit den Aussätzen; thut mir mit Klopfen Eure Ankunft kund, so sende ich Euch meinen Boten, und was der sagt, das thut heimlich. Er soll darauf nicht zu mir her kommen, daß ich ihn wolle zu mir legen; daß ich ihn gerne sehe, soll er nicht so deuten, daß ich ihn hie minnen wolle, ich erlaube es ihm nur darum, weil du sprichst, er habe mir so lange gedient, ich will ihn hier freundlich bitten, daß er mich Dienstes frei lasse. – »Fraue, ich sage ihm Euren Muth, gewiß kommt er zu Euch, er wird sich der Botschaft freuen, auch ist er wohl so gefüge, daß er kommt, wie er soll, in dem armen Kleid eines Aussätzigen, wie Ihr ihm befohlen habt.«

Damit schied der Bote und ritt hin, wo er mich gelassen hatte, da fand er mich leider nicht, da strich er nach mir umher Nacht und Tag, ohne daß er ruhte, so tugendlich war er, bis er mich endlich fand zu Lichtenstein. Am Freitag Abend ritt ich zu Felde, mir war leid, daß mein Bote nicht gekommen war, indem ritt er daher, da sprach mein Mund aus großen Freuden: da kommt mein Bote! der mag mir wohl gute Nachricht bringen. Ich ritt ihm entgegen und sprach: lieber Bote, du sollst mir willkommen sein, so gern hab' ich dich nie gesehen und ich vertraue, daß du mir gute Mähre bringst.

Mein Bote sah mich lächelnd an und sprach: ich nehme hie Euern Gruß nicht, ihr müßt zur Erden steigen und vor mir niederknien, ich habe eine Botschaft bei mir, die Eurem Herzen sanfte thut. Alsbald stieg ich vom Rosse und kniete willig vor ihm nieder auf die Knie, der höf'sche Bote ließ mich nicht lange, sondern sprach: steht auf, Herre, ihr mögt hohes Muthes sein, ich habe Euch gute Mähre gebracht.

Da wurde mein Herz froh, ich stieg auf mein Roß und sprach: lieber Bote, sag' mir die Mähre, ist mir meine Frau noch gehaß, oder will sie mir gnädig sein? – »Die Tugendreiche will Euch in kurzen Tagen gerne heimlich sehen, am Sonntage Morgens früh vor Essens Zeit, ein Steinhaufe liegt vor ihrer Burg, dahin sollt ihr heimlich kommen. Ihr sollt in schwacher Kleidung an eines bösen Aussätzigen statt zu ihr kommen und Euch wohl bewahren, daß ihr hin und zurücke nicht vermeldet werdet, darum sollt ihr Euch gut verhehlen; ihr sollt aber nicht auf den Wahn hinkommen, daß sie Euch wolle bei ihr liegen lassen, sie will Euch nur gerne sehen und minniglich mit Euch reden. – »Soll ich hinkommen am Sonntage früh, so fürcht' ich, das kann kaum geschehen, denn sie wohnt wohl vierzig Meilen von hier, wie sehr ich auch eile, mag ich schwerlich hinkommen, darum rathe mir.« – »Herre, es ist böse, daß ich Euch da nicht gefunden habe, wo ich Euch ließ, ich wähne, sie wird Euch wieder gehaß, denn die Frauen sind wunderlich, sie wollen, daß man immer ihren Willen thut; ihr mögt die Reise so schnell nicht machen, so wird sie Euch wieder gehaß und deutet es Euch als Trägheit, ich weiß Euch nicht zu rathen.« – »Gott gebe mir Glück: ich will mich auf die Reise heben, ich will versuchen, ob ich hinkommen mag, die Tage sind jetzt lang, man reitet an einem Tage viel, wir sollen nur einen Knecht mitnehmen, der verschwiegen ist, so sind unser nur drei, sechs Pferde nehmen wir mit und wir reiten sie alle zu Tode, oder wir kommen Sonntags noch hin.« – »Freund, Geselle, ihr mögt es versuchen, ich glaube aber nicht, daß es geschehen könne, daß ihr Sonntags früh hinkommt, uns wolle denn Gott beistehn.« – »Ich muß hinkommen, da sie es mir entboten hat, große Missethat wäre es, wollte ich nicht meine Selde versuchen, es muß Ende sein, oder ich sehe das werthe Weib.«


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