Ludwig Thoma
Satiren
Ludwig Thoma

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Monika

Neulich lese ich einmal eine so rührsame Feuilletongeschichte, wie zwei Leuteln zusammenkommen und nach allen möglichen Hindernissen und Schwulitäten auf zuletzt doch noch kopuliert werden. Hm!, denk ich mir und zünd mir eine frische Zigarre an, das ist schon wirklich nett von so einem Romanschreiber, wie er die Mädeln unter die Hauben bringt! Wie wär's, wann du's auch einmal probieren tätst? Ein bissel galant sein könnte nachgerad nicht schaden und vielleicht macht es einen guten Eindruck bei den Damen.

Ich geh also ans Werk und zermarter vierzehn Tag' lang meinen armen Kopf, wie ich es angehen möcht, eine rechtschaffene Liebesgeschicht zu schreiben.

Ich werd den Nazi mit einer Ehhalten verheiraten müssen, überleg ich mir; vielleicht mit der Ochsendirn? Sie hat nichts und ist bildsauber, er will sie partout haben, zerkriegt sich mit seinem Alten, wird sterbenskrank und müsst elendig zugrund gehen, wenn nicht im letzten Augenblick noch der alte Hofbauer ein Einsehen kriegen tät. Das Einsehen mach ich so, dass die Ochsendirn dem widerhaarigen Vater das Leben rettet, indem sie den Saubären, der ihn schon auf dem Boden unter sich hat, mit der Mistgabel versticht. In seiner Dankbarkeit bricht der Hofbauer in Tränen aus und segnet den Bund zwischen der Ochsendirn und seinem Nazi. –

Zwei Tag' lang hat mich das »Motiv« gefreut. Es war nicht ganz neu, aber sehr geeignet für die Damenwelt, die sich allemal freut, wenn in einem Roman ein armes Mädel zum Heiraten kommt; in der Wirklichkeit sind ja die Fäll' rar geworden. Aber wie es so geht, kaum hab ich mich hingesetzt zum Schreiben, sind schon die Bedenken gekommen. Ich stell mir den Nazi vor, wie er einer armen Dirn die Heirat antragt, und besinn mich hin und her, was oder wie er da reden tät. Und ich stell ihn mir vor, wie er dann todkrank im Bett liegt, nicht, weil er seinen Kirchweihrausch ausschlafen muss, sondern weil er aus unglücklicher Liebe sterben will . . . Da hört mit einem Schlag die ganze Phantasie auf und ich hab das Gefühl, als tät mein Verstand Karussell fahren.

Aber wenn unsereiner wirklich einmal eine Idee hat, dann trennt er sich halt doch schwer davon und deswegen hab ich jeden Tag darüber nachdenken müssen, ob ich denn gar keine romantische Dorfgeschichte zusammenleimen könnt.

Da kommt vor ein paar Tagen die Seilerbäuerin von Huglfing zu mir in meine Anwaltskanzlei herein und macht ein Gesicht, dass ich ihr gleich ankenn, es müsst ihr ein Prozess oder so was Ähnliches Not sein.

»Seilerin«, sag ich, »wo fehlt's?«

»O mei, Herr Dokta, bei mir feit's weit. Dös hoaßt, nöt bei mir, sondern bei ihr . . .«

»So? Wer ist denn nachher die ›ihr‹?«

»Ja, d' Monika, a meinige Tochter. Jetzt lassen S' Eahna verzähln, i tät um an Auskunft bitten. Sehgn S', er hat ihr 's Heiraten vasprocha, nachher hamm ma's notarisch gmacht und jetzt mog er nimmer.«

»Jetzt mag er nimmer? So, so, hm. Und warum mog er denn nimmer?«

»Ja, weil sie oanauget is.«

Einäugig? Fft! Das klingt ja ganz romantisch; sollte ich hier den Stoff zu einer Novelle gefunden haben? Famos!

»Seilerin, sag ich, die Gschicht musst mir gnau verzählen, du woaßt scho, de Ehesachen müssen akkurat aufgnommen werdn, sunst is' nix. Sag mir nur alles haarscharf und wie's gwesen is.«

Na, die Seilerin hätt keinen liebern Auftrag kriegen können; sie setzt sich recht breitlings auf den Stuhl, als wollt sie mir andeuten, dass sie so schnell nicht mehr aufstehen tät, dann streicht sie ein paar Mal über die Schürze und fängt an.

»Ja, am Antlasspfinsta is sie ums Brautringel gfahren; na, halt, da is' net ganga, da is' a Kuah krank worn, am Mittwoch is' 'nuntergfahren und da ham s' ausgmacht, dass s' miteinand nach Pfaffahofen zum Ringlkaafen gengan. Aba da hat er auf oamal gsagt, dös braucht's net, mi hamm ja no von der ersten Frau oan; er is nemli Wittiber und hat sechs Kinda; ja, und nachher hat er gsagt, du kannst dös alte Ringel hamm und ihre Riegelhauben kriagst aa glei. – No, wia'r er ihr dö Riegelhauben gibt, sagt er: Du bist ja gar oanauget? – Freili, sagt sie, indem dass mi vor drei Jahr da Ranner Michel mit der Heugabel gstochen hat. Hast du dös net ehender gneißt? – Wia soll denn i dös wissen, sagt er, da hamm de Heiratsmacher koa Wort net davo g'sagt. Und jetzt mog i di nimma! – Wennst mi nimma magst, sagt sie, nacha brauch i dei Riegelhauben aa net, hat s' gsagt: und hat die Riegelhauben an Tisch hinglegt. Und nacha is sie hoam. Ja, und nach zwoa Tag is er kemma durch dös, dass mi eahm gschrieben hamm, weil's do scho notarisch gmacht gwesen is. Wia 'r er bei der Tür rei is, hat er gsagt: No, was tea ma jetzt? Heiret mi oda heiret mi nöt? – Dös solltst jetzt do scho wissen, hat der Bauer g'sagt, indem dass d' Musi scho bstellt is und da Kammerwagen schon hergricht is. – Ja, hat er gmoant, dös hättn halt mi glei sagn sollen, dass sie oanauget is, nachher hätt's dös alles net braucht, und jetzt wisset er nicht, was er toa soll. – No, mi hamm eahm zuagredt, dass ihr sonst nie nix gfehlt hat, und es san do scho viele do gwesn, de wo wengen Heiraten gfragt hamm, und koana hat was vom Oanaugetsei gsagt; bloß dass 's Geld z' weni gwest is'. Und er als Wittiber mit sechs Kinda brauchet scho gar net so gschleckig sei. Auf z'letzt hat er si wieda bsunna und sagt: Jetzt waar's eahm gnetta gleich, weil er do scho mit ihr verkündt waar, und am Montag tat er s'heiratn. – Mi san ganz fidel gwesn, da is am andern Tag a Schreiben kemma, wo dringstanden is, dös waar koa Ehestand net, wo sie oanauget is und er nix woaß, und er möcht absolut durchaus gar nimma; mi solln zum Notari fahrn, zum Z'ruckprotokolliern. Ja, und jetzt taat i um Auskunft bitten, ob mi dös leiden müassen, Herr Dokta?«

»Mei liebe Seilerin«, sag i, »Sie haben die Gschicht zwar recht ausführlich erzählt, aber ich versteh, aufrichtig gsagt, die Sach noch lang net. Da müssen S' mir schon a paar Fragen erlauben. Zu allererst, wer is denn eigentli ›er‹?«

»Er? Wissen S', dös is da Schuastabauer vo Watschenbach, 's ganz Häusel voller Schulden und . . .«

»Halt, halt! Nur langsam! Passen S' auf, jetzt komm ich zu dem dunkelsten Punkt der Anklage, wia meine Herren Kollegen sagen, nämli, sagen S' mir einmal aufrichtig: Hat denn der Schusterbauer Ihre Tochter net früher angschaut? Hat er s' net angschaut, vor er anghalten hat?«

»Na, da hat er s' net gsegn. Wissen S', Herr Dokta, de Gschicht is a so gwesn. Vor a Monat a zwoa kimmt er zu mir in d' Kuchel und fragt, wo der Bauer is. Der is im Stall d'außt, sag i, warum, hast a Gschäft mit eahm? – Na, sagt er, aber reden muaß i mit eahm. – No, nachher is er in Stall naus und i hinter eahm drei. Bauer, sagt er, wie is'? I muaß heirat'n, wia viel kriagt enker Monika? – Zwoatausad, sagt da Bauer, und 's Protokollieren zahl i aa. – Zwoatausad, sagt er, gelt scho. – No, nachher is er wieda ganga. I hab'n no g'fragt aa, ob er mit da Monika net sprachen will. – Zu wos, sagt er, braucht's ja net, i bi scho z'frieden, beim Protokollieren kemma ma a so z'samm. No, uns is' recht gwesn und ihr is' recht gwesn und acht Tag drauf san ma zun Notari. Schaun S', Herr Dokta, gar nixen hätt's braucht, so schö waar's ganga, und jetzt kimmt er mit dera Dummheit. Er muaß eahm an anderne aufganga hamm . . .«

»Das mag sein, Seilerin, aber sagen S' mir doch um Gottes willen, hat er sie denn beim Protokollieren auch net angschaut?«

»I glaab net, oder er hat eahm so gnau net aufpasst. Er is nach'm Protokollieren gschwind furt, weil er no mehra Gschäfter ghabt hat, und is nimma kemma aa. Erscht acht Tag vor der Hozet hat er sagen lassen, sie soll abiroasen z'weng an Ringlkaafa. Ums Verkünden und ums Ausmacha von da Hozet hat er si überhaupts gar net kümmert, dös hat alles a seiniger Freund to, der wo eahm die Monika verraten hat.«

»Soo? Hm! Die Sachlage hätten wir also, Seilerin; jetzt brauch ich bloß noch zu wissen, was Sie eigentlich vom Schusterbauern wollen.«

»Ja, an Entschädigung will i. Und überhaupts möchtn mi wissen, ob er no z'rucksteh ko. Der Bauer sagt, dös gibt's net, weil dös koa ›gsetzlicher Fehler‹ net is.«

»Was is kein gsetzlicher Fehler?«

»'s Oanaugetsei! Der Landrichter vo Pfaffahofa hat's aa gsagt, wia'n da Bauer gfragt hat. Seiler, hat er gsagt, da hast schon Recht, sagt er. Ein gsetzlicher Fehler, sagt er, ist das ganz und gar durchaus nicht. Feit Eahna was, Herr Dokta?«

»Na, na, i hab bloß ein bissel Gsichtreißen, Seilerin«, sag ich und dreh mich um.

»Ja«, fahrt sie fort, »aba mi mögen gar nimma; dreihundert March muss er zahln und nacha is' aus. So viel Schaden ham ma ghabt mit der Aussteuer, dö muaß er zahln. San S' so guat und schreiben S' eahm an Briaf, und wann er net guatwillig mag, nacha klagn ma.«

»Is recht, Seilerin, ich will ihm schreiben, eine Entschädigung muss er auf alle Fäll' zahlen. Wir werden vorläufig schon sehen, was er sagt.«

»Ja, Herr Dokta, jetzt hätt i no a Frag. Wia is' denn, wann er wieda mog? Er hat zu sein' Spezi gsagt, wann er die Kosten alle zahlen müaßt, nacha heirat er s' liaba. Wie is denn dös?«

»Mei liebe Seilerin, da bin i überfragt. Das müssen S' mit der Monika ausmachen.«

»Moanen S'? No, mi werdn's nacha scho sehgn. Jetzt schreim S' eahm amol. 's Good, Herr Dokta!«

Ich werd das Romanschreiben doch lieber nicht anfangen.


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