Ludwig Thoma
Satiren
Ludwig Thoma

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Frau W. Käsebier an Frau Kommerzienrat W. Liekefett in Neukölln.

Firenze, 18 febbraio.

My Darling!

Was sagst du? Im Fluge von den blauen Wogen des Adriatischen Meeres hierher in das ewig schöne Firenze!

Ich bin so voll von übermächtigen Eindrücken, dass ich mich kaum zu sammeln weiß. Von der herrlichen Lagunenstadt riss ich mich nur mit blutendem Herzen los, denn was hier das Auge des Gebildeten erblickt und wovon hier die Seele zu träumen vermag, das ist unbeschreiblich!

Ja, du hast Recht in deinem lieben, herrlichen Brief, für den ich dir innigst danke, dass wir in Venezia gewissermaßen erst die Sehnsucht erkennen, die geheimnisvoll in uns schlummert.

Wenn man so in einer Gondel sitzt und lautlos durch die Lagunen gleitet, kommt man sich selbst vor wie eine Katharina Cornaro und man möchte an den Dogen, der hinter uns sitzt, ein Wort der Bewunderung richten.

Nur dass freilich mein husband die Illusion fortwährend durch seine Berliner Witze zerstörte.

Aber trotzdem, dieses Plätschern der Wellen, diese Palazzi mit ihren kühnen byzantinischen Formen, diese Rufe der Gondolieri wiegen uns immer wieder in Träume von der Vergangenheit.

Man denkt an den Kaufmann von Venedig und glaubt dem entsetzlichen Shylock begegnen zu müssen und man denkt an das entzückende Buch vom Tod in Venedig, von dem jetzt doch so viel geschrieben wird. Ach, Darling, wenn man mit Richard M. Meyer, der doch so unglaublich viel gelesen hat, über den Rialto wandeln dürfte und seinen Ausführungen lauschen könnte!

Zwar findet man ja alles im Baedeker, aber dennoch, weisst du, vom Standpunkt der höchsten Kultur aus den Geist der Geschichte beleuchtet zu sehen, das wäre der höchste Genuss und nirgends sehnt man sich mehr nach einer gleich gestimmten Seele als gerade hier.

Eigentlich sollte man glauben, dass die Leute, welche immer hier leben dürfen, von der alten Kultur vollkommen durchdrungen sein müssten, aber man erkennt nur zu bald, dass dieses Volk eigentlich so gar nichts weiß von dem hehren Geiste, der um diese Stadt gelagert ist, und dass es vollkommen stumpf im Schatten der wundervollen Palazzi seinem alltäglichen Leben frönt.

Du solltest unsern Richard M. Meyer einmal fragen, woher es kommt, dass ein Volk so gänzlich ohne höhere geistige Interessen zu leben vermag, welches doch früher auf einer ähnlichen Kulturstufe stand wie wir jetzt.

Es wäre doch sehr interessant, von ihm eine authentische Auskunft zu erlangen. Übrigens, Darling, sieht man hier sehr elegante Fremde und die neuen Frühjahrstoiletten sind direkt süß.

Die neue hohe Form der Hüte ist entzückend; viele sind aus schwarzem Moiré mit Phantasiegestecken. Und die Mäntel, Minchen!

Weißt du, futterlos mit breiten Vorderteilen, innen mit Leinenanlage, große, untergesteppte Taschen, und der Rücken nahtlos, oben mit schmaler, unten mit breiter Naht aufgesteppt!

Sie sind tipptopp und très, très chic!

Am 17. musste ich mich von Venedig losreißen.

Mit welchen Gefühlen, brauche ich dir nicht zu schildern.

Es war ein Traum!!!

Aber doch, wir gehen ja neuen Herrlichkeiten entgegen und hier in Firenze, in der Kapitale der Renaissance und Dantes, will ich erst recht in Kunst und Schönheit schwelgen.

Inviando a Lei una cordiale stretta di mano!

Was sagst du zu meinem Italienisch?

Tausend Grüße und Küsse

la tua, la tua!
Mathilde.

Der junge Silberstein soll doch ganz bestimmt pervers sein.

Jürgens haben es nun auch geschrieben. Und denke dir nur, wen sahen wir hier in Firenze als ersten Menschen? Ihn!! Den jungen Silberstein! Und Fritz sagt, nun sei es richtig.

Denn hier – Darling, man erzählt sich ganze Hardenbände von der deutschen Kolonie, und wenn wir erst mal wieder zusammen sind, geb ich dir Aufschlüsse – shocking – very – shocking!


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